"Bunt und queer" Verschiedene Lebensformen und Geschlechtsidentitäten als Themen und Herausforderungen kirchlicher Beratungseinrichtungen - BV-EFL
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„Bunt und queer“ Verschiedene Lebensformen und Geschlechtsidentitäten als Themen und Herausforderungen kirchlicher Beratungseinrichtungen Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin an der Universität in Mainz Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 1
Was bedeutet queer? Englisches Schimpfwort für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, und Inter* (LSBTI*) Personen Queer heißt wörtlich auf deutsch: quer, seltsam, schräg, pervers, verrückt. Seit den 80er Jahren des 20. Jh.: Umwandlung und Aneignung von LSBTI* in eine kreative und performative Ressource und stolze Selbstbeschreibung. Kritischer Analysebegriff gegenüber heteronormativer Kategorisierungen von Sexualität und binär reglementierter Geschlechtsidentitäten. Queer wird oft als übergeordneter Sammelbegriff für LSBTI* Personen verwandt. Gendersternchen*: Platzhalter für diverse nicht zweigeschlechtliche (non binäre) Geschlechtsidentitäten. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 2
Was bedeutet…? Cis: Sammelbegriff Menschen, die innerhalb der zweigeschlechtlichen Aufteilung der Geschlechtsidentitäten von männlich und weiblich leben. Trans*: Sammelbegriff Menschen, die jenseits der zweigeschlechtlichen Aufteilung (männlich – weiblich) empfinden und leben. Abweichung der geschlechtlichen Selbstverortung eines Menschen von körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Das Geschlecht von Geburt an entspricht nicht dem eigenen körperlichen Erleben. Inter*: Sammelbegriff Selbstbezeichnung für Menschen, deren genetischen, hormonellen und/oder körperlichen Merkmale keine Zuordnung zu männlich oder weiblich ermöglichen. Divers: Sammelbegriff weitere Geschlechtsbezeichnung neben männlich und Genderqueer: weiblich. ➢ nicht eindeutige Bezeichnung der Geschlechts- Nicht binär: identität (divers) und/oder einer nicht heterosexuellen Orientierung. nicht weiblich und nicht männlich; nicht zweigeschlechtlich zuordbar, uneindeutig (also inter*, trans*, genderqueer) Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 3
Was ist queere (Pastoral-)Theologie? Queer theologische Ansätze (queer Theory) Sind keine theologische Disziplin, sondern verschiedene interdisziplinäre und intersektional miteinander verbundene Forschungsperspektiven (im Blick: Dimensionen von Herkunft, Hautfarbe, Alter, Behinderung, Sexualität, Geschlechtsidentität). Subjekte der Theologie: Queere und queer freundliche Personen. Sie bedienen sich gesellschaftskritischer, poststrukturalistischer, feministischer und befreiungstheologischer Ansätze. Z.B. Biblische Theologie Biblische Geschichten werden auf queere Lebensgeschichten bezogen und umgekehrt. Geschichten werden „ge-queert“. Es entstehen Deutungs-Freiräume, die ermutigen und stärken können. D.h.: Es wird zwischen den Zeilen gelesen; Leerstellen und Zwischenräume werden sichtbar gemacht; Perspektivwechsel und Horizonterweiterung werden ermöglicht. Andeutungen im Hinblick auf uneindeutige Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten von Gott und den Menschen in biblischen Geschichten werden herausgearbeitet. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 4
Was ist queere (Pastoral-)Theologie Queer theologische Ansätze sind vorläufig und entwickeln sich prozesshaft weiter. Sexuelle Vielfalt und diverse Geschlechtsidentitäten werden nicht mehr verschämt gerechtfertigt, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt. „Clobber-Texts“, also die biblischen „Totschlagtexte“ zu Homosexualität (z.B. Lev 18,22; Lev 20,13; Römer 1, 26f.) werden als zeit-, kultur- und sozialgeschichtlich gebundene Texte wahrgenommen und exegetisch bearbeitet. Aber als moralische Richtschnur für gleichgeschlechtliche Partnerschaften im 21. Jh. werden sie aufgrund des hermeneutischen Abstandgebots (kein wörtliches Zitieren von Bibeltexten) abgelehnt. Wer eine queere Re-Lecture biblischer Geschichten nachlesen möchte: mein Buch ist eine Quelle. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 5
