Beatmung auf der Intensivstation - eine Praxisanleitung
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 · Leipzig Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers Einleitung 1. Respiratorische Insuffizienz 1.1 Diagnose der respiratorischen Insuffizienz Patienten mit respiratorischer Insuffizienz müssen für die Aufrechterhaltung eines suffizienten Gasaustausches häufig Patienten mit respiratorischer Insuffizienz können keinen ad- maschinell beatmet werden. Intensivpatienten mit vorhan- äquaten Gasaustausch aufrechterhalten. Dies kann durch eine denen Schutzreflexen und ausreichender Vigilanz profitieren Verminderung der Gasaustauschkapazität des Lungenparen von einer nicht-invasiven Beatmung mittels Maske oder Helm chyms verursacht sein oder dem Unvermögen, die notwendige durch Reduktion der Atemarbeit und Verbesserung des Gasaus- Atemarbeit leisten zu können, geschuldet sein. Eine respira- torische Insuffizienz führt konsekutiv zu einer verminderten tausches. Grundsätzlich sind auf der Intensivstation vor allem Sauerstoffversorgung der Organe und zu einer Anreicherung die druckkontrollierten bzw. druckunterstützten Beatmungs- von Kohlendioxid. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Eine formen zu bevorzugen, da diese einen zusätzlichen Spontana- respiratorische Insuffizienz imponiert durch (1): temanteil des Patienten ermöglichen. Die optimale Einstellung • Tachypnoe mit Atemfrequenz (AF) > 35/min der Beatmungsparameter erfolgt an Hand der arteriellen • Verringertes Atemzugvolumen (AZV) Blutgasanalyse mit adäquatem PEEP-Niveau und niedrigen • paradoxe Atmung Beatmungsspitzendrücken. Ein lungenprotektives Beatmungs- • Dyspnoe regime mit niedrigen Tidalvolumina und Beatmungsspitzen- • Zyanose drücken mit adäquatem PEEP verringert die Wahrscheinlichkeit • erhöhten Sympathikotonus (psychomotorische Unruhe, einer beatmungsassoziierten Lungenschädigung und erhöht Schwitzen, Tachykardie, Hypertonie) die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit akutem Lungenversagen. Bei schwieriger Entwöhnung vor allem nach In der Blutgasanalyse finden sich: langen Beatmungsphasen ermöglicht ein Weaningprotokoll • ein verminderter arterieller Sauerstoffpartialdruck (PaO2) mit täglichen Spontanatmungsversuchen eine Verkürzung der • eine respiratorische Alkalose oder auch Azidose infolge Beatmungsdauer. Hypo- oder Hyperkapnie (PaCO2 ↓↑) 1.2. Ätiopathogenese der respiratorischen Insuffizienz Vorbemerkung Eine respiratorische Insuffizienz entsteht durch eine der folgen- den Ursachen oder deren Kombination: Neben umfassender primärer und sekundärer Literatur zu dem • Störung der Ventilation (z.B. Schwäche der Atemmuskula- Thema Beatmung auf der Intensivstation existieren aktuell nur tur, schmerzbedingte Schonatmung nach operativen Ein- eine gültige Leitlinie aus dem Jahr 2012 (ÖGARI-Leitlinien griffen, Nachwirkung von Anästhetika/Muskelrelaxantien, zur invasiven Beatmung von Intensivpatienten) und eine S2k Atelektasen) Leitlinie zum Weaning nach prolongierter Beatmung aus dem • Störung der Lungendurchblutung (Perfusionsstörungen) Jahr 2014. Die Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie (z.B. Lungenembolie) der akuten respiratorischen Insuffizienz“ ist abgelaufen. Im • Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses (Ven- folgenden Übersichtsartikel wird neben der aktuellen Lite- tilations-Perfusions-Mismatch/Rechts-Links-Shunt) infolge ratur insbesondere auch auf die jeweiligen Leitlinien Bezug Erkrankungen des Lungenparenchyms (z.B. Pneumonie, genommen. Eine S3-Leitlinie zu dem Thema unseres Artikels Lungenödem, Acute Respiratory Distress Syndrome = („Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei ARDS) (1). akuter respiratorischer Insuffizienz“) ist aktuell bei der AWMF angemeldet und soll 2015 erscheinen, eine überarbeitete 2. Wann ist eine Beatmung indiziert? S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten 2.1. Indikation zur maschinellen Beatmung respiratorischen Insuffizienz“ ist ebenfalls angekündigt. Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz benötigen eine maschinelle Atemunterstützung. Ein PaO2 < 50 mm Hg bei Raumluft, eine Tachypnoe > 35/min und Zeichen von Dyspoe erfordern zwar eine maschinelle Atemunterstützung, Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers 77
