Das Sicherheitspaket 2018 - JKU ePUB
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Eingereicht von Daniela Binder Angefertigt am Das Sicherheitspaket Institut für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre 2018 Beurteiler / Beurteilerin Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer Mitbetreuung Univ.-Ass. Dr. Florian Kronschläger September 2019 Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften
Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, am 23.09.2019 Daniela Binder 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 2 von 77
Abkürzungsverzeichnis AB Ausschussbericht Abs Absatz Art Artikel ASFINAG Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft bay bayerisch BGBl Bundesgesetzblatt BlgNR Beilage, -n zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates BMI Bundesministerium für Inneres BR Bundesrat BStMG Bundesstraßenmautgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht B-VG Bundesverfassungsgesetz BvR Verfassungsbeschwerde d deutsch DSG 2000 Datenschutzgesetz DSGVO Datenschutzgrundverordnung EG Europäische Gemeinschaft EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention ErläutRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage etc et cetera EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof ff und der, die folgenden FPÖ Freiheitliche Partei Österreich gem gemäß 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 3 von 77
GG Grundgesetz GP Gesetzgebungsperiode GPS Globales Positionssystem GRC Grundrechtecharta GVBI Gesetz- und Verordnungsblatt idF in der Fassung IS Islamistischer Staat iVm in Verbindung mit IVO Identifikationsverordnung JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung KFZ Kraftfahrzeug lit litera LKW Lastkraftwagen ME Ministerialentwurf Nr Nummer ÖJZ Österreichische Juristen Zeitung ÖVP Österreichische Volkspartei PAG Polizeiaufgabengesetz PKW Personenkraftwagen RL Richtlinie RV Regierungsvorlage Rz Randzahl S Satz SPG Sicherheitspolizeigesetz SPÖ Sozialpartei Österreich StAG Staatsanwaltschaftsgesetz StF Stammfassung StGB Strafgesetzgbuch 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 4 von 77
StPO Strafprozessordnung StVO Straßenverkehrsordnung SUV Sport Utility Vehicle TKG Telekommunikationsgesetz ua und andere, -s / unter anderem VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigen Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vgl vergleiche Z Ziffer zB zum Beispiel 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 5 von 77
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ 3 I. Einführung ................................................................................... 8 A. Anlassgesetzgebung ............................................................................................ 8 B. Politischer Diskurs ...............................................................................................13 C. Maßnahmen ........................................................................................................16 1. Vergleich alte – neue Rechtslage .....................................................................17 D. Grundsätze des Sicherheitspolizeirechts .............................................................25 II. Hauptteil ................................................................................... 30 A. Vereinbarkeit mit Grundrechten ...........................................................................30 1. Ausbau der Kennzeichenüberwachung ............................................................30 a. Recht auf Achtung des Privatlebens .............................................................30 aa. Schutzbereich .........................................................................................30 aa. Eingriff .....................................................................................................32 aa. Rechtfertigung .........................................................................................35 b. Recht auf Datenschutz..................................................................................43 bb. Schutzbereich .........................................................................................43 bb. Eingriff .....................................................................................................45 bb. Rechtfertigung .........................................................................................46 2. Registrierung von Prepaid-SIM-Karten .............................................................48 a. Recht auf Achtung des Privatlebens .............................................................48 aa. Schutzbereich .........................................................................................48 aa. Eingriff .....................................................................................................49 aa. Rechtfertigung .........................................................................................49 3. Herausgabepflicht für vorhandenes Videomaterial ...........................................52 a. Recht auf Achtung des Privatlebens .............................................................52 aa. Schutzbereich .........................................................................................52 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 6 von 77
aa. Eingriff .....................................................................................................53 aa. Rechtfertigung .........................................................................................54 4. Anlassdatenspeicherung ..................................................................................58 a. Recht auf Datenschutz..................................................................................58 aa. Schutzbereich .........................................................................................59 aa. Eingriff .....................................................................................................61 aa. Rechtfertigung .........................................................................................61 III. Schluss .................................................................................... 70 A. Resümee .............................................................................................................70 IV. Literaturverzeichnis................................................................ 77 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 7 von 77
