Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...

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Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Ausgabe 8, 2021

Daten vs. Bauchgefühl?
Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen
im Einzelhandel des ländlichen Raums
Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans Christian Klein, Björn Niehaves

                                                                     1
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Inhalt
                                     4     Big Data: Stimmen aus Wirtschaft und Forschung
                                     6     Strukturwandel im Einzelhandel und Verödung der Innenstädte
                                     9     Aktuelle Herausforderungen – Der Einzelhandel der Zukunft
                                   13      Was wir (noch) nicht wissen
                                   14      Die Studie
                                   16      Ergebnisse
                                   26      Handlungsempfehlungen für den ländlichen stationären Einzelhandel
                                   28      Steckbrief DALES

                             MANAGEMENT SUMMARY
                             Wie kann der Einzelhandel im ländlichen Raum zukünftig    von Daten, seitens der Einzelhändlerinnen und Ein­
                             aussehen? Gerade dort stehen stationäre Einzelhändler­    zelhändler untersucht, was die Grundlage für Big-
                             innen und Einzelhändler vor zahlreichen Herausforder­     Data-Anwendungen darstellt.
                             ungen. Einerseits müssen die Einzelhändlerinnen und
                             Einzelhändler die gestiegenen Anforderungen der           Die Studie stellt die Ergebnisse einer umfassenden
                             Kund­innen und Kunden, wie beispielsweise die Online-­    ­Befragung mit 81 Befragten in Attendorn und Umge­
                             Bestandsprüfung, adressieren. Andererseits müssen sie      bung vor. Die Resultate zeigen, dass datenbasierte
                             sich vom E-Commerce (Onlinehandel) differenzieren.         Entscheidungen signifikant die traditionellen Instru­
                                                                                        ­
                             Big Data kann stationären Einzelhändlerinnen und           mente übertreffen und damit einen unternehmerischen
                             ­Einzelhändlern helfen, um Kundinnen und Kunden vor        ­Mehrwert ab Phase II bringen. Weiterhin zeigt sich,
                              Ort stärker zu binden, indem die Einzelhändlerinnen        dass die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler Vorteile
                              und Einzelhändler ihre Entscheidungen datenbasiert         im Teilen und der Analyse ihrer Daten erkennen, die
                              optimieren.                                                ­sogar zu einem (Markt-)Vorteil führen. Eine weitere
                                                                                          Erkenntnis war, dass die Einzelhändlerinnen und
                             In dieser Studie haben wir den Entscheidungsprozess          ­Einzelhändler grundsätzlich eine positive Einstellung
                             von datenbasierten versus traditionellen Entscheid­           und Absicht zum Teilen von Daten haben sowie ihre
                             ungen­­mit Hilfe von Wirksamkeitsfaktoren untersucht.         ­Daten auch in privaten Bereichen teilen. Jedoch kommt
                             Das sind Faktoren, die einen Einfluss auf die Nutzung          es sehr auf die Art der Daten an, die sie teilen. Viel
                             und Akzeptanz von Big-Data-Anwendungen im Einzel­              ­Zustimmung zum Teilen erhalten die Social-Media-­
                             handel haben. Den Prozess konnten wir in drei Phasen            Aktivitäten und die Bezahlvarianten. Bei Kassen- und
                             unterteilen und haben dabei die individuellen Wirksam­          Verkaufsdaten dagegen wird das Teilen vielfach ab­
                             keitsfaktoren bei den Projektteilnehmenden erfragt und          gelehnt,­auch anonymisiert. Es bestehen zu viele Ängste,
                             anschließend in einer quantitativen Erhebung multiper­          dass daraus Nachteile entstehen. Werden diese Barrieren
                             spektivisch bewerten lassen. Hierbei haben wir die              schlussendlich überwunden, so kann aus Big-Data­-
                             ­Auswirkungen der Covid-19-Pandemie integriert. ­Zudem          Projekten sämtlicher Mehrwert allumfänglich generiert
                              haben wir die Einstellung und die Absichten zum Teilen         werden.

2   Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                        3
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1         Big Data: Stimmen aus Wirtschaft
          und Forschung

    Warum sollte man sich mit dem Thema
    „Big Data in ländlichen Städten“ aktiv auseinandersetzen?

