Das Gedächtnis der Deutschen Bahn AG - Das unternehmenshistorische Archiv in Berlin und das DB Museum in Nürnberg
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Aufsätze Das Gedächtnis der Deutschen Bahn AG – Das unternehmenshistorische Archiv in Berlin und das DB Museum in Nürnberg Susanne Kill Gegenüber der fast 175-jährigen Geschichte der bedeuteten einen bemerkenswerten Bruch mit der Eisenbahnen in Deutschland ist die Deutsche Bahn Vergangenheit der nationalstaatlich agierenden AG ein junges Unternehmen. Ihre Gründung 1994 Eisenbahnen, wie sie in unterschiedlichen Formen war das Ergebnis eines Reformprozesses, der seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in Deutsch- bereits vor dem Mauerfall von 1989 von der land existiert hatten. Mit der Ausgliederung aus Deutschen Bundesbahn und der Bundesregierung dem Bundeseisenbahnvermögen am 27. Dezember immer wieder gefordert wurde, viele Anläufe 1993 und dem Eintrag in das Handelsregister genommen hatte, aber erst mit der Wiedervereini- Berlins am 5. Januar 1994 war die Deutsche Bahn gung jene Dynamik erhielt, die das Eisenbahnwe- AG gegründet. Ihr Management hatte nun die sen in Deutschland neu ordnete. Die Zusammen- Geschäftsergebnisse vor einem 20 Mitglieder führung der im Einigungsvertrag als Sonderver- zählenden Aufsichtsrat zu verantworten. mögen der Bundesrepublik Deutschland geführten Die Gründung der Deutschen Bahn AG war ein Deutschen Bundesbahn und Deutschen Reichs- Neuanfang, gleichwohl war und ist die Geschichte bahn, die dramatischen Defizite der beiden Staats- ihrer Vorläuferorganisationen in vielerlei Hinsicht bahnen und die wachsende Zahl von Konkurren- präsent. Dies betrifft vor allem den Schienenver- ten auf dem europäischen Verkehrsmarkt verlang- kehr, der immer noch das Herzstück des Unterneh- ten nach neuen Rahmenbedingungen für unter- mens in Staatsbesitz ist, auch wenn die Logistiks- nehmerisches und marktwirtschaftliches Handeln. parte seit 2003 kontinuierlich gewachsen ist und Die Strukturen der Staatsbahnen alter Prägung viel zu den positiven Geschäftsergebnissen der waren den veränderten Herausforderungen nicht letzten Jahre beigetragen hat. So ist das Schie- mehr angemessen. Die verschiedenen Gesetzes- nennetz der Deutschen Bahn AG, auf dem heute maßnahmen sowie die Neuregulierungen des mehr als 340 Eisenbahnunternehmen ihre Züge Verkehrsmarktes im Zuge der Bahnreform und der fahren lassen, ein Kind des 19. Jahrhunderts. Auch europäischen Gesetzgebung in den 1990er-Jahren die überwiegende Zahl der Bahnhöfe, die noch im 15 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze Besitz der Deutschen Bahn AG sind, wurden im Die Anfänge der Unternehmensgeschichte 19. Jahrhundert geplant und gebaut. Viele von und der historischen Sammlungen bei der ihnen stehen unter Denkmalschutz und ihre Deutschen Bahn AG behutsame Renovierung und Modernisierung wie zum Beispiel in Frankfurt am Main oder Aachen ist Dennoch stellt die Geschichte der deutschen Eisen- sowohl finanziell als auch planerisch nur in Koope- bahnen mit all ihren positiven und auch negativen ration mit der öffentlichen Hand möglich. Ge- Seiten ein kulturelles Kapital dar, dessen Aufberei- schichte ist hier sichtbar und buchstäblich erfahr- tung und Pflege ein integraler Bestandteil des bar. Manch merkwürdige Streckenführung erklärt Selbstverständnisses des Unternehmens ist. Dies war nach der Bahnreform nicht selbstverständlich. Denn weshalb sollte sich das neu gegründete