Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor

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Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
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Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-
  analyse im Mobilitätssektor
    Metastudie zur CO2-Bilanz alternativer Fahrzeugantriebe
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
© 2020 FVV – Frankfurt am Main

                                         ›Well-to-Tank‹
                                           Erzeugung,
                                        Verarbeitung und
                                        Bereitstellung der
                                         Antriebsenergie.

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Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
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Cradle-to-Grave-Lebenszyklus­
  analyse im Mobilitätssektor
    Metastudie zur CO₂-Bilanz alternativer Fahrzeugantriebe
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
4 | VORWORT

              PROF. DR.-ING.                         DIPL.-ING.
              PETER GUTZMER                          DIETMAR GOERICKE
              Vorsitzender                           Geschäftsführer
              FVV                                    FVV

              Was ist umweltfreundlicher: Einen alten, aber funktionsfähigen Kühlschrank mit
              etwas höherem Stromverbrauch noch ein, zwei Jahre zu behalten oder ihn ge-
              gen einen neuen Kühlschrank der höchsten Effizienzklasse einzutauschen?
              Bereits eine scheinbar so banale Frage lässt sich eindeutig nur mit Hilfe einer
              Lebenszyklusanalyse beantworten, die alle Energie- und Stoffströme in der
              gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt, von der Gewinnung der Rohstof-
              fe über die Produktion der Komponenten, die Montage, den Betriebszeitraum als
              auch das Ende des Produktlebens. Schon bei einem Kühlschrank ist das eine
              reichlich komplexe Angelegenheit. Geht es um einen Pkw mit mehreren Tau-
              send Komponenten, betrieben mit Energieträgern, die auf großen Anlagen her-
              gestellt und über aufwändige Infrastrukturen vertrieben werden, steigt die Kom-
              plexität einer Lebenszyklusanalyse erheblich. Schon kleine Veränderungen der
              Randbedingungen, etwa des für die Produktion der Fahrzeuge oder der Energie-
              träger zugrunde gelegten Energiemix, können zu erheblichen Schwankungen
              der Ergebnisse führen.

              Dennoch: Wenn wir klimaneutrale Antriebe und Energieträger für den Straßen-
              verkehr erforschen, entwickeln und auf die Straße bringen wollen, ist es nicht
              sinnvoll, allein auf die Emissionen in der Betriebsphase zu schauen; es gilt, alle
              Aspekte des Lebenszyklus zu betrachten. Denn CO₂, das durch die Produktion
              von Fahrzeugen, Anlagen oder Infrastrukturen in die Atmosphäre gelangt, ver-
              bleibt dort länger als die Nutzungsphase andauert. Es belastet dadurch das
              globale CO₂-Budget, das uns noch zur Verfügung steht, um die Klimaziele von
              Paris zu erreichen. Dass die Lebenszyklusanalyse daher ein grundsätzlich sinn-
              volles Vorgehen darstellt, ist mittlerweile in weiten Kreisen von Politik und Wirt-
              schaft Konsens. Das EU-Parlament hat die EU-Kommission sogar dazu aufgefor-
              dert, bis zur Mitte des Jahrzehnts Ideen für eine Regulierung des Pkw-Sektors
              auf Basis von Lebenszyklusanalysen vorzulegen. Wie also ist der Spagat zwi-
              schen vermuteter Ungenauigkeit einzelner Analysen und der generellen Sinn-
              haftigkeit der Lebenszyklusanalyse zu lösen?
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
VORWORT | 5

Die FVV hat sich dafür entschieden, im ersten Schritt die vorliegende Metastudie
zu existierenden Lebenszyklusanalysen in Auftrag zu geben. Dafür haben die
Experten von Frontier Economics mehr als 80 Studien ausgewertet. Da nahezu
alle Studien mit mehreren Szenarien arbeiten, sind insgesamt 430 Konstellatio-
nen eingeflossen, die unzähligen Arbeitsstunden wissenschaftlich ausgebildeter
Experten entsprechen. Man könnte auch von „wissenschaftlicher Schwarm-
intelligenz“ sprechen.

Die Metaanalyse bestätigt zunächst die Vermutung, dass die Ergebnisse stark di-
vergieren. Betrachtet man jedoch nur jene Bandbreite, die 50 % aller Studien um
den Median abdeckt, ergeben sich relativ enge Streubänder. Sie ermöglichen es,
unterschiedliche Antriebe und Energieträger zu vergleichen. Dabei zeigt sich:
Während in Einzelbetrachtungen oft die eine Antriebstechnologie gegen die
andere gewinnt, überlappen sich die Ergebnisse in der Metaanalyse so stark,
dass bereits bei aktuellem Energiemix batterieelektrische Pkw und Dieselfahr-
zeuge in etwa auf Augenhöhe sind. Nimmt man nur jene Szenarien, in denen in
der Betriebsphase ausschließlich regenerativ erzeugte Energieträger – E-Kraft-
stoffe, Grünstrom und grüner Wasserstoff eingesetzt werden – so schlägt das
Pendel zugunsten des mit E-Kraftstoff betriebenen Verbrennungsmotors aus.
Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Metastudie: Fast durchgehend werden
die notwendigen Investitionen in die Energie-Infrastruktur nicht berücksichtigt.
Ebenso finden die am Markt erfolgreichen Plug-in-Hybridantriebe nur selten
Eingang in Lebenszyklusanalysen.

Es gibt also noch viel zu tun, damit die Lebenszyklusanalyse zu einem Standard-
werkzeug in der Bewertung künftiger Antriebe und Energieträger werden kann.
Voreilige Schnellschüsse, die sich auf die Ergebnisse einzelner Studien stützen,
sind daher nicht ratsam.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und freuen uns, wenn Sie mit uns
über die Ergebnisse diskutieren!

Frankfurt am Main | im Juni 2020
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
6 | INHALT

                       SEITE 8–15                                       SEITE 16–27

                  Kurzüberblick                       Motivation und Herangehensweise

   Klimaschutz im Mobilitätssektor erfordert   8   Bei globalen Herausforderungen müssen wir       17
   einen umfassenden, nachhaltigen Ansatz          über nationale und branchen­spezifische Ziele
                                                   hinausblicken und das große Ganze betrach­
                                                   ten

                                                   Unser Ziel bestand darin, eine umfassende       18
                                                   Analyse des Lebenszyklus von Antriebs­
                                                   technologien durchzuführen

                                                   Für eine nachhaltige Technologieauswahl         20
                                                   braucht es eine umfassende branchen­
                                                   übergreifende, globale und intertemporale
                                                   Lebenszyklusanalyse

                                                   Der Datenbestand ist zwar groß, Schlüssel­      24
                                                   informationen fehlen jedoch immer noch

                                                   Keine der betrachteten Studien deckt alle       25
                                                   relevanten Aspekte im Detail ab

                                                   Vergleichbarkeit und Vollständigkeit bleiben    26
                                                   eine zentrale Herausforderung
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
INHALT | 7

                    SEITE 28–41                                          SEITE 42–49

                  Ergebnisse                                    Schlussfolgerungen

Aus Sicht des Klimaschutzes liegt keine der   28   Technologieoffene und zielorientierte ­Ansätze        42
Technologien klar an der Spitze                    in der Klimapolitik sorgen für eine effektive Re­
                                                   duzierung der CO₂-Emissionen
Emissionen treten bei den verschiedenen       31
Antriebstechnologien in unterschiedlichen          Einmalige Fahrzeugemissionen in Kombination           43
Lebenszyklusphasen auf                             mit einer langen Lebensdauer erfordern eine
                                                   besondere Berücksichtigung der zeitlichen
Die CO₂-Emissionen hängen stark vom           41   Dimension
Einzelfall und den spezifischen
Rahmenbedingungen ab                               Branchenspezifische Ziele schaffen Anreize,           46
                                                   Emissionen zu verlagern statt diese zu
                                                   reduzieren

                                                   Klimapolitik erfordert stets einen klaren Blick       49
                                                   auf das große Ganze

                                                   Literatur                                             50

                                                   Abbildungsverzeichnis                                 58

                                                   Disclaimer, Impressum                                 60
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
8 | KURZÜBERBLICK

