Haushaltsrede 2021 - Stadt Singen

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E. Röhm
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Haushaltsrede 2021

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Häusler, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin
Seifried, meine Damen und Herren,

In unseren letzten Haushaltsreden war von Corona noch keine Rede. Seither hat sich
unser Leben deutlich verändert. Wir alle wurden von dieser Pandemie überrascht.
Wirklich alle? Nein, Wissenschaftler haben schon länger darauf hingewiesen, dass solche
Pandemien entstehen können und im Kleinformat gab es sie ja auch schon in den letzten
Jahren.
Die Wissenschaft warnt uns auch seit vielen Jahren vor dem Klimawandel. Auch hier
reagieren wir nur sehr zögerlich und je länger wir warten, desto einschneidender müssen
die Maßnahmen sein oder je stärker sind die negativen Folgen. Bei Corona profitieren
wir von den rasanten Entwicklungen in der Genetik und den Biotechnologien. In
sensationell kurzer Zeit wurden gleich mehrere Impfstoffe entwickelt.
Solche Technologiesprünge sind im Zusammenhang mit dem Klimawandel heute nicht
erkennbar. Wir müssen stattdessen existierende Techniken konsequent anwenden und
jeder einzelne muss über Verhaltensänderungen nachdenken.
Der Südwesten Deutschlands, also auch wir, ist vom Klimawandel besonders stark
betroffen und wir haben auf das Referenzjahr bezogen heute schon einen
Temperaturanstieg von fast 2 C. Im Pariser Klimaabkommen hat auch Deutschland
zugesagt, als globales Temperaturziel 1,5 C einhalten zu wollen. Daher besteht, vor
allem auch bei uns, großer Handlungsbedarf.
Wir sind sehr dankbar, dass unsere Umweltschutzstelle personell aufgestockt wurde. Das
muss sich in den kommenden Jahren aber auch in Ergebnissen messen lassen.

Sie, Herr Oberbürgermeister Häusler haben sich in Ihrer Neujahrsansprache und bei
anderen Gelegenheiten dazu bekannt, dass Singen, inklusive der Privathaushalte und der
Industrie, bis 2035 weitgehend klimaneutral werden soll. Wir finden das richtig und wir
werden Sie auf dem Weg dahin unterstützen. Damit das aber gelingen kann, brauchen
wir einen konkreten Fahrplan, der uns auch die konkreten Maßnahmen Jahr für Jahr
benennt. Deshalb muss unser Klimaschutzkonzept mit diesen Vorgaben schnell
überarbeitet werden.

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Aber natürlich werden wir das ohne ein größeres finanzielles Engagement nicht schaffen.

Damit komme ich zu unseren finanziellen Sorgen.

Finanzen, Gewerbesteuer
Durch die Corona Krise steigen die Schulden von Kommunen, Land und Bund stark an.
Auch wir erreichen mit den neuen geplanten Schulden eine noch vertretbare
Obergrenze. Wir werden als Gesellschaft bald darüber nachdenken müssen, wie wir
diese Lasten besser verteilen. Stichwort Zusammenhalt der Gesellschaft.
Es gab ja während der Haushaltsberatungen eine sehr intensive Diskussion, ob wir den
schon lange gewünschten und schon einmal beschlossenen Nordstadt Kindergarten doch
noch finanzieren können.
Aufgrund der sehr großen Unsicherheiten bei den Steuereinnahmen und dem ungewissen
Umfang der Zuwendungen von Bund und Land kann man sich heute nicht für so eine
Großinvestition entscheiden. Wir legen aber Wert darauf, dass wir Mitte des Jahres
unsere Finanzen und die Realisierung des neuen Nordstadt Kindergartens prüfen.
Klimaneutralität bis 2035, dreiteilige Sporthalle, neues Feuerwehrgerätehaus,
Hallenbad: das sind nur ein paar größere Projekte, die auf unserer Wunschliste stehen.
Wir müssen uns dringend Gedanken darüber machen, wie wir diese Projekte in Zukunft
stemmen können.

Mobilitätskonzept
Vor wenigen Wochen war unsere Klausursitzung zum Thema Mobilitätskonzept. Wir
fanden es gut, dass wir in großer Runde nochmals einige Themen diskutiert haben. Jetzt
muss aber dringend die Phase der Umsetzung kommen. Mit dem
Parkraumbewirtschaftungskonzept sind wir am weitesten und werden hoffentlich die
ersten Maßnahmen im März beschließen.
Auch für den Stadtbus brauchen wir bis spätestens Mitte des Jahres mögliche
Verbesserungsvarianten und deren Kosten, um noch deutlich vor dem Fahrplanwechsel
2021 mögliche Verbesserungen beschließen zu können. Durch die Umleitungen und durch
Corona haben wir viele Fahrgäste verloren. Die Verbesserungen sind auch deshalb
notwendig, um diese Kunden zurück zu gewinnen.