Unterneh- men, das nun nach kaufmännischen Regeln geführt werden sollte, mit der Geschichte ihrer Vorgänger- organisationen auseinandersetzen und diese pfle- gen? Es war und ist ein Glücksfall, dass alle Vorstän- de der Deutschen Bahn AG dies anders sahen. Gerade in der Umbruchsphase nach der Wiederver- einigung zeigte sich, dass durch die Unstrukturie- rungen im Bahngeschäft viel Wissen verloren zu gehen drohte, das für zukünftige unternehmerische Entscheidungen durchaus von Bedeutung sein konnte. Auch das große öffentliche Interesse an der Geschichte der Eisenbahnen war ein Potenzial, das vor allem für die Öffentlichkeits- und Pressearbeit relevant wurde. Schließlich war und ist auch das Eigeninteresse an einer verlässlichen Überlieferung der eigenen Unternehmensgeschichte für die Gegenwart und Zukunft nicht zu unterschätzen. Nachdem die Zusammenführung beider Staats- bahnen und die Neuorganisation der Geschäfts- felder der Bahn bereits vollzogen waren, wurde das unternehmenshistorische Archiv als Kompetenzzen- trum für die Geschichte der Bahn in Berlin ins Leben gerufen. Seitdem werden dort die historisch Werbeplakat der Bundesbahn 1966 relevanten Akten aus dem Vorstandsbereich auch (Abb.: DB Museum) über die gesetzlich vorgeschrieben Aufbewahrungs- fristen hinaus gesammelt und gepflegt. Zugleich sich aus der Vielstaaterei des 19. Jahrhunderts, wurde in enger Absprache mit dem Kommunikati- genauso wie der staatliche und städtische Repräsen- onsbereich ein Issue-Management für öffentlich- tationswille in Bahnhofsgebäuden seinen Ausdruck keitswirksame sowie unternehmenshistorisch rele- gefunden hat, oft zum Leidwesen von Betriebswir- vante Projekte etabliert. Ebenfalls nach der Bahnre- ten, Verkehrs- und Städteplanern. Die Entwicklung form entschloss sich der damalige Vorstand unter der Eisenbahn in Deutschland ist ein wichtiger Be- dem Vorsitz von Heinz Dürr, die große Eisenbahn- standteil der deutschen Wirtschafts- und Politikge- abteilung des ehemaligen Königlich Bayerischen schichte und ihre Überlieferung in Akten, Plänen, Verkehrsmuseums in Nürnberg 1996 vom Bundes- Publikationen und Objekten findet sich in den eisenbahnvermögen zu übernehmen. Hinzu kam Archiven, Bibliotheken und Museen, die über die eine Kooperation mit der Gesellschaft für Unter- gesamte Bundesrepublik verteilt sind. Ein Monopol nehmensgeschichte in Frankfurt am Main, die ein der Überlieferung gibt es nicht. Forschungs- und Buchprojekt zur Geschichte der 16 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze Potsdamer Bahnhof in Berlin 1925 (Foto: Historische Sammlung DB AG) Eisenbahnen in Deutschland vorantrieb. Ähnlich dass sie die Geschichte der Eisenbahnen in Bezie- wie in anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen hung zu den gesamtgesellschaftlichen Entwicklun- in den 1990er-Jahren wurden unabhängige Histori- gen setzte. Dazu zählte auch, dass die Rolle der ker damit beauftragt, eine Geschichte der Vorläufer- Reichsbahn im Nationalsozialismus umfassend organisationen der Deutschen Bahn AG zu ver- dargestellt wurde. Ein Unterfangen, dass die Deut- fassen, wobei ganz bewusst der Bogen von den An- sche Bundesbahn erst nach den Auseinandersetzun- fängen der Eisenbahn bis zur Gründungsgeschichte gen anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten zur 150- der Deutschen Bahn AG geschlagen wurde.1 Im Ge- jährigen Geschichte der Eisenbahn in Deutschland gensatz zu den Aktivitäten anderer Unternehmen 1985 mit einer kleinen