                              Die Studie im Kurzüberblick

   »Klimaschutz im Mobilitätssektor erfordert einen umfassenden, nachhaltigen
  ­Ansatz.«

  Mit dem Pariser Abkommen haben sich die Euro­                        Dieses Ziel wurde von der Bundesregierung in
  päische Union und Deutschland ehrgeizige Klima-                      branchen­spezifische Ziele für die Bereiche Ener­
  schutzziele gesetzt, die eine Reduzierung der jähr­                  gie, Gebäude, Verkehr, Industrie, Land- und Forst­
  lichen CO₂-Emissionen in allen energie­­verbrau-                     wirtschaft sowie Landnutzung untergliedert1. So ist
  chenden Sektoren vorsehen. Um dieses ­Budgetziel                     ­beispielsweise das Emissionsbudget im Verkehrs­
  greif- und messbar zu machen, haben die Europäi­                      sektor für 2030 um 40 % niedriger als 1990. Trotz
  sche Union und Deutschland das Budget in Jahres-                      der Bemühungen, antriebsspezifische CO₂-­
  ziele eingeteilt, d. h. das verbleibende CO₂-Budget                   Emissionen zu reduzieren (z. B. durch den Einsatz
  wurde auf die kommenden Jahre verteilt, wobei in                      effizienterer ­Motoren), lässt sich in diesem Bereich
  jedem Jahr ein bestimmtes Jahres­budget zur Ver­                      nach wie vor keine Senkung der jährlichen
  fügung steht. Das Jahres­budget der EU für 2050 ist                   ­Emissionen beobachten. Dies hängt damit
  dabei um 80-95 % kleiner als das für 1990.                             ­zusammen, dass die spezifischen Emissionsein­
  Deutschland hat sich außerdem ein Zwischen­ziel                         sparungen durch den steigenden Mobilitäts­bedarf
  für 2030 gesetzt. Bis dahin muss das Jahresbudget                       mehr als aufgewogen werden (siehe Abbildung 1).
  55 % unter dem von 1990 liegen.
                                                                       Die stagnierenden Emissionen im Verkehrssektor
                                                                       haben eine intensive politische Diskussion über
                                                                       mögliche Konzepte und Technologien zur Errei­
                                                                       chung des branchenspezifischen Ziels für 2030
                                                                       ausgelöst. ­Hierbei werden jedoch die CO₂-­
                                                                       Emissionen von ­Technologien in anderen Branchen,
                                                                       Ländern oder Jahren oft vernachlässigt. Ange­
                                                                       sichts der globalen Herausforderung des Klima­
                                                                       wandels müssen die Emissionen jedoch umfassend
                                                                       über den gesamten Lebenszyklus betrachtet wer­
                                                                       den, um ihre tatsäch­lichen Klimaauswirkungen
                                                                       beurteilen zu können.
  Abblidung 1: Stagnierende Emissionen im Verkehrssektor

  1	Die Zuordnung der Emissionen zu den einzelnen Sektoren erfolgt nach dem Quellenprinzip, d. h. die Emissionen werden dem
     ­„produzierenden“ Sektor zugeordnet und nicht demjenigen, in dem das Produkt verwendet wird.
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
KURZÜBERBLICK | 9

»Bei globalen Herausforderungen müssen wir über nationale und branchen­
spezifische Ziele hinausblicken und das große Ganze betrachten.«

Die Unterteilung der globalen Zielsetzungen in            motor oder elektrischer Antrieb) als auch im Hinblick
­spezifischere Ziele auf nationaler und sektoraler        auf die Art der verwendeten Energie­quellen (elek­
 ­Ebene mag aus politischer Sicht ein sinnvoller Weg      trisch, flüssig, gasförmig). In zahl­reichen Studien
  sein, da Meilensteine klar und messbar definiert        wurde versucht, die Klimawirkung von Technologien
  ­werden. Allerdings wird so auch das Denken             über den gesamten Lebenszyklus zu analysieren.
   innerhalb geographischer oder sektoraler Grenzen       Aufgrund unterschiedlicher Schwerpunkt­setzungen
   gefördert, was die Bemühungen, Klimaschutzziele        und Detailgrade bleibt es jedoch schwierig, daraus
   kosteneffizient oder im Extremfall überhaupt zu        einen umfassenden Überblick abzuleiten.
   ­erreichen, gefährden kann.
                                                          Das Ziel der vorliegenden Studie besteht daher
Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen hat           darin, verfügbare internationale Arbeiten und deren
sich hinsichtlich der Klimaschutzziele im                 Ergebnisse zu untersuchen und dabei in einer
­Verkehrs­sektor eine intensive energiepolitische         ­Metaanalyse gleichzeitig „weiße Flecken“ zur
 ­Debatte um Konzepte und Technologien entfacht            ­Klimawirkung verschiedener Antriebstechnologien
  – ­sowohl hinsichtlich der Antriebsart (Verbrennungs­     über den gesamten Lebenszyklus aufzuzeigen.

»Jährliche, nationale oder branchenspezifische Ansätze sind keine gute Basis,
um die globale Herausforderung der Klimaerwärmung zu meistern.«

Die Klimaschutzpolitik ist eine direkte Folge der               lich, an welchem geographischen Ort die
Erkenntnisse aus dem IPCC-Bericht. Hier kam man                 Emissionen verursacht werden.
zu dem Schluss, dass nur noch ein Restbudget von            •	 Die Klimawirkung von CO₂ ist nicht zeit­
420 bis 580 Gt CO₂-Äq verbleibt, um den weiteren                abhängig. Um die globale Erwärmung auf
globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begren­              ­maximal 1,5 oder 2 °C zu begrenzen, darf
zen (siehe Abbildung 2). Daher ist zu beachten,                weltweit nur noch eine bestimmte Menge an
dass sämtliche technologischen Entscheidungen                  Treibhausgasen freigesetzt werden (d. h. ein
immer vor dem Hintergrund betrachtet werden                    ­globales CO₂-Restbudget). Dies bedeutet,
müssen, wie wirksam sie für eine effiziente Ver­                dass alle Emissionen relevant sind – unab­
wendung dieses Restbudgets sind.                                hängig davon, wann sie ausgestoßen werden.

Dies erfordert eine Systemanalyse auf Grundlage           Viele Maßnahmen zum Klimaschutz haben jedoch
einer branchenübergreifenden, globalen und zeit­          eine zeitliche, geographische und/oder sektorale
lich unbegrenzten Ebene:                                  Begrenzung (siehe Abbildung 3): So gelten EU-­
                                                          Flottenziele beispielsweise nur innerhalb der Euro­
   • I n allen Branchen gilt es, Emissionen zu           päischen Union. National festgelegte Maßnahmen
      verringern. Um einen umfassenden Vergleich          haben in der Regel einen noch engeren Anwen­
      der verschiedenen Technologien sicherzustel­        dungsbereich. Darüber hinaus konzentrieren sich
      len, sollten alle Emissionen, die ein Fahrzeug      die EU-Flottenziele nur auf ein ganz bestimmtes
      in anderen Sektoren verursacht, dem betref­         Stadium im Lebens­zyklus, d. h. die Fahrzeug­
     fenden Fahrzeug zugerechnet werden.                  nutzung. Die Fahrzeug­emissionen im Energie- und
   •	
     Die Auswirkungen auf das Klima sind glo-             Industriesektor werden in diesem Zusammenhang
     bal. Für den Treibhauseffekt ist es unerheb­         nicht berücksichtigt.
Cradle-to-Grave-Lebenszyklus-analyse im Mobilitätssektor
10 | KURZÜBERBLICK

        Abbildung 2: Das globale Budget für CO₂-Äq ist begrenzt   Abbildung 3: Regierungen setzen das Budget in nationale
                                                                  Jahresziele um

   »Für eine nachhaltige Technologieauswahl braucht es eine umfassende
   ­branchenübergreifende, globale und intertemporale Lebenszyklusanalyse.«

   Um Technologien im Hinblick auf Klima- und Nach­
   haltigkeitsaspekte sinnvoll bewerten zu können,
   ­müssen alle direkten und indirekten Auswirkungen
    auf allen vor- und nachgelagerten Stufen der Wert­
    schöpfungskette berücksichtigt werden: Die Pers­
    pektive muss erweitert werden, um eine umfassen­
    de Lebenszyklusanalyse für alle Lebensphasen
    eines Produkts zu gewährleisten.