I. Einführung A. Anlassgesetzgebung Im Jahr 2018 beschäftigte sich die amtierende Bundesregierung mit einem sehr umfassenden Sicherheitspaket. Das Paket umfasst einen strafrechtlichen- und strafprozessrechtlichen Teil sowie einen verwaltungsrechtlichen Teil. Gegenstand dieser Diplomarbeit ist vorwiegend die Behandlung des verwaltungsrechtlichen Teils aus verfassungsrechtlicher Sicht. Der strafrechtliche Teil des Pakets wurde umgesetzt durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 20181. Mit diesem Gesetz kam es zu Novellierungen in der Strafprozessordnung2, im Staatsanwaltschaftsgesetz3 und im Telekommunikationsgesetz4. Das Bundesgesetz5, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden, brachten Novellen im Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes6, der Straßenverkehrsordnung 19607 und des Telekommunikationsgesetzes 20038 und setzt damit die verwaltungsrechtlichen Aspekte des Sicherheitspakets um. Wie bereits erwähnt ist Gegenstand dieser Diplomarbeit der verwaltungsrechtliche Aspekt des Sicherheitspakets. Aus Gründen der Vollständigkeit soll an dieser Stelle auch der strafrechtliche Teil des Sicherheitspakets kurz umrissen werden. Schwerpunkte der Regierungsvorlage9 waren in erster Linie Änderungen im Strafprozess, eine verbesserte Strafverfolgung und der Ausgleich von Gesetzesdefiziten. Mitunter ein Mittelpunkt war die Schaffung der Überwachung von verschlüsselten Nachrichten. Dieses Thema spielt eine wichtige Rolle, weil verschlüsselte Kommunikation die bisher übliche Kommunikation, die sich durch Telefonanrufe oder das Schreiben von Kurznachrichten ausgezeichnet hat, zu einem großen Teil verdrängt hat. Dies brachte teilweise Schwierigkeiten im Bereich der Strafverfolgung. Deswegen brauchte es eine gesetzliche 1 Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2018), BGBl l 27/2018. 2 Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975 (WV) idF BGBl l 70/2018. 3 Bundesgesetz vom 5. März 1986 über die staatsanwaltschaftlichen Behörden (Staatsanwaltschaftsgesetz-StAG), BGBl 164/1986 idF BGBl l 32/2018. 4 Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003 – TKG 2003), BGBl 70/2003 idF BGBl l 111/2018. 5 Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert werden, BGBl l 29/2018. 6 Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl 566/1991 idF BGBl l 56/2018. 7 Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960-StVO 1960), BGBl 159/1960 idF BGBL l 18/2019. 8 Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003-TKG 2003), BGBl 70/2003 idF BGBl l 111/2018. 9 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVl GP, 1 ff. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 8 von 77
Grundlage, um sich dem technologischen Fortschritt anzupassen. Damit hat man eine Möglichkeit geschaffen, um auf zwischenmenschliche Kommunikationsvorgänge via WhatsApp, Instagram, Telegram, und weitere Messenger-Dienste zuzugreifen.10 In der Praxis soll das so durchgeführt werden, dass in Räume eingedrungen wird, Behältnisse durchsucht werden dürfen und spezifische Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden können, um so ein bestimmtes Programm installieren zu können, welches die Kommunikation in Messenger-Diensten dann überwachen soll. In diesem Zusammenhang könnte auch eine Installation aus der Ferne, nämlich ein sogenanntes „remote“, erfolgen.11 Für diese Ermittlungsmaßnahme wurde eine Legisvakanz bis 1. April 2020 vorgeschlagen, da es bis dato am technischen Fortschritt, so wie an der nötigen Software und an den notwendigen Programmen, zur Umsetzung dieser Maßnahme mangelt.12 Die Einführung dieser Maßnahme führte bei vielen Kritikern zur Besorgnis einer Massenüberwachung. Die Regierung stellt allerdings klar, dass diese Ermittlungsmaßnahme nur dann zur Anwendung gelangen darf, wenn ein konkretes Strafverfahren aufgrund eines konkreten Verdachts geführt wird. Es darf kein Mittel zur Massenüberwachung sein.13 Ein anderer, aber ebenso wichtiger Aspekt der strafprozessrechtlichen Reform war das Vorgehen gegen den Terrorismus. Man erweiterte deswegen die Möglichkeiten für den Einsatz optischer und akustischer Überwachung von Personen, die einer terroristischen Straftat beschuldigt werden. In Zukunft sollen daher auch jene Personen akustisch und optisch überwacht werden können, die in Verbindung mit Terrorismusfinanzierung oder der Ausbildung für terroristische Zwecke stehen.14 Fortführend soll auf die Beweggründe für die Ausarbeitung des Sicherheitspakets eingegangen werden. Die Gesetzesmaterialien lassen ein paar wenige, aber doch aussagekräftige Gründe für die erarbeiteten Novellen erkennen. Das Sicherheitspaket sollte dazu beitragen, dass die Sicherheit im Allgemeinen gestärkt wird, nicht nur in objektiver-, sondern auch in subjektiver Hinsicht. Ein weiteres wichtiges Anliegen war den Ausbau der technischen Ermittlungsmöglichkeiten zu forcieren. Es ging aber auch darum, den Bürgern ein sicheres Gefühl durch die Aktion „gemeinsam sicher“ zu vermitteln. Die Intention dahinter ist, das Volk an der Suche nach Lösungen für sicherheitsrelevante, regionale, Belange zu beteiligen. Bezieht man die Menschen in die sie betreffenden Situationen ein, soll dies das subjektive Sicherheitsgefühl stärken und die Gemeinschaft soll von gemeinsam durchdachten Lösungsansätzen profitieren 10 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVl GP, 2. 11 Vgl Lehofer, Regierungsvorlagen zum Sicherheitspaket, ÖJZ 2018, 193. 12 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVl GP, 3. 13 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVl GP, 2. 14 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVl GP, 17. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 9 von 77
können. Ein anderer Punkt für die Schaffung des Sicherheitspakets war der, dass die Regierung eine Adaption in Bezug auf die Kostenersatzpflicht für sicherheitspolizeiliche Einsätze wollte. Letztlich spielte während der Ausarbeitung des Sicherheitspakets auch die Umsetzung des Regierungsprogrammes eine tragende Rolle. Dabei stand im Fokus die Schaffung der notwendigen Voraussetzung für die Umsetzung der Videoüberwachung und der Kennzeichenerfassung sowie die Registrierung von Prepaid-Wertkarten und die Anlassspeicherung von Telekommunikationsdaten.15 Anschließend ein paar eigene Gedanken und Ansätze der Autorin zum Thema Anlassgesetzgebung. Barcelona, London, Nizza, Paris oder Berlin, um nur ein paar wenige Orte zu nennen, die Schauplatz für Terroranschlägen des IS geworden sind. Erlebt und vor allem überlebt man einen solchen Anschlag auf das eigene Leben, kann man vielleicht leichter verstehen und nachvollziehen, weshalb es zur Verschärfung der gesetzlichen Lage in Österreich gekommen ist. Diverse Gespräche mit