Polis aktuell 2/2021 Frauenrechte - Diskriminierungsgrund: Geschlecht Die Rechte von Frauen - ein langer Kampf UN-Frauenrechtskonvention ...
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polis aktuell 2/2021 Frauenrechte Frauenprotest Diskriminierungsgrund: Geschlecht Die Rechte von Frauen – ein langer Kampf UN-Frauenrechtskonvention Frauenrechtsorganisationen, Materialien, Linktipps
Liebe Leserin, lieber Leser! Mädchen und Frauen sind allen vorhandenen Gefahren In einem kurzen Abriss skizzieren wir Meilensteine von Menschenrechtsverletzungen genauso ausgeliefert der Frauenbewegungen. Wir stellen Ihnen die Magna wie alle anderen Menschen. Zusätzlich werden sie aber Charta der Frauenrechte vor und bringen sie in einen immer noch aus keinem anderen Grund benachteiligt als Zusammenhang mit Sichtweisen, die auch heute noch dem, dass sie eben als Frauen und Mädchen leben. Dabei verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen an Frau- sind die Formen von Diskriminierung und Gewalt, die sie en als solche erkannt oder benannt werden. erfahren, so vielfältig wie die Frauen und Mädchen und Übungen und didaktische Hinweise ergänzen das deren Lebensrealitäten selbst. Heft. Wie immer schließen wir mit einem Serviceteil. Laut einer Studie der EU-Grundrechteagentur aus dem Jahr 2014 hat jede dritte Frau in der EU körperli- Wir wünschen Ihnen eine spannende Umsetzung des che oder sexuelle Gewalt erlebt. Gewalt an Frauen und Themas im Unterricht und freuen uns über Ihr Feedback. Mädchen betrifft jedes Land dieser Welt und Frauen und Mädchen unabhängig von ihrer sozialen Position. Dis- Ihr Team von Zentrum polis kriminierende Strukturen machen auch vor Schultüren > service@politik-lernen.at nicht halt. Grund genug, geschlechtsspezifische Benach- teiligungen und Gewalt in der Schule zu thematisieren. PS: Das Heft zeigt gut die enge Wechselwirkung der beiden Unter- Wir starten mit einer vertiefenden Auseinanderset- richtsprinzipien Politische Bildung und Reflexive Geschlechterpädagogik zung zum Thema und werfen einen Blick auf die un- und Gleichstellung auf. terschiedlichen Lebensbereiche, in denen Mädchen und Frauen diskriminiert werden. Geschlechtssensible Kinder- und Jugendbücher mit Fokus Gewaltprävention Wien: Edition polis, 2016. ISBN 978-3-902659-13-2 Die Broschüre stellt emp- fehlenswerte Kinder- und Jugendbücher vor, mit deren Hilfe das Thema Gewalt in der pädagogischen Arbeit aufge- griffen werden kann bzw. die Schulische Bubenarbeit sich für die Gewaltpräventions- Gender Gleichstellung polis aktuell 6/2019 arbeit eignen. Darüber hinaus Geschlechtergerechtigkeit. Bubenarbeit leistet einen enthält die Publikation Ideen Texte, Unterrichtsbeispiele, wesentlichen Beitrag zum und Anregungen dazu, wie die Projekte Abbau von kulturell tradierten Dimension Gender in den vor- Philipp Leeb, Renate Tanzber- Geschlechterstereotypen und gestellten Büchern in den Blick ger, Bärbel Traunsteiner. Wien: patriarchalen Rollenzuweisun- genommen werden kann. Edition polis, 2014. 72 Seiten. gen. Mehr dazu erfahren Sie in > www.politik-lernen.at/ge- Die Broschüre stellt konkrete, diesem Heft. schlechtssensiblebuecher leicht umsetzbare Beispiele > www.politik-lernen.at/ für Schulprojekte und Unter- pa_bubenarbeit richtseinheiten zum Thema Geschlechtergerechtigkeit vor. > www.politik-lernen.at/gen- der_gleichstellung 2 polis aktuell 4/2020
1 DISKRIMINIERUNGSGRUND: GESCHLECHT Für die wenigsten von uns ist die Welt ein vollkommen den, bestimmte Kompetenzen oder Verhaltensweisen sicherer Ort. Je mehr Privilegien – wie zum Beispiel männ- zu erwerben und andere eher bleiben zu lassen. So ein liches Geschlecht, Weißsein, finanzielle Mittel oder Auf- geschlechterungerechter Test führt dazu, dass weniger enthaltsgenehmigung – eine Person zur Verfügung hat, Frauen MedizinerInnen werden als Männer. Die Grazer desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Men- Medizin-Uni hat auf das schlechte Abschneiden von jun- schenrechte systematisch verletzt werden. Frauen und gen Frauen reagiert, indem ExpertInnen einen neuen, Mädchen erfahren vielfach die gleichen Menschenrechts- geschlechtergerechteren Test entwickelt haben. verletzungen wie Buben und Männer. Daneben gibt es ge- Um strukturelle Diskriminierung aufzudecken, kann schlechtsspezifische Diskriminierungen und Rechtsverlet- es hilfreich sein, sich eine Regelung oder Tatsache ge- zungen, die sie einzig und allein deshalb erfahren, weil nau anzuschauen und dabei zu fragen, wer letztlich sie als Frauen und Mädchen leben. Die konkreten Formen profitiert und wer die schlechteren Startplätze zuge- von Diskriminierung und Gewalt wiederum sind stark von teilt bekommt. Aber Achtung: Nicht jede Regelung, die ihren jeweiligen Lebensrealitäten abhängig. eine Gruppe benachteiligt, bedeutet Diskriminierung. Es kann auch sein, dass sie eingesetzt worden ist, um 1.1. FORMEN VON DISKRIMINIERUNG AUF Diskriminierung zu bekämpfen und das tut, indem sie RECHTLICHER EBENE einen Ausgleich herstellt bzw. bislang Benachteiligte RechtsexpertInnen unterscheiden zwischen drei Formen bevorzugt. Ein Beispiel dafür sind Quoten-Regelungen, von Benachteiligungen: die etwa besagen, dass in einem Bewerbungsverfahren Unmittelbare Diskriminierung benachteiligt eine bei gleicher Qualifikation Frauen so lange bevorzugt bestimmte Gruppe direkt. Ein Beispiel wäre eine Stellen- werden, bis das Ungleichverhältnis zwischen Frauen und anzeige, mit der nur Männer aufgefordert werden, sich Männern in bestimmten Positionen nicht mehr so groß zu bewerben. ist. Sie sollen als temporäre Förderungsmaßnahmen ein Mittelbare Diskriminierung bedeutet, dass eine Ausgleich sein, um gleiche Startbedingungen für Frau- Benachteiligung hervorgerufen wird, indem sich die Re- en und Männer, Buben und Mädchen herzustellen. Das gelung zwar nicht explizit an eine bestimmte Gruppe funktioniert aber nur, wenn sich auch die ungerechten richtet, aber im Endergebnis trotzdem diese ganz be- Strukturen verändern. sonders stark trifft. Ein Beispiel wäre ein Gesetz, das etwa Teilzeit arbeitende Menschen steuermäßig schlech- ter stellt als Vollzeit Arbeitende. Da überproportional viele Frauen Teilzeitarbeit machen, würde das Gesetz > tipp Unterrichtsidee geschlechtsspezifische Benachteiligungen bewirken. Im Beispiel Typisch männlich? Typisch weiblich? Mittelbare Diskriminierungen sind nicht immer auf den beschäftigen sich die SchülerInnen mit ge- ersten Blick als solche erkennbar. schlechtsspezifischen Zuschreibungen und Stereo- Beiden Diskriminierungsformen treten Gleichberech- typen im Hinblick auf die Arbeitswelt. tigungsgrundsätze entgegen, die in nationalem Recht www.politik-lernen.at/vorbereitungboysday oder im EU-Recht verankert sind. Am schwierigsten ist es aber, strukturelle