Ausstellung im Nürnberger ging es dabei nicht darum, eigene Archive vordring- Verkehrsmuseum selbst thematisierte und das bei lich für die Beantwortung der Fragen nach den der Deutschen Reichsbahn der DDR im Kontext des Verstrickungen in die Verbrechen des Nationalsozia- staatstragenden Antifaschismus abgehandelt lismus zu öffnen. Die Akten der staatlichen Eisen- wurde.2 Gerade die Auseinandersetzung um die bahnen in Deutschland sowie ihre Publikationen Geschichte der Deutschen Reichsbahn im Na- waren der Forschung in den öffentlichen Archiven tionalsozialismus war ein wichtiger Impuls für das und Bibliotheken der Bundesrepublik schon lange entstandene Selbstverständnis der Deutschen Bahn zugänglich. Nach 1989 konnten auch die Akten der AG. Sie übernahm hier eine gesellschaftliche Ver- Deutschen Reichsbahn in der ehemaligen DDR an antwortung, die zuvor bezogen auf die Reichsbahn die staatlichen Archive überführt und damit der und Bundesbahn allein in staatlicher Hand lag. allgemeinen Forschung zugänglich gemacht werden. Dieses Grundverständnis, nämlich die Unterneh- Das große Verdienst der 1999 von Lothar Gall und mensgeschichte der heutigen Deutschen Bahn AG Manfred Pohl herausgegebenen Publikation war, hinsichtlich ihrer Herkunft und ihrer Bedeutung 17 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu ken, in denen Fachpublikationen zum Thema begreifen und darzustellen, prägt auch die Arbeit Eisenbahn gesammelt wurden. Bei der Bundesbahn des unternehmenshistorischen Archivs in Berlin wurde die Eisenbahnabteilung des ehemaligen und des DB Museums in Nürnberg. Hinzu kom- Königlich Bayerischen Verkehrsmuseums von der men die klassischen Aufgaben eines unternehmens- Bundesbahndirektion Nürnberg geführt. Hier historischen Archivs und eines Firmenmuseums, wurden Objekte, Fotos, Publikationen und Do- nämlich dem Konzern historisch überliefertes kumente vor allem zur Technikgeschichte der Eisenbahn gesammelt und ausge- stellt. In den Pressestellen der einzelnen Direktionen befanden sich Fotos, die vor allem von den jeweiligen Pressediensten in Auf- trag gegeben worden waren. Da die Akten der Bundesbahn und der Reichsbahn nach dem Bundesarchivgesetz und dem Provenienzprinzip abgegeben wurden, sind es vor allem Publika- tionen, Objekte, Fotos und Plakate, die heute im Unternehmen die Geschichte der Eisenbahnen in Deutschland dokumentieren. Da beide deutschen Bahnen ihre Potsdamer Bahnhof in Berlin 1925 (Foto: Historische Sammlung Fotos, Dokumente, Filme und DB AG) Werbemittel nie unter den Krite- rien der Unternehmensgeschichte Wissen zu sichern, für die Zukunft zu bewahren systematisch sammelten und es auch kein transpa- und vor allem der Öffentlichkeit zugänglich zu rentes EDV-System gab, existierte auch keine machen. Bewertungsgrundlage für die Aussagefähigkeit der übernommenen Sammlungen. Deren Inhalt war Aufbau und Erschließung der Sammlungen nur in Zettelkästen oder im Gedächtnis der Mit- arbeiter vorhanden. Insofern galt es unter dem Sowohl bei der Deutschen Bundesbahn als auch der Primat der Wirtschaftlichkeit, dem sich heute kein Deutschen Reichsbahn der DDR gab es keine unternehmenshistorisches Archiv und Museum spezifisch unternehmenshistorischen Archive. entziehen kann, die übernommenen Sammlungen Schließlich handelte es sich um eine Behörde bzw. zu bewerten, für die jeweilige Aufgabenstellung der einen sozialistisch geführten Staatsbetrieb. Gleich- Konzerngeschichte und des Museums zu ordnen wohl herrschte bei