        „Digitalisierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und      „Im Rahmen des DALES Projektes haben wir Händ-          „Erfolgreiche Unternehmen benötigen seit jeher ein          „Auch in kleinen Städten sollten wir aggregierte Daten
        dies gilt in komplexen Systemen wie unseren Städten      lerinnen und Händlern aufzeigen können, dass sich       gutes Bauchgefühl für die Bedürfnisse ihrer Kundschaft.     nutzen, damit der stationäre Handel seine Angebote
        in besonderem Maße. Ob hier die mit der Digitalisie-     durch datengetriebene Analysen und Auswertungen         Daten spielen dabei eine immer zentralere Rolle.            besser am Kundenverhalten ausrichten kann und lang-
        rung verbundenen Ziele erreicht werden, hängt ganz       echte Mehrwerte und konkrete Handlungsempfeh-           ­Digital unterlegte Prognosen können unentdeckte Präf­      fristig erfolgreich bleibt.“
        maßgeblich davon ab, wie verschiedene Akteure auch       lungen gewinnen lassen. Gerade in Zeiten steigender      erenzmuster der Kundschaft offenbaren. Auf diese
        intersektoral zusammenarbeiten. Die Integration und      Mitbewerber im Online-Handel ist der lokale Einzel-      Weise tragen sie dazu bei, neue Geschäftsfelder zu         Christian Pospischil,
        kombinierte Nutzung großer Datenmengen z.B. der          handel in ländlichen Gegenden besonders gefordert.       ­eröffnen und den Personaleinsatz zu optimieren. Sinn-     Bürgermeister von Attendorn
        Kommune, der Wirtschaft und der Bürger*innen stellt      DALES hat gezeigt, dass stichhaltige Erkenntnisse         voll und rechtskonform eingesetzt, kann die Nutzung
        eine wichtige Grundlage dar, um die Zukunftsfähigkeit    aus Datenauswertungen gemeinsam mit kreativen             von „Big Data“ ganzen Einkaufsstandorten Alleinstel-
        des lokalen Einzelhandels sicherzustellen. Mit dem       Ideen der Schlüssel sind, die eigenen Kunden und          lungsmerkmale verschaffen; nicht allein, aber vor allem
        Projekt DALES konnten wir zeigen, dass dies auch im      ihre Wünsche noch besser zu verstehen und das Kauf-       im ländlichen Raum bietet dies zahlreiche Chancen.“
        ländlichen Raum möglich ist. Die Innovationskraft lebt   erlebnis für Käufer und Verkäufer zu stärken.“
        in allen Gegenden.“                                                                                              Klaus Gräbener,
                                                                                                  Christian Friedrich,   Hauptgeschäftsführer der Industrie-
                           Univ.-Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves,                   Geschäftsführer der statmath GmbH       und Handelskammer (IHK) Siegen
                                   Inhaber des Lehrstuhls für
                 Wirtschaftsinformatik der Universität Siegen

    4   Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                5
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
s­ tationäre Einzelhandel in den Innenstädten, insbeson­       aufrechtzuerhalten und nachhaltig für die Zukunft zu
                                                                                                                            dere in Mittelzentren unserer ländlichen Regionen,            stärken. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei auf dem
                                                                                                                            ­zunehmend unter Druck. Der stationäre Einzelhandel           Aufbau digitaler Kompetenzen der Einzelhändlerinnen
                                                                                                                             belebt die Stadtzentren und bietet allein in Deutschland     und Einzelhändler (Handelsverband Deutschland,
                                                                                                                             mehr als drei Millionen Arbeitsplätze (Handelsverband        2016). Veränderungen wie moderne Tools und digitale
                                                                                                                             Deutschland, 2020a). Die Bedeutung des stationären           Zahlungsmethoden sind essenziell, um aktuelle und
                                                                                                                             Einzelhandels für die Innenstädte zeigt sich dabei in        ­zukünftige Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Kundin­
                                                                                                                             dreierlei Hinsicht. Neben der ökonomischen Bedeutung,         nen und Kunden erwarten beispielsweise, dass sie
                                                                                                                             wie der Schaffung von millionenfachen Arbeitsplätzen,       ­Online-Lagerbestände im stationären Einzelhandel
                                                                                                                             hat ein funktionierender Einzelhandel sowohl struktu­        über­prüfen und online reservieren können und/oder
                                                                                                                             relle als auch räumlich-gestalterische Bedeutungen für       stationäre Einzelhändlerinnen und Einzelhändler einen
                                                                                                                             die Innenstädte (Stepper, 2016). Für die Zukunft unserer     eigenen Online-Shop betreiben.
                                                                                                                             Innenstädte ist es daher umso wichtiger, den Einzelhandel

