Covid-19 & Psyche Fallbasierte Therapieansätze - Prof. Dr. Dietmar Winkler Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie - infektiologie.co.at
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Covid-19 & Psyche Fallbasierte Therapieansätze Prof. Dr. Dietmar Winkler Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Allgemeines Krankenhaus Wien 2021-03-11
Offenlegung Von folgenden Pharmafirmen erhielt ich in den letzten 3 Jahren Forschungsunterstützungen, Einladungen zu Kongressen, Honorare für Beratungs- oder Vortragstätigkeiten bzw. Unterstützungen für von mir organisierte Fortbildungsveranstaltungen: • Angelini Pharma • Lundbeck Austria • MedMedia Verlag
Kollateralschäden des Lockdown • Realängste durch ökonomische Auswirkungen • Zunahme von häuslicher Gewalt/Aggression (meist aber schon Probleme vor dem Lockdown) • Einsamkeit älterer Personen (in Institutionen) • Besuchsrestriktionen auch in Krankenhäusern • Doppelbelastung arbeitender Eltern durch Homeschooling
„Positive“ Effekte auf die psychische Gesundheit • Zwangsstörungen • Soziale Phobien • Differenzierung kurz- und langfristige Effekte
Fallbericht 1 65-jähriger Mann, seit 3 Jahren in Pension, davor Angestellter, vor 8 Jahren Scheidung, damals kurzzeitige medikamentöse Behandlung (Medikament nicht erinnerlich) beim Psychiater. Pat. ist sehr sportlich – einziges Hobby ist das häufige Trainieren im Fitnesscenter. Außerhalb kaum soziale Kontakte. Im November 2020 Diagnose einer Hernia inguinalis bilateral – muss sich schonen bis zur Operation im Februar 2021.
Fallbericht 1 Seit Hernien-Diagnose Ängste vor dem Alleinsein mit Panikattacken sowie ausgeprägter Insomnie, muss bei den Söhnen übernachten. In Spitalsambulanz Verordnung von Alprazolam tagsüber und Mirtazapin nocte (NW: Restless Legs Syndrom) Ersatz von Mirtazapin durch Trazodon 100mg: leichte Verbesserung des Schlafes. Fortlaufende Gesprächstherapie Steigerung von Trazodon auf 200mg: deutliche Verbesserung der Insomnie
https://www.risknet.de/
Gesundheitssystem im Lockdown • (Partielle) Schließungen von Arztordinationen • Viele Ärzte nur noch telefonisch erreichbar • Niedrigere Frequentierungen von Ambulanzen • Routineuntersuchungen wurden nicht durchgeführt bzw. verschoben • Therapien mit niedrigerer Priorität wurden postponiert
Gesundheitssystem im Lockdown • Mögliche Unterversorgung? • Kollateralschäden bei psychisch kranken Menschen? • Tageskliniken (meist) geschlossen • Werkstätten/soziale Treffpunkte zuerst geschlossen, später mit Auflagen in niedriger Frequenz/Dauer geöffnet • Telemedizinische Behandlungsmöglichkeiten
Covid und Angst • Hypochondrische Ängste (Ängste vor der Infektion, Ängste davor, andere anzustecken, Ängste vor der Impfung) • Realängste vor Jobverlust • Meist Reaktion auf exogene Veränderung, Symptom und weniger Erkrankung sui generis • Meist psychotherapeutische Intervention ausreichend
Fallbericht 2 22-jährige Frau, Angestellte in einem Reisebüro in Kurzarbeit. Seit dem 1. Lockdown massive Ängste vor Jobverlust mit Schuldgefühlen (nicht genug zu arbeiten). Ab 05/20 zunehmende depressive Symptomatik sowie in Folge psychotische Symptome im Sinne von paranoider Reaktionsbereitschaft, Beziehungsideen und Gedankenlautwerden.
Fallbericht 2 Ambulante Therapie mit Tianeptin und Olanzapin 2,5mg mit geringem Erfolg. Große Ängste vor Nebenwirkungen. Stationäre Aufnahme im AKH: Steigerung von Olanzapin auf 2x10mg, Umstellung von Tianeptin auf Escitalopram (einschleichend). Gewichtszunahme von 15kg auf Olanzapin: Partielle Umstellung auf Ziprasidon (zuletzt 2x40mg).
Covid und Depression • Episoden/Rezidive post Covid-19-Infektion? • Pathogenese durch Entzündungshypothese (proinflammatorische Zytokine) der Depression? • Omega-3-Fettsäuren (v. a. EPA & DHA) als antiinflammatorische Strategie?
Fallbericht 3 40-jähriger Mann, seit 2 Jahren verheiratet, eine 1-jährige Tochter. Seit 2017 im Ausland beschäftigt, nur am Wochenende und im Urlaub zu Hause. Seit Lockdown im Homeoffice in Wien. Zunahme von Streitigkeiten mit der Ehefrau. Nach Covid-19-Erkrankung der Gattin im Oktober 2020 auch Infektion des Pat. und des Kindes. „Milder“ Verlauf jedoch lediglich Müdigkeit und Abgeschlagenheit für mehrere Wochen.
Fallbericht 3 Ab Mitte November 2020 Entwicklung einer erstmaligen depressiven Episode mit Rückzug, Anhedonie, Libidoverlust – Zunahme der Eheprobleme (Gattin des Pat. möchte ein 2. Kind). Antidepressive Behandlung mit Bupropion XR 150mg 12/20 sowie psychotherapeutischen Gesprächen. Langsames therapeutisches Ansprechen bis Ende 01/21.
Covid und Sucht • Wegfall der amtsärztlichen Prüfung von Suchtgiftdauerrezepten • Anstieg der Drogentoten? • Behandlung von suchtkranken und obdachlosen Covid-19-positiven Patienten?
Covid-19-Erkrankung und Delir • ZNS-Manifestationen von Covid-19? • Schwerer somatischer Verlauf mit Pneumonie und ggf. Intensivaufenthalt? • Meist multifaktorielle Genese bei älteren Personen mit prämorbider Gehirnpathologie • Therapie meist symptomatisch, bei hochgradiger Agitation und psychotischen Symptomen evtl. niedrigdosiert atypische Antipsychotika
Zusammenfassung • Covid-19 als vielschichtiges Problem im psychotherapeutischen und psychiatrischen Bereich • Individualisierte Therapie ausgehend von der konkreten Problematik • Notwendigkeit des Minimierens von Kollateralschäden
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