Refresher Course Nr. 40 Aktuelles Wissen für Anästhesisten Mai 2014 · Leipzig sofern Schutzreflexe vorhanden sind, jedoch nicht unbedingt (AZV) oder das Atemminutenvolumen (AMV) moduliert eine sofortige endotracheale Intubation. Durch Nicht-Invasive werden. Eine zusätzliche Druckunterstützung (DU) durch Ventilation (NIV) mittels Beatmungsmaske oder -Helm kann das Beatmungsgerät kann die vom Patienten getriggerte Ins- der Gasaustausch häufig zumindest vorübergehend stabilisiert piration verstärken (augmentieren). Ein Beispiel hierfür ist die werden, so dass eine Intubation, sofern diese nach NIV noch Beatmung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck und notwendig sein sollte, unter kontrollierten Bedingungen erfol- Druckunterstützung (der Terminus CPAP ist für Spontanatmung gen kann (1). reserviert). Hierbei kann die vom Beatmungsgerät verabreichte Druckunterstützungsamplitude (DU) unabhängig von der Typische Indikationen zur Intubation und maschinellen Atemarbeit des Patienten sein (konstante DU) oder umgekehrt Beatmung proportional zur patienteneigenen Atemarbeit (variable DU) • schwere arterielle Hypoxämie (PaO2↓) → hohe FiO2, (1). hoher PEEP • r espiratorische Azidose (pH↓, PaCO2↑) → Atemarbeit↓, Tabelle 1 alveoläre Ventilation↑ Maschinelle Beatmungsformen. • fehlende Schutzreflexe → Intubation! Aspirationsrisiko↓ (1,2) Kontrollierte Beatmung Assistierte Beatmung Atemarbeit, Zeitablauf und AZV Unterstützung der meist durch Respirator vorgegeben, insuffizienten Spontanatmung 2.2. Indikation zur postoperativen Nachbeatmung primär keine Synchronisation mit des Patienten, synchronisiert mit Eigenatmung der Eigenatmung Die postoperative intensivmedizinische Versorgung von Patien- druck volumen druckunter- volumenunter- ten nach großen abdominal-, thorax- oder neurochirurgischen kontrolliert kontrolliert stützt stützt Eingriffen sowie nach Herzchirurgie erfordert häufig eine post- PCV VCV CPAP-Modi: synchronisierte operative Nachbeatmung. Auch Überhang von Anästhetika, Beatmungs- Atemhubvolu- kontinuier- intermittieren- druck-amplitu- men vorgege- licher positiver de Beatmung Hypothermie, massiver Volumenumsatz oder hochdosierte de (Pinsp-PEEP) ben bei Atmenwegs- (SIMV) Katecholamintherapie sind in der Praxis häufig anzutreffende vorgegeben bei konstantem druck Gründe für die Aufnahme von intubierten und maschinell dezelerie- oder dezelerie- BIPAP-Modi: beatmeten Patienten vom OP auf die Intensivstation. rendem rendem biphasischer Flowinsp, Flowinsp, positiver Die Wahl des angemessenen Beatmungsverfahrens ist dabei Volumenbe- Druckbegren- Atemwegs- auch abhängig von der vorhandenen bzw. möglichen Sponta- grenzung zur zung zur druck Vermeidung Vermeidung natmung des Patienten. von Volutrau- von Barotrau- mata mata 3. Einteilung der maschinellen Beatmungsformen AZV: Atemzugvolumen 3.1. Kontrollierte und assistierte Beatmungsformen PEEP: Positive EndExpiratory Pressure PCV: Pressure Controlled Ventilation Eingeteilt wird die maschinelle Beatmung in kontrollierte und VCV: Volume Controlled Ventilation CPAP: Continuous Positive Airway Pressure assistierte Formen, wobei die Atemarbeit bei kontrollierter BIPAP: Biphasic Positive Airway Pressure SIMV: Synchronised Intermittent Mandatory Ventilation Beatmung vollständig durch den Respirator übernommen wird. Bei der assistierten Form wird ein Teil der Atemarbeit durch den Respirator, ein Teil durch den Patient geleistet (zur vereinfach- ten Übersicht siehe Tab. 1) (1). Eine Modulation des Atemminutenvolumens kann erreicht Bei der kontrollierten Beatmung wird zwischen Druck- und werden, indem das Beatmungsgerät intermittierend Atemhübe Volumenkontrolle unterschieden. Bei der druckkontrollierten zusätzlich zur Spontanatmung des Patienten verabreicht. Bei Beatmung wird am Beatmungsgerät ein PEEP sowie der der BIPAP Ventilation wird vom Respirator eine druckkontrol- inspiratorische Beatmungsdruck (Pinsp) eingestellt; das Atem- lierte Beatmung mit Pinsp, PEEP und mit einer variablen Atem- hubvolumen ergibt sich je nach Compliance (Dehnbarkeit) des frequenz vorgegeben, eine Spontanatmung (mit oder ohne DU) respiratorischen Systems aus der Druckamplitude zwischen ist während der In- und Exspirationsphasen jederzeit möglich Pinsp und PEEP. Zur Vermeidung zu großer Atemhubvolumina (1, 2). und dadurch begünstigten Volutraumata kann eine Volumenbe- Abhängig vom Hersteller des Respirators variieren die grenzung (maximal verabreichtes Atemhubvolumen) gewählt Terminologie sowie die Kombinationen der aufgeführten werden. Bei volumenkontrollierter Beatmung wird dem ge- Beatmungsformen. Es ist daher ratsam, sich mit den Respira- genüber ein Atemhubvolumen eingestellt und zur Vermeidung toren und Herstellerangaben vor Ort vertraut zu machen. Eine von hohen Spitzendrücken eine Druckbegrenzung (maximaler komplette Auflistung der ganz überwiegend dem spezifischen Atemwegsdruck) vorgegeben (1). Firmen-Marketing der Hersteller geschuldeten Mischformen Die assistierte Beatmung unterstützt eine insuffiziente Sponta- und Begrifflichkeiten einzelner Beatmungsmodi würde den natmung des Patienten, wobei entweder das Atemzugvolumen Rahmen dieses Artikels sprengen (1). 