Menschen, unabhängig von Alter, Bildung, Geschlecht oder anderen sozialen Merkmalen brachten die Erkenntnis, dass es immer wieder die gleichen Themen sind, die die Menschen beschäftigen und ängstlich stimmen. Es sind dies Ängste über die derzeitigen Entwicklungen und Zustände in Bezug auf die Sicherheitslage. Gewaltdelikte, religiöse Auseinandersetzungen, Raubüberfälle, Misshandlungen, nächtliche Überfälle auf Frauen, die zunehmende Bereitschaft für das Mitführen von Waffen und Messern, steigender Drogenhandel und Drogenkonsum, mafiöse Strukturen im Bereich des Glückspiels und der Zwangsprostitution, Wohnungseinbrüche, Ehrenmorde. Diese Aufzählung würde sich beliebig lange fortführen lassen. Diese Gegebenheiten sind Fakten und spielen sich täglich in unserem Land ab. Die Brutalität, die Respektlosigkeit, der Neid und die stark ausgeprägte Gewaltbereitschaft sind Phänomene, auf die reagiert und eingegangen werden muss. Klar ist, dass auch Gesetze an ihre Grenzen stoßen und sich durchaus nicht alles mit Gesetzen verbessern lässt. Aber klar muss sein, dass es eine gewisse gesetzliche Grundlage benötigt, auf der man aufbauen kann. Teilweise fehlen solche Grundlagen und das war nach Meinung der Autorin mitunter ein Grund, warum dieses Sicherheitspaket entstanden ist. Die Beunruhigungen über die Sicherheitslage in Österreich ist damit nicht nur ein Thema, mit dem sich die Politik kritisch beschäftigt, sondern es sind auch die Bürger dieses Landes, die auf Veränderung hoffen. Im Zuge des Entstehens des Sicherheitspakets wurde untersucht, welche Maßnahmen gesetzlich tatsächlich zur Verfügung stehen, um Bedrohungen, wie etwa durch 15 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVl GP, 1. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 10 von 77
Terrorangriffe oder durch Angriffe der organisierten Kriminalität bestmöglich und vor allem rechtzeitig abwehren zu können. Die Politik beschäftigte sich damit bereits im Voraus der Novellierungen intensiv mit dem Thema Sicherheit und auch damit, welche gesetzlichen Möglichkeiten die Rechtsordnung diesbezüglich hergibt und was verbesserungsfähig wäre. Diese Annahmen ergeben sich deutlich aus den Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber erwähnt im Vorblatt, dass der Bedarf, den Schutz des Landes zu stärken und auszubauen eindeutig vorhanden ist. Deutlicher macht die Situation noch, dass dies unter der Überschrift „Problemanalyse“ nachzulesen ist. Wäre es nicht zu den Novellierungen im SPG, der StVO 1960 und dem TKG 2003 gekommen, so hätte es der Gesetzgeber verabsäumt „wesentliche Maßnahmen“ zu setzen, um das Staatsgebiet sicherer zu machen.16 Eine derartige Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Lage vor und nach der Schaffung des Sicherheitspakets lässt erkennen, dass die Frage der Notwendigkeit der Novellierungen durchgearbeitet wurde und daraufhin eine saubere Abwägung zu Gunsten der nationalen Sicherheit getroffen wurde. Nun ist bekannt, dass der Beschluss dieses Pakets zu heftigen Widerständen und Diskussionen innerhalb des Nationalrates führte. Die Opposition deklarierte das Paket als Überwachungspaket der eigenen Bevölkerung.17 Dazu möchte die Autorin ein paar wenige Gedanken formulieren. Die Definition eines Rechtsstaates wird für jeden von uns ganz unterschiedlich sein. Die Anliegen, Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse werden mitunter diese Definition beeinflussen. Aber das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz ist mit Sicherheit in jedem von uns veranlagt. Um dieses Bedürfnis auch erfüllen zu können, muss es Mittel geben, gegen jene Personen und Gruppen vorzugehen, die diese Sicherheit gefährden. Das erfordert, dass der Staat Organe einrichtet die für Sicherheit und Schutz sorgen. Doch allein das Vorhandensein solcher Organe macht die Welt nicht sicherer vor Kriminellen und Terroristen. Es braucht Gesetze, die es erst möglich machen, dass diese Organe auch tatsächlich handeln und einschreiten können. Die Sicherheit in einem Rechtsstaat kann nur dann gewährleistet sein, wenn es Gesetze gibt, die den Sicherheitsorganen auch die tatsächliche Möglichkeit geben, für die Sicherheit tätig zu werden. Noch wichtiger ist es, die gesetzliche Lage an die jeweils vorherrschende Sicherheitslage in einem Land anzupassen. Deswegen sind Reformen 16 Vgl Vorblatt 15 BlgNR XXVI. GP, 3 ff. 17https://www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/SCHLTHEM/SCHLAG/J2018/033Nationalrat.shtml (Stand: 31.05.2019). 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 11 von 77
und Novellierungen ein ganz wichtiges Instrumentarium, um das Weiterbestehen unseres Rechtstaates zu unterstützen und zu sichern. Um in einem gesicherten Rechtstaat, wo Freiheit und Recht eine sehr wichtige Rolle spielen, leben zu können, muss vom Volk ein gewisser Beitrag geleistet werden. Dieser Beitrag liegt darin, dass man für den eigenen Schutz gewisse Eingriffe, die unsere Rechte beschränken könnten, hinnimmt und akzeptiert. Dafür erhält man aber auf der anderen Seite eine Gewährleistung von Sicherheit und Gerechtigkeit. Im Zuge der Recherchen ist die Autorin auf einen interessanten Artikel aus der österreichischen Juristenzeitung gestoßen, weshalb sie daraus ein paar sehr gute Gedanken erwähnt. Luxus kostet Geld. Ein Rechtstaat kostet demnach auch Geld. Geld in Form von Aufbringung von Einsatz, Engagement, Mut, Wertschätzung, Einsicht, und Verständnis von Seiten der Menschheit die in einem Staat leben. Ansonsten wäre der Luxus eines Rechtsstaates erst gar nicht möglich. Am Anwaltstag 2018 wurde darauf hingewiesen, dass die Justiz und ihre Organe beim Vorgehen sehr sensibel sein müssen und dass diese Sensibilität auch zugenommen hat. Nichts darf wichtiger sein, als die Wahrung des Rechtstaates. Weder eine Religion, der Extremismus oder Staatsräson. Die einzelnen, verbrieften Rechte eines jeden Menschen stehen an der Spitze der Verfassung.18 Das heißt aber auch, dass eine Rechtsbeschränkung eines Einzelnen nur dort vorgenommen werden darf, wo es wirklich notwendig und erforderlich ist. Das ist nicht nur von der Exekutive zu beachten, sondern hat bereits die Legislative bei der Schaffung neuer Rechtsnormen zu erfüllen. Abgesehen davon hat sich im Laufe der Zeit ein sehr gutes Rechtsschutzsystem etabliert um Missbräuche diesbezüglich zu verhindern. Deswegen sollte das Staatsvolk auch nicht in Panik versetzt werden, dass dieses Paket einen Überwachungsstaat schafft und damit den Rechtsstaat ablöst. Es soll durch dieses Paket ein besserer Datenaustausch gewährleistet werden, sodass die Daten von verdächtigen Personen einfacher zugänglich sind. Dies ist bei der immer öfter anzutreffenden Situation von gefälschten Pässen und Identitäten auch durchaus notwendig. Abgesehen davon ist die Lage in Österreich, was die Überwachung betrifft, bei weiten noch nicht so wie sie zB in China ist. Dort gibt es bereits die Möglichkeit Menschen mittels Gesichtscanns zu lesen. In kürzester Zeit weiß der Staat alles über die Menschen. Tatsächliche und erschreckende Überwachung schafft nicht der Staat durch seine Gesetze, sondern reiche Unternehmer wie Mark Zuckerberg indem Facebook und Co. angeboten werden, wo sich die Menschen dann freiwillig einer Überwachung ausliefern und alles Mögliche aus ihrem Leben bekannt geben und so einen freiwilligen, unmittelbaren Einblick in die Privatsphäre und das Privatleben 18 Vgl Hopf, ÖJZ aktuell, ÖJZ 2018, 889. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 12 von 77