Diskriminierung zu überwinden. Strukturelle Diskriminierung heißt in diesem 1.2. DISKRIMINIERUNG – IN WELCHEN Fall, dass Regelsysteme Mädchen und Frauen im Ergeb- LEBENSBEREICHEN? nis benachteiligen. Ein Beispiel: Den Eignungstest fürs Die Antwort auf die Frage, in welchen Lebensbereichen Medizinstudium bestanden kurz nach der Einführung geschlechtsspezifische Diskriminierung vorkommt, ist bei weitem mehr junge Männer als junge Frauen. Der denkbar kurz: in allen. Der Einkommensunterschied Schluss liegt nahe, dass Männer einfach besser geeignet rein aufgrund des Geschlechts, auch Gender Pay Gap sind, Mediziner zu werden. Beim Analysieren der Auf- genannt, ist ein Ausdruck der ökonomischen Benach- nahmetests stellte sich aber heraus, dass die Tests so teiligung von Frauen. Andere sind etwa Rechtssysteme gestaltet waren, dass sie Frauen benachteiligten. Und in manchen Gesellschaften, die bewirken, dass Besitz zwar nicht, weil Männer und Frauen von Natur aus un- innerhalb von Familien tendenziell von Männern an terschiedliche Fähigkeiten entwickeln, sondern weil sie Männer weitergegeben wird oder die Eigentumsrechte aufgrund von stereotypen Vorstellungen darüber, wie von Frauen einschränken. Oder es existieren etwa Steu- ein Mädchen oder ein Bub sein soll, dabei gefördert wer- er- und Pensionssysteme, die diejenigen benachteiligen, polis aktuell 2/2021 3
die sich in Haushalten unbezahlt um Babys, Kinder oder statt, die keine Einzelfälle sind, sondern die von den ältere Menschen kümmern. Mädchen werden häufig meist männlichen Tätern als Bestrafung und mit einem beim Zugang zu Aus- und Fortbildung benachteiligt und Gefühl, im Recht zu sein, verübt werden. später in ihren Erwerbs- und Karrierechancen im Beruf. Wenn wir spezifische Gewaltformen als nicht-westli- Wir alle sind mit stereotypen Vorstellungen von Ge- che identifizieren, ist es wichtig, dass wir die Frauen und schlecht konfrontiert, die uns täglich über die (sozia- Mädchen, an denen sie verübt werden, nicht exotisieren len) Medien oder alltägliche Unterhaltungen einholen und sie nicht zu hilflosen und passiven Opfern machen, und beeinflussen. Genauso hartnäckig sind unsere Vor- sondern uns anschauen, wie sie als handlungsmächti- stellungen darüber, wie eine Familie zusammengesetzt ge Akteurinnen auftreten und sich wehren, und welche ist, wer welche Arbeiten übernimmt, und wir halten an Form von Unterstützung sie sich selbst wünschen, um manchen Ideen und Praktiken fest, ohne uns zu über- genderbasierte Gewalt und die Diskurse, die sie legiti- legen, ob diese Traditionen nicht diskriminierend sind. mieren, beenden zu können. Ein anderer Bereich: Wenn wir uns Regierungen und Wenn Aktivistinnen heute von sexualisierter anstatt Parlamente anschauen, können wir in diesen Gremien in sexueller Gewalt sprechen, machen sie darauf aufmerk- den meisten Ländern mehr Männer als Frauen zählen. sam, dass Mädchen und Frauen nicht nur von körperli- In ChefInnen-Etagen von Unternehmen sind oft Männer chen Übergriffen und Vergewaltigungen bedroht sind, die Bosse. sondern dass auch oftmals „verharmloste“ Alltagsprak- Fast überall müssen Mädchen und Frauen um ihren tiken in den Bereich sexualisierter Gewalt fallen: Dazu Platz im öffentlichen Raum und im öffentlichen Leben gehören Anmache, anzügliche Äußerungen übers Ausse- kämpfen und ihn gegen street harassment, also Über- hen, Diskriminierung in der Werbung und im Internet, griffe jeglicher Art, verteidigen. Wenn sie draußen unerwünschte Berührungen und vieles mehr. Raum für sich in Anspruch nehmen wollen, um zu spie- len und Zeit mit FreundInnen zu verbringen, gilt es oft als gefährlicher und unschicklicher als für Buben. Allein die Vielzahl an rassistischen Graffitis weist darauf hin, > tipp literatur wie unsicher der öffentliche Raum für Frauen ist, die als Amana Fontanella-Khan: nicht weiß oder als Migrantinnen wahrgenommen wer- Pink Sari Revolution den. Dass Jugendliche, die nicht eindeutig als Mädchen München: Hanser Verlag, oder Buben erkennbar sind, gehänselt, bedroht oder ge- 2014. 272 Seiten. prügelt werden, ist kein Einzelfall. Auch auf rechtlicher Amana Fontanella-Khan Ebene werden Menschen benachteiligt, die Normen von erzählt die faszinierende Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft nicht Geschichte von Sampat entsprechen – und das, obwohl es Antidiskriminierungs- Pal und ihrer Gang, die im gesetze gibt. indischen Bundesstaat Uttar Pradesh gegen Gewalt an Frauen im privaten und öffentlichen Raum 1.3. (K)EIN WESTLICHES PROBLEM? auftreten. GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN Jede dritte Frau hat laut einer Studie der EU-Grundrech- teagentur1 aus dem Jahr 2014 als Kind oder Erwachsene 1.4. WER IST BETROFFEN? schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Angela Davis, eine Ikone der Schwarzen Befreiungsbe- Es gibt ganz unterschiedliche Formen von Gewalt, wie wegung in den USA, sagt in Ausgabe 01/14 der popfemi- Gewalt in der Familie, sexualisierte und sexuelle Ge- nistischen Zeitschrift Missy Magazine: „Ich solidarisie- walt, wirtschaftliche Gewalt oder allgemein psychische re mich lieber mit einem geschlechterkritischen Mann und physische Gewalt. Wenn es um Gewalt gegen Frauen of color als mit einer neoliberalen Feministin.“ Damit geht, ist in den Medien oft von Praktiken wie Beschnei- bringt sie auf den Punkt, dass es „die Frau“ und „das dung oder Zwangsheirat die Rede, die vor allem in nicht- Mädchen“ nicht gibt und dass die Lebensrealitäten, Pri- westlichen Gesellschaften oder Migrationsgesellschaften vilegien und Benachteiligungen von manchen Frauen ausgeübt werden würden. Es ist aber notwendig, nicht und Männern einander stärker ähneln als die der Ge- den unvoreingenommenen Blick für genderbasierte Ge- samtheit aller Frauen untereinander. walt in westlichen Gesellschaften zu verlieren: In al- Frauen und Mädchen sind, abhängig davon, welche len Ländern der Welt finden Gewalttaten gegen Frauen Position sie in ihrer Gesellschaft einnehmen, welche Ressourcen und Zugangsmöglichkeiten zur Verfügung 1 https://fra.europa.eu/de/publication/2014/gewalt-gegen- stehen, ob sie der weißen Mehrheitsgesellschaft ange- frauen-eine-eu-weite-erhebung-ergebnisse-auf-einen-blick 4 polis aktuell 2/2021