In der Corona Krise haben erfreulicherweise mehr Menschen das Fahrrad zur
Fortbewegung im Alltag entdeckt. Wir müssen diesen Trend weiter unterstützen, indem
wir noch ein paar zentrale Schwachstellen beseitigen. Zum einen sind das die Ost-

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Westverbindungen, bei denen wir durch die Umwidmung der Ekkehard- und
Freiheitsstraße in hoffentlich absehbarer Zeit neue Möglichkeiten haben werden.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Verbindung über die Güterstraße, wo es deutliche
Verbesserungen geben muss.
Aber auch viele kleine Verbesserungen, von denen es noch eine Menge gibt, steigern die
Qualität unseres Radwegenetzes.
Auch wir sehen das neue Parkhaus in der Bahnhofstraße kritisch. Unser Wunsch war es,
dass wir die Entscheidung erst während oder nach den Haushaltsberatungen treffen.
Dann wäre das Abstimmungsergebnis vielleicht anders ausgefallen.

Innenstadt
Lebendige Innenstädte steigern die Lebensqualität und die Attraktivität von Städten.
Damit das auch nach Corona so bleibt, ist es wichtig, dass viele Einzelhändler die
Pandemie überstehen. Deshalb der Aufruf an alle Singener Bürgerinnen und Bürger:
Nutzen sie die click und collect Möglichkeiten der Singener Einzelhändler und kaufen sie
auch wieder in Singen ein, wenn die Läden wieder öffnen dürfen.
Die Corona Krise nimmt einen Teil der Entwicklung hin zum Online Handel vorweg. Aber
je mehr wir jetzt an Leerstand bekommen, desto schwieriger wird es, die Lücken auch
mit anderen Nutzungen zeitnah zu füllen.
Damit unsere Innenstadt noch an Attraktivität dazu gewinnt ist es aus unserer Sicht
notwendig, den KFZ Verkehr dort weiter zu reduzieren. Es gibt weltweit viele Beispiele,
die diesen Zusammenhang aufzeigen.

Kultur
Alle sehnen sich danach, wieder Kulturveranstaltungen besuchen zu können. Das Corona
Jahr, mit nur sehr wenigen Kulturveranstaltungen, zeigt, wie sehr wir Kultur vermissen
und brauchen. Hier können wir nur hoffen, dass Kulturveranstaltungen bald wieder
zugelassen werden können.
Der Verlust der Scheffelhalle ist für viele Singenerinnen und Singener ein besonders
schwerer Verlust. Es besteht die Hoffnung, dass die Versicherung einen größeren Teil der
Wiederherstellungskosten trägt. Uns ist wichtig, dass es nach einem Wiederaufbau mehr
Nutzungsmöglichkeiten für Vereine und Bürgerinnen und Bürger gibt.

Wohnen, Bauen, Stadtbild
Im letzten Jahr und in den nächsten Monaten werden viele neue Wohnungen auf den
Markt kommen. Allerdings ist die Zahl der neuen geförderten Wohnungen überschaubar.
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Wir sind gespannt darauf, ob es die vielfach angesprochenen Sickerungseffekte gibt und
dadurch auch Wohnungen im preiswerten Segment frei werden.
Wir sind auch weiterhin der Meinung, dass die knappen Baugrundstücke effizienter
genutzt werden müssen und wir in jedem Neubaugebiet auch geförderten Wohnraum
realisieren müssen. Auch auf dem Scheffelareal können wir uns geförderten
Wohnungsbau gut vorstellen.
Gleichzeitig müssen wir den Anreiz für klimafreundliche Baustoffe wie Holz und
Recycling Beton, deutlich steigern. Ziel sollte sein, das schon bei den anstehenden
Projekten Scheffelareal und Nahversorgung Nordstadt umzusetzen und in Zukunft ganze
Wohnquartiere und Industriegebiete auf der Basis von energie- und CO2 optimierten
Baustoffen zu realisieren.
Wie soll die Innenstadt von Singen zukünftig aussehen? Eine Frage, die alle Bürgerinnen
und Bürger angeht. Wir haben als Stadt in der jüngeren Vergangenheit viel in die
Innenstadt investiert. Es ist uns wichtig, eine Balance zwischen Historisch und Neu zu
finden. Deshalb begrüßen wir den Entwurf einer Erhaltungssatzung, zur Bewahrung von
zwar nicht unter Denkmalschutz gestellten, aber städtebildprägenden Häusern und
Gebäuden. Sie wird hoffentlich in diesem Jahr verabschiedet.