                                                                                                                           Einfluss von COVID-19
                                                                                                                           Die weltweite Schließung zahlreicher Ladengeschäfte           waren es im Januar 2021 sogar 80 % (IFH Köln GmbH,
                                                                                                                           auf unbestimmte Zeit sorgte für unterschiedliche Aus­         2021). Auch das Einkaufsverhalten der Verbraucher
                                                                                                                           wirkungen auf die Einzelhandelsbranche. Beispielsweise        hat sich durch die Pandemie gewandelt. Im Mai 2020
                                                                                                                           wurden Kleidungstücke (Anzüge und Sport- / Bade­              gaben knapp die Hälfte der Befragten an, dass sie seit
                                                                                                                           bekleidung), Schuhe, Spielzeug, Schmuck, Reiseartikel         Pandemieausbruch seltener einkaufen gehen; im Januar
                                                                                                                           (Reiseführer, Koffer), Sport- und Campingartikel deutlich     2021 waren dies immer noch 36,26 % (POSpulse,
2     Strukturwandel im Einzelhandel und                                                                                   seltener gekauft als im Vorjahr. Im Gegensatz dazu hat        2021). Der Geschäftsführer des Kölner Instituts für
      Verödung der Innenstädte                                                                                             der Absatz von Lebensmitteln, Baumaterialien, Kunst­
                                                                                                                           handwerk, Versandhandel, medizinischen Verbrauchs­
                                                                                                                                                                                         Handelsforschung (IFH), Boris Hedde, hat die Situation
                                                                                                                                                                                         des deutschen Einzelhandels als einen „dreifachen
                                                                                                                           materialien und Fahrrädern einschließlich Zubehör             Tsunami“ (RND, 2020) bezeichnet, der aus dem
                                                                                                                                                                                         ­
                                                                                                                           (im Vergleich zum Vorjahr) enorm zugenommen (Jung             „Strukturwandel im Einzelhandel, der Digitalisierung
Der Einzelhandel hat sich in den letzten Jahrzehnten in    Kundenanforderungen zu erfüllen – dem zukünftigen               et al., 2020). Eine Umfrage des deutschen Handelsver­         und der Corona-Pandemie“ besteht. Die Kombination
vielerlei Hinsicht verändert. Während bis zum Ende der     Smart Retail. Verpasst man die Anpassung an neue                bands (HDE) unter mehr als 1.000 Händlerinnen und             dieser drei Aspekte sei für den Handel „eine Heraus­
1950er-Jahre die Standortstruktur maßgeblich von der       ­Gegebenheiten drohen fatale Folgen. Als warnendes              Händlern zeigt, dass sich 53 % der Bekleidungshändler         forderung, wie er sie vielleicht noch nie erlebt hat.“
räumlichen Nachfrageverteilung beeinflusst wurde,           Beispiel ist der Niedergang des ehemaligen Versand­            ohne weitere staatliche Hilfen im Jahresverlauf in            (RND, 2020). Insgesamt ist die Situation seit Beginn
ergaben sich in den nachfolgenden Jahren durch die
­                                                           hauses Neckermann zu nennen, das statt die Digitalisie­        Existenzgefahr sehen, im Schuh- und Lederwarenhandel          der Pandemie im März 2020 für stationäre Einzel­
zuneh­mende Mobilität der Verbraucher neue Möglich­         rung voranzutreiben und den Online-Handel auszubauen           sogar knapp 60 % der befragten Händlerinnen und               händlerinnen und Einzelhändler nicht sehr vielver­
keiten für den Handel (Kulke, 1992). Die darauffolgenden    lieber weiter auf den klassischen Weg per Katalog              Händler (Handelsverband Deutschland, 2021b). Die              sprechend. Wiederholte Geschäftsschließungen aufgrund
Jahrzehnte wurden mit Beginn der 1960er-Jahre durch         ­gesetzt hat, was letztlich in der Insolvenz endete (Gehr­     Konsumenten sehen die Situation sogar als noch extremer       von Lockdowns haben das Verbraucherverhalten und
die Globalisierung geprägt, welche einen weltweiten          ckens, 2019). In vielen Ländern der Welt wird der             an: Während im November 2020 noch 63 % der befragten          somit auch die Umsatzzahlen massiv beeinflusst. Die
Handel ermöglichte, der zu verschiedenen Veränderun­         ­Online-Handel bereits dem Offline-Handel vorgezogen.         Personen damit rechneten, dass viele Läden in den             Folge dessen sind enorme finanzielle Engpässe oder
gen in den Handelsbeziehungen und -prozessen geführt          So konsumierten im Jahr 2020 prozentual nur die              ­Innenstädten die Corona-Zeit nicht überleben würden,         sogar Insolvenzen.
hat. Insbesondere die Schaffung des Europäischen Bin­         Niederlande und ­Dänemark mehr online als Deutschland
nenmarktes führte „zu einem merklichen Internationali­        (Eurostat, 2021). Zahlen über den Online-Umsatzanteil
sierungsschub im Einzelhandel“ (Wortmann, 2003, S. 17).       des deutschen Einzelhandels stützen die These eines          Big Data
                                                              ­zunehmenden Online-Handels: So hat sich der Online­-
Verstärkt wurde dieser Trend zudem durch die Entwick­          Umsatzanteil im deutschen Einzelhandel von 20,2             Unter dem Begriff Big Data wird, wörtlich übersetzt,          ­ ythos, dass es bei Big Data nur um Datenvolumen
                                                                                                                                                                                         M
lung des Online-Handels (E-Commerce), wodurch der              Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 72,8 Milliarden Euro       zunächst nur die Größe der gespeicherten Daten ver­           geht“ (Russom, 2011, S. 6). Das Datenvolumen – also
Handel nochmal zusätzlich an Dynamik und Flexibilität          im Jahr 2020 mehr als verdreifacht (Handelsverband          standen. Die Datengröße spielt zwar eine übergeordnete        die Größe der Daten – ist somit einer von drei Haupt­
gewonnen hat. Die Folge dessen war, dass Rohstoffe             Deutschland, 2021a). Auch wenn ­aktuelle, von Google        Rolle, allerdings müssen noch andere Faktoren betrachtet      bestandteilen von Big Data. Es kann durch Terabyte,
weltweit verkauft, gekauft und transportiert werden            beauftragte, Studien zeigen, dass weltweit auch 2024        werden, um das Ziel von Big Data zu verstehen. In der         Datensätze, Transaktionen, Tabellen und Dateien
(Ortiz-Ospina & Beltekian, 2014). Gleichzeitig und             ­voraussichtlich die meisten Einkäufe noch offline statt­   wissenschaftlichen Literatur wird dafür der Big-Data­-        quantifiziert werden. Viele Unternehmen ziehen es vor,
­parallel dazu wird die Welt immer digitaler und die            finden (78 % offline, 22 % online (Pérez & Altman,         Begriff häufig mit drei Vs beschrieben: Volumen, Vielfalt     Big Data zeitlich zu betrachten (z. B. 7-Jahres-Regel)
 ­Bedürfnisse der Verbraucher ändern sich. Einzelhändle­        2020)), lässt sich ein Trend in Richtung ­steigender       und Geschwindigkeit (engl. velocity). „Die drei Vs von        und entsprechend zu analysieren (Russom, 2011).
  rinnen und Einzelhändler müssen sich an diese neuen           Online-Einkäufe nicht von der Hand weisen. Aufgrund        Big Data (Volumen, Vielfalt und Geschwindigkeit) stellen      Die Datenvielfalt beschreibt die Vielfalt aus verschie­
  Kundenbedürfnisse anpassen, um die sich wandelnden            steigender Anteile des Online-Handels gerät der            eine umfassende Definition dar und zerstören den              denen Quellen, die Big Data so besonders macht.