   Bei einer Beschränkung auf einen bestimmten
   ­Abschnitt des Lebenszyklus (wie z. B. die Nutzungs­
    phase eines Fahrzeugs) kann es dazu kommen,
    dass auch solche Technologien möglicherweise gut
    abschneiden, die in einer Gesamtbetrachtung keine
    Emissions­einsparungen bewirken. Dies hängt damit
    zusammen, dass die Emissionen innerhalb der
    engen sektor­spezifischen, geografischen und zeitli­
    chen ­Perspektive geringer ausfallen.

   Vor diesem Hintergrund führt kein Weg an einer
   umfassenden Analyse vorbei, die alle Emissionen
   über den gesamten Lebenszyklus einer Technolo­
   gie e
       ­ rfasst (siehe Abbildung 4).                              Abbildung 4: Phasen des Lebenszyklus
   ­­
KURZÜBERBLICK | 11

Neben                                                Die einzelnen Lebenszyklusabschnitte lassen sich
  •	der reinen Nutzung des Fahrzeugs                nahezu beliebig festlegen. Das bedeutet einerseits,
     ­(Tank-to-Wheel)                                dass verlässliche Aussagen zu den Vorteilen einzel­
                                                     ner Antriebsoptionen hinsichtlich der Klimaschutz­
gehören hierzu insbesondere:                         ziele ohne Berücksichtigung der oben dargestellten
  •	die Herstellung des Fahrzeugs                   komplexen Wechselwirkungen nicht möglich sind.
      (Cradle-to-Gate)                               Umgekehrt stoßen Forscher an pragmatische Gren­
  •	die Bereitstellung der Antriebsenergie          zen und versuchen möglicherweise, die umfangrei­
     ­(Well-to-Tank)                                 chen Effekte zumindest auf aggregierter Ebene zu
  •	der Aufbau und Betrieb der notwendigen          betrachten.
     ­Infrastruktur (­Infrastruktur)
  •	das Recycling des Fahrzeugs zur Rückgewin­
      nung von Rohstoffen (End-of-Life)

»Der Datenbestand ist zwar groß, Schlüsselinformationen fehlen jedoch noch.«

Für diese Metaanalyse haben wir mehr als 80          Auch die Vergleichbarkeit bleibt nach wie vor eine
­Studien gesichtet und überprüft, die sich mit den   große Herausforderung: Im individuellen Straßen­
 CO₂-­Emissionen von Fahrzeugen und Antrieben        verkehr gibt es unzählige Anwendungsfälle – und
 über den gesamten oder Teile des Lebenszyklus       jeder zugrunde liegende Parameter wirkt sich auf
 beschäf­tigen.                                      die Gesamtemissionswirkung eines Fahrzeugs aus.
                                                     Zu den Parametern gehören die Laufleistung, die
Trotz des großen Datenbestands lässt sich festhal­   ­Nutzungshäufigkeit, die Fahrzeuggröße sowie die
ten, dass einige wichtige Informationen noch im-      Beladung. Der klimatische Fußabdruck eines Nutz­
mer fehlen: Während Lebenszyklusphasen wie die        fahrzeugs mit einer jährlichen Fahrleistung von
Fahrzeugherstellung und -nutzung in den meisten       mehr als 50.000 km ist folglich nicht vergleichbar
Studien abgedeckt werden, werden die Emissionen       mit dem Fußabdruck eines Pendlerfahrzeugs, mit
am Ende des Lebenszyklus sehr viel seltener the­      dem täglich nur eine begrenzte Strecke zurückge­
matisiert. Zudem geht fast keine der untersuchten     legt wird. ­Anwendungsfälle und ihre jeweiligen
Studien auf den notwendigen Ausbau der Infra­         Emissionen werden auch durch Faktoren wie Kli­
struktur und die damit verbundenen Emissionen         maregion und Topologie beeinflusst.
ein. Antriebstech­nologien von batteriebetriebenen
Elektrofahrzeugen (BEVs) und Diesel- oder Benzin­
fahrzeugen mit ­Verbrennungsmotoren (ICEVs) wer­
den zudem in den meisten Studien behandelt, ande­
re Technologien (wie Fahrzeuge, die mit Erdgas,
Wasserstoff oder E-Kraftstoffen aus erneuerbaren
Energien betrieben werden, z. B. Brennstoffzelle­
nelektrofahrzeuge (FCEVs) oder ICEVs) werden
jedoch nur in Ausnahmefällen b ­ eschrieben.         Angesichts der enormen Anzahl an
                                                     unterschiedlichen Anwendungsfäl-
                                                     len können die Ergebnisse einzelner
                                                     ­Studien daher nur in begrenztem
                                                      Maß verallgemeinert werden.
12 | KURZÜBERBLICK                                                                            ZUSAMMENFASSUNG

   Bei einem Vergleich verschiedener Technologien in         Anzahl an Studien werden auch andere, gängige
   den Studien ist zu beachten, dass das Ergebnis            Anwendungsfälle mit anderen Fahrzeuggrößen
   immer auf dem konkreten Anwendungsfall und den            oder Fahrverhalten betrachtet. Daher können Er­
   jeweils zugrunde liegenden Parametern basiert. Die        kenntnisse aus den einzelnen Studien nur bedingt
   meisten Studien beziehen sich auf einen generi­           verallgemeinert werden.
   schen Anwendungsfall. In einer relativ kleinen

   »Aus Sicht des Klimaschutzes liegt keine der Technologien klar an der Spitze.
   Die CO₂-Emissionen treten vielmehr in unterschiedlichen Phasen des Lebens-
   zyklus auf.«

   In den vorliegenden Studien zeigt sich hinsichtlich der   Vorteile bei den Well-to-Wheel-Emissionen.
   Gesamt-CO₂-Emissionen ein sehr heterogenes Bild,          Folglich ergibt sich die geeignetste Technologie aus
   bedingt durch die verschiedenen alternativen              individuellen Annahmen und spezifischen Rahmen­
   Antriebs­­möglichkeiten im Verkehrssektor.                bedingungen. Ein klarer Trend zeichnet sich hierbei
   ­Abbildung 5 zeigt eine zusammenfassende Dar­             nicht ab.
    stellung der Ergebnisse für die am häufigsten unter­
    suchten Technologien in verschiedenen Lebens­            Es gibt aber Hinweise darauf, wie in Zukunft alle
    zyklusphasen: BEVs, die ihren Ladestrom aus dem vor      Technologien ihre Emissionsbelastung deutlich redu­
    Ort verfüg­baren Stromnetz beziehen; BEVs, die ihren     zieren und sogar klimaneutral werden können. Dies
    Strom zu 100 % aus erneuerbaren Quellen beziehen;        ist möglich, wenn „grüne“ Antriebsenergie eingesetzt
    ICEVs, die mit Diesel und Benzin oder mit einem er­      wird, d. h. Ladestrom, H₂ und E-Kraftstoffe stammen
    neuerbaren E-Kraftstoff aus Strom betrieben werden;      aus erneuerbaren Quellen.
    und FCEVs, die mit Wasserstoff (H₂) betrieben wer­
    den, der aus einem Mix von Quellen wie Erdgas sowie
    regenerativem Strom mittels Elektrolyse stammt.                        Die Forschungslücken
                                                                           ­u mfassen sowohl Lebens­
   Insgesamt liegt keine Technologie klar an der Spitze.                    zyklusphasen als auch
   Lebenszyklusanalysen belegen, dass die CO₂-­                           ­Technologieoptionen.
   Emissionen bei vielen verfügbaren Antriebstechnolo­
   gien ähnlich sind. Die sehr große Schwankungs­breite
   der Ergebnisse ist jedoch sowohl durch die Unsicher-      Im Rahmen unserer Metaanalyse wurden jedoch auch
   heiten als auch durch die unterschiedlichen Anwen­        einige verbleibende Forschungslücken bzw. weiße
   dungsfälle bedingt.                                       Flecken aufgedeckt:

   Die Emissionen fallen in den verschiedenen Lebens-          •	Nur wenige Studien gehen im Detail auf die
   zyklusabschnitten der jeweiligen Technologien sehr             Emissionen am Ende der Lebensdauer ein.
   unterschiedlich aus. Die Fahrzeugherstellung und die           Eine genauere Schätzung der CO₂-Bilanz
   Well-to-Wheel-Emissionen (d. h. die Gewinnung der              wäre jedoch vor allem insofern interessant,
   Antriebsenergie und die Fahrzeugnutzung) machen                als die Wirkungsrichtung am Ende des Le­
   den größten Anteil der Emissionen aus. Die Fahrzeug­           benszyklus in beide Richtungen gehen kann
   herstellung schlägt bei BEVs und FCEVs in allen Stu­           – nämlich sowohl in Richtung Emissionen als
   dien stärker zu Buche als bei Fahrzeugen mit Verbren­          auch in Richtung Emissionseinsparungen.
   nungsmotor. Allerdings bieten BEVs tenden­ziell
KURZÜBERBLICK | 13

Abbildung 5: Basierend auf der CO₂-Lebenszyklusanalyse geht keine der Technologien als klarer Sieger hervor
Anmerkung: Um eine grobe Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden die Studienergebnisse auf eine maximale Laufleistung von
150.000 km skaliert.
14 | KURZÜBERBLICK

      •	In keiner der Studien werden die Emissionen                        vernachlässigt werden und erfordern eine
         der Energieinfrastruktur in der Lebenszyk­                         weitere Analyse.
         lusanalyse eines Fahrzeugs berücksichtigt.                      •	Die Abdeckung aller verfügbaren technolo­
         Nach Analyse einiger spezifischer Studien                          gischen Optionen in den untersuchten Studi-
         kamen wir jedoch zu dem Schluss, dass die                          en ist relativ unausgewogen: Es werden im
         Infrastruktur­­emissionen durchaus einen An­                       ­Allgemeinen nicht alle Arten von E-Kraftstof­
         teil von fast 10 %2 der gesamten Fahrzeuge­                        fen behandelt und auch FCEVs und kombi­
         missionen ausmachen können. Dementspre­                            nierte Antriebe wie Hybride werden nur sel­
         chend dürfen diese Emissionen nicht                                ten untersucht.

   »Technologieoffene und zielorientierte Ansätze in der Klimapolitik können für
   eine effektive Reduzierung der CO₂-Emissionen sorgen.«

   Bisher haben wir Folgendes diskutiert:                              ­Empfehlungen zu:

      •	Klimapolitische Entscheidungen zu einzelnen                     •	
                                                                           Aufgrund unvollständiger Informationen ist
         Technologien müssen zunächst auf einer                            ein zielgerichteter und technologieneutraler
         umfassenden Analyse basieren, um nachhal­                         Ansatz in der Politik erforderlich: Viele Para­
         tige Technologien sicherzustellen (siehe Kapi-                    meter hängen von individuellen Anwendungs­
         tel 2 Motivation und Herangehensweise, Ab­                        fällen ab und sind daher von Natur aus nicht
         schnitt „Für eine nachhaltige                                     geeignet für eine zentrale Entscheidungs­
         Technologieauswahl braucht es eine umfas­                         findung. Darüber hinaus ist davon auszuge­
         sende branchenüber­greifende, globale und                         hen, dass sich viele Technologien, das
         intertemporale Lebenszyklusanalyse“).                             Mobilitäts­verhalten und weitere Rahmenbe­
      •	Ein umfassender Datenbestand liegt bislang                        dingungen in Zukunft ändern und viele Ent­
         leider noch nicht vor (siehe Kapitel 2 Motivati­                  wicklungen unvorhersehbar bleiben werden.
         on und Ansatz, Abschnitt „Der Datenbestand                        Entsprechend birgt jede technologiebezogene
         ist zwar groß, Schlüsselinformationen fehlen                      Entscheidung heute ein erhebliches Risiko,
         ­jedoch immer noch“).                                             sich in Zukunft als falsch zu erweisen. Die
      •	Basierend auf den vorliegenden Erkenntnissen                      wichtigste Empfehlung an die Politik lautet
          deutet sich an, dass es keine eindeutig über­                    daher, eine technologieoffene Gestaltung zu
          legene Technologie gibt. Vielmehr hängen die                     verfolgen.
          relativen Vorteile der Antriebstechnologien                    •	
                                                                           Einmalige Fahrzeugemissionen in Verbin-
          von sehr individuellen Umständen ab (siehe                       dung mit einer langen Lebensdauer erfor-
          Kapitel 3 Ergebnisse.                                            dern eine besondere Berücksichtigung der
                                                                           zeitlichen Dimensionen: Politische Anstren­
   Dennoch muss sich die Klimapolitik jetzt der                            gungen zur Erreichung spezifischer Ziele (wie
   Herausforderung der globalen Erwärmung stellen.                         das 2030-Ziel für den deutschen Verkehrssek­
   Die k­ ombinierten Ergebnisse der überprüften Studi­                    tor) können – bei begrenzter zeitlicher Pers­
   en lassen – trotz der genannten Einschränkungen                         pektive – dazu führen, dass das Restbudget
   – ­einige erste Schlussfolgerungen zu politischen                       für Emissionen in die Atmos­phäre insgesamt

   2	Konservativ gehen wir von einem Anteil zwischen 5 und 8 % aus.
KURZÜBERBLICK | 15

  überschritten wird (siehe Abbildung 6). Dies       Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein
  kann insbesondere dann der Fall sein, wenn         technologieoffener Ansatz verfolgt werden muss,
  für eine Reduzierung der jährlichen Verkehr­       der stets das Gesamtbild im Blick ­behält.
  semissionen (z. B. Tank-to-Wheel) hohe ein­
   malige Emissionen in den Vorjahren (z. B.
   Emissionen beim Fahrzeugbau) erforderlich
   werden. Das Beispiel in Kapitel 4 Schluss­
   folgerungen verdeutlicht die Relevanz der
   ­zeitlichen Dimension und der Einhaltung des
    Emissionsbudgets für die Erreichung der
    Klimaziele.
•	 Bei sektoralen Zielen besteht das Risiko,
    dass diese eher zu einer Verschiebung von
    ­Emissionen führen als zu einer tatsächlichen
     Reduzierung. Die Beispielberechnung zeigt,
     wie sich eine politische Maßnahme – ideal für
     die Verringerung der jährlichen Emissionen im
     Verkehrssektor – negativ auf den Industrie-
  und Stromsektor auswirken kann. Daran wird
  die Wichtigkeit einer branchenübergreifenden
  ­Perspektive sowie der zeitlichen Dimension        Abbildung 6: Die zeitliche Dimension ist bei großen einmali­
   deutlich.                                         gen Emissionen ein entscheidender Faktor
16 | MOTIVATION

                                                       Motivation

   Auf der Grundlage des Pariser Klimaschutzab­                         ­ rzielte Effizienzsteigerungen durch den kontinuier­
                                                                        e
   kommens haben sich Deutschland und die Europäi­                      lich wachsenden Mobilitätsbedarf nahezu aufge­
   sche Union das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Treib­                   wogen (siehe Abbildung 7). Die Mobilität hat zum
   hausgasemissionen (CO₂-Äq, CO₂) bis 2050 um                          Wirtschaftswachstum in vielen Sektoren beige­
   80-95 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Dement­                        tragen bzw. wurde von diesem Wachstum beflügelt.
   sprechend sieht der Klimaschutzplan 2050 der                         Das spiegelt sich auch in der aktuell zunehmenden
   ­Bundesregierung ein Zwischenziel für 2030 vor. Bis                  Nutzung von Mobilitätslösungen in absoluten
    dahin sollen die CO₂-Emissionen mindestens 55 %                     ­Zahlen wider. Dies erklärt auch, warum die
   unter dem Niveau von 1990 liegen. Dieses Ziel wur­                    CO₂-Emissionen des Verkehrssektors im Vergleich
   de in Einzelziele für die Sektoren Energie, Gebäude,                  zu den Werten von 1990 in absoluten Zahlen nicht
   Verkehr, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie                   zurückgegangen sind (siehe ­Abbildung 7 linke
   Landnutzung aufgeschlüsselt3.                                         Grafik). Angesichts dieses historischen Trends er­
                                                                         scheint das von der Bundesregierung g ­ esetzte Ziel,
   Im Verkehrssektor – und insbesondere im Straßen­                      die Emissionen des Verkehrssektors bis 2030 um
   verkehr – werden die öffentlichen Debatten zuneh­                     40 % zu reduzieren, besonders ehr­geizig.
   mend lauter. Darüber hinaus werden zahlreiche