Kinderbetreuung
Die Prognosezahlen für die Anzahl der gebrauchten Kinderbetreuungsplätze sind nicht
besonders zuverlässig. In den letzten Jahren haben wir diese Zahl immer überschritten.
Es ist konsequent und richtig, dass wir bestehende Einrichtungen erweitern und kleinere
neu schaffen. Der schon mal beschlossene Nordstadtkindergarten bringt, dadurch das der
existierende Bruderhofkindergarten dort einziehen soll, nicht ganz so viele neue Plätze,
aber die Qualität würde deutlich steigen und die Bruderhofschule würde stark entlastet.
Deshalb werden wir weiter für dessen Realisierung kämpfen.
Wir wollen eine ausreichende Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen nicht nur, weil es
einen Rechtsanspruch darauf gibt, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass es für
viele unserer Kinder wichtig und notwendig ist, eine solche Einrichtung zu besuchen.

Schulen
Corona hat unsere Defizite bei der Digitalisierung im Schulbereich offen gelegt. In 2021
müssen wir die Defizite in der digitalen Infrastruktur in unseren Schulgebäuden und der
Ausstattung der Schülerinnen und Schüler beseitigen.
Schulen sind mehr als Orte, an denen sich tagsüber unsere Kinder aufhalten. Wir müssen
sie in das Stadtleben besser einbinden, wie das z.B. schon durch Kooperationen mit der

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Stadtbücherei, der Färbe und der Gems geschieht. Da sehen wir noch Potentiale. Auch
beim Thema Jugendkomitee hoffen wir auf eine baldige positive Entscheidung.

Naturschutz
Der Verlust an biologischer Vielfalt kostet die Gesellschaft sehr viel Geld. Eine Studie im
Auftrag der britischen Regierung hat ergeben, dass „durch fehlgeleitete öffentliche
Gelder weltweit Schäden im Wert von vier bis sechs Billionen US-Dollar“ entstehen.
Wir haben im letzten Jahr einen weiteren wichtigen Schritt gemacht, indem wir die
Verpachtung von städtischen Wiesen- und Ackerflächen an ökologische Auflagen
geknüpft haben.
Wie müssen weiter aktiv bleiben, damit u.a. keine neuen Schottergärten entstehen und
vorhandene wieder verschwinden. Auch bei der zukünftigen Vergabe von
Gewerbeflächen müssen wir eine ökologische Freiflächengestaltung einfordern.
Die vergangen Trockenperioden und der Borkenkäfer machen es notwendig, dass wir
allein in städtischen Wäldern mehr als 100.000 Bäume nachpflanzen müssen. Hier haben
wir eine große Aufgabe vor uns.

Integration
Das Thema Integration ist in den Hintergrund gerückt. Dabei ist es eine Daueraufgabe in
einer Stadt, in der ein großer Teil seiner Menschen aus den verschiedensten Ländern
stammen. Diese gilt es weiterhin sprachlich zu integrieren, ihnen Arbeit zu beschaffen,
etc., aber sie auch in ihrer Identität kennenzulernen und zu integrieren - gute Beispiele
sind u.a. das Kulturfest von INSI, Singen ist bunt, ...
Auch bei Kulturveranstaltungen sollten Menschen aus allen Nationen angesprochen
werden, und es wäre wünschenswert, wenn sich in Zukunft im Stadtrat auch unsere
Bevölkerungsstruktur abbilden würde. Um das zu erreichen, müssen wir jetzt aktiv
werden.
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Der uns jetzt vorliegende Haushalt ist aus der Finanznot heraus geboren und hat uns
wenig Gestaltungsspielraum gelassen. Er entspricht in einigen Bereichen nicht dem, was
wir als Grüne als notwendig erachten, aber das kann er in diesen Zeiten vielleicht auch
nicht.

Unser Dank gilt an dieser Stelle all denjenigen, die im Gesundheitssystem und in den
Heimen arbeiten und durch die Pandemie sehr stark belastet sind. Den Dank können wir

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am besten dadurch ausdrücken, indem wir uns an die Corona Regeln halten, keine
Risiken eingehen, gesund bleiben und das Gesundheitssystem nicht mit einer Corona
Infektion belasten.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei der gesamten Verwaltung für die gute
Zusammenarbeit im letzten Jahr bedanken.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird dem Haushaltsplan für 2021 mehrheitlich
zustimmen.

Eberhard Röhm
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

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