78 Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 · Leipzig COPD profitieren von NIV durch eine rasche Verbesserung Vorteile der assistierten Beatmungsformen auf der Inten- des Gasaustausches und Reduktion der Intubationshäufigkeit, sivstation Senkung der Sterblichkeit und Verkürzung des Krankenhaus- • erhaltene Zwerchfellmotilität → Atrophie der Atemmus- aufenthaltes (4, 5). NIV ist daher die Beatmungsmethode der kulatur↓, Belüftung dorso-basal gelegener Wahl in dieser Patientengruppe. Lungenareale↑ • Atelektasenprophylaxe → Ventilations-Perfusions- Bei Patienten mit kardiogenem Lungenödem senkt NIV die Verhältnis↑, Gasaustausch↑ Rate an Intubationen sowie die Sterblichkeit (6, 7). Auch bei • erhaltene Spontanatmung → Bedarf an Analgosedie- postoperativen Patienten nach großen abdominalchirurgischen rung↓, Kreislaufstabilität↑ Eingriffen kann eine prophylaktische, intermittierende CPAP- • erleichtertes Weaning (Entwöhnung) vom Respirator Beatmung das Risiko für pulmonale Komplikationen sowie die Häufigkeit von Re-Intubationen reduzieren (8, 9). 3.2. Nicht invasive Beatmung (NIV) auf der Intensivstation 4. Häufige Beatmungsmodi auf der Intensivstation Zur Applikation von NIV werden dicht sitzende Gesichtsmas- 4.1. Volumenkontrollierte Beatmung (VCV) ken, Nasenmasken oder Helme verwendet. Der Vorteil ist, Bei der volumenkontrollierten Beatmung wird am Respirator dass eine Intubation mit den einhergehenden Komplikationen ein Atemhubvolumen (Tidalvolumen; in ml) eingestellt, welches (Notwendigkeit einer Analgosedierung, nosokomiale Pneumo- unter Einhaltung einer zu wählenden oberen Druckbegrenzung nie, Sinusitis, Verletzungen des Larynx u.a.) vermieden werden (Pmax) verabreicht wird. Zusätzlich wird Atemfrequenz, PEEP, können. Mukoziliäre Clearance, Hustenreflex, Schluckvorgang I : E-Verhältnis und FiO2 eingestellt. Auf der Intensivstation und Sprache werden wenig beeinträchtigt, eine Sedierung hat die reine VCV den entscheidenden Nachteil, dass keine ist bei kooperativen Patienten in der Regel nicht notwendig. Spontanatmung unabhängig vom mandatorischen Atemzyklus Die häufigste Komplikation der NIV sind Druckstellen oder möglich ist. Der oben erwähnte fließende Übergang von der Nekrosen vor allem am Nasenrücken bei schlecht oder zu kontrollierten Beatmung in die reine Spontanatmung ist nicht eng sitzenden Gesichtsmasken. Muss die nicht invasive möglich (1). Die VCV ist indiziert, wenn eine engmaschige Beatmung längerfristig oder kontinuierlich zur Sicherstellung Kontrolle des PaCO2, wie beispielsweise bei erhöhtem intra- eines adäquaten Gasaustausches aufrechterhalten werden, so kraniellem Druck, angestrebt wird. bieten sich Helme mit geringerem Risiko von Druckstellen und häufig verbessertem Patientenkomfort an (2). Bei Patienten mit 4.2. Synchronisierte intermittierende mandatorische Ventila- Vigilanzstörungen, nicht sicher vorhandenen Schutzreflexen tion (SIMV) und Ileussymptomatik sollte eine NIV vermieden werden bzw. Bei der SIMV wird die Spontanatmung des Patienten durch nur nach sehr strenger Risiko-Nutzen-Abwägung und unter maschinelle Beatmungshübe, die zeitlich an die vorhandene Maßnahmen zur Aspirationsvermeidung (Magensonde auf Spontanatembemühung angepasst (synchronisiert) sind, unter- Ablauf, Pflegekraft am Bett) durchgeführt werden. stützt. Am Ventilator wird eine SIMV-Atemfrequenz eingestellt, die als kontrollierte Beatmung appliziert wird. Der Beatmungs- Der typische Beatmungsmodus für NIV ist ein CPAP- oder BI- hub wird vom Ventilator aber nur innerhalb eines zeitlichen PAP-Modus, wobei am Respirator herstellerabhängig meist ein Erwartungszeitfensters abgegeben, womit verhindert wird, dass so genannter NIV-Modus mit Leckage-Kompensation gewählt ein maschineller Beatmungshub asynchron zur Eigenatmung werden kann. Durch den positiven Atemwegsdruck während des Patienten verabreicht wird. Erfolgt innerhalb des Erwar- des gesamten Atemzyklus werden minderbelüftete Alveolen tungszeitfensters eine Spontanatembemühung des Patienten, rekrutiert, was zu einer Verbesserung des Gasaustausches führt. detektiert mit Hilfe eines Flow- oder Drucktriggers, so wird Zudem wird die Atemarbeit vermindert (3). vom Ventilator synchronisiert ein kontrollierter Beatmungshub abgegeben. Erfolgt innerhalb des Erwartungszeitfensters keine Praktisches Vorgehen bei nicht invasiver Beatmung spontane Atembemühung, so wird am Ende des Zeitfensters • Patienten über Vorgehen aufklären und mit Maske/Helm ebenfalls ein kontrollierter Beatmungshub verabreicht. o.