Biblisch-theologische Leitfiguren Gottesebenbildlichkeit aller Menschen ohne Vorleistung (Genesis 1, 27 f.) Exodus-Geschehen als Befreiungsgeschehen aus Sklaverei und Unterdrückung (Buch Exodus) Doppelgebot der Liebe (Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe) (Markus 12) Leib Christi, Einheit in Verschiedenheit, Vielfalt als Bereicherung in christlichen Gemeinschaften (1. Kor 12, Römer 12) Taufe (Galater 3,28), Taufe als Überwindung von Grenzen (Herkunft, Hautfarbe, Nationalität, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität). Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 6
These 1 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queere (LSBTIQ*) Personen gehören zum kirchlichen Leben dazu - genauso wie sie insgesamt zum zivilgesellschaftlichen Leben dazu gehören. Sie arbeiten haupt-, neben- und ehrenamtlich in pastoralen Diensten, pädagogischen, caritativen oder diakonischen Einrichtungen oder in den zahlreichen kirchlichen Beratungsstellen. Sie sind ein gleichwertiger Teil des Leibes Christi. Oft werden sie allerdings nicht als gleichwertige Mitglieder christlicher Gemeinden wahrgenommen oder anerkannt. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 7
These 2 Zahlreiche religiöse und/oder gläubige LSBTIQ* haben im Laufe ihres Lebens von kirchlichen Amtspersonen oder christlichen Gläubigen/Gruppierungen Ablehnung, Ausgrenzung, Häme, Herablassung oder sogar Gewalt erfahren. Diese spezifisch religiösen Diskriminierungserfahrungen kommen in der Regel zu allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierungserfahrungen hinzu. => Es sind spirituelle Gewalterfahrungen. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 8
These 3 LSBTIQ* christliche Menschen sind nicht nur Opfer von vielschichtigen Diskriminierungserfahrungen, sondern sie sind auch Subjekte und Expert*innen ihrer eigenen Lebensgeschichten. Daher ist „Story Telling“ (biografische Erlebnisse ohne Wertung erzählen lassen) in der Seelsorge- und Beratungsarbeit bedeutsam. Auch Jesus war ein großer „Story Teller“ Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 9
Hintergrund: „Identitätsbildung im Stress“ Prozesshaft, fließend, lebenslange Identitätsarbeit zwischen kulturellen und sozialen Identitätszuweisungen und persönlicher Identitätsaneignung und –gestaltung. Verschärfung in der Pandemie: Peergroups und Regenbogenangebote sind digital oder fallen aus, Familie ist oft Grund von Stress und Krise und kein sicherer Ort). Gesellschaftliche Ebene: Sozialisationsinstanzen (non- verbal, implizit, explizit) Gesellschaftliche • Erfahrungen vieler LSBTIQ* Zuweisungen und • Ich eigne mir soziale und familiäre ab Pubertät oder später: Rollenerwartungen Zuweisungen und Erwartungen an und • Du sollst „normal“ sein! füge mich ein • „Ich fühle mich anders“ • Ich lehne sie ab • Du sollst dicht nicht • „Ich gehöre nicht dazu“ absondern! • Ich gestalte sie um • „Ich passe nicht rein“ • Du sollst dich anpassen! • Ich eigne sie mir so an, dass ich mir • Ich muss mich anpassen selbst treu bleiben kann Verunsicherung, (sonst wirst du abgelehnt, Alleinsein ausgegrenzt, gehänselt…) Identitätsbildung Identitätssuche Persönliche Ebene Aneignung: Verbindung von individueller und gesellschaftlicher Ebene Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 10
Identitätsbildung zwischen Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeitsdruck Heteronormativität Zweigeschlechtlichkeit Heterosexualität als angeblich einzig Dualistisch (binär) geordnete legitime Form von partner- Kategorien: angeblich „natürliche“ schaftlichem Zusammenleben und oder Gott gewollte Ordnung von Sexualität männlich und weiblich Ideal: Reguliert und geordnet durch heterosexuelle Ehe und Kleinfamilie Nicht binäre Geschlechtsidentitäten (trans*, inter*, genderqueer*) werden Leitbild: Höherwertigkeit von als krank angesehen und abgewertet heterosexueller Ehe und Kleinfamilie Männliche – weibliche LSBTIQ* Lebensweisen und Geschlechtsidentitäten werden mit Sexualitäten werden abgewertet, als anders, krank, sündig oder best. Rollenvorgaben verknüpft: pervers dargestellt. männlich: aktiv, weiblich: passiv, etc. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 11
