CAR-T-Zelltherapie: Empfehlungen zum Therapiemanagement aus der Praxis - Gilead Medical Hub
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CAR-T-Zelltherapie: Empfehlungen zum Therapiemanagement aus der Praxis Genetisch modifizierte T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T-Zellen) erzielen hohe Ansprechraten und teils dauerhafte Remissionen bei Patienten mit refraktären/rezidivierten hämato-onkologischen Erkrankungen. Sie können jedoch mit schwerwiegen- den Nebenwirkungen wie dem Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) und dem Immuneffektorzell-assoziierten Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) einhergehen. Ein adäquates Nebenwirkungsmanagement, das ein engmaschiges Monitoring, die genaue Beurteilung und ent- sprechende Behandlung beinhaltet, macht diese Komplikationen handhabbar. Genetisch modifizierte CAR-T-Zelltherapien stellen einen in- ZUMA- 1-Studie [9, 10]. Aus der pivotalen ZUMA-1-Studie novativen, potenziell kurativen Ansatz für Patienten mit hä- waren Patienten mit einer aktiven Infektionen mit dem huma- matologischen Neoplasien dar. Die Behandlung basiert auf nen Immundefizienzvirus (HIV), einer aktiven Hepatitis-B- patienteneigenen T-Zellen, die nach genetischer Modifizierung Virus (HBV)- bzw. Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion und mit einen chimären Antigenrezeptor (CAR) zusätzlich zum physio- sekundären Metastasen im Zentralnervensystem (ZNS) ausge- logischen T-Zell-Rezeptor (TCR) exprimieren. Seit 2018 sind schlossen. Mittlerweile gibt es zur Behandlung dieser Patienten zwei CAR-T-Zelltherapien zur Behandlung von rezidivier- publizierte Fallbeispiele, in denen erste Hinweise auf die Sicher- ten oder refraktären (r/r) Erkrankungen des lymphatischen heit und Wirksamkeit von Axi-Cel beschrieben werden [11–15]. Systems in der Europäischen Union (EU) zugelassen: Diese Daten weisen darauf hin, dass z.B. eine Hepatitis-Vorge- • Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-Cel) wird angewendet zur Be- schichte kein grundsätzliches Ausschlusskriterium für die Be- handlung von erwachsenen Patienten mit r/r diffus großzel- handlung eines Pateinten mit CAR-T-Zellen darstellen muss, ligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und primär mediastinalem wenn eine Viruslast nicht mehr nachweisbar ist. Da Axi-Cel großzelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL) nach 2 oder mehr ein gegen CD19 gerichtetes Arzneimittel ist, das die humorale systemischen Therapien [1]. Immunantwort durch eine daraus resultierende B-Zell-Aplasie • Tisagenlecleucel (Tisa-Cel) wird angewendet zur Behandlung beeinträchtigt, besteht das Risiko einer HBV-Reaktivierung, die von: in manchen Fällen zu schweren Verläufen führen kann. Vor der --Kindern, Jugendlichen und jungen erwachsenen Patienten Leukapherese für die Herstellung von Axi-Cel ist ein Screening im Alter bis einschließlich 25 Jahren mit r/r (Rezidiv nach auf HBV, HCV und HIV durchzuführen [1]. Transplantation oder zweites oder späteres Rezidiv) akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL). Aufgrund der Behandlungserfolge laufen aktuell zahlreiche -- erwachsenen Patienten mit r/r DLBCL nach 2 oder mehr klinische Studien zur CAR-T-Zelltherapie und es werden zeit- Linien einer systemischen Therapie [2]. nah weitere Zulassungen erwartet. So steht mit Lisocabtagene Maraleucel (Liso-Cel) eine weitere CD19-spezifische CAR-T- Bei diesen Therapien richtet sich die antigenspezifische Domä- Zelltherapie zur Behandlung des r/r DLBCL kurz vor der Zu- ne des CAR gegen das B-Zell-Antigen CD19. Während hämato lassung, wobei hier das Produkt aus einer CD4/CD8-CAR-T- poetische Stammzellen dieses Oberflächenprotein nicht expri- Zell-Mischung im Verhältnis 1:1 besteht [16]. In einer Phase- mieren, findet es sich auf über 95% der malignen B-Zellen bei II-Studie zur Wirksamkeit einer CD19-CAR-T-Zelltherapie Patienten mit ALL und Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) [3]. beim Mantelzell-Lymphom erreichte der Großteil der Patienten eine dauerhafte Remission [17]. Neben den gegen CD19 gerich- CD19-CAR-T-Zelltherapien erzielen vielversprechende Be- teten Therapien werden weitere CAR-Konstrukte mit anderen handlungserfolge mit beispiellosen Ansprechraten im r/r Set- Zielantigenen untersucht, beispielsweise ein gegen das B cell ting und teils dauerhaften Remissionen. So erreichen 40–54% maturation antigen (BCMA) gerichteter CAR zur Behandlung der Patienten mit r/r DLBCL eine komplette Remission [4, 5]. des r/r multiplen Myeloms [16]. Zudem befinden sich zahlrei- Bei ALL-Patienten liegen die Remissionsraten bei bis zu 81% che CARs zur Behandlung solider Tumoren in klinischen Prü- [6]. Mit einem medianen Follow-up von mittlerweile über 3 fungen [18]. Jahren (Abb. 1) und einer Nachbeobachtungszeit in Einzelfäl- len von mehr als 10 Jahren zeichnet sich zudem ab, dass die Die CAR-T-Zelltherapie stellt das Behandlungsteam jedoch auch Remission bei einem großen Anteil der DLBCL-Patienten dau- vor die Herausforderung, mit neuen, immunvermittelten Neben- erhaft ist [7]. wirkungen umzugehen, wie dem Zytokin-Freisetzungssyndrom (cytokine release syndrome, CRS) und dem Immuneffektorzell- Die Wirkung und das Nebenwirkungsprofil der Therapie assoziierten Neurotoxizitätssyndrom (immune effector cell-asso mit Axi-Cel sind in den Analysen des Real-World-Settings ciated neurotoxicity syndrome, ICANS). Die Behandlung von vergleichbar mit den Ergebnissen der zulassungsrelevanten Patienten mit CAR-T-Zellen ist daher Zentren vorbehalten, die Beilage zu Band 43, Heft 11, November 2020