ä. vertraut machen Zwischen den kontrollierten Beatmungshüben kann eine Spo- • initiale Beatmungseinstellung: PEEP 3-5 mbar, DU 5-7 tanatmung auf PEEP Niveau erfolgen. Die SIMV kann sowohl mbar, FiO2 → SpO2 > 90% volumen- als auch druckkontrolliert erfolgen, zudem kann die • Anpassung der DU bis zu 20 mbar je nach Toleranz des Spontanatmung auch mittels Druckunterstützung augmentiert Patienten werden (1, 2). • Ziel → Reduktion von Dyspnoe, normofrequente Atmung, normales AZV 4.3. Biphasic Positive Airway Pressure (BIPAP) → gute Synchronisierung von Patient + Respirator Synonyme: BIPAP, Bi-Vent, DuoPAP, Bi-Level Bei der BIPAP-Beatmung wird ein oberes, inspiratorisches Der Nutzen von NIV ist bei verschiedenen intensivmedizini- Druckniveau (Pinsp) und ein unteres, exspiratorisches Druckni- schen Krankheitsbildern gut belegt: Patienten mit exazerbierter veau (PEEP) am Respirator eingestellt sowie ein Verhältnis der Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers 79
Refresher Course Nr. 40 Aktuelles Wissen für Anästhesisten Mai 2014 · Leipzig Inspiration zur Exspiration (I : E), die FiO2 und eine vorgege- vorgegebene AF im BIPAP Modus reduziert werden und im bene Atemfrequenz gewählt. Dadurch gibt der Respirator eine Verlauf eine reine CPAP-Atmung im PSV-Modus angestrebt druckkontrollierte, zeitgesteuerte mandatorische Beatmung werden (1, 2). vor. Atmet der Patient noch nicht spontan, entspricht der BIPAP- Modus einer druckkontrollierten Beatmung. Bei einsetzender Spontanatmung erlaubt der BIPAP-Modus jedoch zusätzliche Extubationskriterien postoperativ Atemaktivität des Patienten sowohl auf dem inspiratorischem • suffizientes AZV bei Pinsp von 8-12 mbar bzw. DU von ca. 5 mbar als auch auf dem exspiratorischem Druckniveau (1). • suffiziente Oxygenierung bei PEEP von 5-8 mbar und 4.4. Druckunterstützte Spontanatmung FiO2 < 0,5 Synonyme: PSV (Pressure Support Ventilation), ASB (Assisted • Spontanatemfrequenz > 5-8/min Spontaneus Breathing) • Schutzreflexe sicher vorhanden Bei dieser Beatmungsform wird jede Inspirationsbemühung • keine klinischen Zeichen der respiratorischen Insuffizi- des Patienten (gemessen am inspiratorisch erzeugten Flow enz oder negativem Atemwegsdruck) durch eine Druckunterstüt- zung augmentiert. Fehlt die Spontanatmung, so erfolgt auch 4.6. Weaning nach prolongierter maschineller Beatmung keine Druckunterstützung durch den Respirator. Eine Pressure Muss die maschinelle Beatmung über längere Zeit durchge- Support Ventilation eignet sich daher zur Entlastung der Atem- führt werden (z.B. bei Patienten mit Pneumonie, Sepsis, ARDS muskulatur, die zentrale Atemregulation (cave: Opioide) und o.ä.) kann sich die Entwöhnung (engl: Weaning) von der die neuromuskuläre Übertragung (cave: Muskelrelaxantien) Beatmung langwierig und schwierig gestalten. Das Weaning müssen jedoch intakt sein. wird nach dem Erfolg der Entwöhnung von der Beatmung Am Respirator können dabei nur die Druckunterstützung in drei Kategorien unterteilt. Eine „einfache Entwöhnung“ (DU, Druck über PEEP), die Druckanstiegsgeschwindigkeit gelingt beim ersten Spontanatmungsversuch bzw. bereits („Rampe“), der PEEP, die Triggerschwelle (Druck- oder Flow- nach der ersten Extubation. Eine „schwierige Entwöhnung“ trigger, bei dem ein Atemhub augmentiert wird) und die FiO2 gelingt spätestens beim dritten Spontanatemversuch bzw. eingestellt werden. Atemfrequenz und Inspirationszeit werden innerhalb ≤ 7 Tagen nach initial erfolgloser Entwöhnung. Eine vom Patienten bestimmt. „prolongierte Entwöhnung“ beschreibt einen Weaningerfolg erst nach > 3 Spontanatmungsversuchen bzw. nach > 7 Tagen andauernder Beatmung nach initialem Spontanatmungsver- Problemlösung bei Oxygenierungsstörungen such (10). Häufige Ursachen für ein erschwertes Weaning • Erhöhung der FiO2 sind vermehrte Atemarbeit durch ungünstige Einstellungen am • zeitgleiche Erhöhung von PEEP und Pinsp (Druckdifferenz Respirator, verminderte Compliance durch Ventilator assozi- und AZV unverändert) ierte Pneumonie, Lungenödem, Pleuraergüsse oder obstruktive • E rhöhung des I:E-Verhältnisses zugunsten der Inspiration Lungenfunktionsstörungen, erschwerte Expektoration und (Inverse Ratio Ventilation) Sekretretention, Überhang von Sedativa oder Muskelrelaxan- Problemlösung bei Ventilationsstörungen (PaCO2 ↓↑) tien, Critical-Illnes-Polyneuropathie und Myopathie (CIP/CIM) • Hyperventilation (PaCO2↓): Reduktion Pinsp und/oder AF und delirante Zustände, oder auch Angst vor der Entwöhnung • Hypoventilation (PaCO2↑): Erhöhung Pinsp und/oder AF von der Beatmung. Das Weaning sollte so früh wie möglich begonnen werden, um die Beatmungsdauer nicht unnötig zu verlängern. Ein Weaningversuch sollte unternommen werden, 4.5. Beendigung der postoperativen Nachbeatmung wenn der Patient Schutzreflexe, einen