hören usw., ganz unterschiedlichen Benachteiligungen 1.5. WAS TUN? ausgesetzt. So verschieden die Lebensrealitäten von Frauen und Frauen mit Behinderungen oder Women of Colour er- Mädchen sind, so unterschiedlich sind auch die Kämp- fahren grundlegend andere Diskriminierungen als weiße fe gegen geschlechtsbasierte Diskriminierungen, um für nicht-behinderte Frauen, die der Mittelschicht angehö- alle Frauen und Mädchen ein gutes Leben nach ihren ren. Je nachdem von welchem gesellschaftlichen Stand- Vorstellungen zu gestalten. Die Anschauungen, was ort aus Benachteiligungen analysiert werden, treten be- denn ein gutes Leben bedeutet, unterscheiden sich mit- stimmte Diskriminierungen stärker oder weniger stark unter stark. ins Blickfeld. Frauenrechtskämpferinnen und Feministinnen haben in der Vergangenheit große Erfolge errungen und Rech- te durchgesetzt, die in vielen Ländern zum Teil wieder umstritten sind. Auch gegenwärtig ist es nötig, sich ge- 25. November gen Diskriminierungen und geschlechtsspezifische Men- Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen schenrechtsverletzungen zu wehren. Die Schwestern Patria, Minerva und Maria Teresa Organisationen, Initiativen und Aktivistinnen auf Mirabal kämpften gegen das diktatorische der ganzen Welt machen auf Gewalt gegen und Benach- Regime von Rafael Trujillo in der Dominikanischen teiligungen von Frauen und Mädchen aufmerksam, for- Republik und wurden am 25. November 1960 vom mulieren Forderungen und realisieren Projekte, die ei- Geheimdienst in einem Hinterhalt ermordet. nen Unterschied machen sollen. Manche Gruppen und 1981 wurde ihr Todestag beim ersten Kongress Initiativen organisieren sich dabei autonom und versu- lateinamerikanischer und karibischer Feministin- chen, ihre Forderungen unmittelbar selbst umzusetzen. nen in Bogotá, Kolumbien zum Internationalen Andere engagieren sich in Parteien, manche machen Tag gegen Gewalt an Frauen ausgerufen und Mädchenarbeit, wieder andere versuchen, traditionelle später auch von den Vereinten Nationen offiziell Rollenbilder in den Medien zu verändern, oder forschen dazu erklärt. Weltweit machen Frauenorganisa und lehren auf Universitäten, um feministisches Wissen tionen an diesem Tag auf Gewalt gegen Frauen zu produzieren. aufmerksam. Viele finden, dass Frauenrechte ein starker Ansatz- Helga Neumayer hat eine Radiosendung über die punkt sind und fordern daher bessere Gesetze und inter- Schwestern Mirabal gestaltet: nationale Vereinbarungen. Sie pochen auf die Einhaltung https://cba.fro.at/4682 und Umsetzung der bestehenden Antidiskriminierungs- und Frauenförderungslegislatur. Eines der Werkzeuge, auf das sie sich stützen, ist die UN-Frauenrechtskon- vention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die von den Ländern, welche die Konvention unterschrieben haben, umgesetzt werden muss. #MeToo Die schwarze Bürgerrechtlerin Tarana Burke schuf © Miriam Citlaly Ramos Lopez - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, den Begriff „Me Too“ im Jahr 2006, um sexuellen https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=102814117 Missbrauch an schwarzen Frauen zu thematisie- ren. Erst im Oktober 2017 gewann die #MeToo- Bewegung große mediale Aufmerksamkeit, als Außerdem beteiligen sich Frauenorganisationen die Schauspielerin Alyssa Milano die sexuellen in vielen Ländern an der Kampagne 16 Tage gegen Übergriffe des Filmproduzenten Harvey Weinstein Gewalt an Frauen, die jedes Jahr von 25. Novem- auf Twitter mit dem Hashtag #MeToo anprangerte. ber bis 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Dies löste weltweit gesellschaftliche Debatten Menschenrechte, stattfindet. Sie machen in Form über Sexismus und Geschlechterdiskriminierung verschiedenster Aktivitäten auf die Bedrohung von aus. Auch an Österreich ist die Bewegung nicht Frauen durch meist männliche Gewalt aufmerksam. spurlos vorübergegangen und hat eine stärkere In Österreich koordiniert der Verein Autonome Sensibilisierung für dieses Thema hervorgerufen. Österreichische Frauenhäuser die Kampagne: Beitrag in Welt der Frauen 6/2019 zu #MeToo: www.aoef.at/index.php/16-tage-gegen-gewalt www.welt-der-frauen.at/metoo polis aktuell 2/2021 5
2 DIE RECHTE VON FRAUEN UND MÄDCHEN – EIN LANGER KAMPF Der Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen hat benssituation der Frauen. Hier sind einige Meilensteine eine lange Geschichte und entwickelt(e) sich in jedem zur Orientierung angeführt. Land anders, jeweils abhängig von der konkreten Le- Demonstration Die Anfänge: Frauenrechtsdeklarationen für das allgemeine 1791: Olympe de Gouges widersetzt sich der Unge- Frauenwahlrecht rechtigkeit, dass mit der Erklärung der Menschen- und am 19. März 1911 am ersten Frauen- Bürgerrechte nur Männer gemeint sind und verfasst tag in Wien. einen Gegenentwurf: die Erklärung der Rechte der © ÖNB/Wien, Wiener Bilder Frau und Bürgerin. Sie ersetzt in ihrem Text die Worte 22.3.1911 „Mensch“ oder „Mann“ durch „Frau und Mann“ und hält im ersten Artikel ihrer Erklärung fest: „Die Frau ist frei geboren und dem Manne gleich in allen Rechten.“ So 1848–1914: Erste Frauenbewegung schreibt sie Frauen auch ein Recht auf Widerstand zu, Der Kampf um politische und bürgerliche Rechte ein Recht auf Eigentum etc. Den frühen Feministinnen geht es darum, die rechtliche 1848: In Seneca Falls im Staat New York wird durch Unmündigkeit von Frauen zu beseitigen (Scheidungs- Elizabeth Cady Stanton und Lucretia Mott eine Tagung und Sorgerecht, Aufhebung der Vormundschaft des Man- einberufen, bei der das Thema Diskriminierung von nes in der Ehe etc.). Das Wahlrecht hat in ihren Forde- Frauen auf der Tagesordnung steht. Die Declaration rungen zunächst nicht Priorität. Allerdings machen die of Sentiments, die eng an die Unabhängigkeitserklä- Frauen bald die bittere Erfahrung, dass sie ohne Rechte rung von 1776 angelehnt ist, wird verabschiedet. Diese und Stimme in der politischen Öffentlichkeit Bittstel- Grundsatzerklärung richtet sich gegen die Dominanz lerinnen bleiben. Folglich konzentriert sich die frühe der Männer in allen Lebensbereichen. Dem Text liegt bürgerliche Frauenbewegung mehr und mehr auf die die Prämisse zugrunde, dass alle Männer und Frauen mit Erlangung des Stimmrechts, während die proletarische den gleichen Rechten auf Leben, Freiheit und dem Stre- Frauenbewegung um verbesserte Arbeits- und Lebensbe- ben nach Glück geboren werden und dass die Sicherung dingungen kämpft. Auch die erste Frauenbewegung war dieser unveräußerlichen Rechte einzig legitimer Staats- also schon sehr heterogen und in den einzelnen Län- zweck sei. dern unterschiedlich organisiert. Als Beispiel sei hier die Stimmrechtsbewegung der Suffragetten in England genannt. Die wichtigsten politischen Forderungen der Frauenrechtlerinnen – insbesondere das Wahlrecht – wurden schließlich eingelöst. Nach dem Ersten Weltkrieg tritt der Kampf um die Frauenrechte in den Hintergrund, erst Ende der 1960er- Jahre formiert sich die zweite Frauenbewegung. > Olympe de Gouges (1748–1793), Autorin der tipp Online-Ausstellungen Erklärung der Frauen wählet! 100 Jahre Frauenwahlrecht: Rechte der Frau und Bürgerin aus Zeitungsausschnitte, Fotos, Plakate etc. aus den dem Jahr 1791 Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek @Wikimedia, gemeinfrei www.onb.ac.at/forschung/ariadne-frauendokumen- tation/frauen-waehlet „Sie meinen es politisch!“ 100 Jahre Frauen- wahlrecht: www.frauenwahlrecht.at 6 polis aktuell 2/2021