6   Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                     7
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Die Daten können strukturiert, semistrukturiert, un­
strukturiert oder eine Mischung aus allem sein, wie
z.B. soziale M
             ­ edien, Texte, Audio und Video (Russom,
2011). Die Datengeschwindigkeit nimmt ebenfalls eine                                                             Der Einzelhandel steht einer noch nie dagewesenen
wichtige Rolle ein, um einen performanten Nutzen                                                                 Krise gegenüber und niemand weiß, wann diese
beim Einsatz von Big Data zu gewährleisten. So sam­                                                              enden wird.“
meln beispielsweise Sensoren Daten, indem sie die
­Temperatur messen oder Bewegungen aufzeichnen.                                                                  (IT4Retailers, 2020)
 Möchte man diese ­Daten in Echtzeit analysieren und
 weiterverarbeiten, ist eine hohe Datengeschwindigkeit
 erforderlich. Unternehmen nutzen Echtzeitdaten be­
 reits seit mehreren Jahren, um schneller und genauer
 auf Kundenbedürfnisse und ­-anforderungen reagieren
 zu können (Russom, 2011).
                                                                                                                 „Der stationäre Handel steht vor einer der größten
Big Data gilt als einer der Schlüssel zur Lösung vieler                                                          Transformationsherausforderungen der Handels­
alltäglicher Probleme im Umgang mit hohem Daten­                                                                 geschichte.“
volumen. Erst seit den letzten Jahren wurden die
­Zusammenhänge zwischen Big Data und Smart City                                                                  (Gehrckens, 2019)
 aufgrund der signifikanten Zunahme vernetzter Geräte
 über das Internet der Dinge (IoT), welches insbesonde­
 re in urbanen Gegenden zu einem schnellen Daten­
 wachstum geführt hat, zunehmend untersucht. Bis 2016
 war die Kombination von IoT und Big Data jedoch noch
 ein weitestgehend unerforschtes Gebiet (Hashem et al.,
 2016). Städte stehen in dieser Hinsicht vor einer Vielzahl                                                      „Keine Branche ist derzeit größeren Herausforderungen
 von Herausforderungen, da durch die fortschreitende                                                             ausgesetzt als der Einzelhandel.“
 Digitalisierung Auswirkungen auf nahezu alle Branchen
 sichtbar werden. Unternehmen müssen ihre Mitarbeit­                                                             (Heinemann, 2019)
 erinnen und Mitarbeiter mit digitalen Fähigkeiten aus­
 statten, um neue Aufgaben und Aktivitäten ausführen
 zu können. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass zahlreiche
 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Es sind klare Konzepte
 für Datenintegration und Sicherheit erforderlich. Die
 Veröffentlichung offener Datensätze („Open Data“) des
 öffentlichen Sektors wird ebenfalls als wichtiges Element
 angesehen (van Winden et al., 2017).

Die Kombination von Big Data und Einzelhandel war
bislang weniger häufig Gegenstand wissenschaftlicher
Untersuchungen, allerdings mit steigendem Trend.              Begriffsdefinition:
Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, die das Know-
how besitzen, um Produkt-, Zeit-, Standort- und
                                                              Big Data
­Vertriebskanaldaten miteinander zu verknüpfen, können                                                       3     Aktuelle Herausforderungen
 so gezieltere Strategien implementieren und zukünftige       „Big Data ist der Informationswert, der              – Der Einzelhandel der Zukunft
 Ereignisse auf der Grundlage historischer Daten              sich durch eine so hohe Menge, Geschwin­
 ­vorhersagen (Bradlow et al., 2017). Die Verbindung von      digkeit und Vielfalt auszeichnet, dass er
  technischen Systemen über Sensoren, in Verbindung           spezifische Technologien und Analyse­
  mit (mobilen) Anwendungen (Apps) bietet die Mög­            methoden für seine Umwandlung in Wert          All diese Zitate klingen nach einem Schreckensszenario      und Händlern bevor? Wie genau könnte der Einzelhandel
  lichkeit, das Kundenverhalten besser zu verstehen und       ­erfordert.“ (De Mauro et al., 2016, S. 131)   und sagen dem stationären Einzelhandel eine schwierige      im ländlichen Umfeld in der Zukunft aussehen? Und
  kann dadurch dem stationären Einzelhandel und somit                                                        Zukunft voraus. Doch welche Faktoren werden das             welche Aus­wirkungen hat die Zukunft des Einzelhandels
  auch den Innenstädten einen Wettbewerbsvorteil ver­                                                        Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden beeinflussen?        auf unsere Innenstädte? Mit diesen Fragen wollen
  schaffen (Barkham et al., 2018).                                                                           Welche Her­  ausforderungen stehen den Händlerinnen         wir uns im ­Folgenden befassen.