Wissen und Reflexion Um Stress bei der Identitätsbildung und Diskriminierungserfahrungen in der Beratungsarbeit einordnen zu können, ist ein Mindestmaß an Wissen über die Situation von lsbtiq* Menschen erforderlich. Dafür einige Selbstreflexionsfragen und Informationen zum Kontext: Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 12
Selbstreflexionsfragen Persönlich Welche Geschlechterrollenbilder sind für mein Leben prägend und wie nehme ich mich als Frau, Man oder divers wahr? Welche Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit sind für mich positiv besetzt und welche negativ? Setze ich mich mit meinen eigenen Vorurteilen gegenüber anderen Lebens- und Familienformen als der eigenen auseinander? Bin ich mir bewusst, dass ich von Ratsuchenden auch als weibliches/männliches/diverses Rollenmodell wahrgenommen werde? Weiß ich, wie ich mich verhalte, wenn Ratsuchende nach meiner persönlichen Lebensform und Geschlechtsidentität fragen? Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 13
Selbstreflexionsfragen Strukturell im Hinblick auf Beratungs- einrichtungen Trägt meine Beratungsarbeit dazu bei, unsere Einrichtung zu einem sicheren Ort zu machen, in dem sich Ratsuchende sicher vor Diskriminierung aufgrund ihrer Lebensform bzw. Geschlechtsidentität fühlen können? Wird Ratsuchenden deutlich, dass in unserer Einrichtung das gleichberechtigte Miteinander aller Lebensformen und Geschlechtsidentitäten angestrebt und gelebt wird? Gibt es in unserer Einrichtung ein Leitbild, dass eine inklusive, lsbtiq*-freundliche Willkommenskultur ausdrückt? Sind alle Berater*innen unserer Einrichtung sensibilisiert für die Erfahrungen nicht- heterosexueller und nicht cis-geschlechtlicher Ratsuchenden? Sind sie geschult im Hinblick auf Diskriminierungserfahrungen/lsbtiq*-Themen, Hat unsere Einrichtung Kontakt zu queeren Begleitung von Coming-Out-Prozessen/Transitionen? Netzwerken und Beratungsstellen? Ist allen bekannt, dass lsbtiq* Ratsuchenden spezifische Probleme und Ängste haben können? Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 14
Kontext: Homo-und Trans*-Feindlichkeit weltweit Einige Zahlen Regenbogenmadonna In sieben Ländern steht auf Homosexualität die Todesstrafe. In über 70 Ländern gelten „homosexuelle Akte“ als kriminell und werden mit Gefängnisstrafen geahndet. Trans*Identität wird in vielen Ländern pathologisiert oder kriminalisiert. Beispiel Polen: Homosexualität wird von Regierung und katholischer Kirche als sündig und als nicht gottgewollt angesehen. Über 100 Landkreise haben sich als „LGBT- freie Zonen“ erklärt. Anna, eine 29-jährige Büroangestellte hängte im April 2019 mit zwei anderen Plakate der „Regenbogenmadonna“(Gottesmutter von Tschenstochau) in der Stadt Plock an der Weichsel auf. Kopien davon tauchten auch in anderen Städten Polens und digital weltweit auf. Sie wurden wegen „Homosexuellenpropaganda“ und „Verletzung religiöser Gefühle“ im Januar 2021 vor Gericht gestellt. Mittlerweile ist sie freigesprochen Gottesmutter von Tschenstochau worden. als Regenbogenmadonna Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 15