neration. CAR der dritten Generation enthalten 2 100 3 Jahre nach Axi-Cel-Gabe sind 47% kostimulatorische Domänen und werden derzeit der DLBCL-Patienten am Leben in klinischen Studien geprüft [22]. In der Erfor- 80 schung befinden sich CAR-T-Zellen der vierten Generation. Diese auch als TRUCK (T cells redi- 60 rected for antigen-unrestricted cytokine-initiated OS, % killing) bezeichneten T-Zellen sind zusätzlich so 40 genetisch modifiziert, dass sie nach CAR-Bin- dung transgene Zytokine wie Interleukin (IL)-12 20 oder IL-18 freisetzen. Dadurch soll eine unzurei- chende Zytokinproduktion und -freisetzung der 0 Medianes OS = 25,8 Monate (95%-KI, 12,8 – nicht auswertbar) CAR-T-Zelle nach Bindung an das Zielantigen kompensiert werden [23]. 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 Zeit, Monate CAR-T-Zell-vermittelte Nebenwirkungen Gefährdete Patienten 101 97 93 80 74 69 61 60 54 53 53 51 51 50 50 50 50 50 47 30 18 7 1 0 (zensiert) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (0) (17) (29) (40) (46) (47) Die im Zusammenhang mit der CAR-T-Zellthe- rapie besonders zu nennenden Nebenwirkun- Abb. 1. Kaplan-Meier-Kurve für das Gesamtüberleben (OS) bei Patienten mit r/r DLBCL gen sind CRS und ICANS. Zudem können nach Axi-Cel-Therapie; modifiziert nach [8]. KI: Konfidenzintervall. CD19-spezifische CAR-T-Zellen zu Zytopeni- en, Infektionen, B-Zell-Aplasie mit sekundärer Hypogammaglobulinämie, Infusionsreaktionen eine umfassende Erfahrung im Nebenwirkungsmanagement von oder einem Tumorlysesyndrom führen [24]. Eine frühzeitige zellulären Krebstherapien sowie einen direkten Zugang zu einer Erkennung, genaue Beurteilung und Behandlung machen die Intensivstation aufweisen. Um kommerzielle CAR-T-Zellthera- Nebenwirkungen bei den meisten Patienten jedoch gut hand- pien anwenden zu dürfen, müssen die Zentren zudem hersteller- habbar und führen dazu, dass diese größtenteils reversibel sind. spezifische Qualifizierungsprogramme durchlaufen. In Deutsch- land stehen mit Stand Februar 2020 an 27 Zentren kommerzielle Zytokin-Freisetzungssyndrom CAR-T-Zelltherapien zur Verfügung [19]. Ein CRS jeglichen Grades tritt bei 35–93% der behandelten Patienten nach einer CAR-T-Zelltherapie auf [25]. Die Varianz Wirkprinzip der CAR-T-Zellen erklärt sich unter anderem dadurch, dass in verschiedenen Stu- dien unterschiedliche Kriterien der Schweregradeinteilung des Die kommerziellen CAR-T-Zelltherapien basieren auf autolo- CRS herangezogen wurden (vgl. «Grading-Systeme: Einteilung gen T-Zellen. Nach Entnahme mittels unstimulierter Leuka- der Schweregrade von CRS und ICANS»). pherese werden die T-Zellen mittels eines viralen Vektors ge- netisch so modifiziert, dass sie auf ihrer Oberfläche zusätzlich Als Risikofaktoren für ein hochgradiges CRS gelten eine hohe zum physiologischen TCR einen chimären Antikörper (den Tumorlast bei ALL und NHL, ALL als zugrunde liegende Er- CAR) exprimieren. Dieser CAR besteht aus 4 Teilen: der extra- krankung, Thrombozytopenie und eine endotheliale Aktivie- zellulären, antigenspezifischen Domäne, einem Linker (hinge), rung vor der CAR-T-Zelltherapie. Weiterhin können eine hohe einer Transmembrandomäne und einer intrazellulären Sig- CAR-T-Zell-Dosis, eine hohe T-Zell-Expansion in vivo, ein frü- naldomäne, die sich vom TCR ableitet. Sobald die extrazellu- hes Auftreten von CRS nach T-Zell-Gabe sowie eine lymphode- läre Domäne, die der Einzelkette eines Antikörpers entspricht pletierende Therapie mit Fludarabin und Cyclophosphamid das (single chain variable fragment, scFv), an das Antigen der Ziel- Risiko für ein schwergradiges CRS erhöhen [26–28]. zelle bindet, vermittelt die TCR-Domäne die Aktivierung der CAR-T-Zelle. Die so eingeleitete Immunantwort führt schließ- CRS manifestiert sich meist innerhalb der ersten Woche nach lich zum Absterben der das CD19-Zielantigen tragenden Zel- der Gabe der CAR-T-Zellen [29]. Pathophysiologisch liegt dem len. Im Vergleich zu physiologischen TCR erfolgt die Aktivie- CRS eine überschießende Immunreaktion mit massiver Freiset- rung des CAR unabhängig vom humanen Leukozytenantigen zung von proinflammatorischen Zytokinen zugrunde. Die Bin- (HLA)-System. Das ist von besonderer Bedeutung, da Tumor- dung des CAR an das entsprechende Antigen auf der Zielzelle zellen die HLA-Expression von Tumorantigenen herunterregu- aktiviert die CAR-T-Zelle, die daraufhin Zytokine, wie Interfe- lieren können, um einer Immunantwort zu entgehen [20]. ron-γ (IFN-γ) und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), IL-2 und Granulozyten-/Makrophagenkolonien stimulierenden Faktor Im Vergleich zu den in den 1990er Jahren