8   Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                   9
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Demografische Faktoren                                                                                                             Als neue, wichtige Generationen für den Einzelhandel       digitalen Möglichkeiten grundlegend von dem der
                                                                                                                                   werden die sogenannten Millennials (Generation Y)          ­vorherigen Generationen. Die Generation Z nutzt dabei
Der demografische Wandel und die dadurch bedingte                     29,7 % (1970), über 18,4 % (2020) auf 18,0 % (2060).         und die Generation Z angesehen (Weuthen, 2019).             die digitalen Möglichkeiten bereits stärker als die
Alterung der Gesellschaft beeinflussen nahezu alle                    (deStatis, 2019, S. 54), siehe Abbildung 1. Im weltweiten    Während die Millennials den Beginn des Internets            ­Millennials. So zeigen Studien beispielsweise, dass der
­gesellschaftlichen Bereiche und somit auch den Einzel­               Vergleich ist dies sogar noch deutlicher zu erkennen – der   hautnah miterlebt haben, kennt die Generation Z              Einfluss von Social Media auf das tatsächliche Kaufver­
 handel. Der Anteil der älteren Menschen steigt aufgrund              Anteil an unter 20-Jährigen wird immer weiter sinken         ­überhaupt keine Welt ohne „das Digitale“. Das Kaufver­      halten bei der Generation Z deutlich größer ist als bei
 besserer medizinischer Versorgung und damit einher­                  und der Anteil an über 67-Jährigen wird immer weiter          halten dieser Generationen unterscheidet sich durch die     den Millennials (Weuthen, 2019).
 gehender steigender Lebenserwartung, während sich                    steigen (siehe Abbildung 2). Für den Einzelhandel
 die Geburtenrate auf einem niedrigen Niveau ein­                     ­bedeutet diese Änderung der Altersstruktur eine Verän­
 gependelt hat. So betrug der Anteil der über 67-Jährigen              derung im Konsumentenverhalten und eine rückläufige
 in Deutschland 1970 noch 11,1 %, so liegt dieser im Jahr              Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten
 2020 bei knapp 20 % und wird für 2060 auf 27,4 %                      ­(Gehrckens, 2019). Für die Einzelhändlerinnen und Ein­
 ­prognostiziert. Bei der Prognose wird eine moderate                   zelhändler gilt es, auf das veränderte Konsumenten­
  Entwicklung angenommen (vgl. G2-L2-W2 des statis­                     verhalten und möglicherweise wandelnde Produktnach­
  tischen Bundesamtes). Im Gegensatz dazu sinkt der                     fragen zu reagieren, indem das Warenangebot dynamisch
  ­Anteil der unter 20-Jährigen im selben Zeitraum von                  an die veränderten Gegebenheiten angepasst wird.

Bevölkerungsanteil nach Jahren

      100
       90
       80
                                                                                                          67 Jahre und älter
       70
       60
       50                                                                                                 20 bis unter 67 Jahren
       40
       30
       20
                                                                                                          unter 20 Jahren
       10
        0
               1970          2020         2030          2040          2050         2060

      Abbildung 1: Entwicklung der Bevölkerung je Altersgruppen in Deutschland (deStatis, 2019, S. 54)

Bevölkerungsanteil Weltweit

      100
       90
       80
                                                                                                          67 Jahre und älter
       70
       60
       50
                                                                                                          20 bis unter 67 Jahren
       40
       30
       20
       10                                                                                                 unter 20 Jahren
        0
                1970           2020          2030           2040          2050            2060

      Abbildung 2: Entwicklung der Bevölkerung je Altersgruppen weltweit (United Nations, 2019)