Kontext: Rechtliche Entwicklung in Deutschland 1980: Transsexuellen Gesetz (TSG): Rechtliche Regelungen zur Geschlechtsangleichung; Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens (Personenstandsgesetz), hohe Hürden mit obligatorischer Therapie, therapeutischer Begutachtung und ärztlicher Genehmigung von Hormonbehandlungen und OP´s). 1994: §175 wurde abgeschafft. Es war der Paragraph, der gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen volljährigen Männern seit dem Reichsstrafgesetzbuch von 1872 kriminalisierte. 2001: „Lebenspartnerschaftsgesetz“ wurde eingeführt: „Ehe 2. Klasse“ mit allen Pflichten und wenig Rechten. Erst ein Ergänzungsgesetz sicherte Steuer-, Erbrecht und Auskunftsrecht im Krankenhaus, (Adoptionsrecht blieb verwehrt). 2017: „Ehe für alle“: Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ (§ 1353, Abs. 1 BGB). 2018: Möglichkeit, bei Intersexualität statt männlich oder weiblich „divers“ einzutragen. Wer nicht inter* ist, muss dies via TSG beantragen. 2021: Novellierung des TSG steht aus und wird vor der Bundestagswahl wohl nicht mehr verabschiedet werden. Forderung der Trans*-Netzwerke: Statt TSG ein Selbstbestimmungsrecht einführen. Aufhebung des TSG als Sondergesetz. Integration der notwendigen Regelungen in bestehendes Recht ohne therapeutische Gutachten, etc. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 16
Analyse: Minderheitenstressmodell „Minderheitenstress“ Modell nach Ilan H. Meyer (Williams Senior Scholar for Public Policy am Williams Institute der UCLA School of Law in Los Angeles). Das Modell besagt, dass Minderheiten und Angehörige von stigmatisierten Gruppen vermehrten Stressoren (strukturell und institutionell) aufgrund ihrer Minderheitenposition ausgesetzt sind. Dieser Stress ist vielschichtig (körperlich, emotional, spirituell) und zudem nicht nur ein situativer Stress, sondern einer, der viele ein Leben lang quält. Gewisse Stress- und Angstzustände können sich somit chronifizieren und die Lebensqualität der Betroffenen enorm einschränken. Er kann zu toxischem Selbsthass und/oder zu verinnerlichter Homo-/Trans*Feindlichkeit oder Homo/Trans*phobie bis hin zu Depressionen führen. Literatur: Der Stress der Minderheiten, David Prinz (Mitglied der Initiative Queer Nations e.V.), http://queernations.de/queer-lecture-ilan-h-meyer- rueckblick/ Prof. Ilan H. Meyer (*1956) Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 17
Diskriminierungserfahrungen =>„Minderheitenstress“ •Physische Gewalt (oder Androhung) •Bodyshaming (Aussehen ist nicht männlich bzw. weiblich genug) körperlich•Anpassungsdruck im Hinblick auf Ausstrahlung (Sex Appeal), Frisuren, Make Up, Rasieren, Kleidung, Körperhaltung, etc. •Verbot von gleichgeschlechtlichen Verliebtseinsgefühlen und Begehren Minderheiten- Seelisch/•Verbot gleichgeschlechtlicher emotionalSexualität stress •Anpassungsdruck im Hinblick auf männliche und weibliche Rollenzu- weisungen und Verhalten •Erklärung: Gleichgeschlecht-liche Liebe und Sexualität sind nicht gottgewollt, sind sündig, vom Teufel, pervers, etc. •Androhung von Hölle und Verdammnis spirituell•Druck zu Geständnis und Beichte •„Behandlung“: Von Dämonenaustreibung bis Konversionstherapien Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 18
Folgen: Minderwertigkeitsgefühle und „Gläserne Decken“ Schwierigkeiten in Schule, „Gläserne Decken“ Ausbildung und Studium im Berufsleben Herausforderungen rund um Coming-out Sexuelle Orientierung und nicht- und Transitionen führen zu Stress, Verunsicherungen, binäre Geschlechtsidentität sind Minderwertigkeitsgefühlen, offene oder versteckte „Karriere- Gefühlen von Schuld und Scham. Stopper“ Erhöhter Anpassungsdruck, Leistungsdruck Coming-Out und Transitionen sind und Erfolgsdruck können daraus resultieren. Hindernisse in vielen Unternehmen, Behörden, Organisationen und Widerstandsfähige und selbstbewusste (kirchlichen) Einrichtungen im Entwicklung in Schule, Ausbildung und Studium kann gefährdet sein. Hinblick auf Kann dazu führen, dass Leistungen Beförderung und Bezahlung beeinträchtigt werden, Abschlüsse schlechter ausfallen und sich Chancen für Exponierte Spitzenjobs Studienplätze, Ausbildungsgänge und Stipendien etc. verringern. Leitungs- und Managementaufgaben Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 19