gewähren. Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage wie wichtig ist den Menschen ihre Privatheit eigentlich noch und wie stark sich die Menschheit durch ihr eigenes Verhalten tagtäglich freiwillig und ungezwungen überwachen lässt. Wenn man bedenkt, dass Facebook nach seinem Datenskandal im Frühjahr 2018 noch mehr Nutzerprofile verzeichnet hat und der Gewinn des Unternehmens angeblich um mehr als die Hälfte gestiegen ist und kaum jemand sein Nutzerprofil gelöscht hat ist das fraglich.19 Was damit aufgezeigt werden soll ist, dass die Bedenken einer Überwachung durch Gesetze den Bedenken einer Überwachung durch private Unternehmer untergeordnet werden sollte, vor allem, weil die größte Überwachung, nämlich durch private Konzerne, von den Menschen auf eine doch freiwillige Art und Weise akzeptiert wird. Ein Rechtstaat setzt eine ordentliche Gesetzgebung voraus, allerdings auch eine Gesetzgebung die sorgsam mit der Rechtssphäre der Bürger umgeht. Es soll kein Polizeistaat, kein Richterstaat und schon gar kein Überwachungsstaat aus diesem Rechtsstaat gemacht werden.20 Maßnahmen wie das Sicherheitspaket werden zwar den Extremismus und die Gräueltaten von Terroristen nicht ganz verhindern können, aber zumindest wird mit einer starken Sicherheitsverwaltung und diesem Paket dagegengehalten und das Vorgehen der Kriminellen erschwert. B. Politischer Diskurs Aus dem Begleitschreiben zum Ministerialentwurf geht hervor, dass die Initiative zur Novellierung der oben erwähnten Gesetze vom Ressort des Bundesministerium für Inneres ausgegangen ist.21Die Recherchen auf der Webseite des österreichischen Parlaments zeigen auf, dass die Österreichische Volkspartei (kurz ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreich (kurz FPÖ) für das Gesetzesvorhaben gestimmt haben. Die Opposition, damals bestehend aus der Sozialpartei Österreich (kurz SPÖ), den Neos und der Liste Pilz, haben sich gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen. Die Sitzungen im Nationalrat, im Zuge des parlamentarischen Verfahren zum Thema Sicherheitspaket waren stets von heftigen Diskussionen und kontroversen Argumenten 19 Vgl Berka, Aktuelle Bedrohungen des Grundrechts auf Privatsphäre, ÖJZ 2018, 756. 20 Vgl Hopf, ÖJZ aktuell, ÖJZ 2018, 889. 21 Vgl Begleitschreiben 326/ME BlgNR XXV. GP, 1. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 13 von 77
begleitet. Um sich ein Bild davon machen zu können, wie die Diskussion der politischen Parteien zum Thema Sicherheitspaket im Nationalrat abgelaufen ist, werden nun einzelne Aussagen, die im Nationalrat gefallen sind aufgelistet und die von der Autorin so auf der parlamentarischen Webseite gefunden wurden.22 Während sich ÖVP und FPÖ einig waren, dass es sich bei den Maßnahmen, die sich aus den Novellierungen ergeben um notwendige gesetzliche Schritte handle, so ist die Meinung der Opposition, dass es sich beim Gesetzesvorhaben um erhebliche Grundrechtseingriffe handelt, die zudem einen Überwachungsstaat schaffen und damit zu weit in die Rechte und Freiheiten der Bürger eingegriffen. Der damalige Bundesminister für Inneres Herbert Kickl begrüßte die Erneuerungen durch das Sicherheitspaket und hob hervor, dass durch die Schaffung dieses Pakets der Polizei nun notwendige Befugnisse zukommen, um so dem Terrorismus und dem organisierten Verbrechen entgegenwirken zu können. Im Zuge der Debatte warf die Opposition dem Innenminister immer wieder vor, dass durch die Novellierung eine Art „Massenüberwachung“ geschaffen wird. Diesem Vorwurf entgegnete Herbert Kickl allerdings und stellte klar, dass nicht die Masse, sprich die österreichische Bevölkerung, Adressat dieser Maßnahmen sei, sondern jene Personen, die die Masse und vor allem deren Sicherheit und Freiheiten gefährden. Auch Kickl’s Parteikollegen der FPÖ sahen das neue Sicherheitspaket 2018 nicht als eine Massenüberwachung an. Es solle als eine gelungene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit der Bürger angesehen werden. Zumal es für die Ausübung der neu geschaffenen Maßnahmen gesetzlich genau vorgeschriebene Voraussetzungen gibt die stets einzuhalten sind. Der Oppositionspartner SPÖ zweifelte daran, ob sich mit solchen Maßnahmen tatsächlich die Sicherheitsprobleme lösen lassen werden. Die SPÖ merkte zudem an, dass es sich um reine Täuschungsmaßnahmen handle, die bloß zur Ablenkung von vorhandenen Defiziten geschaffen wurden. Stattdessen fordert die SPÖ mehr Polizeibeamte und eine bessere Ausrüstung für die Berufsausübung23. Mehr Personal im Polizeidienst war nicht nur die Forderung der SPÖ, sondern auch der Volksanwaltschaft. Diese kritisierte in ihrem Jahresbericht 2018 den Personalmangel und merkte an, dass der Soll-Zustand an vorhandenen Personal unterschritten wird. Im Bericht wird allerdings auch positiv hervorgehoben, dass das Bundesministerium für Inneres zusätzliche Nachbesetzungen, unter anderem aufgrund von Pensionierungen anstrebt. Geplant ist eine Aufnahme von 4000 Exekutivbedienstete. Weiteres wird im Bericht angemerkt, dass dabei wichtig ist, die Sicherheitsakademien für die polizeiliche 22 https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2018/PK0443/index.shtml (Stand:31.05.2019). 23 https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2018/PK0443/index.shtml (Stand:31.05.2019). 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 14 von 77