10 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                            11
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Technologische Faktoren
Die im vorherigen Abschnitt beschriebene Situation             I­ n-Store-Analysen, wie die Verbesserung der Lieferkette,
sorgt dafür, dass der Einzelhandel sich den veränderten         durchgeführt werden können (Gehrckens, 2019).
Gegebenheiten anpassen muss. Die zukünftig kauf­
kraftstärkste Kundschaft wird durch den digitalen              Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen
Wandel geprägt sein und unterscheidet sich dement­             bieten weitere, vielfältige Potentiale. Durch den Einsatz
sprechend im Kaufverhalten. Einzelhändlerinnen und             von Softwarelösungen und auf Basis von vorhandenen
Einzelhändler müssen daher den technologischen                 Daten lassen sich Zukunftsszenarien prognostizieren,
­Fortschritt vorantreiben, um die Bedürfnisse der Kund­        wodurch beispielsweise die Personalplanung optimiert
 innen und Kundenzu stillen. Denn durch die Kauf- und          werden kann. Potentiale finden sich auch in der Waren­
 Serviceerfahrungen, welche die jüngeren Generationen          logistik wieder. Durch die Berücksichtigung aktueller
 aus dem Online-­   Handel kennen, steigen auch die            Verkehrs- und Wetterdaten können intelligente Liefer­
 ­Erwartungen für den Kauf vor Ort.                            systeme die schnellsten Routen für die Auslieferung
                                                               von Produkten finden. Lagerbestände lassen sich durch
Wir befinden uns derzeit in der dritten Welle der              Sensoren in Echtzeit erfassen, sodass auf Wunsch
­Digitalisierung, die durch das „Internet der Dinge“           Produkte automatisch nachbestellt werden können.
                                                               ­
 ­gekennzeichnet ist, während die erste Welle mit der          (Gehrckens, 2019)
  Entstehung des Internets und die zweite Welle mit
  dem Vorhandensein mobiler Endgeräte assoziiert wird          Auch für das tatsächliche Einkaufsverhalten der
  (Weuthen, 2019). Die Vernetzung von beliebigen Geräten       Kundinnen und Kunden können neue Technologien
                                                               ­
  durch das Internet der Dinge wird durch Sensoren             Vorteile bieten, wie beispielsweise Selbstbedienungs­
  ­ermöglicht, die über ein spezielles Netzwerk (LoRaWAN)      kassen, die ein schnelleres und komfortableres Einkaufen
   Daten bereitstellen. Ein Anwendungsbeispiel für die         ermöglichen (Handelsverband Deutschland, 2020b).
   Funktionalitäten des Internet der Dinge, welches            Dynamische Preisoptimierungen sind im Online-Handel
   ­Online-Kaufende kennen, ist die Paketverfolgung von        bereits weit verbreitet und bieten auch für den stationären
    zuvor bestellten Produkten über das Internet. Unter        Handel Potentiale. Auf Grundlage von verschiedenen
    anderem durch die Vernetzung über das Internet der         Parametern wie den Lagerbeständen, Wettbewerbs­
    Dinge nimmt die Anzahl der sich im Umlauf befinden­        preisen oder dem Wetter können Produktpreise durch
    den Datenmengen stark zu. Der Online-Handel hat diese      digitale Lösungen dynamisch angepasst werden. Ein
    Potentiale schon längst für sich erkannt, sodass mittels   weiteres Anwendungsbeispiel sind Chatbots, welche
    Big-Data-Technologien das Einkaufsverhalten der            die Kundenberatung erweitern und eine Verfügbarkeit
    Kundinnen und Kunden analysiert wird oder                  rund um die Uhr bieten. (Gehrckens, 2019)

Administrative Faktoren                                                                                                      4    Was wir (noch) nicht wissen
Die Digitalisierung stellt eine weitere Herausfor­derung       Vor diesem Hintergrund sind Lösungsansätze gefragt,
für den Einzelhandel dar, im Speziellen für die dort           die einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten
arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn
­                                                              ­ermöglichen, wodurch der größtmögliche Mehrwert
die Kundinnen und Kunden sind über die ­Produkte                sowohl für Einzelhändlerinnen und Einzelhändler als          Die Welt wird zunehmend abhängiger von Daten. Diese      Risiken eingeschätzt? Wie anstrengend empfinden die
­besser informiert denn je. Über das Internet lassen sich       auch Bürgerinnen und Bürger erzeugt wird. Im Kern            Abhängigkeit bringt jedoch nicht zwingend Nachteile      Einzelhändlerinnen und Einzelhändler das Teilen von
 für beliebige Produkte detaillierte Informationen oder         soll daher die Basis für die Anwendung von Big Data          mit sich. Denn datenbasierte Entscheidungen können zu    Daten? Wie gerne teilen die Einzelhändlerinnen und
 Kundenrezensionen jederzeit abrufen. Das Verkaufs­             im stationären Einzelhandel erarbeitet w
                                                                                                       ­ erden. Weiter       viel Mehrwert führen Deshalb sind Daten sowie deren      Einzelhändler überhaupt Daten (im beruflichen und
 personal vor Ort muss bestenfalls ein genauso gutes            sollen Faktoren ermittelt werden, die für den Einsatz        Analyse in vielen Bereichen einer Stadt, so auch dem     privaten Kontext)? Wie weit geht die Bereitschaft,
 Know-how besitzen, um der Kundschaft eine qualitativ           von Big Data im stationären Einzelhandel von Relevanz        (Einzel-)Handel, von hoher Bedeutung. Doch welche        ­anonymisierte Daten für Big Data- oder Forschungs­
 hochwertige Beratung bieten zu können. Gerade die              sind. Im Projekt DALES wird das Ziel verfolgt diese          Faktoren sind bei dem Einsatz von Big-Data-Methoden       projekte bereit zu stellen? Für diese Fragen gibt es
 Generation Z macht den Kauf im stationären Handel              Faktoren zu ermitteln und die Akzeptanz von Big-­            in Städten von Bedeutung? Wie ist der aktuelle Status     ­bislang kaum Antworten oder empirische Untersuch­
 bereits derzeit zu einem Multi-Channel-Event, indem            Data-Anwendung seitens der Einzelhändler­innen und           Quo der Nutzung von öffentlichen Daten? Analysieren        ungen. Bisher erstellte Studien fokussieren eher urbane
 während des Geschäftsaufenthaltes über das Smartphone          Einzelhändler als auch der Bürgerinnen und Bürger zu         Einzelhändlerinnen und Einzelhändler ihre Daten? Oder      Perspektiven und geben im Ausblick an, dass auch der
 Produktinformationen abgerufen, Kundenrezensionen              erhöhen.                                                     hören Sie nur auf ihr Bauchgefühl? Werden die Vorteile     ländliche Raum untersucht werden sollte. Diese Lücke
 gelesen und Preise verglichen werden (Weuthen, 2019).                                                                       wahrgenommen oder nur die Nachteile? Wie werden die        möchten wir mit der vorliegenden Studie schließen.