suffizienten Hustenstoß Eine Beendigung der postoperativen Nachbeatmung kann ohne übermäßige Sekretproduktion, stabile Kreislaufparameter erfolgen, wenn der Patient die erforderliche muskuläre mit nur geringer medikamentöser Kreislaufunterstützung und Atemarbeit sowie die zentrale Atemregulation wieder völlig eine ausreichende Oxygenierung (SpO2 > 90% bei FiO2 ≤ 0.4 unabhängig vom Beatmungsgerät leisten kann und er sichere bzw. PaO2/FiO2 ≥ 200 mm Hg und PEEP ≤ 5 mbar) ohne rele- Schutzreflexe aufweist. Auf der Intensivstation ist dies oft ein vante respiratorische Azidose aufweist (10, 11). Eine aktuelle fließender Übergang, der mit der Reduktion der Invasivität der deutschsprachige S3-Leitlinie beschreibt das Vorgehen im Beatmung (FiO2, Atemwegsdruck und Frequenz) beginnt und Detail (12). in suffizienter Spontanatmung ohne maschinelle Unterstützung Die Dauer des Weanings und damit der maschinellen Be- mündet. atmung kann durch die Anwendung eines standardisierten Zunächst sollte eine hohe FiO2 auf < 0.5 reduziert werden. Weaningprotokolls verkürzt werden (13). Bei weiterhin guter Oxygenierung erfolgt eine Reduktion von Folgende Kriterien sollten im Protokoll berücksichtig sein: Pinsp und des PEEP. Ist der Spontanatemanteil des Patienten • objektive Beurteilungsmöglichkeit, ob der Patient eine we- ausreichend für eine suffiziente CO2-Elimination, kann die niger invasive Beatmung toleriert; 80 Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 · Leipzig • strukturierte Handlungsanweisung, wie die Invasivität der häufig die Durchführung eines Weaningprotokolls mit wech- maschinellen Beamtung schrittweise reduziert werden soll; selnden Phasen vollständiger Spontanatmung an der Kanüle. • Extubationskriterien. Es ist dabei zu beachten, dass Tracheotomien invasive Eingriffe Ein mögliches Weaningprotokoll ist im folgenden abgebildet. darstellen, die bei Intensivpatienten mit signifikanter Morbidität und Letalität verbunden sein können. Entsprechend streng ist die Indikation zu stellen. Eine Tracheotomie erleichtert zwei- Weaningprotokoll felsohne die Entwöhnung, ist aber keinesfalls als notwenige Tägliche Evaluation, ob ein Spontanatmungsversuch Voraussetzung dafür zu betrachten. Der optimale Zeitpunkt zur durchgeführt werden kann Durchführung einer Tracheotomie ist nach aktueller Datenlage • hämodynamische Stabilität? unklar. Eine frühe Tracheotomie innerhalb der ersten 2-5 Tage • PaO2/FiO2 ≥ 200 mm Hg bei PEEP ≤ 5 mbar? bei Patienten, die vermutlich eine Beatmungsdauer von > 14 d • Besserungstendenz der zugrunde liegenden, die respira- benötigen, ist möglicherweise mit einem günstigeren Behand- torische Insuffizienz verursachende Erkrankung? lungsergebnis assoziiert (2, 14-16). Neuere Studien konnten → ja: Spontanatmungsversuch jedoch keinen signifikanten Vorteil der frühen Tracheotomie → nein: weiter maschinelle Beatmung nachweisen, ebenso ist die Beatmungsdauer schwer vorherzu- Spontanatmungsversuch sagen (17,18). • keine oder nur minimale maschinelle Beatmungsunter- stützung 5. Lungenprotektive Beatmung beim akuten Lungen- • möglichst keine Sedierung während des Entwöhnungs- versagen versuches 5.1. Diagnose des akuten Lungenversagens • Spontanatmungsversuch für mindestens 30 min ohne Charakteristisch für das akute Lungenversagen ist eine schwer- Zeichen der respiratorischen Insuffizienz (klinische wiegende Störung des pulmonalen Gasaustausches. Klinisch Zeichen: AF > 35/min für > 5 min, SpO2 < 90%, HF > zeigt sich diese Gasaustauschstörung in einer schweren 140/min oder > 20% Abweichung von der Ausgangsfre- sauerstoffrefraktären arteriellen Hypoxämie (19). Die aktuell quenz, sysolischer Blutdruck > 180 mm Hg oder < 90 gültigen Diagnosekriterien des ARDS (Acute Respiratory Dist- mm Hg, Zeichen von Distress) ress Syndrome) nach der „Berlin Definition“ aus dem Jahr 2012 → Spontanatmungversuch erfolgreich: Extubationskrite- sind rien evaluieren (s.u.) – (a) ein akuter Beginn innerhalb einer Woche nach ursäch- → Spontanatmungversuch abgebrochen: weiter maschi- lich angenommenem Auslöser nelle Beatmung – b) ein Verhältnis von PaO2/FiO2 ≤ 300 mm Hg und Extubationskriterien – (c) radiologisch nachweisbare bilaterale pulmonale Infiltrate • S chutzreflexe sicher vorhanden (suffizienter Husten- unter Ausschluss eines Linksherzversagens. stoß, Schluckreflexe, Offenhalten der oberen Atemwege Die Ausprägung der pulmonalen Gasaustauschstörung bedingt gewährleistet) die Einteilung in ein mildes (PaO2/FiO2 ≤ 300 mm Hg, aber > • keine übermäßige Sekretproduktion 200 mm Hg), ein moderates (PaO2/FiO2 ≤ 200 mm Hg, aber • ausreichende Vigilanz > 100 mm Hg) und ein schweres (PaO2/FiO2 ≤ 100 mm Hg) ARDS (20). 