Ausbildung zu rüsten.24 Das BMI, damals noch unter der Leitung von Herbert Kickl setzte die Forderungen der Volksanwaltschaft um. Es wurden Bewerbungskampagnen für den Polizeidienst gestartet und man versuchte viele junge Menschen für die Polizeiarbeit zu gewinnen. Aus dem Info- Magazin der Landespolizeidirektion Oberösterreich geht hervor, dass hohe Personalaufnahmezahlen zu verzeichnen sind, die jetzt im Jahr 2019 spürbar werden. Allein im Bundesland Oberösterreich absolvierten im April 2018 490 Polizeischüler in der Sicherheitsakademie Linz ihre Ausbildung, wovon 300 Schüler bereits jetzt ihren Außendienst versehen. Im Jahr 2019 sind weitere 250 Aufnahmeplätze nur für Linz vorgesehen.25 Diese Zahlen zeigen, dass der Mangel an Personal im Polizeidienst erkannt wurde und die Defizite durch vermehrte Personalaufnahme bekämpft wird. Ein weiteres Argument der SPÖ war, dass sich Terroristen nicht von den neu geschaffenen Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung besonders beeindrucken lassen. Stattdessen werden bloß imaginäre Bedrohungen heraufbeschwört, die in Wahrheit gar nicht existieren und aus diesem Grund schon gar nicht solche Maßnahmen zulassen, die derartig in die Sphäre, vor allem in das Privatleben und die Intimsphäre unbeteiligter Dritte eingreift. Zuletzt wird von den Politikern der SPÖ angemerkt, dass sich die Regierung nicht um die Konsequenzen bewusst sei und dass es sich hier um die Bespitzelung der eigenen Bürger handle. Auch die Neos gaben eine Stellungnahme ab. Sie erwähnten, dass es sich um einen Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte handle. Die neu geschaffenen Maßnahmen seien unverhältnismäßig und wären nicht gerechtfertigt. Außerdem warnten sie vor der Schaffung eines Überwachungsstaates und zeigten auf, dass die neuen Befugnisse Missbrauchsmöglichkeiten bieten würden. Dass die Privatsphäre massiv darunter leidet wurde ebenso angemerkt. Die Liste Pilz zweifelt an der Effizienz der Maßnahmen und äußert sich auch zu den Kosten. Die Befugnisse gehen mit hohen Kosten einher, die das Budget nicht tragen kann. Auch hier wieder das Argument der ungerechtfertigten Überwachung und Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte. Zum Schluss sprechen die Anhänger der Liste Pilz davon, dass mit dem Sicherheitspaket nur scheinbare Sicherheit geschaffen wird.26 24 Vgl Jahresbericht der Volksanwaltschaft 2018, abrufbar unter https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/5snif/PK_Pressetext_Jahresbericht_VA_2018_gesa mt.pdf (Stand: 14.07.2019). 25 Vgl Pilsl, Polizei Oberösterreich, Info- Magazin der Landespolizeidirektion Oberösterreich 2018, 5. 26 https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2018/PK0443/index.shtml (Stand:05.07.2018). 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 15 von 77
Ob diese eben aufgezeigten Argumente, vor allem im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit, auch tatsächliche Berechtigung finden und in geschützte grund- und freiheitrechtliche Positionen der Gesellschaft eingreifen, soll anschließend im Hauptteil dieser wissenschaftlichen Arbeit näher untersucht werden. Interessant zu nennen, sind auch die Ziele, die die Regierung mit dem Beschluss des Sicherheitspakets 2018 verfolgte. Den Erläuterungen zufolge, soll mit der Novelle, mit der das SPG27, BStMG28, die StVO 196029 und das TKG 200330 geändert wurden, in erster Linie die technischen Ermittlungsmöglichkeiten für die Sicherheitsbehörden erweitert werden. Ein weiteres Ziel ist, die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine konkrete Umsetzung einer erweiterten Videoüberwachung und Kennzeichenerfassung. Zusätzlich wollte man ein gesetzliches Regelungswerk schaffen für die Registrierung von Prepaid-Wertkarten, um damit ein Ende für anonyme Wertkarten zu setzen. Ein weiteres Anliegen, war die Umsetzung eines „Quick-Freeze“, also einer anlassbezogenen Speicherung von Telekommunikationsdaten .31 C. Maßnahmen Das Sicherheitspaket umfasst, wie bereits erwähnt, zwei Regierungsvorlagen. Beide verfolgen inhaltlich unterschiedliche Ziele und Maßnahmen. Das Bundesgesetz mit dem das SPG, die StVO 1960 und das TKG 2003 geändert wurden, zielt auf den Ausbau der technischen Möglichkeiten im Bereich Ermittlung vom gerichtlich strafbaren Handlungen, auf bürgernahe Polizeiarbeit zur Besserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung und einer Pflicht zur Kostentragung von mutwillig verursachten sicherheitspolizeilichen Einsätzen.32 Zur Erreichung der oben genannten Ziele wurden folgende Maßnahmen im SPG, der StVO 1960 und dem TKG 2003 geschaffen: eine Herausgabepflicht für bereits vorhandenes Videomaterial, 27 Bundesgesetz über die Organisationen der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz-SPG), BGBl 1991/566. 28 Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002-BStMG), BGBl 2002/109. 29 Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960-StVO 1960) BGBl 1960/159. 30 Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003-TKG 2003), BGBl 2003/70. 31 Vgl ErläutRV 326 BlgNR XXV. GP, 1. 32 Vgl Vorblatt 15 BlgNR XXVI. GP, 1. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 16 von 77
die Möglichkeit zur Verlängerung der Aufbewahrungsdauer von Videoüberwachungen bestimmter Rechtsträger, die rechtmäßig den öffentlichen Raum überwachen, eine Registrierung der Identität jener Personen, die Prepaid–Wertkarten erwerben, und der Ausbau der Verkehrsüberwachung.33 Die Ziele der zweiten Regierungsvorlage, und damit des Bundesgesetzes mit dem es zu Änderungen in der StPO 1975, im StAG und TKG 2003 gekommen ist, sind die Umsetzung der Richtlinie Terrorismus34 und des Regierungsprogrammes der damaligen Bundesregierung 2017-2022 unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden, Änderungen im Strafverfahren zum Stärkung von Fairness und Effizienz in einem Verfahren und die nationale Umsetzung der RL Unschuldsvermutung35.36 Dafür wurden folgende Maßnahmen vorgesehen: neue Ermittlungsmaßnahme zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten, Beschuldigte müssen sich zur Beschlagnahme von Briefen nicht wie bisher in Haft befinden, eine Anlassdatenspeicherung auch „Quick-Freeze“ genannt, erweiterte Möglichkeiten für die optische und akustische Überwachung, Änderungen im fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO 1975 zum Ausbau des Rechtsschutzes und einer besseren Verfahrenseffizienz, sowie weitere Änderungen in der StPO, die sich durch die Umsetzung der RL Unschuldsvermutung ergeben.37 33 Vgl Vorblatt 15 BlgNR XXVI. GP, 5 ff. 34 Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl L 88/6 vom 31. März 2017. 35 Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren, ABl L 65/1 vom 11. März 2016. 36 Vgl Vorblatt 17 BlgNR XXVI. GP, 1. 37 Vgl Vorblatt 17 BlgNR XXVI. GP, 1. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 17 von 77