12 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                   13
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Methode:
                                                                                                                                                                                                                     Die vorliegende Studie wurde durch die Univer­
                                                                                                 Welche Risiken sehen Sie                                                                                            sität Siegen in Kooperation mit der IHK Siegen
                                                                                                 beim Teilen von Daten?                                                                                              und der statmath GmbH erstellt. Unter Leitung
                                         Welche Faktoren sind für                                                                                                                                                    von Univ.-Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves wurden
                                          Sie bei datenbasierten                                                                                                                                                     13 Interviews mit Einzelhändlerinnen und Ein­
                                         Entscheidungen wichtig?                                                                                                                                                     zelhändlern geführt, um Faktoren für das Teilen
                                                                                                                                                                                                                     von ­Daten zu ermitteln. Aufbauend darauf wur­
                                                                                                                                                                                                                     den im Rahmen einer qualitativen Umfrage Bür­
                                                                                                                                                                                                                     gerinnen und Bürger sowie Einzelhändlerinnen
                                                                                                                                                                                                                     und Einzelhändler in Attendorn und Umgebung
                                                                                                                                                                                                                     befragt, um die Ergebnisse zu ­verstetigen.

                                                                                                                                                                                                               Zur Befragung wurde ein leitfadengestützter Ansatz
                                                                         Würden Sie Ihre Daten für
                                                                                                                                                                                                               verfolgt, der unter anderem den Status Quo bezüglich
                                                                      Big-Data-Projekte (anonymisiert)                                                                                                         des Projektes, der Einstellung und dem Verhalten
                                                                          zur Verfügung stellen?                                                                                                               gegenüber der gemeinsamen Nutzung von Daten
                                                                                                                                                                                                               ­
                                                                      Welches sind Ihre Beweggründe?                                                                                                           (z.B. „Welche Bedenken haben Sie, Ihre Daten im
                                                                                                                                                                                                               ­Rahmen des Projektes an das Datenanalyseunterneh­
                                                                                                                                                                                                                men zu geben?“), der aktuellen Bereitstellung der Da­
                                                                                                                                                                                                                ten und den Potenzialen und Erwartungen an Big-
                                                                                                                                                                                                                Data-­Anwendungen (z.B. „Was erhoffen Sie sich von
                                                                                                                                                                                                                der Teilnahme an dem Projekt?“) beinhaltet. Im
                                                                                                                                                                                                                Durchschnitt dauerten die Interviews rund eine Stun­
©David Bock – Marketing und Design

                                                                                                                                                                                                                de, wurden aufgezeichnet und vollständig transkri­
                                                                                                                                                                                                                biert. Auf dieser Basis wurde die Auswertung vorge­
                                                                                                                                                                                                                nommen. Dabei wurde darauf geachtet, Aussagen
                                                                                                                                                                                                                hervorzuheben, die bei vielen Personen auftraten und
                                                                                                                                                                                                                somit besonders bedeutsam erschienen.

                                     5      DIE STUDIE                                                                                                     Steckbrief Stadt Attendorn:
                                                                                                                                                           Die 25.000-Einwohnerstadt Attendorn liegt im südlichen Sauerland in
                                                                                                                                                           Südwestfalen. Das Mittelzentrum liegt zwischen den Oberzentren Siegen
                                                                                                                                                           (rund 45 km) und Hagen (rund 60 km). Die Ballungszentren im Ruhrge­
                                      Die vorliegende Studie ist das Ergebnis einer umfas­          individuelle, organisationale (z.B. Aspekte der Un­    biet und im Rheinland sind etwa eine Autofahrstunde entfernt. Der mittel­
                                      senden Untersuchung von Einstellungen zu Big-                 ternehmensstruktur) als auch technische Aspekte        alterliche Grundriss verleiht der Hansestadt einen historischen Charme
                                      Data-­Anwendungen von Einzelhändlerinnen und                  (z.B. welche Kassensysteme verwendet werden). Im       und verbindet sich mit dem Angebot einer modernen Stadt. Das Mittel­
                                      Einzelhändlern im ländlichen Raum. Dazu wurden im             zweiten Schritt wurde eine Umfrage mit Einzelhänd­     zentrum Attendorn ist geprägt von inhabergeführten Geschäften mit
                                      ersten Schritt ­umfangreiche qualitative Daten in             lerinnen und Einzelhändlern sowie Bürgerinnen und      hoher Serviceorientierung und einem vielseitigen Angebot. Der tägliche
                                     Form von leitfadengestützten Interviews mit den                Bürgern (N = 81) in Attendorn und Umgebung durch­      Bedarf wird mit Lebensmittelgeschäften, Apotheken und einem Droge­
                                     ­Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern des Forschungs­         geführt. Eine Beschreibung der Hansestadt ­Attendorn   riemarkt abgedeckt. Das kleine Einkaufszentrum „Allee-Center“, direkt
                                      projektes DALES geführt. Den inhaltlichen Rahmen              ist in dem nachfolgenden Steckbrief hinterlegt. Das    am Rand der historischen Altstadt gelegen, bietet großflächigen Einzel­
                                      stellen hierbei die Faktoren dar, die einen Einfluss auf      methodische Vorgehen kann der Infobox (Methode)        handel. Ergänzt wird das Handelsangebot durch Dienstleistungs- und
                                      die Nutzung und Akzeptanz von Big-Data-Anwend­                (siehe rechts) detailliert entnommen werden. In der    Gastronomie­betriebe. Der sehr gut frequentierte Wochenmarkt – mittwochs
                                     ungen im Einzelhandel haben, ­sogenannte Wirksam­              Umfrage wurde eine Normalverteilung der Alters­        und samstags – belebt die Innenstadt und ist auch für Kunden aus den
                                     keitsfaktoren. Berücksichtigt wurden dabei sowohl              gruppen erreicht.                                      Nachbarstädten ein Anziehungspunkt.