4.7. Tracheotomie – wann und bei wem? Trotz maschineller Beatmung mit hoher inspiratorischer Sau- Unter Weaningversagen versteht man den über längere Zeit erstoffkonzentration und hohen Atemwegsdrücken kann bei gescheiterten Versuch, den Patienten in eine suffiziente Spon- Patienten mit ARDS häufig keine ausreichende Oxygenierung tanatmung zu überführen. Eine suffiziente Spontanatmung erreicht werden, weshalb die Therapie dieses Syndroms noch umfasst eine adäquate Oxygenation (PaO2 > 60 mm Hg unter immer eine intensivmedizinische Herausforderung darstellt Raumluft bzw. unter Sauerstoffinsufflation via Nasenbrille/ (21, 22). Sauerstoffmaske), eine adäquate CO2-Elimination (PaCO2 < 50 mm Hg bzw. pH im Normbereich), sowie eine normofrequente 5.2. Pathophysiologie des akuten Lungenversagens Atmung mit spontanem AZV von mindestens 5 ml/kg KG ohne Pathophysiologisch betrachtet führt beim ARDS eine erhöhte Zeichen von Stress oder paradoxer Atmung. Nach sorgfältiger Permeabilität der alveolokapillären Barriere durch einen Nutzen-Risiko-Abwägung kann bei erwarteter langer Dauer der entzündungsbedingten Endothelschaden mit beeinträchtigter maschinellen Beatmung oder Weaningversagen zur Erleichte- Funktion des Alveolarepithels zur Ausbildung eines alveolären rung der Entwöhnung eine Tracheotomie erwogen werden. Lungenödems (19, 23). Daneben kommt es sowohl entzün- Vorteile der Tracheotomie sind die Reduktion von resistiven dungs- als auch kompressionsbedingt zu einer vermehrten Atemwegswiderständen und Sedierung sowie eine erleichterte Bildung von atelektatischen, ebenfalls nicht ventilierten Mundpflege, Kostaufbau, Verständigung durch Sprechen und Lungenarealen (24, 25). Dies sowie die Beeinträchtigung der Schonung der Stimmbandebene. Die Tracheotomie ermöglicht hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion führen zu einem Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers 81
Refresher Course Nr. 40 Aktuelles Wissen für Anästhesisten Mai 2014 · Leipzig hohen intrapulmonalen Rechts-Links-Shunt (26, 27). Diese • Regulierung von PaCO2 über die Beatmungsfrequenz fatale Kombination aus Minderbelüftung von ödematösen und (20-30/min) atelektatischen Lungenarealen sowie inflammationsbedingtem → Richtwert PaCO2 ≤ 70 mm Hg, jedoch auch höhere Versagen der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion be- Wert akzeptabel je nach Kompensation der respiratori- wirkt die ausgeprägte Erhöhung des intrapulmonalen Rechts- schen Azidose mit pH ≥ 7,2 („permissive Hyperkapnie”) • Abschätzung des Idealgewichts: (Körpergröße [cm]- links-Shunts mit O2-refraktärer Hypoxämie. 152,4) x 0,91 + A (männlich: A = 50, weiblich: A = 45,5) 5.3. Allgemeine Behandlungsprinzipien beim ARDS Bisherige Behandlungsstrategien des ARDS umfassen einerseits Die Verbesserung der Oxygenierung erklärt sich pathophysiolo- kausale Therapieansätze wie die Fokussanierung und antibio- gisch durch ein Offenhalten der gasaustauschenden Einheiten tische Behandlung einer möglicherweise zugrunde liegenden mit Reduktion atelektatischer Lungenbereiche. Infektion (19). Medikamentöse Therapieansätze einer selekti- Eine alveoläre Rekrutierung kann durch Spontanatmung ven pulmonalen Vasodilatation mit dem Ziel einer Reduktion des Patienten zusätzlich unterstützt werden, in dem diese des intrapulmonalen Shuntvolumens und Verbesserung der zwerchfellnahe dorso-basale Lungenareale eröffnet. Es gibt Oxygenierung durch Inhalation von Stickstoffmonoxid oder experimentelle Hinweise darauf, dass diese zusätzliche Prostanoiden haben ebenso wenig wie die antiinflammato- Spontanatmung ohne oder mit nur geringer zusätzlicher rische Therapie mit Glukokortikoiden die Letalität des ARDS Druckunterstützung erfolgen sollte, da in einigen Studien nur signifikant senken können. Sie werden daher als Notfallmaß- eine nicht-augmentierte Spontanatmung eine Verbesserung nahmen betrachtet und in der Routinetherapie von ARDS von Gasaustausch und Hämodynamik zur Folge hatte (38, nicht empfohlen (19, 28-30). Hier stehen vor allem supportive 39). Als weitere Vorteile von frühzeitiger Spontanatmung sind Maßnahmen wie ein lungenprotektives Beatmungsregime mit erleichtertes Weaning mit Reduktion der Analgosedierun sowie niedrigen Tidalvolumina und Beatmungsspitzendrücken sowie die Verkürzung von Beatmungsdauer und Intensivaufenthalt eine restriktive Volumentherapie im Vordergrund (31, 32). gezeigt worden (40). Diesem Ansatz widerspricht eine neuere Arbeit, in welcher eine Muskelrelaxation mit Cis-Atracurium 5.4 Lungenprotektive Beatmungsstrategien beim akuten während der Frühphase des ARDS zu einer Senkung der Letali- Lungenversagen tät beitragen konnte (41). Nach aktueller Datenlage gehört zu einer lungenprotektiven