beiden Staatsbetrieben im ge- und den Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG teilten Deutschland ein ausgeprägtes historisches zugänglich zu machen. Interesse und Traditionsbewusstsein. Bei der Reichsbahn gab es in jeder Reichsbahndirektion Das Informationssystem Bahn- und Archive, deren Aktensammlungen teilweise bis in Konzerngeschichte (IBK) das 19. Jahrhundert zurückreichten, sowie eine politisch angeleitete „Geschichte von unten“. Die Um die umfangreichen Bestände des unterneh- Mitarbeiter der Werke und Direktionen stellten menshistorischen Archivs und des DB Museums ihre Geschichte in so genannten „Traditionskabi- nutzen zu können, führte die Deutsche Bahn AG netten“ aus. Zudem gab es bei der Bundesbahn und 1999 ein historisches Wissensmanagementsystem der Reichsbahn einen eigenen wissenschaftlichen ein: das „Informationssystem Bahn- und Konzern- Dokumentationsdienst und Direktionsbibliothe- geschichte“ (IBK). Dieses erlaubt den schnellen, 18 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze zuverlässigen und flexiblen Zugriff auf das „Corpo- und Qualität der Daten und der Handhabung des rate Memory“ des DB-Konzerns: Fotos, Grafiken, Systems. Darüber hinaus sind diese Daten ein Plakate, Filme, Bücher, Modelle, Fahrzeuge und wichtiges Korrektiv bei der Weiterentwicklung der Akten. Rund 110 000 Datensätze verwalten das unternehmenshistori- sche Archiv und das DB Museum mit dem IBK, darunter rund 40 000 Bücher, 25 000 Fotos, 21 000 Grafi- ken und 4 000 Akten. Seit 2002 haben alle Mitarbeiter über das Intranet der Deutschen Bahn AG Zugang zum IBK. Sie informieren sich über so unter- schiedliche Themen wie Dienstvor- schriften, Konstruktionszeichnun- gen, die Baugeschichte von Bahnhö- fen, Brücken und Strecken sowie Ereignisse und Publikationen der jüngsten Unternehmensgeschichte. Für die Mitarbeiter liegt der Nutzen des IBK, das ein wichtiges Instru- ment der internen Kommunikation ist, vor allem im schnellen Nachweis der vorhandenen Bestände und des darin vorhandenen Wissens. Auch als ein Instrument der externen Öffentlichkeitsarbeit hat sich das IBK bewährt. Es dient der zeitnahen Beantwortung der Anfragen von Journalisten, Publizisten und For- schern, für die die Geschichte der Bahn aus professionellen Gesichts- punkten ebenso interessant ist wie für die vielen Eisenbahnfreunde aus dem In- und Ausland. Werbeplakat der Bundesbahn 1986 (Abb.: DB Museum) In den zehn Jahren seit Einfüh- rung des IBK, das technisch auf der modularen Sammlungsstrategie und helfen entscheidend da- Programmplattform STAR aufbaut, haben sich die bei, das IBK als wichtiges Instrument der Konzern- Anforderungen an die Funktionalität und Benutzer- Kommunikation aussagefähig zu halten. freundlichkeit eines Wissensmanagementsystems Die Breite und Tiefe der Informationen, die mit grundlegend geändert. Deshalb wurde das IBK 2008 dem IBK recherchiert werden können, ver- einem umfangreichen Relaunch unterzogen. Der deutlichen einige weitere Beispiele aus anderen Fokus lag hierbei vor allem auf der Implementie- Themenbereichen. Unter dem Stichwort „Hochge- rung neuer Dateiformate, der Verknüpfung mit dem schwindigkeit“ findet man Fotos eines ICE, eine Auftritt der Konzerngeschichte im Internet und umfangreiche Bibliographie, Presseinformationen einer intuitiveren Benutzerführung. und Museumsobjekte wie das Modell des „Fliegen- Grundlage hierfür waren die kontinuierliche den Hamburger“, eines Rollprüfstands oder einen Auswertung der eingehenden internen und exter- Bauhelm wie er bei Besichtigung der ICE-Neubau- nen Anfragen sowie Anmerkungen zu Quantität strecken in den Jahren 1970–1990 getragen wurde. 