Ein Beispiel spiritueller Diskriminierung Römisch-katholische Kirche Verbot der Wiederverheiratung Geschiedener Verbot der Segnung/Trauung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in katholischen Kirchen Verbot von gleichgeschlechtlichen Ehen und Trauungen für Personen im pastoralen Dienst und in Leitungspositionen der römisch- katholischen Kirche. Palazzo del Sant’Ufficio, Rom, Vatikan: Wir diskriminieren Sitz der Kongregation für die homosexuelle Menschen nicht, aber... Glaubenslehre Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 20
Glaubenskongregation: Nein zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare (15.03.2021) "Mit dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung" ist nur vereinbar, was "an sich darauf hingeordnet" sei, den Plänen Gottes für seine Schöpfung zu dienen. Daher ist es nicht möglich, "Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist.“ Auch wenn es in derartigen Beziehungen "positive Elemente" gibt, seien diese nicht geeignet, diese Partnerschaften zu "rechtfertigen". Problematisch sei in diesem Kontext auch der Zusammenhang der Segnung mit den Sakramenten, "weil sie in gewisser Weise eine Nachahmung oder einen analogen Hinweis auf den Brautsegen darstellen würde." Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 21
Reaktionen "Die Kirche ist dazu berufen, Menschen zu segnen. Sie ist nicht dazu berufen, Menschen, die darum bitten, den Segen Gottes vorzuenthalten." Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), in einer Pressemitteilung vom 15.03.2021. Thomas Sternberg (*1952) Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 22
Reaktionen Bild: Hochschulpfarrer Burkhard Hose (*1967) und ein schwules Paar, dp photography Widerstand gegen Rom: Mehr als 3000 Theolog*innen, Priester, Ordensleute, Seelsorger*innen, sowie Pastoral- und Gemeindereferent*innen kritisieren das Segnungs-Verbot des Vatikans und sprechen sich für Segnungen aus: Am 10. Mai ist deutschlandweit ein Segnungsgottesdienst für alle geplant. #mehrSegen #loveIsNoSin Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 23 #pastoralerUngehorsam
Reaktionen „Kann ich als Bischof einen Segen rückgängig machen? Will ich derart viel zartes Porzellan bei glaubenden Menschen zerbrechen? (…) Seelsorgerinnen und Seelsorger haben Menschen begleitet und über das Gute ihres Lebens den Segen gesprochen. Nein, ich plädiere nicht für eine Segensform, die einer Trauung ähnlich ist. Aber ich plädiere für eine Begleitung - anstatt zu urteilen. Und ich plädiere dafür, mit den „nicht wenigen“ (…) Betroffenen zu reden – und nicht über sie - und bei ihnen zu bleiben“. Weitere Literatur zum Thema: „Globally, more and more Catholics in ministry object to Vatican`s ban on same-gender blessings“, in: New Ways Ministry (9.04.2021), https://www.newwaysministry.org/2021/04/09 /globally-more-and-more-catholics-in-ministry- object-to-vaticans-ban-on-same-gender- blessings/ Mainzer Bischof Peter Kohlgraf (*1967) Heribert Prantl, Sex und Segen, in: Süddeutsche Zeitung (9.04.2021), https://www.sueddeutsche.de/meinung/vatika n-lgbtq-bibel- 1.5259857?fbclid=IwAR2DB9FM_dFK0x3Kc5ouWr OQUv8V677gzTf1jX0TKZd-M37ezrZ750_5ALY Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 24
Klare Positionierung in den sozialen Medien #LoveIsNoSin #pastoralerUngehorsam #mehrSegen #loveIsLove #allarewelcome Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 25
Queer- und minderheitensensible Seelsorge und Beratung Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 26
Queer- und minderheitensensible Seelsorge und Beratung Über eigene Vorurteile und Vorbehalte reflektieren Sich über eigene Erfahrungen im Privatleben und im Beratungssetting klar werden Information und Aufklärung: Wissen über Thematik aneignen Persönliche und inhaltliche Haltung finden Verhalten überprüfen und ggf. ändern Zuhören, sich Zeit nehmen, sichere Räume schaffen Wertschätzen Respekt zeigen Queere Ratsuchende als Expert*innen ihrer Lebensgeschichte und ihrer Ressourcen ansehen und ernst nehmen Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 27
