Computer und Gewalt: Nahkampf im Kinderzimmer

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Computer und Gewalt: Nahkampf im Kinderzimmer
Computer und Gewalt: Nahkampf im
                                                Kinderzimmer
                                                          Gewalt in Computerspielen – ein Dauerthema?
                                                          Am 11.03.2006 war in der Online-Ausgabe des
                                                          „Spiegel“ zu lesen, wie sich der Kriminologe Prof.
                                                          Christian Pfeiffer mit der Forderung zu Wort meldete,
                                                          der Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen müsse
                                                          per „Schulgesetz“ reglementiert werden, zum Beispiel in
                                                          Form von Ganztagsschulen. „Wer bis zum Nachmittag
                                                          in der Ganztagsschule die Bank drücke, habe gar keine
                                                          Gelegenheit, vor PC oder Konsole zu verrohen“,
    Bildquelle: www.sxc.hu                                so Pfeiffer in dem „Spiegel“ Interview.

    Die Frage nach den Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen wird nach wie vor kon-
    trovers diskutiert. Während manche nachzuweisen versuchen, dass einschlägige PC-Spiele das
    Orientierungsvermögen schulen und völlig unschädlich sind, behaupten andere, dass eben diese
    Computerspiele die konsumierenden Kinder und Jugendlichen in gefühllose „Killermaschinen“
    verwandeln. Dass jedoch ein Zusammenhang zwischen der Nutzung gewalthaltiger Computer-
    spiele und einer aggressiven Wirkung besteht, zeigen einschlägige Metaanalysen (z. B. Ander-
    son, 2004). Obwohl kurzfristige Wirkungen nach dem Konsum gewalthaltiger PC-Spiele in Form
    von Veränderungen der Körperfunktionen (Herzfrequenz, Blutdruck, Flow etc.), des aggressiven
    Gemütszustandes und des prosozialen Verhaltens unmittelbar messbar sind, fehlen bislang gesi-
    cherte Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen.

    Ein Verbot der so genannten „Killerspiele“ wird nach Gewalttaten von Jugendlichen wie in Erfurt
    oder Freising immer wieder gefordert – bisher erfolglos. Dabei stellen gewalthaltige Computer-
    spiele angesichts der im Internet und über Handy und andere Mediaplayer verbreiteten Filme von
    realen Tötungsszenen (Snuff Videos, Happy Slapping) nicht einmal die Speerspitze der Medien-
    gewalt dar.

    Hollywood-Budgets
    Dennoch ist das Thema „Gewalt in Computerspielen“ zu Recht ein Dauerbrenner, da die „Zocker-
    Gemeinde“ seit vielen Jahren eine eigene Kultur hervorbringt und auch im Fokus gewaltiger Wer-
    bebudgets seitens der Spielebranche steht, die nur noch mit denen von Großproduktionen aus
    Hollywood zu vergleichen ist. Laut der OECD-Studie von 2005 setzen Video- und Computerspiele
    weltweit 21 Milliarden Dollar jährlich um. Vor allem Shooter sind beliebt.

                               Herausgeber:
             Staatsinstitut für Schulqualität
                    und Bildungsforschung
     Schellingstraße 155, 80797 München         Seite 1
Tel.: 089 2170-2101, Fax: 089 2170-2105
                        www.isb.bayern.de
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Computer und Gewalt: Nahkampf im Kinderzimmer

Das Geschäft mit den bewegten Spielen, deren Grafik fast so ausgereift ist, wie die der großen Holly-
wood-Filme, boomt auch hierzulande. Knapp eine halbe Milliarde Euro wird in Deutschland mit der
Software eingenommen. Das Geld verteilt sich hälftig auf Action für Konsolen (Sony, Nintendo oder
Microsoft) und für den Computer. Die Leipziger Games Convention gilt in ihrem fünften Jahr (2006)
längst als Barometer für die Branche und meldet wieder Rekorde: mehr Aussteller (368 aus 25 Ländern),
90000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und ca. 134000 Besucher (vgl. Focus, Heft 35, 08/2006). Große
Turniere, von Kommunen überregional organisierte LAN-Partys, weltweit funktionierende Online-
Spielecommunities (z. B. „World Of Warcraft“, „Halo 2“, „Counterstrike“) oder bei Onlineauktionshäusern
zu stattlichen Summen angebotene Spieleridentitäten sprechen da eine deutliche Sprache.