   Abbildung 7: Die Emissionen im Mobilitätssektor haben trotz höherer Wirkungsgrade zugenommen

   3 Die Zuordnung der Emissionen zu den einzelnen Sektoren erfolgt nach dem Quellenprinzip, d. h. die Emissionen werden dem
   	­„produzierenden“ Sektor zugeordnet und nicht demjenigen, in dem das Produkt verwendet wird.
MOTIVATION | 17

»Bei globalen Herausforderungen müssen wir über nationale und branchen­
spezifische Ziele hinausblicken und das große Ganze betrachten.«
Die Unterteilung der globalen Zielsetzungen in                           Verlagerung von Emissionen in andere Regionen (z. B.
­spezifischere Ziele auf nationaler und sektoraler                       durch Verlagerung in vor- oder nachgelagerte Stufen)
 ­Ebene mag aus politischer Sicht ein sinnvoller Weg                     zwar dazu führen, dass politische Ziele auf nationaler
  sein, da Meilensteine klar und messbar definiert                       Ebene eingehalten werden, das bedeutet allerdings
  werden.                                                                nicht, dass diese Verlagerung auch auf globaler Ebe­
                                                                         ne zur Zielerreichung in den Bereichen Klimaschutz
Allerdings wird so auch das Denken innerhalb geo­                        bzw. Nachhaltigkeit (z. B. Schutz der Menschenrechte
graphischer oder sektoraler Grenzen gefördert, was                       oder Wassereinsparungen) beiträgt.
die Bemühungen, Klimaschutzziele kosteneffizient
oder im Extremfall überhaupt zu erreichen, gefährden                     Aufgrund dieser zentralen Fragestellungen hat sich
kann. Es ist auch denkbar, dass Maßnahmen zur                            im Verkehrs­sektor eine intensive energiepolitische
CO₂-Reduzierung in einem Sektor zwar eine maximale                       Debatte um Konzepte und Technologien entfacht –
 Reduzierung der CO₂-Emissionen in diesem spezifi­                       sowohl hinsichtlich der Antriebsart (Verbrennungs­
schen Sektor garantieren, dieselben Maßnahmen in                         motor oder elektrischer Antrieb) als auch im Hinblick
anderen Bereichen jedoch dazu führen, dass die                           auf die Art der verwendeten Energiequellen (elekt­
­Emissionswerte gleich bleiben oder gar ansteigen.                       risch, flüssig, gasförmig). Angesichts der unterschied­
 Insgesamt bleiben die CO₂-Emissionen dadurch über                       lichen Mobilitätstechnologien hat dies dazu geführt,
alle Sektoren hinweg mehr oder weniger konstant.                         dass neben den deutlich sichtbaren Effekten in der
Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Sektor­                      eigentlichen Nutzungsphase der Fahrzeuge über den
kopplung ist es fraglich, ob die Gesamtziele kosten­                     gesamten L  ­ ebenszyklus hinweg die Emissionen und
effizient erreicht werden können, wenn jeder Sektor                      andere nachhaltigkeitsrelevante Effekte zunehmend
nur seine eigenen Ziele verfolgt.                                        in den Fokus gerückt sind.

 Sowohl im Hinblick auf die Erreichung der übergeord­                    In diesem Zusammenhang hat die FVV Frontier Eco­
 neten Ziele des Pariser Abkommens als auch unter                        nomics beauftragt, eine Metaanalyse und ­Bewertung
 dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit4 muss stets                        von internationalen Studien zur Klima­bilanz verschie­
­bedacht werden, dass CO₂-Emissionen und Strategien                      dener Antriebstechnologien über den gesamten Le­
 zur deren Reduzierung globale Auswirkungen haben.                       benszyklus eines Fahrzeugs (Cradle-­to-Grave oder
 Dementsprechend kann eine einseitige geographische                      Cradle-to-Cradle, siehe Kapitel 2) durchzuführen.

4   Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen die Agenda 2030 mit 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung und eine bessere
    Zukunft herausgegeben. Klimaschutz ist eines der 17 Ziele.
18 | MOTIVATION

    »Unser Ziel bestand darin, eine umfassende Analyse des Lebenszyklus von
   ­Antriebstechnologien durchzuführen.«
   Dazu haben wir mehr als 80 Studien mit fast 500                      Der Aufbau der Studie gestaltet sich wie folgt:
   Szenarien5 (die meisten aus den letzten 15 Jahren
   und mit deutschem oder europäischem Fokus) aus­                           •	Zunächst wird in Kapitel 2 Motivation und
   gewertet, in denen die CO₂-Emissionen von                                     Herangehensweise, Abschnitt „Für eine
   Antriebs­technologien über alle oder ausgewählte                              nachhaltige Technologieauswahl braucht es
   Lebenszyklusphasen (d. h. Fahrzeugherstellung,                                eine umfassende branchenübergreifende,
   Kraftstoffherstellung, Energieinfrastruktur, Nut­                             globale und intertemporale Lebenszyklus­
   zung und Lebensende) analysiert werden. In Fällen,                            analyse“, erläutert, welche Aspekte bei der
   in ­denen keine Daten vorliegen, werden zusätzlich                            umfassenden Analyse der CO₂-Emissionen
   auch Analysen verschiedener Komponenten (z. B.                                verschiedener Antriebstechnologien über
   zu Batterien oder einzelnen Infrastrukturkompo­                               den gesamten Lebenszyklus hinweg berück­
   nenten) berücksichtigt. Zu den Zielen gehören:                                sichtigt werden müssen.
                                                                             •	Kapitel 2 Motivation und Herangehensweise,
       •	Erstens gilt es herauszufinden, was als                                Abschnitt „Der Datenbestand ist zwar groß,
           ­sicheres Wissen angesehen werden kann                                Schlüsselinformationen fehlen jedoch im­
            und in welchen Bereichen es noch Unsicher­                           mer noch“, gibt einen Überblick über die ver­
            heiten oder gar „weiße Flecken“ gibt.                                fügbare Literatur und geht auf die
       •	Zweitens werden wir auf der Grundlage der                              Herausfor­derungen im Hinblick auf die Ver­
            vorliegenden Studienergebnisse Schluss­                              gleichbarkeit und Vollständigkeit verschie­
            folgerungen zu den Vorteilen einzelner                               dener Studien ein.
          ­Antriebstechnologien ziehen.                                      •	In Kapitel 3 Ergebnisse werden die ­Resultate
                                                                                 unserer Metaanalyse für jeden Abschnitt
   Dabei berücksichtigen wir die Tatsache, dass die                              des Lebenszyklus eines Fahrzeugs ausführ­
   Emissionen über alle Sektoren und Regionen hin­                               licher dargestellt.
   weg und intertemporal betrachtet werden müssen.                           •	In Kapitel 4 Schlussfolgerungen werden
                                                                                 schließlich Empfehlungen an die Politik
                                                                                ­formuliert.

   5   Ein Szenario umfasst eine Technologie (z. B. BEV, ICEV mit Dieselmotor) und Annahmen zum Strommix, zur Herstellungsmethode für
       Wasserstoff sowie zur Fahrzeuggröße.
MOTIVATION UNSERER
               MOTIVATION
                   STUDIE | 19
20 | NACHHALTIGE TECHNOLOGIEAUSWAHL

          Für eine nachhaltige Technologieauswahl
           braucht es eine umfassende branchen­
          übergreifende, globale und intertemporale
                    Lebenszyklusanalyse

   Um Technologien im Hinblick auf Klima- und Nach­
   haltigkeitsaspekte sinnvoll bewerten zu können,
   müssen alle direkten und indirekten Auswirkungen
   auf allen vor- und nachgelagerten Stufen der Wert­      Klimapolitische Maßnahmen müssen
   schöpfungskette berücksichtigt werden. Die Pers­        branchenübergreifend, global und
   pektive muss erweitert werden, um eine umfassen­        ohne zeitliche Begrenzung gedacht
   de Lebenszyklusanalyse für alle Lebensphasen            werden.
   eines Produkts zu gewährleisten. Im Hinblick auf
   das höhere Ziel einer Kreislaufwirtschaft spielt auch
   das Recycling und die Wiedereinführung in den
   ­Rohstoffkreislauf eine wichtige Rolle.