entwickelten CAR der (granulocyte-macrophage colony-stimulating factor, GM-CSF), ersten Generation, die lediglich die TCR-Domäne mit scFv ver- freisetzt. Dadurch werden weitere Immunzellen, wie beispiels- knüpften, tragen CAR der zweiten Generation eine kostimulato- weise Makrophagen, rekrutiert und aktiviert, sodass diese rische Domäne, wie beispielsweise CD28 oder 4-1BB (CD137). ebenfalls Zytokine, darunter IL-6, freisetzen. Dies wiederum Die kostimulatorische Domäne verbessert die Aktivierung, die aktiviert das Endothel, das im Sinne einer positiven Rückkopp- Proliferation sowie die Persistenz der CAR-T-Zellen [21]. Bei lung weiteres IL-6 sowie Entzündungsstoffe freisetzt, die letzt- Axi-Cel und Tisa-Cel handelt es sich um CARs der zweiten Ge- endlich in einem Zytokinsturm münden (Abb. 2) [30]. 2 Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020
IL-6 IFN-γ IL-1 TNF-α IL-2 GM-CSF Endothel IL-6, IL-1 IL-6, IL-1 GM-CSF IFN-γ CRS Proinflammation SYMPTOME* TNF-α • Fieber IL-2 • Fatigue IL-1 • Kopfschmerzen Tumorzelle CAR -T-Zelle • Arthralgie Aktivierung von • Myalgie Makrophagen, Monozyten • Durchfall • Hypotonie • Tachykardie 1 2 3 • Herzrhythmus- störungen CAR-T-Zielzell-Interaktion APC-Aktivierung Endotheliale Schädigung → Zytokine → Inflammation → Inflammation • Dyspnoe • Hypoxie • Koagulopathie • Kapillarleck • Transaminitis • eingeschränkte CRS Nierenfunktion • Multiorganversagen Abb. 2. Pathomechanismus CRS. Die Interaktion des CAR mit dem Zielantigen führt zur Zytokin-Freisetzung und Aktivierung von antigenpräsentierenden Zellen. Dies mündet in einem massiven proinflammatorischen Zytokinsturm. Darstellung ausgewählter Symptome. *Eine ausführliche Liste der Symptome findet sich im behördlich beauflagten Schulungsmaterial des jeweiligen Wirkstoffs; modifiziert nach [32]. IL: Interleukin, APC: antigenpräsentierende Zelle, INF-γ: In- terferon-gamma, TNF-α: Tumornekrosefaktor-alpha, GM-CSF: Granulozyten-/Makrophagenkolonien stimulierender Faktor, CRS: Zytokin-Freisetzungssyndrom. Klinisch reicht das Symptomspektrum eines CRS von grip Immuneffektorzell-assoziiertes peähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Ge- Neurotoxizitätssyndrom lenk- und Muskelschmerzen über Blutdruckabfall, Hypoxie, Zunächst wurden die mit der CAR-T-Zelltherapie assoziier- Arrhythmie und/oder Verbrauchskoagulopathie (disseminated ten neurologischen Nebenwirkungen als «CAR T cell-related intravascular coagulopathy, DIC), respiratorischem Versagen, encephalopathy syndrome (CRES)» bezeichnet. Um neben der kardiovaskulärem Schock mit Kapillarlecksyndrom und Organ- Enzephalopathie auch weitere CAR-T-Zell-spezifische neuro- versagen bis hin zum Tod [25]. Aufgrund der infektähnlichen logische Symptome einzuschließen sowie einer Gültigkeit für Symptomatik sollte bei CRS immer auch eine Infektdiagnostik weitere Immuntherapien gerecht zu werden, wurde CRES von durchgeführt werden, um Infektionen frühzeitig diagnostizie- der American Society for Transplantation and Cellular Thera- ren und behandeln zu können. py (ASTCT) durch den Begriff «immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome (ICANS)» ersetzt [33]. Je nach Schweregrad wird CRS symptomatisch oder mit einer Anti-Zytokin-Therapie behandelt. IL-6 kommt bei der Ent- ICANS tritt bei 21–64% der mit CAR-T-Zellen behandel- wicklung eines CRS eine entscheidende Rolle zu. Der monoklo- ten Patienten auf, je nach Erkrankung und verwendeter nale Antikörper Tocilizumab blockiert als IL-6-Rezeptor-Anta- CAR-T-Zelltherapie [30]. Auch hier variiert die Häufigkeit in gonist membrangebundene und lösliche IL-6-Rezeptoren und Abhängigkeit von den verwendeten Diagnosekriterien, der zu unterbricht so den IL-6-Signalweg. Retrospektive Daten zeigen, behandelnden Erkrankung sowie dem verwendeten CAR-Kon- dass Tocilizumab bei Patienten mit schwerem CRS nach CAR- strukt. Häufig geht ein CRS den neurologischen Nebenwirkun- T-Zell-Gabe nach 4–5 Tagen zu einer Besserung führte [31]. gen voraus. Zusätzlich sprechen erhöhte Laktatdehydrogenase Ursprünglich für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (LDH)-Werte, erniedrigte Thrombozyten-Werte und ein erhöhtes entwickelt, ist Tocilizumab seit 2018 auch für die Behandlung Angiopoietin (Ang)-1/Ang-2-Verhältnis im Serum zu Beginn der von CRS zugelassen. Bei unzureichendem Ansprechen auf To- CAR-T-Zelltherapie für ein höheres Risiko, ein ICANS zu ent- cilizumab kommen Steroide (Dexamethason oder Methylpred- wickeln [34, 35]. Weitere Risikofaktoren sind eine erhöhte Ferri- nisolon) zum Einsatz [30]. tin-Konzentration an Tag 3 nach CAR-T-Zell-Gabe und bereits bestehende neurologische Komorbiditäten [35, 36]. Zudem spielt Mit zunehmender klinischer Anwendung von CAR-T-Zellthe- das Design des CAR eine Rolle, wobei CD28 sowie die Linker- rapien sinkt das Risiko für das Auftreten von höhergradigen und Transmembrandomäne mit einem höheren ICANS-Risiko CRS, wie neuere Studien zeigen. Dies ist vermutlich einer frü- assoziiert sind [36]. heren therapeutischen Intervention und der wachsenden Er- fahrung der CAR-T-Zell-Zentren mit auftretenden Nebenwir- Anzeichen von ICANS sind eine Veränderung der Handschrift, kungen zuzuschreiben [30]. Schwierigkeiten, Objekte zu benennen, verminderte Aufmerk- Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020 3
