Corona-Pandemie - Expertokratie oder Aufwind für die Profession? - Michaela Pfadenhauer
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Corona-Pandemie – Expertokratie oder Aufwind für die Profession? Michaela Pfadenhauer MA-VO Unbehagen an der digitalen Kultur SoSe 2020 16.06.20 Seite 1 ©Christoph Reinprecht: Christian Boltanski im Centre Pompidou
Expertenherrschaft „Ich schlage vor, daß wir die Mi4e des 20. Jahrhunderts die Epoche der entmündigenden Expertenherrscha, nennen. (...) Sie verweist (...) auf den anDsozialen Charakter der FunkDonen von Leuten, deren Wert für die GesellschaL kaum je angezweifelt wird – Erzieher, Ärzte, Sozialarbeiter, NaturwissenschaLler.“ (Ivan Illich 1977) „Gesundheitsbezogene Dienstleistungen sind um die Autorität von Experten organisiert; und ihre Grundstruktur erwächst aus der Dominanz einer einzigen Profession gegenüber einer Vielfalt von anderen, nachgeordneten Berufen. Ich werde darlegen, dass solche professionelle Dominanz oder Expertenherrscha, der analyDsche Schlüssel sein kann, welcher Zugang zu den Unzulänglichkeiten der gesundheitsbezogenen Dienstleistungen verschaa.“ (Eliot Freidson 1975) 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 2
Dominanz der Profession Innerhalb der gut finanzierten Arbeitsteilung, welche von der Profession dominiert wird und unter deren schützendem Dach sind die meisten Tätigkeiten auf das beschränkt, was mit der besonderen Sichtweise und dem Stil der Profession konform geht. (...) Kurz, ich behaupte, dass die dominante Profession im Bereich des Gesundheitswesens aufgrund ihrer Stellung in der öffentlichen Wertschätzung und ihrer eigenen Arbeitsteilung einen eigenartigen und mit blinden Flecken versehenen Einfluß auf Planung und Finanzierung der Dienste des Gesamtgebiets ausübt, innerhalb derer sie ihren Platz hat“ (Eliot Freidson 1975: 105f) Von einer Profession kann also vor allem dort die Rede sein, wo einer bestimmten Berufsgruppe das Monopol (oder eine in einer Hierarchie von Berufen dominierende Stellung) für die Übernahme von Leistungsrollen eines ganzen Funktionssystems erlangt“ (Rudolf Stichweh 1997, 384). 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 3
Wessen Wissen herrscht (ggf.)? „Wichtige aktuelle Debatten sollten nicht dominiert werden von denjenigen, die - oft aus rein historischen Gründen - eine mediale Monopolstellung haben. So wurde das Robert Koch-Institut zu einer Zeit gegründet, als die Aggregation und Verteilung von Information nur mit einer großen Bürokratie möglich war, während elektronische Medien dies heute zu geringeren Kosten und in Realzeit ermöglichen. (Guido Friebel/Steffen Huck, WZB, 11.06.2020) „Besonders aber halte ich es für falsch, wenn gesamtgesellschaftliche Entscheidungen an Wissenschaftsfunktionäre übertragen werden. Für mich sind nicht die Virologen, die zu ihrer Expertise befragt werden, das Schreckgespenst dieser Tage – sondern die Angestellten des Robert-Koch-Instituts. (...) Diese grauen Hüter über die Zahlen sind Beamte, sie müssen die Folgen einer stillgelegten Gesellschaft nicht fürchten. Gleichzeitig erleben sie einen Machtzuwachs, von dem sie nie hätten träumen können. (Daniel Kehlmann, SZ-Magazin.´, 5.5.2020) Der Standard, 26./26.04.2020 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 4
Expertenwissen Wissenscha)liche Exper0se Professionelle Expertise Hochschulforschung „Professionalisierung von oben“ Ressor.orschung „Professionalisierung des Staates“ 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 5
Tischvorlage für die Österreichische Bundesregierung Sonntag, 29.3.2020 Abend Executive Summary: Stellungnahme zur COVID19 Krise, Update vom 31.03.2020 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspek=ven auf die Corona-Krise“, WissenschaGszentrum Berlin Seite 6