   »Nationale, branchenspezifische Überlegungen geben nur wenig Aufschluss
   über die Auswirkungen einer Technologie.«
   Dies erfordert eine Systemanalyse auf Grundlage           •	
                                                               Die Auswirkungen auf das Klima sind
   einer branchenübergreifenden, globalen und zeitlich         ­global. Für den Treibhauseffekt ist es uner­
   unbegrenzten Ebene (siehe Abbildung 8):                      heblich, wo die Emissionen verursacht
                                                                ­werden. Folglich sollten nicht nur die
      •	
        In allen Branchen gilt es, Emissionen zu                 ­Emissionen bei der Fahrzeugherstellung in
        verringern. Um einen umfassenden Ver­                     Deutschland oder in der EU, sondern viel­
        gleich der Technologien zu gewährleisten,                 mehr auch die in Zulieferländern wie China
        sollten alle Emissionen, die ein Fahrzeug in              verursachten Emissionen berücksichtigt
        anderen Sektoren verursacht (z. B. im                     werden. Nationale Ziele – zum Beispiel die
        ­Energiesektor bei der Erzeugung der                      Ziele aus dem Kyoto-Protokoll oder dem Pa­
         ­Antriebsenergie oder im Industriesektor bei             riser Abkommen – sind daher ebenfalls kri­
          der Fahrzeugherstellung), dem Fahrzeug zu­              tisch zu betrachten, da Emissionen
          gerechnet werden. Eine ausschließliche                  ­importiert oder exportiert werden können.
          Konzentration auf den Verkehrssektor ist im              Wenn die Ziele zur Verringerung der Treib­
          Hinblick auf die Gesamtemissionsziele nur                hausgasemissionen unterschiedlich hoch
          wenig aussagekräftig – insbesondere im                   gesteckt werden, ergibt sich daraus ein
          ­Zusammenhang mit einer Sektorkopplung.                  ­Anreiz, Prozesse mit hohen Emissionen in
                                                                    Länder mit weniger strengeren Vorschriften
                                                                    zu verlagern, anstatt diese zu senken.
NACHHALTIGE TECHNOLOGIEAUSWAHL | 21

Abbildung 8: Nationale, branchenspezifische Überlegungen geben nur wenig Aufschluss über die Auswirkungen einer Technologie

    •   Die Klimawirkung von CO₂ ist nicht zeitab-                     gasen freigesetzt werden (d. h. ein globales
        hängig. Im Hinblick auf Emissionsein­                           CO₂-Restbudget). Dies bedeutet, dass alle
        sparungen werden die relevanten Emissions­                      Emissionen relevant sind – unabhängig davon,
        mengen durch den Bestand an absoluten und                       wann sie ausgestoßen werden. Die positive
        kumulierten CO₂-Emissionen ausgedrückt:                         Korrelation zwischen den kumulierten, vom
         Um die globale Erwärmung auf maximal 1,5                       Menschen verursachten CO₂-Emissionen seit
         oder 2 °C zu begrenzen, darf weltweit nur                      1876 und der Temperaturänderung von 1850–
         noch eine bestimmte Menge an Treibhaus­                        1900 ist in Abbildung 9 dargestellt.

 Abbildung 9: IPCC-Klimamodelle zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen akkumulierten CO₂-Emissionen und
­Temperaturanstieg
22 | NACHHALTIGE TECHNOLOGIEAUSWAHL

   Viele Maßnahmen zum Klimaschutz haben jedoch         Die Beschränkung der Perspektive auf die reine
   eine zeitliche, geographische und/oder sektorale     ­Nutzung des Fahrzeugs kann zu Fehlanreizen füh­
   Begrenzung: So gelten EU-Flottenziele beispiels­      ren, die nicht in Einklang mit den klimapolitischen
   weise nur innerhalb der Europäischen Union. Natio­    Zielen stehen. So ist es beispielsweise durchaus
   nal festgelegte Maßnahmen haben in der Regel          möglich, dass mit solchen Instrumenten Technolo­
   ­einen noch engeren Anwendungsbereich. Darüber        gien g  ­ efördert werden, die im Allgemeinen keine
    hinaus konzentrieren sich die EU-Flottenziele nur    ­Emissionseinsparungen bewirken. Dies hängt damit
    auf ein ganz bestimmtes Stadium im Lebenszyklus,      zusammen, dass die Emissionen innerhalb der
    d. h. die Fahrzeugnutzung. Die Fahrzeugemissionen     ­engen sektorspezifischen, geografischen und zeit­
    im Energie- und Industriesektor werden in diesem       lichen Perspektive geringer ausfallen. Wenn sich die
    Zusammenhang nicht berücksichtigt.                     Instrumente nur auf einzelne Phasen des Lebens­
                                                           zyklus einer Technologie beziehen, führt dies zu
                                                           ­einer Situation, in der Emissionsverlagerung und
                                                            Emissionsvermeidung ungerechtfertigterweise auf
   Instrumente, die sich nur auf einzelne                   dieselbe Stufe gestellt werden.
   Phasen im Lebenszyklus einer Tech­
   nologie beziehen, schaffen negative
   Anreize. Denn oftmals wird dabei eine
   bloße Verlagerung der Emissionen
   mit einer tatsächlichen Reduzierung
   gleichgesetzt.

   »Vor diesem Hintergrund müssen effektive Maßnahmen zum Klimaschutz immer
   auf einer umfassenden technologischen Analyse beruhen.«
   Abbildung 10 veranschaulicht die große Anzahl an     In der Abbildung wird auch die Zuordnung der
   Lebenszyklusphasen, die mindestens berücksichtigt    CO₂-Emissionen in den einzelnen Lebenszykluspha­
   werden müssen, um eine wirklich umfassende           sen zu den verschiedenen Sektoren (Industrie, Ener­
   Cradle-to-Grave- oder sogar Cradle-to-Cradle-­       gie, Verkehr) deutlich. Dies unterstreicht unsere
   Analyse zu ermöglichen. Neben der eigentlichen       Feststellung, dass bei der aktuellen branchenspezi­
   Fahrzeugnutzung (Tank-to-Wheel) gehören hierzu       fischen Ausrichtung klimapolitischer Maßnahmen
   insbesondere                                         solche branchenübergreifenden Zusammenhänge
                                                        weitgehend ignoriert werden.
      •	die Herstellung des Fahrzeugs                  Die einzelnen Lebenszyklusabschnitte können dabei
           (Cradle-to-Gate)                             fast unbegrenzt weit verzweigt sein und die Äste in
      •	die Bereitstellung der Antriebsenergie         Abbildung 10 wurden nur aus pragmatischen Grün­
          ­(Well-to-Tank)                               den abgeschnitten. Dementsprechend stehen die
      •	der Aufbau und Betrieb der notwendigen         Studienautoren vor der Herausforderung, diese
         ­Infrastruktur (­Infrastruktur)                weitreichenden Effekte zumindest auf aggregierter
      •	das Recycling des Fahrzeugs zur Rück­          Ebene zu betrachten. Denn ohne Berücksichtigung
          gewinnung von Rohstoffen (End-of-Life)        der oben dargestellten komplexen Wechselwirkun­
                                                        gen lassen sich keine verlässlichen Aussagen über
NACHHALTIGE TECHNOLOGIEAUSWAHL | 23

die Vorteile einzelner Antriebsoptionen hinsichtlich            tigkeitsziele der Fall ist. Weitere Aspekte, die
der Klimaschutzziele ableiten.                                  ­zumindest am Rande berücksichtigt werden
                                                                 ­müssen, sind z. B. die Landnutzung für erneuerbare
Eine gründliche Bewertung der verfügbaren Tech­                   Energiequellen, lokale Emissionen aus der Fahr­
nologien sollte zudem auch weitere Nachhaltig­                    zeugnutzung oder das Risiko von Methanleckagen
keitseffekte einbeziehen. Wenn eine Antriebs­                     (weitere Beispiele siehe Abbildung 10 „Weitere
technologie im Hinblick auf CO₂-Emissionen gute                   punktuell zu beachtende negative Umwelt­
Ergebnisse aufweist, bedeutet dies nicht zwangs­                  wirkungen“).
läufig, dass das auch in Bezug auf andere Nachhal­