IL-6 IL-2 IL-1 IFN-γ Endotheliale Endothel Schädigung Zytokine BHS Störung ICANS ins ZNS Makrophagen, CAR-T-Zelle Monozyten Tumorzelle CAR-T ins ZNS Dentritische Zelle Blut-Hirn-Schranke (BHS) SYMPTOME* • getrübter • Enzephalopathie Perzyten Bewusstseinszustand • Krampfanfälle • Desorientierung • Tremor • Delirium • Ataxie • Gedächtnisstörung • Dysmetrie • Sprachstörungen • Hirnödem • Kopfschmerzen CAR-T-Zelle Abb. 3. Pathomechanismus ICANS. Die Migration von T-Zellen und Diffusion von Zytokinen durch eine gestörte Blut-Hirn-Schranke sowie die Aktivie- rung ZNS-ständiger Zellen werden als Pathomechanismus des ICANS diskutiert. Darstellung ausgewählter Symptome. *Eine ausführliche Liste der Symptome findet sich im behördlich beauflagten Schulungsmaterial des jeweiligen Wirkstoffs; modifiziert nach [32]. BHS: Blut-Hirn-Schranke; IL: Interleukin, IFN: In- terferon; ZNS: zentrales Nervensystem. samkeit, Apraxie und Lethargie. Die expressive Aphasie sowie Diffusion von Zytokinen sowie die Migration von T-Zellen ins die Veränderung des Schriftbildes scheinen spezifische Früh- ZNS könnten demnach der Neurotoxizität zugrunde liegen symptome von ICANS zu sein [22, 37]. Die Progression zu (Abb. 3). Weitere diskutierte Mechanismen beinhalten die Frei- einer schweren Neurotoxizität kann über Stunden oder Tage er- setzung von IL-1 und IL-6 durch Aktivierung von Mikroglia folgen und sich in Krampfanfällen, motorischer Schwäche oder und/oder myeloiden Zellen im ZNS sowie N-Methyl-D-Aspar- einem lebensbedrohlichen Hirnödem äußern. tat (NMDA)-Rezeptor-Agonisten (z.B. Glutamat und Chino- linsäure) [35, 37]. Außerdem konnte gezeigt werden, dass Pe- ICANS kann entweder gleichzeitig mit einem CRS, nach dem rizyten gering CD19 exprimieren, was die Neurotoxizität von Abklingen oder unabhängig von einem CRS auftreten. Die anti-CD19-gerichteten Therapien erklären könnte [38]. neurologischen Symptome zeigen sich meist nach 4–5 Tagen, können aber auch verzögert 4–5 Wochen nach der CAR-T-Zell- Grading-Systeme: Einteilung der Schweregrade Gabe auftreten. In der Regel halten ICANS-Symptome für etwa von CRS und ICANS 2 Wochen an, sie können aber auch nur für Stunden oder auch Wochen persistieren [5, 22]. Die Neurotoxizität kann sich in- Die Einteilung der Schweregrade von CRS und ICANS wurde nerhalb kurzer Zeit stark verschlechtern, was ein engmaschiges in den pivotalen Studien anhand der Common Terminology Monitoring des Patienten erforderlich macht. Auch hier sollte Criteria for Adverse Events Version 4.03 (CTCAEv4.03) vorge- eine entsprechende Differenzialdiagnostik erhoben werden, um nommen. Mit wachsender Erfahrung entwickelten verschiede- andere Ursachen der Symptomatik auszuschließen. ne Institutionen unterschiedliche Grading-Systeme zur Beur- teilung der Nebenwirkungen bei CAR-T-Zelltherapien. Je nach Schweregrad des isolierten ICANS ist eine supportive Therapie oder die Gabe von Steroiden nötig. Tocilizumab zeigt Die Lee-Kriterien von 2014 definierten die Symptome des CRS eine schlechte ZNS-Gängigkeit und ist mit einem erhöhten dadurch neu, dass erstmals Fieber als klinisches Kennzeichen Risiko für Neurotoxizität assoziiert. Tocilizumab sollte daher in die CRS-Kriterien aufgenommen wurde [31]. Neurologi- nur dann eingesetzt werden, wenn das ICANS gleichzeitig mit sche Symptome waren ebenfalls eingeschlossen, auch wenn das einem CRS vorliegt [30]. ICANS heute als gesondertes Syndrom betrachtet wird. 2018 publizierte die University of Pennsylvania eine eigene Skala zur Der genaue Pathomechanismus des ICANS ist noch nicht voll- Beurteilung der CRS-Schweregrade (UPENN-Kriterien) [39]. ständig geklärt. Im Liquor von Patienten mit ICANS wurden sowohl erhöhte Level von IL-6 und IL-15 als auch CAR-T-Zel- Mit dem Ziel, die Einteilung sowie das Management des len nachgewiesen. Diskutiert wird eine endotheliale Aktivie- CRS zu standarisieren, entwickelte die CAR-T Cell Therapy- rung mit anschließender Störung der Blut-Hirn-Schranke. Die Associated Toxicity (CARTOX) Working Group ein multi- 4 Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020
CRS-PARAMETER GRAD 1 GRAD 2 GRAD 3 GRAD 4 Symptome erfordern lebensbedrohliche lediglich eine Symptome erfordern eine Symptome erfordern eine Symptome, Klinische Symptome symptomatische moderate Intervention intensive Intervention Nierenersatztherapie, Behandlung Organtoxizität 4. Grades Körpertemperatur ≥ 38,0 °C ≥ 38,0 °C ≥ 38,0 °C ≥ 38,0 °C moderate Hypotonie schwere Hypotonie Hypotonie _ milde Hypotonie → Katecholamintherapie → Katecholamintherapie schwere Hypoxie, Notwendigkeit der milde Hypoxie moderate Hypoxie Hypoxie _ Beatmung mit positivem Druck, ggfs. Intubation und maschinelle Beatmung Tocilizumab nicht zutreffend Tocilizumab Tocilizumab Tocilizumab Steroide nicht zutreffend Steroide Steroide hochdosierte Steroide Abb. 4. Maßnahmen zur Risikominimierung bei Patienten mit CRS unter Behandlung mit CAR-T-Zellen. CRS