19 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze Die Suche nach der Geschichte der Automaten fühl der jeweiligen Epoche der alten Bundesrepu- bei der Eisenbahn liefert unter anderem eine Denk- blik wieder. Zugleich gab es Werbekampagnen, die schrift der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, eine bis heute geläufig sind. Die berühmte Imagekampa- Abhandlung über die „Rechtslage der gewerblichen gne „Alle reden vom Wetter“ aus dem Jahr 1966 ist Zwecken dienenden Automaten auf dem Reichs- bis heute wirkungsmächtig, und sei es in ihrer iro- bahngebiet“ von 1931 sowie die Pressemitteilung nischen Wendung des Plakates des Sozialistischen über die Verleihung des Innovationspreises für Deutschen Studentenbundes von 1968, das immer Fahrkartenautomaten an die DB 2003. Und unter wieder neu interpretiert wird. Und selbstverständ- der Jahreszahl 1990 finden sich zahlreiche Zu- lich gibt es Parallelen zu heutigen Marketingmaß- standsaufnahmen von Berliner Bahnhöfen aus den nahmen, möglichst viele Kunden von den Vorteilen ersten Monaten nach dem Mauerfall. des Bahnfahrens zu überzeugen. So hat die Wer- bung für die „rosaroten Wochen“, mit der die Bun- desbahn vor mehr als 20 Jahren Neukunden zu ge- winnen versuchte, – unter anderen Voraussetzun- gen – Parallelen in der Angebotspolitik der Deut- schen Bahn AG der letzten Jahre. Nicht weniger bedeutend ist die Fotosammlung, deren Erschließung und Bewertung noch lange nicht abgeschlossen ist. Der größte Teil der rund eine Million Originalfotos, Glas- und Farbdias sowie Negative stammt aus den ehemaligen Pressestellen der Bundes- und Reichsbahn vor und nach 1945 sowie aus den Sammlungen der Bauab- teilungen und Werke. Darunter befinden sich zum Beispiel Fotos der Reichsbahndirektion Berlin aus den späten 1920er-Jahren, die zu Schulungszwe- cken eingesetzt wurden. Die Aufnahmen vom hilfsbereiten Bahnbeamten am Potsdamer Bahn- hof in Berlin dienten der Imagebildung der damaligen Reichsbahn-Gesellschaft. Heute ver- mitteln die Fotos einen Eindruck von der gepfleg- ten Eisenbahnreise zu einer Zeit, als Berlin noch fünf Kopfbahnhöfe hatte. Aus dieser Zeit stammt auch eine Fotoserie zum Thema Arbeitsschutz. Diese wenigen Beispiele zeigen das Potenzial der Abfahrtstafel in einem Bahnhof in den 1950er Jahren Foto-Sammlungen als historische Quelle mit den (Foto: Historische Sammlung DB AG) ihr eigenen Aussage- und Erkenntnismöglichkei- ten.4 Bereits die bis heute erschlossenen und Bahngeschichte in Bildern teilweise digitalisierten 25 000 Fotos veranschauli- chen die Geschichte der Eisenbahn in Deutsch- Gerade für die Öffentlichkeitsarbeit hat die Foto- land in Bildern und erzählen wichtige Ereignisse und Plakatsammlung der Deutschen Bahn AG aus der Unternehmensgeschichte. Unabhängig einen besonderen Stellenwert.3 Zum einen ist der davon, ob es sich zum Beispiel um die Elektrifizie- Bedarf an Bildinformationen in den letzten Jahren rung des Streckennetzes, die Einführung neuer kontinuierlich gewachsen. Zum anderen haben die Fahrzeuge, Innovationen im Güter- und Reisever- Sammlungen einen besonderen kulturhistorischen kehr oder den Arbeitsalltag von Eisenbahnern Wert. Wie kaum ein anderes Medium gibt zum Bei- handelt – die Fotos dokumentieren die Verände- spiel die Sammlung der Bundesbahnplakate in rungen im Verkehrssystem Eisenbahn und der Nürnberg Eisenbahngeschichte und das Lebensge- Unternehmenskultur. 20 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