Abbildung 10: Eine umfassende Analyse des CO₂-Fußabdrucks erfordert immer eine detaillierte Betrachtung aller Abschnitte
des Lebenszyklus und aller Auswirkungen in vor- und nachgelagerten Sektoren
24 | UMFANGREICHER DATENBESTAND, SCHLÜSSELINFORMATIONEN FEHLEN JEDOCH

          Der Datenbestand ist zwar groß, Schlüssel­­
           informationen fehlen jedoch immer noch

   Die angesprochene umfassende Berücksichtigung                              •	Was ist der internationale Forschungsstand
   der Technologien ist nichts Neues; sie wurde                                  für alle Stufen der Wertschöpfung von
   bereits unter der Überschrift „Ökobilanz“ etabliert                           ­Antriebskonzepten, die für den jeweiligen
   und auch in einschlägigen Normen (z. B. ISO 140)                               ­Lebenszyklus relevant sind?
   definiert. Folglich kann beim Vergleich der An­                            •	Was kann als gesichertes Wissen angese­
   triebstechnologien auf einen großen Datenbestand                                hen werden und in welchen Bereichen gibt
   und umfang­reiche Studien zurückgegriffen werden.                               es noch erhebliche Unsicherheiten? Wurden
                                                                                   alle relevanten Vorlaufeffekte berücksichtigt
   Diese umfassende Analyse wird in bestehenden                                    oder gibt es noch „weiße Flecken“?
   ­Datenbeständen und Studien oft in einem engeren                           •	Welche Bereiche müssen weiter beforscht
    Sinne interpretiert als in Abbildung 10 dargestellt.                           werden?
    Aus diesem Grund besteht das Ziel der Metaanaly­                          •	Was lässt sich ausgehend von den vorlie­
    se darin, Antworten auf die folgenden Fragen zu                                genden Studienergebnissen zu den Vorteilen
    finden:                                                                        einzelner Antriebskonzepte sagen?

   »Ein umfangreicher Datenbestand birgt eine Fülle von Informationen.«

   Für unsere Metaanalyse haben wir 85 Studien iden­                     turkomponenten) berücksichtigt. Wie in Abbildung
   tifiziert, die (einen Teil der) Aspekte einer                         11 dargestellt, wurden die meisten Studien in den
   ­Lebenszyklusanalyse der CO₂-Emissionen von                           ­vergangenen 15 Jahren veröffentlicht. Dies hängt
    ­Antriebstechnologien für Personenkraftwagen6                         damit zusammen, dass alternative Antriebssyste­
     ­untersuchen. Dementsprechend haben wir uns auf                      me (wie BEVs oder FCEVs) erst in den letzten Jah­
      thematisch relevante Studien konzentriert. In                       ren in den Vordergrund gerückt sind. Darüber hin­
      ­Fällen, in denen keine Daten vorliegen, wurden                     aus h
                                                                              ­ aben wir vorrangig Studien mit deutschem
       ­zusätzlich auch Analysen verschiedener Kompo­                     oder europäischem Fokus untersucht.
        nenten (z. B. zu Batterien oder einzelnen Infrastruk­

   6 Siehe Literatur „In der vorliegenden Metaanalyse berücksichtigte Lebenszyklusanalysen“ für einen Überblick über die einzelnen
   	­untersuchten Studien.
UMFANGREICHER DATENBESTAND, SCHLÜSSELINFORMATIONEN FEHLEN JEDOCH | 25

Abbildung 11: Es stehen umfassende Quellen mit großen Datenbeständen zur Verfügung – unsere Metaanalyse konzentriert sich
auf 85 internationale Studien aus den letzten 15 Jahren
Anmerkung: Die untersuchten Studien beinhalten fast 500 Analysen (z. B. mit unterschiedlichen Strommixen, Wasserstoff­
produktionsmethoden, Fahrzeuggrößen) und decken bis zu 10 verschiedene Technologien ab (z. B. BEV, ICEV mit Dieselmotor, ICEV
mit Benzinmotor).

»Trotz des großen Datenbestands deckt keine der Studien alle relevanten
­Aspekte im Detail ab.«
Trotz der umfangreichen Datenbasis (siehe                       ­(siehe Abbildung 12). Dies ist möglicherweise auf
­Abbildung 11) ist zu bemerken, dass in keiner der               die oben erwähnte engere Auslegung des Begriffs
 untersuchten Studien alle fünf Lebenszykluspha­                 „Ökobilanz“ und der einschlägigen Normen zurück­
 sen berücksichtigt werden, die unserer Ansicht                  zuführen. Wenn eine solche umfassende Lebens­
 nach für eine aussagekräftige Analyse von Relevanz              zyklusanalyse jedoch als Grundlage für sinnvolle
 sind (d. h. Fahrzeugherstellung, Herstellung der                klimapolitische Entscheidungen herangezogen
 ­Antriebsenergie, Energieinfrastruktur (Ausbau),                ­werden soll, müssen alle mit der Energieinfrastruk­
  Fahrzeugnutzung und End-of-Life). Besonders her­                tur verbundenen Emissionen berücksichtigt werden
  vorzuheben ist die Tatsache, dass die Infrastruktur             – d. h. die Errichtung von Ladesäulen, Wasserstoff­
  zur Energiebereitstellung in der Lebenszyklus­                  tankstellen und -netzen sowie die Verluste durch
  analyse für Fahrzeuge nicht berücksichtigt wird                 Transport, Speicherung und Energieumwandlung.
26 | UMFANGREICHER DATENBESTAND, SCHLÜSSELINFORMATIONEN FEHLEN JEDOCH

   Abbildung 12: Die Energieinfrastruktur bleibt in vielen Lebenszyklusanalysen unberücksichtigt (n = 85 Studien)
   Anmerkung: In einigen Lebenszyklusanalysen werden unter Infrastruktur die Emissionen aus der Herstellung und dem Straßen­
   betrieb gefasst. Da diese für alle Fahrzeugtypen identisch sind, wird letzteres in dieser Studie nicht explizit betrachtet. Die
   ­betreffenden Studien wurden jedoch im Balken „Infrastruktur“ erfasst.

   »Vergleichbarkeit und Vollständigkeit bleiben eine zentrale Herausforderung.«

   Der Verkehrssektor umfasst eine große Vielfalt an                  Bei einem Vergleich verschiedener Technologien
   möglichen Anwendungsfällen und Rahmenbe­                           ist zu beachten, dass das spezifische Ergebnis im­
   dingungen, die sich auf die Emissionen der einge­                  mer auf dem konkreten Anwendungsfall und den
   setzten Technologien auswirken: Der klimatische                    jeweils zugrunde liegenden Parametern basiert. In
   Fußabdruck eines Nutzfahrzeugs mit einer jährli­                   den meisten Studien werden beispielsweise generi­
   chen Fahrleistung von mehr als 50.000 km ist folg­                 sche Anwendungsfälle mit mittelgroßen Fahrzeu­
   lich nicht vergleichbar mit dem Fußabdruck eines                   gen (z. B. VW Golf), einer eingeschränkten Anforde­
   Pendlerfahrzeugs, mit dem täglich nur eine be­                     rung bzgl. der Fahrzeugreichweite, einer
   grenzte Strecke zurückgelegt wird. Gleiches gilt für               durchschnittlichen Außentemperatur etc. betrach­
   Parameter wie Beladung, Größe, Klima, Reichweite                   tet. Dementsprechend werden andere, jedoch übli­
   oder die Art der eingesetzten Antriebsenergie                      che Anwendungsfälle – z. B. größere Fahrzeuge mit
   (Strommix, Anteil von Biokraftstoffen etc.).                       höherer Nutzlast oder realistischere geografische
                                                                      Bedingungen bzw. Temperaturen – in nur wenigen
                                                                      Studien behandelt. Eine Verallgemeinerung einzel­
   Da Studien auf Annahmen und                                        ner Studienergebnisse ist daher nur in sehr
   ­Szena­rien basieren, gestaltet sich                               begrenztem Umfang möglich.