Beatmungsstrategie die Applikation von kleinen Tidalvolumina Vorteile von zusätzlicher Spontanatmung im BIPAP Modus (6-8 ml/kg idealem Körpergewicht), da dies zu einer Reduk- bei ARDS Patienten tion der beatmungsassoziierten Entzündungsreaktion und zu • Verbesserung der Oxygenierung und der CO2-Elimi- einer Senkung der Sterblichkeit führt (31, 33). Zudem wird die nation Verwendung von adäquat hohen PEEP-Niveaus empfohlen, • Verbesserung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses da dies die Oxygenierung verbessern kann und somit die • alveoläre Rekrutierung mit Abnahme der dorso-basalen Notwenigkeit des Einsatzes von Rescue-Therapieverfahren Atelektasen reduziert werden kann. Aktuelle Meta-Analysen legen nahe, • Verbesserung der Hämodynamik: Steigerung des ve- dass eine maschinelle Beatmung mit hohen PEEP-Werten bei nösen Rückstromes, des Herz-zeitvolumens und der schweren ARDS zu einer Senkung der Sterblichkeit führen Durchblutung extrathorakaler Organe kann (34, 35). Im Kontext einer Druckkontrolle mit Vermeidung • verbessertes Weaning (Reduktion von Analgosedierung hoher Spitzendrücke (Pinsp ≤ 30 mbar) und unter Hinnahme und Atemmuskelatrophie) erhöhter PaCO2-Werte (permissive Hyperkapnie) stellt diese Beatmungsstrategie derzeit ein evidenzbasiertes Therapiekon- Neben der lungenprotektiven Beatmungsstrategie führt auch zept des ARDS dar, welches das Überleben von Patienten mit eine frühzeitig angewandte Lagerungstherapie unter Einschluss Lungenversagen signifikant verbessert (31, 36, 37). von Bauchlagerung häufig zur Verbesserung der Oxygenierung; insbesondere beim schweren ARDS sind überdies günstige Effekte auf das Überleben dokumentiert worden (42). Diese Lungenprotektive Beatmungsstrategie werden durch eine Verbesserung des Ventilations-Perfusions- • Tidalvolumen 6-8 ml/kg idealem Körpergewicht Verhältnisses und der regionalen Ventilation sowie ein erhöhtes • PEEP ≥ 12-20 mbar (über dem unteren Umschlagpunkt end-exspiratorisches Lungenvolumen erklärt. der statischen P-V-Kurve) 5.5 Feststellung eines optimalen PEEP • Pinsp ≤ 30 mbar (unter dem oberen Umschlagspunkt der statischen P-V-Kurve) Die Wahl des geeigneten PEEP erfolgt häufig mittels festgeleg- • möglichst niedrige FiO2 (≤ 0,6) mit dem Ziel PaO2 ≥ ter PEEP Tabellen in Abhängigkeit von der FiO2 (43). 60-80 mm Hg 82 Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 · Leipzig Auf Grund der individuell variablen Lungen- und Thoraxmecha- nik erscheint es möglicherweise günstiger, den optimalen PEEP „Best PEEP“ → beste Compliance (PEEP > unterer Um- für jeden ARDS Patienten individuell zu ermitteln. Dies kann schlagspunkt der P-V-Kurve) einerseits an Hand der Atemmechanik durch Darstellung der → Gasaustausch: höchster PaO2 bei nied- statischen Druck-Volumenkurve (P-V-Kurve, je nach Hersteller rigstem PaCO2 als Funktion am Respirator verfügbar) erfolgen. Dabei soll der → positiver transpulmonaler Druck PEEP so gewählt werden, dass dieser oberhalb des unteren Um- schlagpunktes der inspiratorischen Druck-Volumenkurve liegt, um einem zyklischen Alveolarkollaps in der Exspirationsphase 5.6. Rekrutierungsmanöver – ja oder nein? und damit zusätzlichem Scherstress (Atelektrauma) vorzubeu- Zur Verbesserung des Gasaustausches wird immer wieder die gen. Der inspiratorische Plateaudruck soll unterhalb des oberen Durchführung von Rekrutierungsmanövern diskutiert. Dabei Umschlagpunktes der Druck-Volumenkurve gewählt werden, soll durch Wiedereröffnung atelektatischer Lungenbereiche um eine Überdehnung (Volutrauma) der Lunge zu vermeiden. („Open up the lung“) und Offenhalten kollapsgefährdeter Dies folgt der Vorstellung, dass das Druck-Volumen-Verhältnis Lungenbereiche („Keep the lung open“) eine Verbesserung des zwischen dem unteren und dem oberen Umschlagspunkt einen Gasaustausches und letztendlich eine weniger invasive Beat- eher linearen Verlauf zeigt und das respiratorische System dort mung erreicht werden (46). Bei den Rekrutierungsmanövern die höchste Compliance (Volumendehnbarkeit) besitzt (44). werden kurzzeitig je nach angewandter Technik pulmonale Die Verringerung einer beatmungsassoziierten Inflammations- Spitzendrücke bis zu 45-60 mbar appliziert. Bei der Technik reaktion wird aktuell als ursächlicher Mechanismus für den des „inspiratory hold“ wird unter Einhaltung eines Pinsp ≤ 30 Überlebensvorteil von ARDS Patienten betrachtet, die lungen- mbar die Inspirationszeit auf bis zu 40 s verlängert, was bei Zu- protektiv beatmet werden (siehe auch 5.4) (33, 37). stand nach Diskonnektion vom Respirator die Oxygenierung verbessern kann (1). Der geeignete PEEP bei Patienten mit Spontanatemanteil, bei denen keine statische P-V-Kurve abgeleitet werden kann, kann Die