1. Vergleich alte – neue Rechtslage Es folgt eine kurze Gegenüberstellung der alten zur neuen Rechtslage des § 53 Abs 5 SPG, § 97 Abs 1a TKG 2003, § 99 Abs 2 Z 4 TKG 2003 und des § 54 Abs 4b SPG, um die wesentlichen Änderungen und Neuerungen, die sich durch den Beschluss des Sicherheitspakets ergeben zu veranschaulichen. Herausgabepflicht für bereits vorhandenes Videomaterial: Die Herausgabepflicht von Videomaterial an die Sicherheitsbehörden wird in § 53 Abs 5 S3 SPG normiert. Bisher regelte diese Norm in § 53 Abs 5 S1 SPG nur eine Verwendungserlaubnis für Sicherheitsbehörden, die ihnen von öffentlichen und privaten Rechtsträgern, die zulässigerweise den öffentlichen Raum überwachen, freiwillig übermittelten Daten zu verarbeiten. Jetzt hat der Gesetzgeber darüber hinaus eine Pflicht für bestimmte Rechtsträger verankert, die aufgezeichneten Bild- und Tondaten bei Verlangen der Behörden herauszugeben. Von dieser Pflicht zur Herausgabe von Videomaterial sind öffentliche Rechtsträger, die den öffentlichen Raum rechtmäßig überwachen und private Rechtsträger, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt umfasst.38 Mit der Bezeichnung „Öffentliche Rechtsträger“ sind solche Rechtsträger gemeint, die durch einen hoheitlichen Akt wie Gesetze oder Verordnungen eingerichtet sind. Private Rechtsträger, die in Vollzug von Gesetzen tätig sind, fallen auch unter die Bezeichnung der „öffentlichen Rechtsträger“. Private Rechtsträger hingegen sind grundsätzlich Einzelpersonen, Unternehmen, oder Vereine.39 Die Pflicht zur Herausgabe von Videomaterial soll vor allem Verkehrsbetriebe treffen.40 Vor Beschluss des Sicherheitspakets, sah § 53 Abs 5 S1 SPG zwar eine Möglichkeit für Sicherheitsbehörden vor, personenbezogene Bilddaten von öffentlichen und privaten Rechtsträgern im Einzelfall zu verwenden. Es gab jedoch keine Pflicht für diese Rechtsträger, das von ihnen aufgezeichnete Videomaterial bei Verlangen an die Sicherheitsbehörden zu übermitteln.41 Damit waren die Sicherheitsbehörden von der freiwilligen Kooperation der oben genannten Rechtsträger abhängig. Es lag sozusagen 38 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 1. 39 Vgl Thanner/Vogl, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar2 (2013) 519. 40 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 41 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 1. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 18 von 77
in der Hand dieser Rechtsträger, ob die Sicherheitsbehörden einen Zugriff auf Bilddaten hatten oder nicht. Vermutlich war das der Grund für die Schaffung einer Herausgabepflicht, um damit einen raschen Zugriff auf die Aufzeichnungen von Überwachungskameras im öffentlichen Raum abzusichern. Die Verwendung der freiwillig übergebenen Bilddaten war beschränkt auf die Gründe der Abwehr gefährlicher Angriffe, der Abwehr krimineller Verbindungen und der Fahndung. Diese Beschränkung wurde vom Gesetzgeber aufgehoben und die Verwendung der freiwillig übermittelten Bild- und Tondaten sind nun für sämtliche Zwecke des § 53 Abs 1 SPG möglich. Der Gesetzgeber erweiterte für den Bereich der freiwilligen Übergabe von Videoaufzeichnung nicht nur die Verwendungszwecke, sondern auch das, das bisher nur die Verwendung von Bildern möglich war und nun auch die Verwendung von Tonaufnahmen berechtigt ist. Die gewählte Wortwahl durch den Gesetzgeber in § 53 Abs 5 S1 SPG hat sich teilweise geändert. Aus einer „Ermächtigung“ zur Verwendung von personenbezogenen Bilddaten, wurde eine „Berechtigte Verwendung“.42 Das Wort „Ermächtigung“ hat zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendung von freiwillig übermittelten personenbezogenen Daten nur dann möglich war, wenn ein Anlassfall vorgelegen ist und zudem im Rahmen einer konkreten Aufgabe nach dem SPG ermittelt wurde.43 Die Sicherheitsbehörden waren nur im Einzelfall, und nicht generell berechtigt freiwillig übermittelte Daten zu verwenden. Nach den Erläuterungen des Gesetzgebers, hat sich durch die Neuverfassung des § 53 Abs 5 S1 SPG daran nichts geändert.44 Weshalb es zur Wortwahländerung in § 53 Abs 5 S1 SPG gekommen ist, ist fraglich. Die Erläuterungen des Gesetzgebers erwähnen diesbezüglich nichts. Eine weitere Wortwahländerung in § 53 Abs 5 S1 SPG fällt auf. Die alte Fassung sprach von „rechtmäßiger Ermittlung von Daten“, die neue gefasste Norm verwendet den Ausdruck „rechtmäßige Verarbeitung von Daten“.45 Auch diesbezüglich findet sich keine Anmerkung in den Erläuterungen. Nach Meinung der Autorin ist die Änderung der Terminologie vermutlich der Anpassung an das neue Datenschutzrecht und der dadurch neu gewählten Begriffe geschuldet. Es könnte aber auch ein Indiz dafür sein, das mit der veränderten Terminologie der Radius der zu verwendenden Daten weiter gespannt wurde. Dass führt die Autorin darauf zurück, dass das Wort „verarbeiten“ mehr Daten erfasst, als das Wort „ermitteln“.46 Grundsätzlich sind „verarbeitete“ Daten solche die ermittelt, erfasst, gespeichert, aufbewahrt, geordnet, verglichen, verändert, verknüpft, vervielfältigt, abgefragt, ausgegeben, benützt, überlassen, gesperrt, gelöscht oder sogar 42 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 1. 43 Vgl Thanner/Vogl, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar2 (2013) 517. 44 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 45 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 1 46 Vgl Thanner/Vogl, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar 2 (2013) 507. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 19 von 77
vernichtet werden.47 Vom Begriff der „Verarbeitung“ ausgenommen ist die Übermittlung von Daten, sprich die Weitergabe an Dritte oder das Veröffentlichen dieser Daten.48 Die Aufzählung zeigt, dass sich hinter dem Begriff des „Verarbeitens“ viele Arten von Daten verbergen. Nun noch ein paar Worte zur Herausgabepflicht an sich. Wen diese Pflicht trifft wurde bereits erwähnt. Wann die Pflicht zum Tragen kommt bedarf noch einer näheren Betrachtung. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die aufgezeichneten Bild,- und Tondaten für die Vorbeugung wahrscheinlicher oder für die Abwehr gefährlicher Angriffe sowie der Abwehr krimineller Verbindungen und für Fahndungszwecke von den Sicherheitsbehörden verarbeitet werden dürfen.49 Der Gesetzeswortlaut lässt die Erkenntnis zu, dass es sich hierbei um eine taxative Aufzählung von Gründen handelt. Diese Erkenntnis wird durch die Erläuterungen auch bestätigt.50 Die Verarbeitung von Daten durch die Sicherheitsbehörden im Rahmen der Herausgabepflicht setzt einen konkreten Anlassfall voraus. Damit soll klargestellt werden, dass die Herausgabepflicht nur der Erfüllung einer konkreten Aufgabe nach dem SPG dienen darf. Wird dem Verlangen zur Herausgabe von Videomaterial entweder gar nicht oder nicht unverzüglich, sprich ohne unnötigen Aufschub entsprochen, so begeht der betroffene Rechtsträger eine Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs 1 Z 7 SPG und wird mit einer Geldstrafe bis zu € 500 geahndet.51 Der Rechtsschutz für die Maßnahme ergibt sich aus § 91c Abs 1 SPG.52 Demnach sind die Sicherheitsbehörden verpflichtet, den Rechtsschutzbeauftragten von der Anwendung dieser Maßnahme in Kenntnis zu setzten und eine Begründung dafür abzugeben.53 Registrierung von Prepaid-SIM-Karten: Der Gesetzgeber hat in § 97 Abs 1a TKG 2003 eine neu eingeführte, verpflichtende Registrierung von Prepaid-SIM-Karten, kurz Wertkarten eingeführt. Bisher war eine persönliche Identifizierung ausschließlich im Rahmen von Vertragstarifen vorgeschrieben.54 Wird eine Wertkarte neu erworben, so hat man sich durch Angabe bestimmter Stammdaten beim Mobilfunkanbieter registrieren zu lassen. Für bereits bestehende Wertkartenverträge wird eine Übergangfrist bis zum ersten 1. September 47 Vgl Hauer/ Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar3 (2005) 586. 48 Vgl Pürstl/Zirnsack, Sicherheitspolizeigesetz (2005) 198. 49 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 1. 50 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 51 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 52 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 53 § 91c Abs 1 SPG. 54 https://www.bmvit.gv.at/telekommunikation/politik/wertkartenregistrierung.html (Stand:02.07.2019). 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 20 von 77
2019 vorgesehen. Die anonyme Nutzung von Wertkarten endet damit ab dem genannten Zeitpunkt.55 Wie die Identifizierung der Kunden zu vollziehen ist, hängt von Anbieter und Vertriebsweg ab. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, sowie das Bundesministerium für Inneres, haben mit der Identifikationsverordnung (kurz IVO) mehrere Verfahren festgelegt, die zur Identifikationsfeststellung geeignet sind. 56 Die IVO sieht als mögliche Verfahren, zur Identifikation von Teilnehmern die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises, die Bestätigung der Identität durch ein Kredit- oder Finanzinstitut, oder ein Photoident-Verfahren vor.57 Auch juristische Personen als Teilnehmer unterliegen der Registrierungspflicht. Die Registrierung bei juristischen Personen erfolgt durch einen Registerauszug, der den Namen, die Rechtsform, die Vertretungsbefugnis und den Aufrechten Bestand der juristischen Person darlegt. Zusätzlich findet die Identifikation der jeweils vertretungsbefugten, natürlichen Person gem §§ 3, 4 oder 5 IVO statt.58 Die Daten, die bei der Registrierung der persönlichen Identität erhoben werden, werden unter dem Begriff „Stammdaten“ geführt. Dazu findet sich in § 92 Abs 3 Z3 KG 2003 eine Legaldefinition. Demnach sind Stammdaten, alle auch personenbezogene Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen erforderlich sind. Zu den Stammdaten zählen Name, akademischer Grad, Anschrift, Teilnehmernummer, Informationen zum Inhalt des Vertrages sowie zur Art des Vertrages, Bonität und das Geburtsdatum.59 Die Registrierungspflicht umfasst davon allerdings nur Name, akademischer Grad und das Geburtsdatum.60 Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen Teilnehmer und Telekommunikationsanbieter sind die registrierten Daten grundsätzlich wieder zu löschen.61 Der Gesetzgeber rechtfertigt die Einführung der Registrierungspflicht mit einer gezielten Kriminalitätsprävention und einer besseren Verbrechensaufklärung. Das Beenden der anonymen Nutzung von Wertkarten soll dazu führen, dass damit gegen Kriminalität, Verbrechen, Terrorvorbereitungen, Drogen- und Menschenhandel oder das organisierte Verbrechen vorgegangen wird. Ein weiterer Grund für die Einführung der Registrierungspflicht von Wertkarten war die Annahme, dass sich damit die Fahndungserfolge und die vollständige Aufklärung von Verbrechen verbessern soll. Auch andere EU-Staaten, darunter Deutschland, 55 § 97 Abs 1a TKG 2003. 56Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über Verfahren zur Identifikation von Teilnehmern (Identifikationsverordnung – IVO), BGBl II 7/2019. 57 Vgl § 3 bis § 5 IVO. 58 Vgl § 6 IVO. 59 Vgl § 92 Abs 3 Z3 lit a bis g TKG 2003. 60 Vgl § 97 Abs 1a TKG 2003. 61 Vgl § 97 Abs 2 TKG 2003. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 21 von 77
Frankreich, Italien, Spanien, Belgien oder Griechenland haben bereits eine Wertkarten Registrierungspflicht.62 Einführung einer Anlassdatenspeicherung: Die Anlassdatenspeicherung kurz „Quick-Freeze“ ist eine Ermittlungsmaßnahme aus der StPO.63 Die Staatsanwaltschaft hat bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Recht, eine Anordnung zu erlassen, mit der Telekommunikationsbetreiber vorläufig von der Löschungsverpflichtung nach dem TKG, ausgenommen sind.64 Grundsätzlich sind Telekommunikationsanbieter verpflichtet, die von ihnen gespeicherten Verkehrsdaten ihrer Kunden nach Beendigung der Verbindung zu löschen.65 Lediglich bei Vorliegen vom Gesetz definierter Gründe, ist eine Ausnahme von der Löschungsverpflichtung gestattet. Vor dem Beschluss des Sicherheitspakets war die Ausnahme von der Löschungspflicht der Telekommunikationsanbieter nach dem TKG nur gestattet, wenn ein Einspruch gegen die Abrechnung erhoben wird, Rechnungen nicht beglichen werden oder ein Verfahren zur Höhe des Entgelts anhängig ist.66 Eine weitere solche Ausnahme hat der Gesetzgeber jetzt in § 99 Abs 2 Z4 TKG 2003 erlassen. Demnach sind die Telekommunikationsanbieter, wie bereits erwähnt, aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung für eine bestimmte Dauer verpflichtet, die gespeicherten Daten nicht zu löschen. Wie lange die Daten nicht zu löschen sind, legt der Staatsanwalt für jeden Einzelfall ganz individuell fest. Die Speicherfrist darf jedoch eine Dauer von zwölf Monaten nicht überschreiten.67 Möchte die Staatsanwaltschaft zusätzlich neben der Speicherung auf die nicht gelöschten Daten zugreifen, weil aus einem Anfangsverdacht, ein konkreter Verdacht des Begehens einer gerichtlich strafbaren Handlung wurde, so Bedarf dies einer Bewilligung durch das Gericht.68 Die Telekommunikationsanbieter haben ihrer Löschungsverpflichtung zu entsprechen sobald die Anordnung der Staatsanwaltschaft außer Kraft tritt weil es an einem konkreten Verdacht mangelt, der Staatsanwalt eine Löschung anordnet, die in der Anordnung festgelegte Speicherdauer abgelaufen, oder die Staatsanwaltschaft die Anlassdatenspeicherung beendet hat.69 Aufgrund der neu eingeführten Ziffer 23 in § 99 Abs 2 TKG mussten auch die Verwaltungsstrafbestimmung dementsprechend mit einer 62 https://www.bmvit.gv.at/telekommunikation/politik/wertkartenregistrierung.html (Stand:02.07.2019). 63 Vgl § 135 Abs 2b StPO. 64 Vgl § 99 Abs 2 Z4 TKG 2003. 65 Vgl §99 Abs 1 TKG 2003. 66 Vgl § 99 Abs 2 Z 1 bis Z 3 TKG 2003. 67 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVI. GP, 6. 68 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVI. GP, 7. 69 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVI. GP, 7. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 22 von 77