kann lebensbedrohliche Verläufe nehmen. Bei frühzeitiger Intervention sind die Nebenwirkungen gut behandelbar und reversibel. Daher ist es essenziell, die Patienten engmaschig zu überwachen und frühzeitig mit der Intensivstation bzw. der Neurologie Kontakt aufzunehmen. Bei Anwendung von kommerziellen CAR-T-Zelltherapien gelten die pro- duktspezifischen Vorgaben und Risikomanagementpläne und die jeweiligen behördlich genehmigten Schulungsmaterialien; modifiziert nach [32]. institutionelles Grading-System. Die Beurteilung des CRS nach ZUMA-1-Studie zeigten 80% der Patienten eine Neutropenie den CARTOX-Kriterien basiert auf den 3 Vitalzeichen Kör- vom Grad 3 oder höher. Nach Tag 90 nach Gabe von A xi-Cel pertemperatur, Blutdruck und Sauerstoffsättigung sowie auf wiesen noch 11% der Patienten eine Neutropenie Grad 3 der Organtoxizität nach CTCAEv4.03. Zusätzlich bieten die oder höher auf [43]. Während Anämie und Thrombozytope- CARTOX-Kriterien mit dem Diagnosetool CARTOX-10 ein nie mittels Transfusionen ausgeglichen werden können, kön- rasches Bewertungsinstrument für die Erfassung des Schwere- nen Neutropenien zu infektiösen Komplikationen führen, grades des ICANS [41]. weshalb alle Patienten im Vorfeld der Therapie eine Infekti- onsprophylaxe erhalten. Diese besteht aus einer Pneumocys- Die unterschiedlichen Grading-Systeme erschweren den Ver- tis jirovecii-Pneumonie (PJP)-Prophylaxe mit Cotrimoxazol gleich der Sicherheitsdaten verschiedener CAR-T-Zell-Pro- und einer Varicella-Zoster-Virus (VZV)-Prophylaxe mit dukte. Um die Definition und Beurteilung des CRS und des Aciclovir, die bis zur Regeneration der CD4+ T-Zellen fort- ICANS zu vereinheitlichen, entwickelte die American Society geführt werden sollte. Eine antibiotische Prophylaxe (bis > for Transplantation and Cellular Therapy (ASTCT) ein Kon- 1000 Neutrophile/µl) sowie eine antimykotische Prophylaxe sens-Bewertungssystem [33]. Nach diesen ASTCT-Kriterien ist bis zur Regeneration der Neutrophilen kann erwogen wer- Fieber (Köpertemperatur ≥ 38 °C), das zeitlich mit der CAR-T- den, sollte aber bei Patienten in der Neutropenie eingeleitet Zell-Gabe assoziiert auftritt, die Voraussetzung für die Diagnose werden. eines CRS. Die Einteilung in Schweregrade erfolgt anhand des Ausmaßes von Hypotonie und Hypoxie, während Organto- Persistiert die Neutropenie (< 500/µl) über Tag 10 bis Tag 14 xizität nicht mehr zur Beurteilung herangezogen wird. Ein re- nach der CAR-T-Zell-Gabe, sollte eine Behandlung mit Gra- trospektiver Vergleich der unterschiedlichen Grading-Systeme nulozytenkolonien stimulierendem Faktor (G-CSF) erwogen zeigt, dass die ASTCT-Kriterien ein objektives, reproduzierbares werden [16]. GM-CSF wird nicht empfohlen, da Daten aus dem und einfach anzuwendendes Grading-System für CAR-T-Zell- Tiermodell auf eine Verschlechterung von CRS und ICANS assoziierte Nebenwirkungen anhand von klinischen Symptomen durch GM-CSF hindeuten [44]. Falls eine schwerwiegende darstellen [42]. Zytopenie nach CAR-T-Zell-Gabe persisitiert und/oder nicht auf G-CSF anspricht, kann die Gabe eines Stammzellpräparates Langzeitnebenwirkungen erwogen werden [45, 46]. Zytopenien Hypogammaglobulinämie Zytopenien sind die häufigste länger bestehende Neben- Eine weitere Nebenwirkung der CD19-CAR-T-Zellen ist zudem wirkung der CAR-T-Zelltherapie. Sie können über Wochen die durch die B-Zell-Aplasie vermittelte Hypogammaglobuli- anhalten und einen biphasischen Verlauf zeigen [42]. In der nämie. Bei niedrigem IgG-Spiegel (< 4 g/l) und/oder Auftreten Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020 5
GRADING-PARAMETER GRAD 1 GRAD 2 GRAD 3 GRAD 4 lebensbedrohliche Klinische Symptome leichte Symptome moderate Symptome schwere Symptome Situation, Hirnödem, Paraparese nicht weckbar oder durch Ansprache durch taktilen Reiz Bewusstseinszustand spontan weckbar nur über repetitive Reize weckbar weckbar weckbar, Stupor, Koma ICE-Score* 7–9 3–6 0–2 0 Tocilizumab nur bei Tocilizumab nur bei Tocilizumab nur bei Tocilizumab nur bei nicht zutreffend gleichzeitigem CRS gleichzeitigem CRS gleichzeitigem CRS gleichzeitigem CRS Steroide nicht zutreffend Steroide Steroide hochdosierte Steroide Abb. 5. Maßnahmen zur Risikominimierung bei Patienten mit ICANS unter Behandlung mit CAR-T-Zellen. ICANS kann lebensbedrohliche Verläufe neh- men. Bei frühzeitiger Intervention sind die Nebenwirkungen gut behandelbar und reversibel. Daher ist es essenziell, die Patienten engmaschig zu überwachen und frühzeitig mit der Intensivstation bzw. der Neurologie Kontakt aufzunehmen. Bei Anwendung von kommerziellen CAR-T-Zelltherapien gelten die pro- duktspezifischen Vorgaben und Risikomanagementpläne und die jeweiligen behördlich genehmigten Schulungsmaterialien; modifiziert nach [32]. *ICE-Score 0: gewertet als ICANS Grad 3, falls Patient wach und aphasisch; gewertet als ICANS Grad 4, falls Patient nicht weckbar und nicht in der Lage, eine ICE-Score-Bestimmung durchzuführen. von schwerwiegenden Infektionen sollte eine Substitutions sen. Vor Beginn der Produktbeschaffung muss der Patient therapie nach der CAR-T-Zell-Gabe erwogen werden. umfassend über die CAR-T-Zelltherapie, alle dafür notwen- digen Verfahrensschritte sowie die möglichen Nebenwirkun- Vor Behandlungsbeginn wird bei den Patienten der Immun- gen aufgeklärt werden und sein schriftliches Einverständnis status bestimmt, eine Influenza- und Pneumokokken-Impfung geben. Nach Abklärung der Therapie mit den Kostenträgern, sind zu empfehlen. Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollten gegebenenfalls dem Medizinischen Dienst und den pharma- in einem Zeitraum von mindestens 6 Wochen vor der vorbe- zeutischen Herstellern, werden der Therapieablauf sowie die reitenden Chemotherapie bis zur Regeneration des Immunsys- vorbereitende Diagnostik und Leukapherese geplant. tems nach der CAR-T-Zell-Gabe nicht erfolgen. Ein Ausgangsblutdruckwert sowie eine neurologische Aus- gangsdiagnostik einschließlich der Erhebung des ICE-Scores CAR-T-Zelltherapie und COVID-19 und einer Schriftprobe sollten vor der Therapieeinleitung er- CAR-T-Zelltherapien haben kuratives Potenzial bei Patienten mit an- folgen, um im Verlauf als Ausgangswert herangezogen zu wer- sonsten sehr schlechter Prognose. Deshalb sollte diese Behandlungs- den. option auch während der SARS-CoV-2-Pandemie angeboten und durchgeführt werden. Voraussetzung sind angemessene Auswahlkri- Durchführung terien unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung sowie ein strikter Das entnommene Leukapheresat wird zum pharmazeutischen Infektionsschutz. Ein Positionspapier des CAR T-Cell Consortiums gibt entsprechende Empfehlungen [47]. Hersteller transportiert, der nach den Regeln der Good Manufac- turing Practice (GMP) die genetische Modifizierung der T-Zellen zur Expression des CAR durchführt. Nach Kryokonservierung Praktische Empfehlungen aus dem und einer umfangreichen Qualitätskontrolle erfolgt der Rück Universitätsklinikum Heidelberg transport des CAR-T-Zell-Produkts zum behandelnden Zentrum. Der intravenösen (i.v.) Applikation der CAR-T-Zellen gehen Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten eine 3-tägige Chemotherapie mit Fludarabin und Cyclo- CAR-T-Zell-Zentren in Europa, an dem in den letzten 2 Jah- phosphamid (bei kommerziellen Produkten Dosierung ent- ren über 75 Patienten mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt sprechend der Fachinformation) sowie 1–2 Pausentage voran. wurden. Die folgenden Empfehlungen sollen eine Orientie- In Fällen mit einer rasch proliferierenden Erkrankung muss rungshilfe für den klinischen Einsatz der CAR-T-Zelltherapie zur Überbrückung der Wartezeiten zwischen Erstvorstellung darstellen. Bei kommerziellen Produkten sind zudem die Vor- des Patienten und Gabe der CAR-T-Zellen gegebenenfalls gaben der entsprechenden Fachinformation zu beachten. eine Bridging-Therapie erfolgen, z.B. Strahlen-, Antikörper- oder Chemotherapie. Vor der Infusion der CAR-T-Zellen Vor der Therapie muss sichergestellt werden, dass entsprechend der Fachinfor- Die Indikation für eine CAR-T-Zelltherapie wird für jeden mationen der jeweiligen CAR-T-Zell-Produkte der IL-6-Re- Patienten individuell gestellt und im entsprechenden Tumor- zeptor-Inhibitor Tocilizumab für die Behandlung eines mög- board und Zelltherapie-/CAR-T-Zell-Konferenz beschlos- lichen CRS auf der entsprechenden Station zur Verfügung 6 Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020
eine maschinelle Beatmung erforderlich sein kann. Ab einem CRS Grad 2 bzw. Grad 1, das sich nicht innerhalb von 24 Stunden gebessert hat, wird Tocilizumab eingesetzt. Bei wei- terer Verschlechterung der Symptomatik kommen Steroide (s. oben) zum Einsatz. Bei Anzeichen von Neurotoxizität sollte zum Ausschluss an- derer Ursachen (Hirnmetastasen, Hirnblutung, Infektion oder Ähnliches) eine Bildgebung mittels kranieller Magnet- resonanztomografie/kranieller Computertomografie, Liquor- punktion und Elektroenzephalografie (EEG) erfolgen. Das Screening auf neurologische Komplikationen erfolgt mithilfe von täglichen Schriftproben und der Erfassung des ICE-Sco- res mehrmals täglich [33]. Die Behandlung des ICANS erfolgt sowohl symptomatisch als auch bei höheren Schweregraden mit Steroiden. Bei Besserung der Symptomatik sollte darauf geachtet werden, die Steroidgabe gegebenenfalls über mehrere Tage auszuschlei- chen, um eine Addisonkrise zu vermeiden. Entlassung und Nachsorge Voraussetzung für die Entlassung des Patienten nach CAR-T- Zell-Gabe sind die Regeneration der Neutrophilen (> 500/ µl) sowie die Kontrolle von eventuellen Komplikationen, ins- Abb. 6. Exemplarische Schriftprobe eines männlichen, 27-jährigen Patien- besondere CRS, ICANS und febrilen Infektionen. Vor Ent- ten mit einem Grad-3-ICANS nach CAR-T-Zelltherapie. Vor Start der The- lassung erfolgt eine ausführliche Aufklärung des Patienten rapie wurde eine Ausgangsschriftprobe aufgenommen. Ab Tag 0 war 3-mal täglich eine Schriftprobe vorgesehen. Von Tag 5 morgens bis Tag 9 abends sowie, wenn möglich, seiner Angehörigen oder Betreuungs- war keine Schriftprobe möglich. personen über mögliche Anzeichen von CRS (insbesondere Fieber), ICANS (frühe Anzeichen: Schriftbildveränderungen oder Sprachstörungen) und febrilen