Drehen sich die folgenden Überlegungen um den Bereich der jugendgefährdenden PC-Spiele, so darf
keinesfalls vergessen werden, dass es sich dabei nur um etwa 4 Prozent des gesamten Spieleangebots
handelt (www.usk.de).

Genres
Der Computerspielemarkt, egal in welcher Form (Konsole/PC/Online), ist riesig und kaum noch durch-
schaubar. Generell kann man in Anlehnung an die JIM-Studie – Jugend, Information, (Multi-)Media sechs
verschiedene Genres (Action, Adventure, Strategie, Simulation, Rollenspiele, Jump’n Run) unterschei-
den. Die markantesten Unterschiede werden anhand eines Rasters verdeutlicht, dem folgende Kriterien
zugrunde liegen: Spielziel, Hauptfigur, Methoden, Belohnung, Skills (zum Spielen nötige Fähigkeiten).
Im Weiteren werden durch Screenshots aus den Originalspielen einige der im Gewaltkontext besonders
relevanten Spiele dargestellt, die anderen erscheinen als Genres nur in einer kurzen Übersicht. Analog
zum Filmbereich, in dem fast jeder Unterhaltungsfilm mehr oder weniger einen Gewaltbezug hat, weisen
auch viele der Computerspiele einen solchen auf. So gibt es zum Beispiel Rennspiele, bei denen der
Spieler Punkte erhält, wenn er Konkurrenten von der Fahrbahn drängt (z. B. „Burnout: Revenge“),
Abenteuerspiele, die schon einmal eine Schießerei enthalten (z. B. „Tomb Raider“), Simulationen, die ein
Kriegsszenario beinhalten usw....
Das Hauptaugenmerk der folgenden Ausführungen liegt daher bei den Action-Spielen, bei denen die
Ausübung von Gewalt als zentrale Methode im Mittelpunkt steht und bei denen Gewalt explizit bebildert
wird.

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ACTION
Der Faszinationsgrad dieser Spiele wird durch die Multiplayer-Möglichkeiten noch beträchtlich erhöht.
Dadurch ist eine Interaktion mit mehreren Mitspielern entweder lokal oder übers Internet möglich. Die KI
(künstliche Intelligenz) der Gegner aus dem Computer ist begrenzt und somit läuft deren Verhalten oft-
mals recht linear ab. Viel interessanter ist es für die Spieler dagegen, sich mit anderen Menschen zu
messen. Über ein Headset ist man dabei auch verbal direkt miteinander verbunden und Strategien kön-
nen besprochen, Erfahrungen ausgetauscht werden.

3-D-SHOOTER
(z. B.: „Ego-Shooter: „Doom 3”, „Quake 3”, „Wolfenstein”, „Unreal”, „Halo”, „Counterstrike”,
„Half Life”, „Soldier Of Fortune” oder auch so genannte 3rd Person-Shooter: „Duke Nukem”,
„Brute Force” …)

                                                     „Doom 3” (ID-Software)

Spielziel                                            Eliminierung verschiedenster Feinde (Aliens, Terroristen,
                                                     Monster), um eine übergeordnete Bedrohung auszu-schal-
                                                     ten; meist im Dienst des „Guten“ bzw. in einem historischen
                                                     Kriegsszenario

Hauptfigur                                           Superkämpfer oder Soldat; aus der Ego-Perspektive er-
                                                     wächst ein persönlicher Bezug zur Figur

Methoden                                             Töten und Zerstören

Belohnung                                            „Überleben“, neue Level, größere Waffen

Skills                                               Schnelligkeit in der Beherrschung der Hardware; gutes Ori-
                                                     entierungsvermögen, Reaktionsvermögen

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TAKTIK-SHOOTER
(z. B.: „Rainbow Six”, „Ghost Recon”…)

                                      „Rainbow Six” (Red Storm Entertainment)

Spielziel                             Eliminierung verschiedenster Feinde (meist Soldaten,
                                      Terroristen), mit einem speziellen Auftrag; stets im
                                      Dienst des „Guten“, oftmals in einem Kriegs- oder Spio-
                                      nage-Szenario; zuweilen starker Simulationscharakter
                                      („America’s Army“)
Hauptfigur                            Kämpfer (oft Soldat oder Agent); meist Ego-Perspektive;
                                      höhere Verletzlichkeit; höherer Realismusgrad
Methoden                              Töten, aber auch Umgehen der Gegner; Zusammen-
                                      arbeit im Team; Steuerung von Teams
Belohnung                             „Überleben“; neue Level; „Beförderung“; größere Waffen
Skills                                Schnelligkeit in der Beherrschung der Hardware; gutes
                                      Orientierungsvermögen; Geduld; Teamfähigkeit

