COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.

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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
COVID19 und VWL
Was die ökonomische Sicht beiträgt.

            Harald Uhlig

  University of Chicago, CEPR and NBER

     IMFS Seminar, April 2020
COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
Dringende Bitte an die Regierung

                                                   Regierung
    Schwarm:
    • Experten
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                          Institute (RKI, SVR,…)   Ministerien

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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
Dringende Bitte an die Regierung: COVID 19 Task Force!

                                                 Arbeits-
                                                 gruppe 1
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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
Schwarm: VWL-Quellen

   BFI an der U Chicago
   CEPR in London
   VMACS (“Virtual Macro Seminar”)
   Bachmann-Bayer Podcast
   ...

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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
Die Situation ist schlimm ...

    Lock-down in vielen Ländern.
    Dramatischer Wirtschaftseinbruch.
    Krankenhäuser am Anschlag.
    Deutschland: Firm-Schließungen, Rezession, ca 4000 Corona-Tote,

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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
... aber es kann noch schlimmer kommen.
    Keine “silver bullet”, keine “magische Lösung”:
      I   Impfung: noch weit weg.
      I   Tests: in geringer Stückzahl.
    Lock-down nicht lange durchzuhalten.
    Wirtschaft bei Öffnung: Zurückhaltung bei vielen, Hindernisse.
      I   Unterbrechungen der Versorgungsketten.
      I   Gefährdung des Bankensystems.
      I   flächendeckende Bankrotte, Depression, massive Arbeitslosigkeit.
    Epidemie bei Öffnung: Wieder-Anstieg der Infektions- und
    Todeszahlen.
      I   Zusammenbruch des Gesundheitssystems.
      I   Deutschland: 200.000 Corona-Tote?
   Schwierige, unangenehme Entscheidungen auf politischer Ebene.
   Zusammenbruch der Gesellschaft?
 → Diese Generation hatte es gut. “Shit happens”.
 → Kapital (im Sinne von: Häuser, Autos, Fabriken, Flughäfen) ist
   weiterhin da. Vielleicht wechselt der Eigentümer. Ein neuer Anfang.
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COVID19 und VWL - Was die ökonomische Sicht beiträgt.
Hoffnungsschimmer
Vielleicht ...
     ... mehr und bessere Tests.
     ... sind Impfung und Therapie bald da und effektiv.
     ... Apps und Technologien zur schnelleren Vorwarnung.
     ... ist der Corona-Virus nicht so tödlich, wie gedacht.
     ... hilft der Sommer.
     ... ist die medizinische Versorgung ausreichend.
     ... funktioniert vorsichtige Öffnung.
     ... reicht dies + Wirtschaftspolitik, um Depression zu vermeiden.
Vielleicht auch nicht.
     Wegwünschen können wir diese Krise nicht.
     Wegschauen hilft nicht. Also müssen wir hinschauen.
     Schwierige Vorhersage- und Allokationsprobleme.
     VWL-Perspektive kann dabei helfen.
     Keine Zauberlösung. Ich bin kein Magier. Ich bin Ökonom.
                                                                         7 / 23
Empirie: Fernandez-Villaverde-Jones, SIR-Modell

                                              Quelle:
                                              Jesus Fernandez-Villaverde
                                              Und Chad Jones,
                                              “Estimating and Simulating
                                              a SIRD Model of COVID-19”.
                                              13. April 2020

Ritschl, Homburg, Ramey ... . Volkswirte könnnen Daten-Analyse!
                                                                           8 / 23
Das SIR Modell
Susceptible St , Infected It , Recovered Rt und Tote.

                                                                           Ineu,t+1 = βt St It
                                                                                 St+1 = St − Ineu,t+1
                                                                                  It+1 = It + Ineu,t+1 − γIt
                                                                                 Rt+1 = Rt + γ(1 − δ)It

“Reproduktions-Rate”: R0 = β0 /γ.
                                                   Daily Deaths in Italy                                        Total deaths in Italy in 1000                                    t
                                     15                                                                30
   Daily deaths per million people

                                                                                                                                                           1
                                                                                   Total deaths/1000

                                     10                                                                20

                                                                                                                                                      t
                                                                                                                                                          0.5
                                     5                                                                 10

                                     0                                                                 0                                                   0
                                          0   20       40      60     80   100                              0    20      40      60     80      100             0   20      40      60     80   100
                                                    Days since Feb 25                                                 Days since Feb 25                                  Days since Feb 25

Volkswirte könnnen dynamische Modelle!
                                                                                                                                                                                                      9 / 23
Die Gefahr eines Phyrric-Sieges, wenn β0 ab T
                                                   T = 100:
                                               Daily Deaths in Italy                                           Total deaths in Italy in 1000
                                   250                                                               200
 Daily deaths per million people

                                   200

                                                                                 Total deaths/1000
                                                                                                     150
                                   150
                                                                                                     100
                                   100
                                                                                                     50
                                   50

                                    0                                                                 0
                                         0     50       100      150       200                             0      50       100      150        200
                                                 Days since Feb 25                                                  Days since Feb 25

                                                   T = 300:
                                               Daily Deaths in Italy                                           Total deaths in Italy in 1000
                                   250                                                               200
 Daily deaths per million people

                                   200
                                                                                 Total deaths/1000

                                                                                                     150
                                   150
                                                                                                     100
                                   100
                                                                                                     50
                                   50