Aufsätze Geschichte und Öffentlichkeitsarbeit Anschrift: Dr. Susanne Kill, Konzerngeschichte/ Historische Sammlung (KDP), DB Mobility Zweifellos ist die Unternehmensgeschichte der Logistics AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin, Deutschen Bahn AG nicht ohne die Geschichte E-Mail: Susanne.Kill@deutschebahn.com ihrer Vorläuferorganisationen zu verstehen. Neben der Pflege und dem Aufbau der Sammlungen in Anmerkungen Berlin bietet vor allem das DB Museum in Nürn- 1 Lothar Gall u. Manfred Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart, berg hervorragende Möglichkeiten, einer breiten München 1999. Öffentlichkeit Geschichte zum Anfassen, Staunen 2 Elfriede Rehbein u.a., Deutsche Eisenbahnen: 1835- und Nachdenken zu präsentieren. Die dortige 1985, Berlin-Ost 1985. Dauerausstellung zeigt die Eisenbahn von ihren 3 Vgl. Go easy, go Bahn. 200 Jahre Werbung bei der Eisenbahn, DB Museum, Nürnberg 2008. Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum Mauerfall.5 4 Zur Diskussion über Fotos als historische Quelle vgl. Sonderausstellungen greifen immer wieder neue Gerhard Paul (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch, Einzelaspekte auf, die nicht nur die Vergangenheit, Göttingen 2006. 5 Ausstellungskataloge: Geschichte der Eisenbahn in sondern auch die gegenwärtigen Geschäftsfelder Deutschland: Bd.1: Ein Jahrhundert unter Dampf der Deutschen Bahn vorstellen. In Zusammenarbeit (1835-1919); Bd. 2: Im Dienst von Demokratie und mit der Stiftung Lesen entstanden Unterrichtsma- Diktatur. Die Reichsbahn 1920-1945; Bd. 3: Auf ge- terialien zur Geschichte und Gegenwart der Eisen- trennten Gleisen. Reichsbahn und Bundesbahn (1945-1989). Hrsg. vom DB Museum, Deutsche bahn.6 Auch das Internet ist inzwischen längst zu Bahn AG, 2001-2005. einer Plattform der unternehmenshistorischen 6 Netzwerk: Unternehmen Eisenbahn. Ideen für den Kommunikation geworden. Die Seiten unter Unterricht: Geschichte, Literatur, Kunst und Musik. Hrsg. von der Stiftung Lesen. 2. Aufl. 2003. www.deutschebahn.com/geschichte informieren über die Geschichte des Unternehmens, die Ser- viceangebote der Dokumentationsstellen und die aktuellen historischen Themen und Projekte. Eines der wichtigsten und öffentlichkeitswirksamsten Projekte der letzten zwei Jahre ist die Wan- derausstellung zur Rolle der Deutschen Reichsbahn bei den Deportationen der Juden, Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Sie war im letzten Jahr in Bahnhöfen zu sehen und wird seit 2009 Kommu- nen, Museen und Initiativen kostenfrei zur Verfü- gung gestellt. Grundlage dieser Ausstellung waren die umfassende Darstellung zur Reichsbahnge- schichte im Nationalsozialismus im DB Museum und die Vorarbeiten für die Gestaltung des Mahn- mals Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald. Gerade bei der Auseinandersetzung mit der Ge- schichte der Staatsbahnen ist die Zusammenarbeit mit anderen Archiven und der Geschichtswissen- schaft von großer Bedeutung. Die enge Verwoben- heit der Bahngeschichte mit der Politikgeschichte und die föderale Überlieferungsstruktur der Akten macht diese Kooperation unerlässlich und ist die Voraussetzung für die Unternehmensgeschichte der Deutschen Bahn AG. 21 Archiv und Wirtschaft · 42. Jahrgang · 2009 · Heft 1
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