BEAT’EM UPs
(z. B.: „Mortal Combat”, „Tekken”, „Street Fighter”…)

                                      „Mortal Combat” (Midway)

Spielziel                             Zweikampfsiege über verschiedenste Gegner; gekämpft
                                      wird meist mit Fäusten, einfachen Waffen (Messer,
                                      Schwerter); manchmal auch im Fantasykontext
Hauptfigur                            Kämpfer aus einer Reihe verschiedener Charaktere, der
                                      sich in einem Turnier beweisen muss
Methoden                              Kampf bis der Gegner tot oder kampfunfähig ist
Belohnung                             „Überleben“; neue Runden; größere Waffen; mehr
                                      Kampfkraft
Skills                                Schnelligkeit in der Beherrschung der Hardware; Reakti-
                                      onsvermögen; Beherrschen besonders schneller Tasta-
                                      tur-/Kontrollerkombinationen

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ADVENTURES

 HORROR ADVENTURES
 (z. B.: „Silent Hill”, „Resident Evil“,„Alone In The Dark”)

                                        „Resident Evil 4“ (Capcom)

 Spielziel                              Überleben im Horrorszenario; Rätsel lösen

 Hauptfigur                             3rd-Person-Perspektive, Person als wichtiger Teil der
                                        Story

 Methoden                               Töten; Kämpfen; Rätsel lösen

 Belohnung                              Überleben; Enthüllung der Geheimnisse

 Skills                                 Schnelligkeit; gute Nerven

Ähnliches wie für die Horror-Ego-Shooter wie „Doom 3“ gilt für die „Silent Hill“- und „Resident
Evil“-Reihen, die sich eines konkreten Horrorszenarios bedienen. Sie sind von der Machart her
weniger actionlastig ausgelegt, bauen auf eine bedrückende Atmosphäre und sind auch in der
Darstellung der Gewalt sehr explizit. Der zweite Teil von „Resident Evil“ beispielsweise wurde in
Deutschland indiziert.

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Computer und Gewalt: Nahkampf im Kinderzimmer

Ein kurzer Blick über den großen „Rest“ der Spielewelt

WEITERE ADVENTURES
 GRAFIK-ADVENTURES
 (z. B.: „Myst“)

 Spielziel                              Lösen von Rätseln; Erkunden fremder Welten anhand
                                        statischer Bilder; manchmal auch im Fantasykontext

 Hauptfigur                             Person mit komplexem Storybezug

 Methoden                               Entdecken; Nachdenken

 Belohnung                              Finden neuer Welten

 Skills                                 Kombinationsgabe; Geduld

 ACTION-ADVENTURES
 (z. B.: „Tomb Raider“, „Indiana Jones“, „Prince Of Persia“ ...)

 Spielziel                              Lösen von Rätseln; Erkunden fremder Welten im 3D-
                                        Szenario; manchmal auch im Fantasykontext

 Hauptfigur                             Person mit komplexem Storybezug

 Methoden                               Entdecken; Kämpfen; Nachdenken

 Belohnung                              Finden neuer Welten; Überleben

 Skills                                 Kombinationsgabe; Geduld; Beherrschung von Tasta-
                                        tur/Controller

Action-Adventures – wie z. B. „Tomb Raider“ – haben einen deutlichen Schwerpunkt auf dem
Lösen von Rätseln und der Erforschung fremder Regionen, wenn auch in diesem Genre Ausrei-
ßer durchaus zu finden sind. Hier ist „Prince Of Persia“ (in der aktuellen Auflage) zu nennen, ein
sehr düsteres Spiel, das zu großen Teilen aus Kampfepisoden besteht.

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SIMULATIONEN

 TECHNIKSIMULATION
 (z. B.: „MS Flight Simulator“, „MS Train Simulator“...)