                                    0                                                                 0
                                         0   100      200     300    400   500                             0   100      200     300    400     500
                                                   Days since Feb 25                                                 Days since Feb 25               10 / 23
Krüger-Uhlig-Xie, April 2020
    Wieder-Eröffnungsdebatte.
    Frage:
      I   Wie ändert sich das Verhalten aufgrund eigener Anreize?
      I   Mit guter Kommunikation der Infektionsrisiken werden Menschen nicht
          einfach freiwillig wie Lemminge von der Klippe springen.
      I   Persönlicher “trade-off” zwischen Infektionsrisiken und wirtschaftlichen
          Konsequenzen. Dennoch: Externalitäten.
    Vorgehensweise:
      I   Ausgangspunkt: Eichenbaum-Rebelo-Trabandt (2020).
      I   Neoklassisches Wachstumsmodell verbunden mit SIR Modell.
      I   Infektionen passieren beim Konsum.
      I   Heterogene Konsumgüter mit unterschiedlichen Infektionsrisiken.
      I   ”Susceptible” Personen entscheiden im Lichte dieser Risiken:
          Konsum-Verschiebung hin zu den Niedrig-Infektions-Gütern.
      I   VWL hilft, Anreize und deren Folgen zu verstehen.
    Ergebnisse:
      I   Wirtschaftseinbruch, Infektionen um 80 Prozent reduziert, im
          Vergleich zum Modell mit homogenen Sektoren.
      I   Zu optimistisch?
                                                                              11 / 23
Das Modell: Der SIR Teil
   Infektionen werden beim Konsum übertragen.
   Ansteckung am Arbeitsplatz: ähnlich.
   Zwei Gütertypen. Gut-typ-spezifischer Ansteckungsfaktor:
   φ1 = 0.2, φ2 = 1.8.
   Infektionsdynamik.

                Ineu,t+1 = βSt It (φ1 cst1 cit1 + φ2 cst2 cit2 )/2       (1)
                   St+1 = St − Ineu,t+1                                  (2)
                    It+1 = It + Ineu,t+1 − γIt                           (3)
                   Rt+1 = Rt + γ(1 − δ)It                                (4)

   Die “susceptible” Personen wählen ihren Konsum ctjs der beiden
   Gütertypen in Anbetracht dieser relativen Infektionsgefahren.
   Substitutionselastizität zwischen den Gütern η = 10 oder η = 3.
   Parameterisierung ansonsten wie in Eichenbaum-Rebelo-Trabandt.
                                                                       12 / 23
Konsum-Fall: homogen vs heterogen

                                    13 / 23
Alle Variablen: homogen vs heterogen

                                       14 / 23
Sektorale Verschiebung (neun Sektoren)

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NYT 2020-04-14, Leatherby-Gelles

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NYT 2020-04-14, Leatherby-Gelles

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Alvarez-Argente-Lippi
    SIR-Modell: Externalitäten. Personen berücksichtigen nicht, daß
    ihre Erkrankung das Ansteckungsrisiko anderer erhöht.
    Planungsproblem. Kernkompetenz der VWL
    Lösung wägt Wirtschaftseinbruch gegen den “Wert” des verlorenen
    Lebens ab. Darf man das? Man muß. VWL hilft.

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Greenstone-Vigham
Der Erhalt der Lebensjahre durch social distancing in den USA hat einen
Wert von fast 8000 Mrd Dollar. Vor allem ältere Menschen profitieren.

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Glover-Heathcote-Krüger-Rios-Rull
    Heterogeneität: junge Menschen und Menschen in “Luxus”-Jobs
    profitieren weniger vom lock down als Fabrikarbeiter und alte
    Menschen.
    Also gibt es unterschiedliche Präferenzen für die optimale Dauer des
    Lockdowns. Verteilungsfragen! Kernkompetenz der VWL.

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Guerrieri-Lorenzoni-Straub-Werning
   COVID19-Pandemie: ein keynesianischer Angebotsschock.
   Mit unvollständigen Märkten verursacht der shut-down in einigen
   Sektoren den Einbruch des Einkommens in diesen Sektoren und damit
   den Einbruch der Nachfrage für andere Sektoren.
   Fiskalpolitik kann gegensteuern: “buyer of last resort”
   (Saez-Zucman). Fiskalpolitik ist Kernkompetenz der VWL.

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Corona-Bonds und die EZB.

   Heftige Debatte unter Ökonomen, auch in Deutschland. Gute
   Argumente auf beiden Seiten. Mein Standpunkt:
   Die EZB ...
     I   ... sollte zwar durch “Quantitative Easing” die Wirtschaft unterstützen,
     I   ... darf aber nicht der Versuchung unterliegen, kreditschwachen Firmen
         oder Ländern per “Geld-Drucken” unter die Arme zu greifen (“ultra
         vires”).
   Corona-Bonds ...
     I   ... dienen letztlich der Unterstützung allgemeiner Staatsausgaben in
         kredit-schwachen Ländern,
     I   ... ähneln damit dem ESM Programm,
     I   ... das damit den richtigen Rahmen liefert.

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Zusammenfassung

   Vielleicht ist der Spuk bald vorbei und alles kommt nicht so schlimm.
   Vielleicht aber doch.
   Herausforderungen:
     I   Schwierige Entscheidungen: Güterabwägungen, Produktion vs
         Erkrankungsrisiken, Verteilungsfragen.
     I   Empirische Analyse der Kranken- u Todeszahlen, Prognosen.
     I   Wirtschaftspolitische Maßnahmen.
   VWL Perspektive kann helfen.
   Damit sie und andere Perspektiven und Vorschläge sinnvoll genutzt
   werden können, braucht es dringend eine COVID19 Task-Force
   bei der Regierung.

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