Gründungsdokument des Vereins Soziale Ab etwa 1969: Zweite Frauenbewegung Hilfen für gefährdete Die Frauen müssen bald erkennen, dass die Studenten- Frauen und Kinder und Friedensbewegung der späten 1960er-Jahre zwar (1978), der das erste Wiener Frauenhaus den „Muff von 1.000 Jahren“ an den Universitäten schuf, in der Ausstel- entfernen will, aber wenig mit der Gleichberechtigung lung „Am Anfang war ich sehr verliebt …“ von Frauen im Sinn hat. Als die Studentinnen nämlich @Wikimedia, gemein- die ungleiche Rollenverteilung thematisieren (Männer frei auf dem Podium, Frauen beim Kochen, Abtippen der Manuskripte und Betreuen der Kinder), werden sie ab- Third Wave Feminism geschmettert. Ihre Forderungen seien unpolitisch, der Viele Forderungen haben jedoch nichts an Aktualität Widerspruch zwischen den Geschlechtern sei ein „Ne- eingebüßt und werden erst heute nach und nach umge- benwiderspruch“, der sich von selbst lösen würde, sobald setzt (z.B. Anerkennung von frauenspezifischen Flucht- sich der „Hauptwiderspruch“, nämlich die Klassengesell- gründen, Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe, schaft, aufgelöst habe. Die Studentinnen organisieren Rechte von Lesben und Inter-/Transsexuellen). Manche sich daraufhin autonom in sogenannten „Weiberräten“ Feministinnen sprechen heute vom third wave feminism, und setzen sich unter Ausschluss männlicher Mitglieder in dem soziale Proteste und Globalisierungskritik mit intensiv mit der Rolle der Frau auseinander. Einprägsa- queer_feministischen Anliegen verbunden werden. Da- mer Leitgedanke dieser Zeit, der bis heute Gültigkeit bei geht es darum, Zweigeschlechtlichkeit und Hetero- hat: „Das Private ist politisch“. sexualität als Norm zu hinterfragen. Die neue Frauenbewegung beschäftigt sich mit der Diskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen Herausforderungen heute (Alltag, Zusammenleben, Kindererziehung, sexuelle Ge Frauen in westlichen Industrieländern setzen oft ganz walt – „Wir erobern uns die Nacht zurück“, Kunst und andere Schwerpunkte im Kampf gegen Diskriminierung Kultur, Lust und Liebe, Arbeit, Wissenschaft und Frau- als Frauen in Ländern des Südens und in Diktaturen, enforschung, Frauengesundheit u.v.m.). Auch diese Be- weil die Anliegen sehr unterschiedlich sind. Inzwischen wegung ist nicht homogen, es gibt die Gleichheitsfe- hat sich ein Bewusstsein herausgebildet, dass es einer ministinnen, die Anhängerinnen der Differenztheorie, Vielzahl feministischer Ansätze bedarf, um den unter- jedes Land hat andere Gallionsfiguren. Selbstverständ- schiedlichen Lebenswirklichkeiten der Frauen gerecht lich kämpfen nicht nur Studentinnen, sondern auch Ar- zu werden. beiterinnen um ihre Rechte. Und es gibt nicht immer Eine wichtige Aufgabe der Frauenbewegungen heu- Einigkeit, etwa beim Kampf um die Fristenlösung. Die te ist die Verankerung der Frauenrechte als Bestandteil Frauenbewegung wird von innen dafür kritisiert, dass der universell gültigen Menschenrechte im Völkerrecht. meist die Rechte von weißen Mittelklassefrauen im Zen- Die Frauenrechte müssen über religiösen und kulturel- trum stehen, während etwa die Lebensrealitäten von len Traditionen der einzelnen Länder stehen. Es braucht Frauen mit Behinderungen oder von Frauen of Color und internationale Sanktionsmöglichkeiten gegen Staaten, Migrantinnen vernachlässigt werden. welche die Frauenrechte nicht achten. Die zweite Frauenbewegung hat viel erreicht: Sie hatte in allen gesellschaftlichen Bereichen einen kaum Afghanische zu überschätzenden Einfluss – sowohl auf der institu- Frauen gehen tionellen wie auch auf privater Ebene, z.B. im Zusam- in Pakistan für ihre Rechte auf menleben der Geschlechter. Viele Forderungen wurden die Straße. umgesetzt (Ungleichbehandlungen von Ehefrauen im © RAWA Familien- und Eherecht, Scheidungsrecht und Sorge- recht wurden beseitigt), in vielen Ländern wurde die Fristenlösung eingeführt, Quoten zur Frauenförderung existieren etc. polis aktuell 2/2021 7
2.1. WARUM WERDEN MENSCHENRECHTS VERLETZUNGEN AN FRAUEN NICHT ALS SOLCHE ERKANNT? Wenn wir von Frauenrechten sprechen, dann begegnen uns – auch heute noch – ganz hartnäckig immer wieder die gleichen Sichtweisen und Probleme, die dazu ge- führt haben, dass Menschenrechtsverletzungen an Frau- en nicht als solche benannt werden oder wurden. Menschenrechte werden immer noch häufig so ver- standen, dass sie das Individuum vor staatlichen Über- griffen in der öffentlichen Sphäre schützen sollen. Wenn aber die Privatsphäre ausgeklammert bleibt und der Staat sich für systematische Rechtsverletzungen in die- Im Haus Panah in Pakistan können sich Opfer von Gewalt in der Familie von ihren Verletzungen erholen und sind vor Verfolgung durch sem Bereich nicht verantwortlich fühlt, sind die Frauen die Täter sicher. davon in besonders hohem Ausmaß betroffen. Denn sie © Panah Shelter, Pakistan erfahren in vielen Fällen Menschenrechtsverletzungen durch private und nicht durch staatliche Täter (Gewalt 8. März im sozialen Nahraum etc.). Internationaler Frauentag Wenn den bürgerlichen und politischen Rechten Seit 1911 wird der internationale Frauentag mehr Bedeutung beigemessen wird als den wirtschaft- zelebriert. Sein Ziel ist es, die Gesellschaft für lichen, sozialen und kulturellen Rechten, wenn diese frauenspezifische Problematiken, wie Gleichbe- Rechte zu Bedürfnissen abgewertet werden, hat das gro- rechtigung im Erwerbsleben und im Politik- und ße Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit von Frau- Sozialbereich, zu sensibilisieren. An diesem Tag en, denn gerade diese Rechte sind für Frauen von be- finden Veranstaltungen, Workshops und Informa- sonderer Bedeutung und werden ihnen besonders häufig tionskampagnen statt, die diese genderrelevanten vorenthalten (Bildung, Arbeit etc.). Themen aufgreifen und Konzepte zur Erreichung Wenn Menschenrechtsinstrumente gender-blind sind der Ziele vorstellen. Der Frauentag stand 2021 oder gender-blind eingesetzt werden (wie die Anti- unter dem Motto „Frauen in Führungspositionen: Folter-Konvention oder die Genfer Flüchtlingskonven- Für eine ebenbürtige Zukunft in einer COVID- tion, aber auch die Kinderrechtskonvention birgt hier 19-Welt“. Gefahren – wenn vergessen wird, dass Kinderrechte Die Geschichte der organisierten Frauenrechts- Buben- und Mädchenrechte sind), verschwinden Men- bewegungen hat ihren Anfang schon im 19. schenrechtsverletzungen an Frauen systematisch aus Jahrhundert. Karoline von Perin-Gradenstein dem Blickfeld und werden nicht als solche erkannt gründete 1848 den „Ersten Wiener Demokratischen (wie Vergewaltigung als