weiteren Ziffer ergänzt werden.70 Demnach fallen empfindliche Verwaltungsstrafen an, wenn die Daten trotz Anordnung der Staatsanwaltschaft gelöscht werden, oder die Daten nach Beendigung des Ausnahmegrundes von der Löschungspflicht nicht gelöscht werden. Der Gesetzgeber hat in den Materialien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei der Anlassdatenspeicherung um keine anlasslose Massenspeicherung von Kommunikationsdaten handle und damit keine Vorratsdatenspeicherung über die Hintertür eingeführt wird.71 Ausbau der Kennzeichenerkennungssysteme: Die Verwendung von Kennzeichenerkennungsgeräten wurde im Jahr 2005 mit einer SPG-Novelle72 eingeführt. Diese Maßnahme ist damit nicht zur Gänze neu. Der Gesetzgeber hat allerdings, aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit, einen Ausbau der Verkehrsüberwachung beschlossen. Die Maßnahme, um die es geht wird geregelt in § 54 Abs 4b SPG. Ein Vergleich der Wortwahl der alten und neuen Fassung zeigt auf, dass bisher das Wort „Kennzeichenerkennungsgerät“ verwendet wurde. Das sind elektronische Kamera- und Computersysteme, die ein automatisches Erfassen von Fahrzeugkennzeichen ermöglichen und diese anschließend mit Fahndungsdateien abgeglichen werden.73 Mittels einer speziellen Software lassen sich automatisch, aus den aufgenommenen Bildern die Kennzeichen auslesen, die dann mit Fahndungsdaten abgeglichen werden können. Gibt es eine Übereinstimmung von erfassten Kennzeichen und den Daten der Fahndungsevidenz, wird ein optischer oder akustischer Alarm ausgelöst. Das Problem sah man allerdings darin, dass nur ein Erfassen des Kennzeichens rechtlich gedeckt war. Somit durfte das Gerät weder Fahrzeug noch Insassen erfassen.74 Vermutlich hat sich der Gesetzgeber aus diesen Gründen für eine geänderte Terminologie und Überarbeitung der gesamten Norm entschieden. In der neuen Fassung hat der Gesetzgeber nun diese Wortterminologie weggelassen und hat stattdessen einen neuen Begriff verwendet. Die Norm des § 54 Abs 4b SPG regelt nämlich nun die Verwendung von „ bildverarbeitenden technischen Einrichtungen“.75 Durch die Novellierung ist jetzt ein Zugriff auf weitere Informationen, als bloß auf das Kennzeichen möglich. Die Sicherheitsbehörden können nun auch Informationen zum Fahrzeug, insbesondere zur Fahrzeugmarke, Fahrzeugtype und Fahrzeugfarbe, für die 70 Vgl § 109 Abs 3 Z 23 TKG 2003. 71 Vgl ErläutRV 17 BlgNR XXVI. GP, 7. 72 Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Bundesgesetz über die Führung der Bundesgendarmerie im Bereich der Länder und die Verfügung über die Wachkörper der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie und das Beamten-Dienstrechtsgesetz geändert werden (SPG-Novelle 2005), BGBl I 151/2004. 73 Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar 4 (2011) 591. 74 Vgl Thanner/Vogl, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar 2 (2013) 548. 75 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 23 von 77
Fahndung verarbeiten. Im Trefferfall stehen zudem Informationen zum Fahrzeuglenker zum Zweck der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zu Verfügung.76 Was ebenso auffällt ist, dass bisher der Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten auf maximal ein Monat beschränkt war.77 Das bedeutete, dass ein derartiges Kennzeichenerfassungsgerät nicht länger als maximal ein Monat, an einem bestimmten Ort eingesetzt werden durfte. Nach Ablauf des Monats musste das Gerät an einem anderen Ort verwendet werden.78 Diese Anordnung hat der Gesetzgeber in der neuen Fassung des § 54 Abs 4b SPG nicht übernommen. Zu Strafverfolgungszwecken ist ein Speichern der erfassten Daten, von maximal zwei Wochen vorgesehen. Ergibt sich kein Verdacht einer gerichtlich-, strafbaren Handlung, sind die Daten zu löschen.79 Die Anwendung dieser Ermittlungsmaßnahme, durch die Sicherheitsbehörden unterliegt einer nachprüfenden Kontrolle des Rechtsschutzbeauftragten gem § 91c Abs 1 SPG. Die Sicherheitsbehörden haben dem Rechtsschutzbeauftragten eine Meldung zu erstatten, in der sie Angaben, zur Löschung der Daten und Angaben zu den verarbeiteten Daten machen.80 Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass insgesamt zehn Stück stationäre und 20 Stück mobile Kennzeichenerkennungssysteme für Österreich geplant sind.81 Nach Meinung der Autorin ist die geplante Anzahl dieser Geräte recht überschaubar. Vermutlich wird sich die Platzierung der zehn stationären Kennzeichenerkennungssysteme unter Verbrechern relativ rasch herumsprechen, sodass, vor allem kriminelle Banden, die sich auf Autodiebstähle spezialisiert haben, geeignete Ausweichrouten zur Verbringung des Diebesguts suchen werden. Weiters wird von der Autorin vermutet, dass es in der praktischen Umsetzung der Verkehrsüberwachung ähnliche Probleme geben könnte, wie sie bei Radargeräten und Laserpistolen bekannt sind. Die Sicherheitsbehörden haben seit längerem mit dem Problem der sogenannten Radar- oder Laserblocker zu kämpfen. Dabei handelt es sich um Geräte, die die technischen Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen beeinflussen oder sogar stören können. Diese Störung kann dazu führen, dass die Messung eines Fahrzeuges für eine gewisse Dauer, etwa von bis zu fünf Sekunden lang, völlig unmöglich macht, weil diese Geräte aktiv Lichtwellen bzw. Radarfrequenzen aussenden. Diese Geräte geben ein akustisches und optisches Warnsignal im Fahrzeuginneren ab, wodurch die Lenker vor Radargeräten oder Laserpistolen gewarnt werden, und dadurch ihre Geschwindigkeit der jeweils erlaubten Geschwindigkeit anpassen können. Allein in Oberösterreich haben die Sicherheitsbehörden im Jahr 2018 76 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 77 Vgl Textgegenüberstellung 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 78 Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz Kommentar 4 (2011) 591. 79 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2. 80 Vgl ErläutRV 15 BlgNR XXVI. GP, 2 ff. 81 Vgl Vorblatt 15 BlgNR XXVI. GP, 12. 23. September 2019 Das Sicherheitspaket 2018 (Daniela Binder) Seite 24 von 77
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