    die Vergleichbarkeit der Ergebnisse
                                                                      Darüber hinaus können viele aktuell verfügbare
    schwierig.                                                        Technologien einen Beitrag dazu leisten, die
                                                                      CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren.
UMFANGREICHER DATENBESTAND, SCHLÜSSELINFORMATIONEN FEHLEN JEDOCH | 27

Einsparungen können beispielsweise durch einen                             •	Während bestimmten Antriebstechnologien
höheren Wirkungsgrad des Antriebs oder durch die                              in neueren Studien viel Aufmerksamkeit ge­
Umstellung von fossilen auf CO₂-neutrale Energie­                             widmet wurde, werden andere Technologien
träger erzielt werden. Hierzu zählen beispielsweise                           nur selten berücksichtigt. Antriebstechnolo­
die Nutzung von regenerativem Ladestrom oder                                  gien wie BEVs oder ICEVs werden dabei um­
auch E-Kraftstoffe, d. h. flüssige Brennstoffe7 und                           fassend analysiert, andere Lösungen wie
Gase wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energie­                                Plug-In-Hybrid-Elektrofahrzeuge oder mit
quellen. Dementsprechend stehen zahlreiche                                    Flüssiggas bzw. komprimiertem Erdgas be­
unterschiedliche Antriebsarten zur Verfügung:                                 triebene Fahrzeuge bleiben hingegen vieler­
z. B. batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEVs);                             orts unberücksichtigt (siehe Abbildung 13).
hocheffiziente Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor                             •	Im Allgemeinen gibt es keine Studie, die alle
(ICEVs), die mit fossilen Kraftstoffen, Biokraftstof­                         Kraftstoffoptionen einer bestimmten An­
fen oder E-Kraftstoffen angetrieben werden, teil­                             triebstechnologie umfassend abdeckt (z. B.
weise auch in Kombination mit Hybridfahrzeugen;                               kann ein ICEV mit fossilem Diesel, Biodiesel
oder Brennstoffzellenelektrofahrzeuge (FCEVs).                                oder erneuerbarem Diesel angetrieben
                                                                              ­werden). So gibt es nur sehr wenige Studien,
Die vollständige Abdeckung aller relevanten Tech­                              in denen die Nutzung von (Plug-In-)Hybriden
nologien gestaltet sich somit zunehmend schwieri­                              im Zusammenhang mit E-Kraftstoffen unter­
ger. Dies erklärt auch den sehr unterschiedlichen                              sucht wird.
Detailgrad in den verschiedenen Studien:

Abbildung 13: Einige Antriebe (ungeachtet möglicher Technologieoptionen) werden nur in wenigen Studien angesprochen.
Anmerkung: Die Grafik zeigt die Anzahl der Studien, in denen die jeweilige Antriebstechnologie analysiert wird. HEV = Hybrid-­
Elektrofahrzeug, PHEV = Plug-In-Hybrid-Elektrofahrzeug, CNG = Erdgasfahrzeug, LPG = Flüssiggasfahrzeug.

Daher ist neben der Vollständigkeit auch die Ver­                      Studienergebnisse miteinander vergleichen und
gleichbarkeit in Bezug auf spezifische analytische                     weitere Technologien abdecken zu können.
Details eine Herausforderung. Da die jeweiligen                        Im folgenden Kapitel spielen wir die wichtigsten
­Parameter auf vielen unterschiedlichen Annahmen                       Schritte durch, um die Daten vergleichbar zu
 basieren (z. B. hinsichtlich der technologischen                      ­machen und ihre Vollständigkeit zu überprüfen –
 ­Lebensdauer), sind verschiedene Umrechnungen                          ­sowohl im Allgemeinen als auch für die einzelnen
  und Anpassungen erforderlich, um die einzelnen                         Lebenszyklusphasen.

7   Die Tank-to-Wheel-Emissionen von E-Kraftstoffen wie E-Diesel und E-Benzin liegen auf dem Niveau der jeweiligen fossilen Äquivalente.
    Bei der Kraftstoffherstellung (Well-to-Wheel) wird jedoch genauso viel CO₂ aus der Atmosphäre abgefangen (negative Emissionen) wie
    später emittiert wird. Aus diesem Grund liegen die Nettoemissionen von E-Kraftstoffen bei Null.
28 | KEINE TECHNOLOGIE IST ÜBERLEGEN

             Aus Sicht des Klimaschutzes liegt keine
               der Technologien klar an der Spitze

   In den vorliegenden Studien zeigt sich hinsichtlich           analysen belegen, dass die CO₂-Emissionen
   der Gesamt- CO₂-Emissionen ein sehr heterogenes               bei vielen der verfügbaren Antriebstechno­
   Bild, bedingt durch die verschiedenen alternativen            logien ähnlich ausfallen.
   Antriebsmöglichkeiten im Verkehrssektor. Das               •	Allerdings variieren die Emissionen in den
   ­Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen,                unterschiedlichen Lebenszyklusphasen der
    ­weitere Details hierzu folgen in diesem Kapitel:            verfügbaren Technologien erheblich.
                                                              •	Folglich hängt die Auswahl der vorteilhaftes­
       •	Im Hinblick auf die CO₂-Emissionen setzt               ten Technologie von individuellen Annahmen
          sich keine der Technologien eindeutig ge­              und spezifischen Rahmenbedingungen ab.
          genüber den anderen durch. Lebenszyklus­

   »Die Technologien weisen ähnliche Emissionen auf. Keine Alternative ist ­eindeutig
   überlegen.«
   Die Lebenszyklusanalysen von batterieelektrischen          ­Emissionen für die jeweilige Lebenszyklusphase.
   Fahrzeugen sowie Fahrzeugen mit Verbrennungs­           •	Diese Balken folgen der Logik eines Wasserfall­
   motoren und Brennstoffzellen weisen in vielen               diagramms – gestapelt stellen sie die gesamten
   ­Fällen relativ geringfügige Unterschiede auf, die          CO₂-Emissionen des Fahrzeugs dar. Das bedeu­
    stark von zugrunde liegenden Annahmen abhängig             tet, dass das obere Ende des transparenten:
    sind. Allerdings ist keine der Technologien deutlich       –	blauen Balkens den Mittelwert der Studien für
    überlegen.                                                       die Gesamtemissionen des jeweiligen mit fos­
                                                                     silen Energien betriebenen Antriebs anzeigt.
   Abbildung 14 fasst die Studienergebnisse zu den ge­         –	grünen Balkens den Mittelwert der Studien
   samten CO₂-Emissionen von Verbrennungs­motoren                    für die Gesamtemissionen eines mit erneuer­
   (sowohl für fossile Kraftstoffe als auch für E-Kraft­             barer Energie betriebenen Antriebs veran­
   stoffe), BEVs (mit einem Strommix aus s­ owohl fossi­             schaulicht.
   len Ressourcen als auch Ökostrom) und FCEVs (mit        •	Die undurchsichtigen Balken zeigen an, wie die
   Wasserstoff aus sowohl fossilen als auch erneuer­           Ergebnisse in den Studien über die einzelnen
   baren Quellen) über die gesamte Fahrzeuglebens­             ­Lebenszyklusphasen verteilt sind. Die Werte
   dauer zusammen. Für diese Analyse verwenden wir              ­basieren auf den mittleren 50 % aller Studien­
   die Ergebnisse aller überprüften externen Studien             ergebnisse für die jeweilige Lebenszyklusphase.
   und stellen deren Umfang und Verteilung dar:                  Die Bandbreite dieser Ergebnisse ist bereits sehr
                                                                 groß, nicht zuletzt aufgrund der unterschiedli­
   •	Die transparenten Balken im Hintergrund der                chen Annahmen und Szenarien in den verschie­
      ­Abbildung veranschaulichen die mittleren                  denen Studien. Der Begriff „Variation“ beschreibt
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