Kriegswaffe, frauenspezifische Frauenverein“, der sich für Gleichberechtigung und Fluchtgründe). Zugang zu Bildung stark machte. Wenn eine menschenrechtliche Bewertung von Bräu- 1910 setzte sich die deutsche Sozialistin Clara chen und Traditionen abgewehrt wird, dann betrifft das Zetkin für die Einführung eines Frauentages ein. Frauen und Mädchen in höherem Ausmaß als Männer Am 19. März 1911 fanden das erste Mal Demons- und Buben (Vergewaltigung, female genital mutilation, trationen zum Internationalen Frauentag statt. Verbrennungen, Morde, Säureattacken). Wenn patriar- 20.000 Menschen zogen auf die Wiener Ringstraße chale Religionen Gewohnheitsrechte und traditionelle und forderten unter anderem ein freies und gleiches Rechte unterstützen, die Gewalt an Frauen legitimieren, Wahlrecht für Frauen. Es wurde 1918 in Österreich trifft dies Frauen besonders hart, weil strukturelle und eingeführt. soziale Gewalt an Frauen und Mädchen verstärkt wird. Ein Bezugspunkt, warum im Jahr 1921 der 8. März Auf alle diese Problembereiche gibt die UN-Frauen- als Internationaler Frauentag festgelegt wurde, ist rechtskonvention Antwort. der Streik von Textilarbeiterinnen in New York für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne am Das Frauenmuseum Hittisau dokumentiert das Kul- 8. März 1857. turschaffen von Frauen und Frauengeschichte(n) und Weitere Infos zum Frauentag: www.bpb.de/politik/ macht diese sichtbar. hintergrund-aktuell/287033/internationaler-frau- www.frauenmuseum.at entag 8 polis aktuell 2/2021
3 DIE UN-FRAUENRECHTSKONVENTION – MAGNA CHARTA DER FRAUENRECHTE Die Frauenrechtskonvention – korrekt die Konvention Tonga, Niue und der Vatikanstaat. Die USA haben unter- zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau schrieben, aber noch nicht ratifiziert.2 Mehr Ratifikatio- oder im Englischen Convention on the Elimination of all nen als die CEDAW hat nur die Kinderrechtskonvention, Forms of Discrimination against Women, kurz CEDAW – die bisher nur noch von den USA nicht ratifiziert ist. wurde von der UNO-Generalversammlung am 18. Dezem- Viele Staaten haben Vorbehalte gegen einzelne Ar- ber 1979 verabschiedet und trat am 3. September 1981 tikel der Konvention eingebracht, sodass die Frauen- in Kraft. rechtskonvention in diesen Staaten nicht ihre volle Die CEDAW ist ein rechtlich verbindliches Dokument, Wirkung entfalten kann. Das bedeutet, dass die Staaten d.h. die Staaten verpflichten sich mit ihrer Unterzeich- das nationale Recht in bestimmten Bereichen über die nung zur Umsetzung, und sie ist eines der sechs mäch- Frauenrechtskonvention stellen. Die CEDAW ist die am tigen Instrumente des internationalen Rechts, u.a. weil meisten mit Vorbehalten belegte Konvention. sie mit einem Individualbeschwerderecht ausgestattet Der aktuelle Stand der Ratifikationen und Vorbehal- ist (siehe Seite 11). te kann abgerufen werden unter: www2.ohchr.org/eng- Österreich hat die Konvention 1982 mit zwei Vorbe- lish/bodies/cedaw halten ratifiziert (diese Vorbehalte sind inzwischen zu- 2 Wenn ein Staat eine internationalen Konvention unterzeichnet, erklärt er rückgenommen). Derzeit sind 189 Staaten der CEDAW mit der Unterschrift zunächst seinen Willen, der Konvention beizutreten. beigetreten, das entspricht mehr als 90 % der Staaten Danach findet ein innerstaatlicher Prozess statt, der zur Ratifikation der Konvention führt. Diese Ratifikationsurkunde wird dann bei der UNO und ist der zweithöchste Ratifikationsstand einer Kon- hinterlegt. Erst danach hat die jeweilige Konvention Gültigkeit für die vention. Nicht ratifiziert haben Iran, Somalia, Sudan, Staaten. der Inhalt in Kurzform3 Artikel 1 definiert Diskriminierung als … Artikel 8 fordert die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen … jede aufgrund des Geschlechts vorgenommene Unter- auf internationaler Ebene. scheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zum Artikel 9: Der Staat muss die staatsbürgerlichen Rechte Ziel oder zur Folge hat, dass die … Anerkennung, Inan- der Frau garantieren. spruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte oder Artikel 10, 11 und 12 fordern den Abbau geschlechts Grundfreiheiten der Frau … beeinträchtigt oder vereitelt spezifischer Diskriminierung in Bildung, Arbeit und im wird. Gesundheitswesen. Es handelt sich um sehr umfassende Artikel 2: Die Vertragsstaaten müssen eine Politik der Artikel. Sie sind die Grundlage für die gründliche Überprü- Beseitigung der Diskriminierung der Frau verfolgen. fung der Situation in den einzelnen Vertragsstaaten durch Artikel 3 verpflichtet die Staaten, die uneingeschränkte den CEDAW-Ausschuss. Entfaltung und Förderung der Frau sicherzustellen. Artikel 13 verlangt Maßnahmen im Hinblick auf Teilhabe Artikel 4 stellt explizit klar, dass positive Diskriminierung am wirtschaftlichen und sozialen Leben (Freizeit, Sport, erlaubt ist: Vorübergehende Sondermaßnahmen zur Förde- Kultur, Zugang zu Krediten, Familienbeihilfen etc.). rung der Gleichberechtigung sind keine Diskriminierung, Artikel 14 fordert ein Diskriminierungsverbot von Frauen z.B. Quoten, sofern sie bei Erreichen der Gleichberechtigung in ländlichen Gebieten (ein sehr wichtiger Artikel für Frauen wieder abgeschafft werden. des Südens). Artikel 5 fordert die Vertragsstaaten auf, einen Wandel in Artikel 15: Gleichstellung vor dem Gesetz; dieselbe den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann Rechtsfähigkeit von Frauen und Männern. und Frau zu bewirken (Bekämpfung von herkömmlichen Artikel 16: Ehe- und Familienrecht: gleiches Recht auf Rollenbildern, von überkommenen Sitten, Traditionen, Bräu- Eheschließung, freiwillige Eheschließung, gleiche Rechte chen, Neuverteilung der Erziehung der Kinder und familiärer und Pflichten in der Ehe, Verbot der Kinderheirat, Recht auf Aufgaben). Beruf in der Ehe etc. Artikel 6 verbietet jede Form von Frauenhandel und Aus- Die restlichen Artikel sind keine inhaltlichen, sondern beutung durch Prostitution. verfahrensorientierte Artikel (außer Artikel 24) zu den Be- Artikel 7 fordert die Staaten zur Bekämpfung der Diskrimi- richtspflichten der Staaten, zum CEDAW-Ausschuss etc. nierung im öffentlichen und politischen Leben (Wahlrecht, Zugang zu Ämtern etc.) auf. 3 Gesamter Text der CEDAW: www.frauenrechtskonvention.de/uebereinkom- men-zur-beseitigung-jeder-form-von-diskriminierung-der-frau-cedaw-2234 polis aktuell 2/2021 9