Queer- und minderheitensensible Seelsorge und Beratung „Faithspace must be safe space!“ Nothing about us without us! => Gespräch mit Betroffenen suchen Deren Erfahrungen ernst nehmen Ihren (Lebens-)Geschichten zuhören Nicht über sie reden! Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 28
Folgen für queer- und minderheitensensible Beratungsangebote Berater*innen/Seelsorgende sind sich der mehrfachen Stressbelastung von Minderheiten im allgemeinen und von queeren Menschen im Besonderen bewusst. Sie nehmen ihre Belange ernst, respektieren sie, so wie sie sind, begleiten sie professionell und überweisen sie gegebenenfalls an Beratungsstellen, die schwerpunktmäßig mit queeren Menschen oder anderen stigmatisierten Gruppen/Minderheiten zusammen arbeiten. Sie erkennen, dass queere Personen ein erhöhtes Risiko mit sich tragen, aufgrund von Ausgrenzung, Mobbing und anderen Diskriminierungserfahrungen „Minderheitenstress“ erlitten zu haben/zu erleiden schlechter ausgebildet zu sein, Karrieren nicht ohne gläsernen Decken nachgehen zu können ins soziale Abseits und damit in Armutsfallen zu geraten; bei Trans*Personen: den Job während/nach Transitionen zu verlieren. Das kann zu langfristiger Erwerbslosigkeit führen. Nicht wenige zwingt es zur Prostitution. anfälliger für Suchtmittel, Selbsthass/ auto-aggressives Verhalten, Suizidversuche oder ähnliches zu sein. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 29
Seelsorge und Beratung Rahmen sichern und Rituale pflegen Ernst nehmen und wertschätzen Sicherheit geben Prioritäten setzen und Pausen lassen Erfahrungen (ressourcen- und potenzialorientiert) ermöglichen Kommunikation fördern Tempo rausnehmen Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 30
Themen von queersensibler Beratung/Seelsorge allgemein kirchlich Coming out Coming out und/oder Transitionen im sexuelle und geschlechtliche Identität kirchlichen Kontext Begleitung von Transitionen Beratung hinsichtlich der „Clobbertexte“ Kinderwunsch und Regenbogenfamilien =>biblische Hermeneutik Probleme im sozialen Umfeld (Eltern, Schule, Probleme als LSBTIQ* im Kontext von Freundeskreis, Arbeits- und Ausbildungsplatz) Kirche als Arbeitgeberin Diskriminierung, Mobbing Diskriminierung, Mobbing, spirituelle Lebenskrisen Gewalterfahrung im kirchlichen Kontext LSBT*I im Alter Paar- und Beziehungskonflikte vor dem Liebe, Sexualität, Paar- und Beziehungskonflikte Hintergrund kirchlicher Morallehre Hinweise auf weitere Beratungs- und Angebote von Ritualen/Segensfeiern im Therapiemöglichkeiten sowie auf kirchlichen Kontext Selbsthilfegruppen Queersensible Seelsorgeangebote Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 31
Seelsorge/Beratung bieten an Zuhören und ernst nehmen Aushalten und da bleiben Resonanzräume öffnen Ermutigen und stärken Krisen und Veränderungen begleiten Ressourcen und Potenziale erkennen, aktivieren und stärken Umfeld identifizieren und unterstützende Personen und Systeme erkennbar machen Weiter vermitteln, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 32
Ziele Ziel ist es, ein Stück Weg miteinander zu gehen, die Ratsuchenden bei Klippen und Hindernissen zu begleiten und die befreiende Botschaft des Evangeliums erfahrbar zu machen. ein biblisches Wort, ein Gebet, ein Psalmwort, eine biblische Geschichte oder ein Ritual, das zum Thema in den Sinn kommt, ins Spiel zu bringen und Perspektiven zu erweitern. Freiräume zu eröffnen ohne dogmatische Belehrung. Gottes Zuspruch erlebbar zu machen. Respekt und Wertschätzung auszudrücken und Gottes Liebe weiter zu geben, die den Menschen von Gott zuerst geschenkt worden ist, ohne dass jemand dafür etwas tun musste. Eigene Potenziale und Ressourcen zu stärken (Empowerment und Ermutigung). Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 33