Infektionen. Der Patient steht. Eine Prämedikation zur Vermeidung einer akuten In- wird darauf hingewiesen, bei Auftreten von Anzeichen von fusionsreaktion auf das enthaltene Dimethylsulfoxid (DMSO) CRS/ICANS umgehend die Klinik zu kontaktieren und in- wird vor der Gabe der CAR-T-Zellen verabreicht. Diese be- nerhalb der ersten Wochen eine zeitnahe Erreichbarkeit der steht in der Regel aus: Klinik zu gewährleisten. In den ersten 4 Wochen nach der • Paracetamol Entlassung erfolgt die ambulante Nachbetreuung engmaschig. • Anti-Histaminikum Anschließend erfolgen ambulante Vorstellungen nach klini- Auf die Gabe von Steroiden sollte verzichtet werden, um einen schem Bedarf. Ein Patientenpass, wie er z.B. für Axi-Cel zur negativen Effekt auf die CAR-T-Zellen zu vermeiden. Verfügung steht, umfasst die wesentlichen Informationen zur erfolgten CAR-T-Zelltherapie und wird dem jeweiligen Pati- Nebenwirkungsmanagement enten ausgehändigt. Hier sind zudem die Symptome von CRS Die Überwachung der Patienten erfolgt ab der Gabe der CAR-T- und ICANS zum Nachlesen für die Patienten aufgelistet. Zellen kontinuierlich über ein zentrales Monitoring, das Herzfre- quenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung sowie Körpertemperatur Fallbeispiele erfasst. Die Daten des Monitorings sind zu protokollieren. Die Symptomatik des CRS beginnt bei den meisten Patienten Patientin mit CRS mit Schüttelfrost und Fieber. Da bisher keine klaren Abgren- Eine 71-jährige Patientin erhielt zur Behandlung eines DLBCL zungsparameter zwischen CRS und Infektion/Sepsis beschrie- im dritten Rezidiv eine CAR-T-Zelltherapie mit Axi-Cel nach ben sind, wird bei Fieber immer auch eine Infektionsdiagnos- Lymphodepletion mit Fludarabin und Cyclophosphamid. An tik inklusive Labordiagnostik, Abnahme von Blutkulturen und Tag 6 entwickelte sie ein CRS vom Grad 2, klinisch manifes- symptomorientierte Fokussuche durchgeführt. Als therapeuti- tiert durch eine Körpertemperatur von über 39 °C und einem sche Maßnahmen werden sowohl die CRS-Symptome entspre- Sauerstoffsättigungsabfall von 98% auf 84%. Der Sauerstoffbedarf chend der Therapie-Algorithmen behandelt sowie eine anti- über Nasenbrille betrug 3 l/min. Der Blutdruck der Patientin lag infektive Therapie begonnen. bei 125/80 mmHg. Die Laborwerte waren wie folgt: Lympho- zyten (L) 0,57/nl, Hämoglobin (Hb) 7,8 mg/dl, Thrombozyten Zur Stabilisierung des Blutdrucks können Flüssigkeitsgabe (T) 69 nl, C-reaktives Protein (CRP) 27 mg/l. Blutkulturen und sowie Katecholamine notwendig werden. Bei Hypoxie erfolgt Bildgebung ergaben keinen Hinweis auf ein infektiöses Gesche- die Gabe von Sauerstoff, wobei je nach Schweregrad des CRS hen. Die Patientin erhielt eine Transfusion mit Erythrozyten- Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020 7
konzentraten sowie eine antibiotische Therapie mit Piperacillin/ Literatur Tazobactam über 6 Tage. Die Patientin erhielt dreimalig Tocili- 1 Fachinformation YESCARTA®, Stand Juni 2020. zumab. An Tag 9 besserten sich die CRS-Symptome. Die Kör- 2 Fachinformation Kymriah®, Stand März 2020. 3 Suggs JL et al.: Exp Mol Pathol 2007;83:471–473. pertemperatur betrug 37,3 °C, die Sauerstoffsättigung stieg auf 4 Schuster SJ et al.: N Engl J Med 2019;380:45–56. 98%, es bestand kein Sauerstoffbedarf mehr. Der Blutdruck lag 5 Neelapu S et al.: N Engl J Med 2017;377:2531–2544. bei 130/90 mmHg. Die Laborwerte normalisierten sich an Tag 6 Maude SL et al.: N Engl J Med 2018;378:439–448. 7 Cappell K et al.: J Clin Oncol 2020;38:(15_suppl):3012. 10: L 1,33/nl, Hb 10 mg/dl, T 79n l, CRP 10 mg/l. Die Patientin 8 Neelapu S et al.: Blood 2019;134(suppl 1):203. konnte an Tag 14 nach der CAR-T-Zelltherapie entlassen werden. 9 Nastoupil LJ et al.: J Clin Oncol 2020;38:3119–3128. 10 Jacobson CA et al.: J Clin Oncol 2020;38(15_suppl):8008. 11 Strati P et al.: Blood 2019;133:2800–2802. Patient mit ICANS 12 Abramson JS et al.: Cancer 2019;125:3692–3698. 13 Abbasi A et al.: J Hematol Oncol 2020;13:1. Ein 27-jähriger Patient erhielt zur Behandlung eines r/r 14 Bennani NN et al.: Blood 2019;134(suppl 1):763. DLBCL eine CAR-T-Zelltherapie mit Axi-Cel nach Lympho- 15 Frigault MJ et al.: Blood 2019;134:860–866. depletion mit Fludarabin und Cyclophosphamid. An Tag 5 16 Bücklein VL et al.: Management der Nebenwirkungen von CAR-T-Zellen. Deut- sche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO), zeigte er Symptome eines CRS Grad 1 (Körpertemperatur: Stand Juni 2020. 38,3 °C, keine Hypotonie, keine Hypoxie). Zudem zeigte er 17 Wang M et al.: N Engl J Med 2020;382:1331–1342. 18 D’Aloia MM et al.: Cell Death Dis 2018;9:282. neurologische Symptome. Der Patient war wach, aber desori- 19 Klein F: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/CAR-T-Zelltherapie-ist-in-Deutschland- entiert und hatte Wortfindungsstörungen. Die Durchführung angekommen-406907.html, Veröffentlicht: 20.02.2020. 20 Toffalori C et al.: Nat Med 2019;25:603–611. einer Schriftprobe war nicht möglich. Der ICE-Score lag bei 21 Schubert ML et al.: Int J Cancer 2018;142:1738–1747. 