> 3.1. AUFBAU, INHALT UND FUNKTIONSWEISE DER UN-FRAUENRECHTSKONVENTION tipp link und literatur Die CEDAW umfasst alle Menschenrechte. Sie umfasst Informationen und Dokumente zur CEDAW die bürgerlichen und politischen Rechte ebenso wie die Eine Zusammenstellung auf der Website des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und Bundeskanzleramts stellt sie in einen neuen Rahmen, der der ganzen Kon- www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und- vention zugrunde liegt: gleichstellung/internationale-frauenrechte-und- gleichstellung/konvention-zur-beseitigung-jeder- • das Diskriminierungsverbot form-der-diskriminierung-der-frauen.html • das Gleichberechtigungsgebot Frauen haben Recht(e). Rechtliche Informa Die Frauenrechtskonvention gilt für alle Regionen die- tion, praktische Hinweise und Unterstützungs- ser Welt, sie umfasst alle Ebenen (national/internati- angebote für gewaltbetroffene Frauen. onal ebenso wie Privatleben/Öffentlichkeit) und alle Bundeskanzleramt / Bundesministerin für Gesund- Bereiche (Politik, Wirtschaft, Sozialwesen, Kultur). Das heit und Frauen (Hrsg.): Wien, 7. Auflage, 2017. heißt, sie umschließt von Anfang an auch den Bereich 146 Seiten. des Privaten und misst dem Staat Verantwortung für Unter folgendem Link finden Sie die Broschüre, diesen Bereich zu. wie auch weitere zum Thema Gewalt gegen Frauen: www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und- > gleichstellung/gewalt-gegen-frauen/formen-der- tippS methode gewalt.html z.B. für den Englischunterricht Auf der CEDAW-Website sind (in englischer Sprache) alle Vorbehalte der Staaten aufgelistet. 3.2. WIE WIRD DIE CEDAW ÜBERPRÜFT? Die UNO richtete zur Überwachung der Konvention das Geben Sie den SchülerInnen jeweils einen CEDAW-Komitee ein. Dieser Ausschuss trifft sich seit Staatennamen und lassen Sie sie recherchieren: 1982 regelmäßig (das erste Treffen fand übrigens in Hat der Staat die CEDAW ratifiziert? Wien statt). Das Komitee besteht aus 23 ExpertInnen, Wenn ja, hat er sie mit Vorbehalt(en) ratifi- die von den Vertragsstaaten nominiert werden. ziert? Die Vertragsstaaten haben ein Jahr nach der Ratifi- Welcher Art sind diese Vorbehalte? kation einen Bericht an den Ausschuss über die Durch- Warum hat der Staat diese Vorbehalte führung der Konvention zu erstatten, dann alle vier gemacht? Jahre und immer dann, wenn der Ausschuss es verlangt. Welche Vorbehalte hatte Österreich gegen die Konvention? www2.ohchr.org/english/bodies/cedaw Staatenberichte zur Umsetzung von CEDAW (Unter Ratifications and Reporting) Österreich hat bislang neun Berichte zum Stand der Umsetzung der Frauenrechtskonvention abge- geben, den letzten im Jahr 2017. Dieser Bericht Lassen Sie die SchülerInnen recherchieren, welche wurde 2019 geprüft. Das Komitee hat nach der Artikel der CEDAW besonders häufig mit Vorbehal- Prüfung abschließende Bemerkungen zu diesem ten ratifiziert wurden. Was könnten die Gründe Bericht an Österreich übermittelt, die auch in dafür sein? (Artikel XY verändert Gewohnheits- deutscher Sprache heruntergeladen werden kön- recht oder religiöses Familienrecht, Artikel YZ nen: würde es den Frauen ermöglichen, z.B. ihre Rechte www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und- in gerichtlichen Verfahren durchzusetzen etc.). gleichstellung/internationale-frauenrechte-und- www2.ohchr.org/english/bodies/cedaw gleichstellung/konvention-zur-beseitigung-jeder- (Unter Ratifications and Reporting) form-der-diskriminierung-der-frauen.html NGOs spielen eine wichtige Rolle im Rahmen dieser Be- richtsprüfungen. Sie können den Vereinten Nationen sogenannte Schatten- oder Alternativberichte zukom- 10 polis aktuell 2/2021
men lassen, die die menschenrechtliche Situation von 1) Individualbeschwerdeverfahren Frauen und Mädchen regierungsunabhängig darstellen. Individualbeschwerdeverfahren bedeutet, dass beim Der CEDAW-Ausschuss begrüßt diese Schattenberichte Ausschuss eine Beschwerde eingereicht werden kann, ausdrücklich. In Österreich setzt sich das „NGO-Forum wenn eine Frau glaubt, dass ihre durch CEDAW garan- CEDAW in Österreich“ für eine systematische Umsetzung tierten Rechte von einem Staat verletzt werden. Sowohl der Konvention ein. einzelne Frauen als auch Frauengruppen können selbst oder durch eineN VertreterIn die Beschwerde einbrin- 3.3. ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN gen. Vertreterin könnte etwa eine Frauenorganisation Der CEDAW-Ausschuss hat es sich seit 1986 auch zur Ge- sein. wohnheit gemacht, Allgemeine Empfehlungen (General Recommendations) oder auch Spezielle Empfehlungen Voraussetzungen sind: zu beschließen, die sich an alle Staaten richten. Diese Der Staat muss Vertragspartei der Konvention und Empfehlungen erklären die Konvention ergänzend. des Zusatzprotokolls sein. Eine sehr wichtige Empfehlung ist Empfehlung Nr. Beschwerden müssen schriftlich abgefasst sein 19 betreffend Gewalt an Frauen. Das CEDAW-Komitee und den Namen des Opfers enthalten. reagiert darin auf die Tatsache, dass Gewalt gegen Frau- Das Opfer muss vor Einbringen der Beschwerde en in der Konvention nicht explizit genannt wird. Das alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft wäre jedoch angesichts des weltweiten Ausmaßes von haben. Gewalt an Frauen wichtig gewesen. Deswegen stellt das Komitee 1992 fest, dass die Definition des Begriffs Stellt der Ausschuss fest, dass die Beschwerde zuläs- Diskriminierung geschlechtsspezifische Gewalt ein- sig ist, fordert er den Staat auf, binnen sechs Mona- schließt. ten Stellung zu nehmen. Bei drohender Gefahr kann er den Staat auffordern, Maßnahmen zum Schutz der „Geschlechtsspezifische Gewalt, die den Genuss der Frau zu ergreifen. Stellt der Ausschuss nach Prüfung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frauen Stellungnahme des Staates eine Rechtsverletzung fest, behindert oder zunichte macht, … ist Diskriminie- kann er Empfehlungen zur Beendigung und Wiedergut- rung im Sinne von Artikel 1 der Konvention.“ machung der Rechtsverletzung abgeben. Der Staat muss innerhalb von sechs Monaten über die von ihm ergriffe- Das Komitee betont zudem, dass Staaten auch für Ge- nen Maßnahmen berichten. Es entsteht somit zwischen waltakte privater Personen, Organisationen oder Un- dem beschuldigten Staat und dem CEDAW-Ausschuss ein ternehmen Verantwortung tragen, wenn die Staaten es Menschenrechtsdialog. unterlassen, mit gebührender Sorgfalt private Rechts- verletzungen zu verhindern, zu untersuchen, zu bestra- fen und für die Entschädigung des Opfers zu sorgen. Die Allgemeine Empfehlung Nr. 19 ist also eine ex- trem wichtige Ergänzung der Frauenrechtskonvention. Insgesamt sind bis heute 26 solche Empfehlungen vom Bislang 32 Verurteilungen, zwei davon betref- Ausschuss abgegeben worden. fen Österreich Wenn wir den Inhalt der CEDAW und der Empfehlung Bis Anfang 2020 hat der CEDAW-Ausschuss 155 Nr. 19 bzw. aller Empfehlungen zusammennehmen, ha- Beschwerden registriert, von denen allerdings ben wir ein Werkzeug in der Hand, das darstellt, wie die noch nicht alle entschieden sind. 59 Fälle hat der Durchsetzung von Gerechtigkeit möglich ist; ein Werk- Ausschuss abgewiesen, weil sie nicht alle Voraus- zeug, das im Jahr 1999 seinen bisher letzten Schliff er- setzungen erfüllt hatten, 13 Verfahren wurden halten hat. unterbrochen. 32 Mal hat der CEDAW-Ausschuss Staaten verurteilt. 3.4. DAS ZUSATZ- ODER FAKULTATIV Gegen Österreich gibt es zwei Urteile, beide wegen PROTOKOLL Gewalttaten durch Männer in Beziehungen. Die Im Jahr 1999 ist die CEDAW durch ein Zusatz- oder österreichischen Beschwerden und Verurteilungen Fakultativprotokoll ergänzt worden, das im Jahr 2000 sind in diesem Heft (auf Seite 13) dargestellt. in Kraft trat. Auch Österreich hat dieses Zusatzprotokoll ratifiziert. Das Zusatzprotokoll sieht zwei Verfahren vor, welche die Durchsetzung der Rechte der Frau wesentlich erleichtern. polis aktuell 2/2021 11