Schlussfolgerungen Queere Seelsorge-/Beratungssuchende werden uneingeschränkt und ohne Vorleistung als Ebenbilder Gottes angesehen, wie alle anderen auch. Ihre Würde und ihre Einmaligkeit wird respektiert und nicht manipuliert. Das bedeutet: achtsam das Anliegen des Gegenübers anhören und gemeinsam klären, worum es geht, ohne Rezepte an die Hand zu geben. Die Erfahrungen und Lebensgeschichten der Ratsuchenden anhören und als Ressourcen wahrnehmen. Es ist wichtig, die Ressourcen und Begabungen der Ratsuchenden für die Veränderung der Situation zu nutzen bzw. sie dabei zu begleiten und zu ermutigen, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten und Potenziale einsetzen können und ihr Queersein nicht als Defizit oder Makel ansehen. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 34
Ressourcen- und Potenziale aktivieren Zudem ist die wertschätzende Arbeit mit den Ressourcen und Potenzialen wichtig, die den Ratsuchenden/Seelsorgesuchenden zur Verfügung stehen oder die geweckt werden können. Auch Zeit, Ort und Rahmen des Beratungsgesprächs müssen verabredet werden. Ebenso sollten die Grenzen des Beratungs-/Seelsorgegesprächs benannt werden. Ratsuchende/Seelsorgesuchende mit starken psychischen Problemen oder Traumata müssen zu Psychotherapeut*innen oder zu Fachberatungsstellen weitervermittelt werden. Dafür braucht es Wissen über die verschiedenen Beratungsangebote, kollegialen Austausch und angemessene Zusammenarbeit in den Situationen, in denen es sinnvoll erscheint. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 35
Queere Personen als „Ressource Persons“ für queersensible Seelsorge und Beratungsarbeit Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 36
Zum Schluss eine Vision: Ein inklusives „Paradies“ Bosse: „Das Paradies“ Zum Nachhören und Sehen: https://youtu.be/4_16Ig-ZSQY Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 37
Bosse, Das Paradies: Lyrics Es gab dort genug für alle Das war das Paradies, Paradies, Und alle waren sich genug Paradies Keine Depressionen und kein In meinem Traum Selbstbetrug Ich war im Paradies, Paradies, Paradies Niemand musste dort im Mittelmeer Bitte weck mich nicht auf ersaufen Niemand schlief im Winter auf Asphalt Da war's ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt oder einsam war Ich sah nicht einen Patriarchen, Da war's genial, weil einfach niemand der Scheiß war vorbei ein Arschloch war Kein Bodyshaming, noch Hetze und Gewalt Ich sah LGBTQs Keine Schubladen, alle Chancen waren Rabbi und Imam gleich Priester und Freaks Die Leute dort waren glücklich und nice Zusammen Grillen aufm Rasen Am Eingangstor stand Peace Kein arm, kein reich Komm rein und genieß Mann, Frau, Geld gleich Die Luft dort war klar Auf dem Planet, der einsam um die Der Himmel türkis Sonne kreist. Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 38
Bosse, das Paradies, Lyrics Das war das Paradies, Paradies, Paradies Niemand war fertig In meinem Traum Da war null Frust Ich war im Paradies, Paradies, Paradies Keine aufgestaute Wut Bitte weck mich nicht auf. Die jemand abbekommen muss Dort zählte nicht wo man herkam oder wie man Da war's ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt aussah oder einsam war Sondern was man tat Da war's genial, weil einfach niemand ein Arschloch war Am Eingangstor stand Peace Und du warst zurück bei mir Komm rein und genieß Und alles war vergeben Und lieb, wen du liebst Wir mussten vor Freude heulen Das Licht war wie schweben Das war das Paradies, Paradies, Paradies In meinem Traum Da war's ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt Ich war im Paradies, Paradies, Paradies oder einsam war Bitte weck mich nicht auf Das war genial, weil einfach niemand ein Arschloch war Da war's ideal, weil einfach niemand verloren, Das war das Paradies, Paradies, Paradies kaputt oder einsam war Ich war im Paradies, Paradies, Paradies Da war's genial, weil einfach niemand ein Arschloch war Da war's ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt oder einsam war Da war's genial, weil einfach niemand ein Arschloch war Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 39 Quelle: LyricFind
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen, Kommentare, Diskussionspunkte Dr. Kerstin Söderblom, Hochschulpfarrerin, ESG Mainz 4/27/2021 40
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