0 Punkten. Die Behandlung eines generalisierten tonisch-klo- 22 Schubert ML et al.: BMJ Open 2019;9:e026644. nischen Krampfanfalls (über 30 Sekunden) mit Benzodiazepi- 23 Morgan MA, Schambach A: Hum Gene Ther 2018;29:1083–1097. 24 Anderson K, Latchford T: Clin J Oncol Nurs 2019;23:13–19. nen führte zu einer vollständigen Rückbildung des Anfalls. 25 Hirayama AV, Turtle CJ: Am J Hematol 2019;94:S42–S49. Die beschriebenen Symptome führten zur Diagnose eines 26 Hay KA et al.: Blood 2017;130:2295–2306. 27 Cao J et al.: Cytotherapy 2020;22:214–226. Grad-3-ICANS. Der Patient erhielt Dexamethason 10 mg 28 Zhang X et al.: Blood Adv 2020;4:2325–2338. i.v. alle 6 Stunden. Aufgrund der fieberhaften Körpertempe- 29 Neelapu S et al.: Nat Rev Clin Oncol 2018;15:47–62. 30 Borrega JG et al.: HemaSphere 2019;3:e191. ratur wurde eine antibiotische Therapie eingeleitet. An Tag 7 31 Lee DW et al.: Blood 2014;124:188–195. zeigte der Patient eine leichte klinische Besserung, aber wei- 32 https://www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit/schulungsmaterial/schulungsmaterial-inhalt. terhin neurologische Symptome. Er war wach und orientiert, html;jsessionid=2197579D258833DE7FAC7F34089C9FF6.2_cid354?nn=11236254&cms_ gtp=11236256_list%253D13. die Wortfindungsstörung und Schreibunfähigkeit bestanden 33 Lee DW et al.: Biol Blood Marrow Transplant 2019;25:625–638. fort. Der ICE-Score ergab 5 Punkte. Der Patient erhielt nun 34 Karschnia P et al.: Blood 2019;133:2212–2221. 35 Gust J et al.: Cancer Discov 2017;7:1404–1419. Methylprednisolon 1 g i.v./Tag für 3 Tage. An Tag 10 war 36 Brudno JN et al.: Blood 2018;132:697–697. die neurologische Symptomatik komplett rückläufig. Der 37 Santomasso BD et al.: Cancer Discov 2018;8:958–971. 38 June CH: Hematol Oncol 2019;37:34. ICE-Score lag bei 10 Punkten und die Schriftprobe hatte sich 39 Porter D et al.: J Hematol Oncol 2018;11:35. normalisiert (Abb. 6). An Tag 12 konnte der Patient entlassen 40 Pennisi M et al.: Blood Adv 2020;4:676–686. werden. Die antibiotische Therapie konnte beendet werden, 41 National Cancer Institute, Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE), Version 5.0, 2017. die Steroidtherapie wurde graduell ausgeschlichen. 42 Fried S et al.: Bone Marrow Transplant 2019;54:1643–1650. 43 Locke FL et al.: Lancet 2018;20:31–42. 44 Sterner RM et al.: Blood 2018;133:697–709. Fazit 45 Schubert M et al.: Biol Blood Marrow Transplant 2020;26:1575–1580. 46 Yakoub-Agha I et al.: Haematologica 2020;105:297–316. 47 Bachanova V et al.: Biol Blood Marrow Transplant 2020;26:1239–1246. Mit der CAR-T-Zelltherapie steht seit 2018 eine weitere, in- novative Therapieoption für Patienten mit vorbehandelten, Vielen herzlichen Dank an Frau Dr. med. Schubert (Assistenzärztin; fortgeschrittenen hämato-onkologischen Erkrankungen des Klinik für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie-Universitäts B-Zell-Systems zu Verfügung. In Studien und im Real-World- klinikum Heidelberg) für Ihre Expertise und hervorragende Unter- Setting hat die CAR-T-Zelltherapie zu beispiellosen Ansprech- stützung bei der Erstellung dieses Artikels. raten von über 80% im r/r Setting und teils anhaltenden Kom- plettremissionen geführt. Mit diesem innovativen Therapiean- Impressum satz ist ein neuartiges Nebenwirkungsprofil vor allem in den CAR-T-Zelltherapie: Empfehlungen zum ersten 4 Wochen nach der Infusion verbunden. Dies umfasst Therapiemanagement aus der Praxis unter anderem das CRS und das ICANS. Diese Nebenwirkun- Beilage zu Oncology Research and Treatment 43 | 11 | 20 gen erfordern eine rasche Intervention mit dem IL-6-Rezep- Mit freundlicher Unterstützung durch tor-Blocker (beim CRS) und Steroiden. Zeitnah und richtig GILEAD Sciences GmbH behandelt sind Nebenwirkungen im Allgemeinen vollständig Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeit- schrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zur Annahme, dass solche Namen im reversibel. Wie in der Langzeitnachsorge ist auf den Immun- Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben von Dosierungsanweisungen und Applikations- status und damit verbunden eine angepasste Infektionspro- formen kann vom Verlag keine Haftung übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jewei- phylaxe der CAR-T-Zelltherapie-Patienten zu achten. ligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen diese Publikation oder Teile daraus nicht in ande- re Sprachen übersetzt oder in irgendeiner Form mit mechanischen oder elektronischen Mitteln (ein- DE-UNB-0350 Um die sichere Anwendung der CAR-T-Zellen zu gewährleis- schließlich Fotokopie, Tonaufnahme oder Mikrokopie) reproduziert oder auf einem Datenträger oder Computersystem gespeichert werden. ten, sind daher die Schulung des Behandlungsteams sowie die Alle Rechte vorbehalten. © 2020 by S. Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften GmbH, Postfach, 79095 Freiburg, umfassende Aufklärung des Patienten und seiner Betreuungs- Deutschland. personen essenziell. Druck: PRINTEC OFFSET > medienhaus > 34123 Kassel, Deutschland. 8 Beilage zu Oncology Research and Treatment, Band 43, Heft 11, November 2020
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