2) Das Untersuchungsverfahren shaming“ kommt der Staat unter einen gewissen Recht- Der Ausschuss kann von sich aus ein Untersuchungsver- fertigungsdruck. Und je besser diese Ergebnisse auch von fahren einleiten, wenn ihm Informationen über schwere nationalen NGOs in ihre Öffentlichkeits- und Lobbying oder systematische Verletzungen der Frauenrechtskon- arbeit einbezogen werden, desto größer der Druck, der vention seitens eines Vertragsstaates vorliegen. Das ers- auf den Staat entsteht, etwas zu unternehmen. te Untersuchungsverfahren wurde 2004 abgeschlossen Manches Mal wird bemängelt, dass vorwiegend eu- und betraf die Morde an Frauen in Ciudad Juárez (Mexi- ropäische Staaten Beschwerden vor das CEDAW-Komitee ko). Wie bekannt ist, hat auch dieser Bericht nicht zu gebracht haben. Das ist richtig, aber die Erkenntnisse einem Ende der Morde geführt. Aber er ist ein wichtiger aus diesen Verurteilungen können allen Frauen zugu- Mosaikstein im Kampf gegen diese Frauenmorde. tekommen, vorausgesetzt sie werden bekannt gemacht und in der frauenrechtlichen Argumentation genutzt. Mit diesen beiden Verfahren wurde also nach langen Von besonderer Bedeutung ist der geringe Bekannt- Verhandlungen der Mechanismus zur Durchsetzung der heitsgrad der CEDAW allgemein. Das betrifft die Frauen Frauenrechte geschaffen (übrigens durch eine von einer selbst, die gar nicht wissen, dass es dieses Instrument österreichischen Diplomatin, Aloisia Wörgetter, geleite- gibt, aber auch viele Frauenorganisationen und sogar te Arbeitsgruppe). Bis heute haben 108 Mitgliedstaaten im Justizbereich tätige Menschen. Es braucht also Schu- der UNO das Zusatzprotokoll ratifiziert. lungen und Sensibilisierung auf allen Ebenen. Denn die CEDAW und das Fakultativprotokoll haben, wie das Bei- 3.5. SCHWÄCHEN UND CHANCEN VON CEDAW spiel der Verurteilung Österreichs zeigt (siehe Seite 13), Als große Schwäche von CEDAW werden häufig die vielen das Potenzial, etwas zu bewegen. Vorbehalte genannt, mit der die Konvention belegt ist. Es stimmt, dass diese Vorbehalte die Konvention aus- höhlen. Es liegt aber auch eine Chance darin, denn die Istanbul-Konvention Tatsache, dass die Konvention ratifiziert ist, gibt den Seit 1. August 2014 ist das „Übereinkommen des Frauenrechtsorganisationen vor Ort die Möglichkeit, Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von sich einzubringen, indem sie dem CEDAW-Ausschuss Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, ihre Sicht der Dinge mitteilen. Sie gibt den Frauen die die sogenannte Istanbul-Konvention, in Österreich Möglichkeit, gezielt für die Aufhebung einzelner Vor- in Kraft. Die Konvention gilt derzeit als eines der behalte zu kämpfen. Und vor allem sind die Staaten in wichtigsten Rechtsinstrumente zur umfassenden die Pflicht genommen, immer wieder ihre Vorbehalte zu Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen. rechtfertigen. Und dem CEDAW-Komitee gibt es die Mög- 2016 waren Österreich und Monaco die ersten lichkeit, beharrlich auf eine Aufhebung der Vorbehalte Länder, die bzgl. Implementierung der Istanbul- zu drängen. Das ist mühsam, aber kann im einen oder Konvention evaluiert wurden. Die Staatenprüfung anderen Fall tatsächlich zu Verbesserungen für die Frau- endete 2018 mit Empfehlungen des Vertrags- en führen. staatenkomitees an Österreich. 2021 erfolgt ein Ein weiteres Problem ist die Schwäche des internatio- Bericht Österreichs bzgl. Umsetzung der Empfeh- nalen Rechts allgemein. Es gibt keine Sanktionsmöglich- lungen. keiten, wenn ein Staat seiner Berichtspflicht nicht nach- www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und- kommt, wenn die Empfehlungen des CEDAW-Komitees gleichstellung/gewalt-gegen-frauen/istanbul- nicht umgesetzt werden etc. Aber in jedem Fall sind die konvention-gewalt-gegen-frauen.html Defizite im Menschenrechtsschutz für Frauen einmal be- www.aoef.at/index.php/istanbulkonvention nannt und öffentlich gemacht. Durch dieses „naming and 12 polis aktuell 2/2021
Die österreichischen Beschwerden vor dem UN-Frauenrechtsausschuss Die zwei Beschwerden wurden vom Verein Frauen- Was haben die Beschwerden in diesem Fall Rechtsschutz und der Wiener Interventionsstelle ge- gebracht? gen Gewalt in der Familie eingebracht und zwar für Laut Information von Rosa Logar (Geschäftsführerin zwei Frauen (Sahide Gökce und Fatma Yildirim), die der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der 2002 und 2003 von ihren Ehemännern ermordet wur- Familie und Obfrau der Autonomen Österreichischen den. Frauenhäuser) wurde einiges erreicht. Beide Täter hatten vor den Morden eine Serie von Gewalthandlungen gegen die Frauen begangen und Die Rechtsvertreterinnen gingen in der Halbzeit ihnen die Ermordung angedroht. Die Drohungen und des Beschwerdeverfahrens an die Öffentlichkeit. Gewalttaten wurden der Polizei gemeldet und ange- Österreich reagierte und versprach den Schutz zeigt. Beide Täter waren von der Polizei aus der Woh- von Frauen vor Gewalt zu verbessern. Das passier- nung weggewiesen und ein Betreten der Wohnung te 2006 z.B. mit der Novelle zur Strafprozessord- bzw. der unmittelbaren Umgebung untersagt worden. nung. Die Zustimmung des Opfers ist seither nicht Im strafrechtlichen Verfahren wurde die Gefährlich- mehr nötig, wenn eine gefährliche Drohung im keit der Täter jedoch seitens der Staatsanwaltschaft Familienkreis ausgesprochen und dann verfolgt nicht ausreichend ernst genommen. Die Täter wurden wird. Die Strafverfolgung liegt zur Gänze beim nicht in Haft genommen und ermordeten, wie ange- Staat, das Opfer ist entlastet und kann nicht mehr kündigt, ihre Ehefrauen. mit Drohungen eingeschüchtert werden. Auch das Anti-Stalking Gesetz verbesserte die Situation der Österreich wurde in beiden Fällen vom CEDAW-Aus- Frauen. schuss verurteilt. Der Ausschuss stellte in seinem Be- Als der Bericht des CEDAW-Komitees 2007 ver- richt aus 2007 fest, öffentlicht wurde, reagierte Österreich mit einer dass die Ermordungen der beiden Frauen eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Si- Verletzung