 Spielziel                                Nachvollziehen technisch komplexer Abläufe; „Erlernen“
                                          der Beherrschung eines Fahrzeugs

 Hauptfigur                               Schüler; Lernender

 Methoden                                 Wiederholtes Üben und Trainieren

 Belohnung                                Kleinschrittige Erfolge im Beherrschen des Gerätes

 Skills                                   Geduld; Merken komplexer Befehlsabfolgen

 SPORTSIMULATIONEN
 (z. B.: „Fifa 2006“, „Gran Turismo“, „NHL 2006“, „Amped“ ...)

 Spielziel                                Gewinnen von Spielen; Steigerung von Rundenzeiten;
                                          Verbessern von Fähigkeiten

 Hauptfigur                               Fahrer; Spieler; Teamchef

 Methoden                                 Wiederholung der gleichen Abläufe

 Belohnung                                Freischaltung neuer Fähigkeiten, Strecken, Autos oder
                                          Mannschaften

 Skills                                   Beherrschung von Tastatur/Controller; Geduld; Teamfä-
                                          higkeit; Reaktionsvermögen

 WIRTSCHAFTSSIMULATION
 (z. B.: „Die Siedler“, „Civilization“...)

 Spielziel                                Nachvollziehen technisch komplexer Abläufe; „Erlernen“
                                          der Beherrschung eines Fahrzeugs

 Hauptfigur                               Schüler; Lernender

 Methoden                                 Wiederholtes Üben und Trainieren

 Belohnung                                Kleinschrittige Erfolge im Beherrschen des Gerätes

 Skills                                   Geduld; Merken komplexer Befehlsabfolgen

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STRATEGIE

 STRATEGIESPIELE
 (z. B.: „Warcraft“, „Age Of Empires“, „Empire Earth“ ...)

 Spielziel                              Gewinnen von Einfluss; Vermehrung von Besitz und
                                        Reichtum; Verbesserung der Fähigkeiten

 Hauptfigur                             Figur im historischem oder Fantasykontext

 Methoden                               Kaufen; Kämpfen; Planen; Verhandeln

 Belohnung                              Freischaltung neuer Fähigkeiten, Waffen, Fortbewe-
                                        gungsmittel oder Gefährten

 Skills                                 Beherrschung von Tastatur/Controller; Geduld; Teamfä-
                                        higkeit; logisches Denken

 ROLLENSPIELE
 (z. B.: „Baldur´s Gate“,„Dungeons and Dragons“...)

 Spielziel                              Kennenlernen der fiktiven Welt; Gewinnen von Einfluss;
                                        Vermehrung von Besitz und Reichtum; Erlernen von
                                        Kampf und Verteidigungstechniken; Verbesserung der
                                        Fähigkeiten

 Hauptfigur                             Figur in komplexem Handlungskontext in einer erdachten
                                        Welt

 Methoden                               Kaufen; Kämpfen; Planen; Verhandeln

 Belohnung                              Freischaltung neuer Fähigkeiten, Waffen, Fortbewe-
                                        gungsmittel oder Gefährten

 Skills                                 Beherrschung von Tastatur/Controller; Geduld; Teamfä-
                                        higkeit; logisches Denken

ROLLENSPIELE
Rollenspiele und Strategiespiele leben wie die nicht virtuellen Vorbilder von der Interaktion der
Spieler untereinander. Online werden Clans (Gemeinschaften) gebildet, die sich über lange Zeit
immer wieder zum Spielen treffen, ihre Strategien besprechen, sich gegenseitig erbeutete Ge-
genstände und Fähigkeiten zukommen lassen oder diese sogar gegen reales Geld in Online-
Auktionen anbieten.

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JUMP’N RUN

 JUMP’N RUN
 (z. B.: „Supermario“, „Crash Bandicoot“, „Rayman“ ...)

 Spielziel                            Sammeln von Bonuspunkten

 Hauptfigur                           Comicartiges Wesen

 Methoden                             Hüpfen; Boxen; Treten

 Belohnung                            Neue Level, Bonuspunkte; neue Leben

 Skills                               Beherrschung von Tastatur/Controller; Geduld; Reakti-
                                      onsvermögen

Linktipp: http://www.mediengewalt.de

Neben einer umfangreichen kommentierten Linksammlung, Pressmitteilungen und Projekten zu
Gewalt in Computerspielen und in den Medien kann man im Portal MedienGewalt mit der
Suchmaschine unter den verlinkten Internetseiten nach bestimmten Begriffen suchen. Außerdem
finden sich hier Empfehlungen von über 100 Computerspielen und Lernsoftware.

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