Heterogenität der verschiedenen Rekrutierungsmanöver auch durch Evaluation des Gasaustausches ermittelt werden. erschwert den Vergleich zwischen den vorliegenden Studien. Hierbei wird der PEEP jeweils in 2-3 mbar Stufen bei gleicher Ein Überlebensvorteil konnte durch Rekrutierungsmanöver Druckamplitude erhöht, bis der PEEP mit der besten Compli- bislang nicht gezeigt werden (47, 50). Im Zusammenhang mit ance und dem bestem Gasaustausch gefunden ist. Diese Vorge- einer lungenprotektiven Beatmungsstrategie, deren Vorteil für hen ist auch als absteigende PEEP Reihe, beginnend mit einem das Überleben von ARDS Patienten als gut belegt gilt, werden hohen PEEP Niveau (20-25 mbar) möglich. Bei der Evaluation Rekrutierungsmanöver auch kritisch gesehen. Darüber hinaus des Gasaustausches sollten sowohl PaO2 als auch PaCO2 führen Rekrutierungsmanöver bei lungenprotektiv beatmeten betrachtet werden, da ein Abfall des PaCO2 bei konstant belas- Patienten mit adäquat hohem PEEP zu keiner nachhaltigen sender AF und Druckamplitude für eine verbesserte alveoläre Verbesserung des Gasaustausches oder der Atemmechanik Ventilation und damit für eine alveoläre Rekrutierung spricht. (48, 49). Dementsprechend sind Rekrutierungsmanöver in der Ein Anstieg im PaCO2 bzw. des arterio-endexspiratorischen Beatmungsstrategie des ARDS nicht routinemäßig empfohlen, CO2-Gradienten spricht für eine alveoläre Überdehnung und sie können wenn vor allem in der Frühphase des ARDS bei damit eine Zunahme der Totraumventilation. Da die alveoläre lebensbedrohlicher Hypoxämie als Rescue-Verfahren erwogen Rekrutierung zeitabhängig ist, sollte genügend Zeit (> 30 min) werden (1, 50). zwischen PEEP-Anpassung und BGA-Kontrolle liegen (1). 6. Ventilator assoziierte Lungenschädigung (VILI) Als weitere Option kann der optimale PEEP auch durch Das Konzept der lungenprotektiven Beatmung basiert auf Ermittlung des transpulmonalen Druckes gefunden werden. der Vermeidung von beatmungsassoziiertem Lungenschaden Der transpulmonale Druck ist die Differenz zwischen Alveo- (Ventilator induced lung injury, VILI). Beatmung mit hohen lardruck und Pleuradruck, wobei der Pleuradruck aus Praktika- Atemzugvolumina kann zur Ruptur von Alveolen und damit bilitätsgründen durch Messung des intraösophagealen Drucks zu Komplikationen wie Pneumothorax, Mediastinal- und abgeschätzt wird. Die zugrundliegende Vorstellung ist dabei, Hautemphysem führen (Volutrauma) (50). Aber auch die dass nur bei positivem end-exspiratorischem transpulmonalen regionale Überblähung vor allem der ventral gelegenen, Druck ein Alveolarkollaps in der Exspiration verhindert wird. nicht-abhängigen Lungenarealen selbst bei niedrigem Atem- Auch bei dieser Methode zur PEEP-Optimierung lässt sich eine zugvolumen spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung des Verbesserung der Oxygenierung nachweisen (45). VILI (19, 50). Eine überproportionale Radiusabnahme der Bei der Suche nach dem optimalen PEEP darf jedoch nicht Alveole in der Expiration führt zum Verlust und zur Dysfunk- außer Acht gelassen werden, dass nur eine lungenprotektive tion von Surfactant; das wiederholte Öffnen und Kollabieren Beatmung mit einem Überlebensvorteil für den ARDS Patien- kleiner Atemwege und Lungenkompartimente bedingt die ten einhergeht, nicht jedoch die verbesserte Oxygenierung. Entstehung von Scherstress. Es resultieren Epithelschädigung, Auch darf der PEEP nur in dem Maße erhöht werden, wie die hyaline Membranen und erhöhte alveolo-kapilläre Permeabi- hämodynamische Stabilität des Patienten gewährleistet ist. lität mit Ödembildung (Atelektrauma) (50). Als Folge werden Beatmung auf der Intensivstation – eine Praxisanleitung · N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers 83
Refresher Course Nr. 40 Aktuelles Wissen für Anästhesisten Mai 2014 · Leipzig pulmonal vermehrt Zytokine und andere proinflammatorische Evidence-based guidelines for weaning and discontinuing Marker produziert (Biotrauma), die wiederum die Lunge selbst ventilatory support: a collective task force facilitated by the schädigen oder durch eine systemische Kaskadenreaktion zum American College of Chest Physicians; the American Association for Respiratory Care; and the American College of Critical Care Multiorganversagen führen können (33, 50). Medicine. Chest 2001;120(6 Suppl):375S-95S. Vor diesem Hintergrund ist derzeit akzeptiert, dass die maschi- 15. Kollef MH, Ahrens TS, Shannon W.Clinical predictors and nelle Beatmung bei Patienten mit ARDS nicht auf das Erreichen outcomes for patients requiring tracheostomy in the intensive normaler Blutgase abzielt (34, 39, 40, 50). In wie weit diese care unit. 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