der durch CEDAW garantierten Rech- tuation der Frauen, etwa durch die Einführung te durch Österreich darstellen, insbesondere des eines Gewaltschutzpakets, das die Schaffung ei- Rechts beider Frauen auf Leben und auf körperli- nes neuen Straftatbestands beinhaltete, nämlich che und geistige Unversehrtheit; die beharrliche Gewaltausübung, die höher unter dass trotz umfangreicher rechtlicher Gewalt- Strafe zu stellen ist, als die einzelnen Taten. Eine schutzmechanismen die staatlich getroffenen weitere Maßnahme ist der Versuch, in größeren Schritte nicht ausgereicht haben, um die Frau- Staatsanwaltschaften eine Sonderzuständigkeit en vor der Ermordung durch ihre Ehemänner zu für Gewalt im sozialen Nahraum einzurichten. schützen und dass Polizei- und Justizbehörden für man- Es gab noch weitere Maßnahmen. Die Beschwerden gelnde Sorgfalt beim Schutz der Frauen verant- vor dem CEDAW-Komitee waren auf jeden Fall eine wortlich sind. Der Ausschuss übermittelte auch Möglichkeit, um Druck auf Österreich auszuüben.* eine Reihe von Empfehlungen an Österreich. Die Gewaltschutzbroschüre, herausgegeben von der Wiener Interventionsstelle und dem Verein Autonome Frauenhäuser enthält alle wichtigen Informationen zum Schutz vor Gewalt und kann in 20 Sprachen heruntergeladen werden: www.interventionsstelle-wien.at/gewaltschutzbroschuere * Der Inhalt der Beschwerden, die Argumentation Österreichs, die Argumentation des CEDAW-Ausschusses und die Maßnahmen, die Österreich getroffen hat, sind umfangreich von Rosa Logar dokumentiert. Der Artikel „Die UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW als Instrument zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen: zwei Beispiele aus Österreich“, ein Beitrag von Rosa Logar zur Tagung „Die Relevanz des UNO-Frauenrechtsabkommens CEDAW für die juristische Praxis“ im März 2009 in Bern, ist erschienen in Frauenfragen 1.2009 und online abrufbar unter: www.interventionsstelle-wien.at/images/doku/die_uno-frauenrechtskonvention_zwei_beispiele_aus_oesterreich.pdf polis aktuell 2/2021 13
4 UNTERRICHTSIDEEN 4.1. MEILENSTEINE DER FRAUENRECHTSBEWEGUNG IN ZITATEN Dauer 1 Stunde Schulstufe ab der 9. Schulstufe Methoden Kleingruppenarbeit, Diskussion Ziele Sich differenziert mit dem Thema Frauenrechte auseinandersetzen und geschichtliche Zusammen- hänge herstellen, Einstieg in das Thema Geschichte der Frauenrechte Materialien je ein Kartensatz „Frauenrechte im Zitat“ pro Gruppe Ablauf • Teilen Sie die Klasse in Kleingruppen von vier bis fünf Personen. Jede Gruppe erhält einen Kartensatz mit den ausgeschnittenen und gemischten Kärtchen. • Jede Gruppe versucht nun, die Zitate den richtigen Frauen zuzuordnen. Am besten werden die Kärtchen auf ein Blatt geklebt. • Die Gruppen sollen sich nun über den Inhalt der Zitate Gedanken machen. a) Welche Zitate waren leicht den richtigen Frauen zuzuordnen und warum? Welche sind besonders schwierig zuzuordnen? b) Was ist die Aussage des Zitats? c) In welchem geschichtlichen Kontext ist der Text zu sehen? d) Hat der Text für uns heute noch Gültigkeit? • Danach entscheiden sich die SchülerInnen für ein Zitat, das ihnen besonders gut gefällt oder das sie besonders interessiert. • Die Gruppen vergleichen ihre Ergebnisse und stellen sich die Zitate vor, die ihnen besonders gut gefallen haben. Wenn die Übung als Einstieg ins Thema gewählt wird, werden sicher viele Kärtchen nicht richtig zugeordnet. Dann könnte die Recherche der richtigen Antworten als Hausübung gegeben werden oder die Auflösung erfolgt über die Lehrkraft. Tipps und mögliche Erweiterungen • Lassen Sie die SchülerInnen die Biografien der Frauen recherchieren. Dadurch wird deutlich, dass der Kampf um Frauenrechte nicht etwas Abstraktes ist, sondern eine Vielzahl von Lebens- geschichten dahinter steht. Online unter www.politik-lernen.at/MeilensteineFrauenrechtsbewegung Autorin Patricia Hladschik Themenvorschläge für vorwissenschaftliche Arbeiten und Diplomarbeiten Anmache und sexistische Übergriffe im öffentlichen Raum: Ist street harassment eine individuelle Erfahrung oder Diskriminierung von Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum? (Dazu auch Umfrage an der Schule) #Netzfeminismus: Existieren Diskriminierung von und Gewalt an Frauen und Mädchen auch im Internet? Welche Formen nehmen sie an? Welche Initiativen dagegen gibt es, z.B. in sozialen Medien wie Twitter oder Facebook? NGO-Schattenberichte zur UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW): Zielsetzung und Hauptkritikpunkte Das österreichische Gewaltschutzgesetz, ein internationales Vorzeigeprojekt? 14 polis aktuell 2/2021
Kopiervorlage: frauenrechte im zitat In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders auf die Pflicht der Eltern aufmerksam machen, ihre Knaben und Mädchen nicht in den Die Frau hat das Recht, das Schafott zu be- Vorurteilen aufzuziehen, dass es Arbeiten gibt, steigen. Sie muss gleichermaßen das Recht die des Mannes unwürdig sind, die aber dem besitzen, die Rednertribüne zu besteigen. Weibe geziemen. Knaben und Mädchen sollen alle Verrichtungen, die das häusliche Leben mit sich bringt, mit gleich großer Geschicklichkeit und Freudigkeit verrichten können. Wenn es für Männer richtig ist, für ihre Freiheit zu kämpfen, ist es auch für Frauen richtig, für ihre Freiheit und die ihrer Kinder zu kämpfen. Dies ist Das Private das Glaubensbekenntnis der militanten Frauen ist politisch. Englands. Ich bin nicht frei, solange noch eine einzige Man wird erst wissen, was die Frauen Frau unfrei ist, auch wenn sie ganz andere sind, wenn ihnen nicht mehr vorge- Fesseln trägt als ich. Ich bin nicht frei, solange schrieben wird, was sie sein sollen. noch ein einziger farbiger Mensch in Ketten liegt. Und solange seid auch ihr nicht frei. Wir Algerierinnen, Marokkanerinnen, Iranerinnen und Sudanesinnen haben uns zusammengetan, um etwas zu fordern, was im Westen selbst ... als Frau wird man nicht verständlich ist: die Universalität der Menschen- geboren, zur Frau wird man rechte, die unabhängig von Geschlecht, Haut- farbe oder Religion für alle gelten. In meinem gemacht. Land jedoch verbinden die Feinde der Frauen mit dem Begriff Universalität immer auch das Attribut „international“, was für sie gleich „westlich“ ist. Hinweis: Die Anordnung der Biografiekärtchen entspricht der Anordnung der Zitate. Olympe de Gouges (1748–1793): Erklärung der Clara Zetkin (1857–1933) Rechte der Frau und Bürgerin, 1791 Emmeline Pankhurst (1858–1928) Slogan der Zweiten Frauenbewegung Rosa Mayreder (1858–1938) Audre Lorde (1934-1992) Simone de Beauvoir (1908–1986): Das andere Khalida Messaoudi, * 1958 in Algerien Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, 1949 polis aktuell 2/2021 15
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