„Wenn es nicht gelingt, rasch den Faktor R0 unter den Wert von 1 zu drücken, sind in Österreich zehntausende zusätzliche Tote und ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu erwarten.“ ExecuJve Summary: Stellungnahme zur COVID19 Krise, Update vom 31.03.2020 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 7
AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH *** Coronavirus Taskforce *** Beraterstab der Coronavirus Taskforce *** Future Operations Clearing Board „Am Ende dokumentieren die Powerpoint-Folien aus dem nationalen Krisenstab vor allem eines: den schleichenden Bedeutungsverlust der Experten im Gesamtkrisen- management.“ Barbara Tóth (12.05.2020): Was passiert, wenn es eng wird. Falter 20/20 Foto: bka/Arno Melicharek 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 8
Politikberatung Bild in Präsenta.on zwischen Wissenschaft und Staat oder eigenes soziales Feld mit eigener Referenz für Tätigkeit und Leistung, d.h. eigenem Nomos? „Heteronome Macht“ (Bourdieu) Barlösius 2009: 355 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspek=ven auf die Corona-Krise“, WissenschaGszentrum Berlin Seite 9
Wissenschaftssoziologie Professionssoziologie Wissenssoziologie Soziales Feld (Nomos) Sozialfiguren Wissenstypen Wissenschaft Wissenschaftler*in Wissenschaftliches Wissen (Wissen) - Voraussetzungslose („langsame“) Entwicklung eines nicht auf den Klienten bezogenen Wissens - „Desorientierung als paradoxes Resultat von Modellierung“ -> Offene Ungewissheit („Wissen mit Zeitindex“, Prisching 2020) Politikberatung Staats-/Fachbeamte*r „Institutionenwissen“ (Wagner 2020) (öffentliches Gut) Empfehlungen -> Maßnahmen (= Umsetzung; eigenes Nomos) Generalisierte -> „Sozial robustes Wissen“ (Barlösius 2009) Kompetenz „to run a Verlässlichkeit – Verpflichtung – Vertrauen society“ (Aubert 1976) -> ohne Eigeninteressen, „unparteiisch“ (Nomos der Politik) Sozialfigur Staat Professionelle*r Professionelles Wissen (Handeln) - Universalisiertes Regelwissen zur Anwendung auf den Einzelfall - Zu verbergende Ungewissheit 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspek>ven auf die Corona-Krise“, WissenschaGszentrum Berlin Seite 10
Expertendissense und Wissenskonflikte Einerseits Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in die Wissenschaft; andererseits Wissenschaftsgläubigkeit oder: Interesse der Bevölkerung an wissenschaftlichem Lernprozess, der miterlebt werden kann (Helga Nowotny, ERA Council Forum Austria) Erst Wissenschafts-Hörigkeit, dann Wissenschafts-Häme (Steffen Augsberg, Dt. Ethikrat): Lerneffekt impliziert auch, dass es nicht die eine Wissenschaft und auch keine Alternativlosigkeit gibt (= Ver- und Entzauberung des Experten) -> Ende der Kolonialisierung der Lebenswelt durch Expertenwissen (Bauman 1995)? -> „Politische Funktionalisierung des Expertendissenses“ (397) per „Remotionalität“ statt „Vakuum an formgebenden, handlungsleitenden Orientierungen“ (Bogner/Menz 2002) -> Wissenskonflikte“ (Wagner 2020) infolge div. Wissensarten („Diskursivierung“ Knoblauch 2017) 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 11
Verhältnis professioneller zu wissenscha4licher Exper7se - Der von der der Ärztescha1 (inkl. Rechtsmedizin) a:es;erte Todesfall an Covid_19 wird über die Gesundheitsämter an die Bundesbehörde für Infek;onskrankheiten gemeldet - Krankenhäuser liefern Be:enkapazitäten an DIVI Intensivregister / EMS - Deutsche Pädiatrische Fachgesellscha1en und Berufsverbände geben Stellungnahme zu Infek;on bei Kindern ab, die als „Literaturarbeit“ (Drosten) zur Kenntnis genommen wird Adressierung als (poten;elle) Pa;ent*innen nicht seitens professioneller, sondern wissenscha1licher Exper;se, wenn es „um Leben und Tod geht“, und Poli;k den kollek;ven Krankenstand ausru1 16.06.20 Digitales Kolloquium „Soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise“, Wissenschaftszentrum Berlin Seite 12
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