                                     14 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                     15
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
6      Ergebnisse

Im Projektverlauf zeigte sich, dass das Intuitive,                ist. Auf der Ordinate wird der Unternehmerische Mehr­         ­ atenbasierten Entscheidungen. Diese Diskrepanz kann
                                                                                                                                d                                                                 Big-Data-Anwendungen im Einzelhandel ­haben, bei den
­sogenannte „Bauchgefühl“, der Einzelhändlerinnen und             wert in Abhängigkeit verschiedener Instrumente für die        Enttäuschungen verursachen, da die traditionellen Inst­           Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern herauszufinden,
 Einzelhändler ein wichtiges Instrument im täglichen              Einzelhändlerinnen und Einzelhändler dargestellt. Der         rumente in dieser Phase (noch) besser sind und erklären,          um Mehrwert zu schaffen. Diese Faktoren werden
 Geschäft darstellt. Datenbasierte oder datenunter­               Mehrwert der traditionellen Instrumente (grün), im Pro­       dass manche Einzelhändlerinnen und Einzelhändler von              Wirksamkeitsfaktoren genannt und wir haben diese in
 stützende Entscheidungen wurden zunächst kritisch                jekt oftmals als Bauchgefühl bezeichnet, sind dabei dem       Big-Data-Anwendungen wieder Abstand nehmen.                       Interviews mit den projektbeteiligten Einzelhändler­
 betrachtet, später jedoch als sinnvolles Element ange­           Mehrwert der Instrumente der effektiven (blau) und            ­Daher ist es in dieser Phase umso wichtiger, die Faktoren,       innen und Einzelhändlern herausgearbeitet. Die Ergeb­
 sehen. Daraus haben wir drei zeitlich aufeinander                ­erwarteten datenbasierten Entscheidung (blau gestri­          die einen Einfluss auf die Nutzung und ­Akzeptanz von            nisse dazu werden im nächsten Kapitel präsentiert.
 ­folgende Phasen ableiten können. Phase I stellt die              chelt) vergleichend gegenübergestellt. Im zeitlichen
  ­Initialisierungsphase dar, gefolgt von Phase II, der            ­Verlauf werden die unterschiedlichen Einflüsse der ver­
   ­Konsolidierungsphase und Phase III als Verstetigungs­           schiedenen Instrumente auf den Unternehmerischen            WIRKSAMKEITSFAKTOREN DES EINZELHANDELS
    phase. In Abbildung 3 ist der Verlauf der drei Phasen           Mehrwert der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler
    dargestellt, wobei auf der Abszisse die Zeit aufgetragen        deutlich und im Folgenden näher betrachtet                  Die Interviews mit den Einzelhändlerinnen und Einzel­
                                                                                                                                händlern (EZH) zeigten 19 Wirksamkeitsfaktoren,
                                                                                                                                ­welche in Tabelle 1 dargestellt sind.

    Unternehmerischer
    Mehrwert

                                                                                                  Bauchgefühl bzw.                                   Wirksamkeitsfaktoren
                                                                                                  traditionelle Instrumente
                                                                                                                                                     Ladenspezifika:                      •   Kundenkarten
                                                                                                  Effektive datenbasierte                                                                 •   Angemessene Öffnungszeiten
                                                                                                  Entscheidung                                                                            •   Personal zu Spitzenzeiten
                                                                                                                                                                                          •   Kundenfrequenz während des Tages
                                                                                                  Erwartete datenbasierte
                                                                                                  Entscheidung                                       Warenspezifika:                      • Art der Waren
                                                                                                                                                                                          • Verfügbarkeit der Waren
                                Phase I                      Phase II     Phase III   Zeit                                                           Kosten:                              • Zahlungsarten
                                                                                                                                                                                          • Preis-Leistungs-Verhältnis
      Abbildung 3: Mehrwert verschiedener unternehmerischer Entscheidungsmethoden über die Zeit
                                                                                                                                                     Kommunikationsmethoden:              • Social-Media-Marketing
                                                                                                                                                                                          • Veranstaltungen
                                                                                                                                                                                          • Andere Marketingaktivitäten
Phase I – Initialisierungsphase                                                                                                                      Vertriebskanäle:                     • Online
                                                                                                                                                                                          • Innerhalb und außerhalb der Filiale
 Zu Beginn steht die Initialisierungsphase. Hier werden           die Anfangspunkte der drei Kurven, wird ersichtlich,
 die Grundlagen geschaffen, um überhaupt effektive                dass der Mehrwert für erwartete datenbasierte Ent­                                 Kundenspezifika:                     • Kundengruppen
 ­datenbasierte Entscheidungen treffen zu können. Wich­           scheidungen allerdings am höchsten ist. Dies lässt sich                                                                 • Parkplatzsituation
  tige Grundlagen für Big-Data-Anwendungen sind                   durch die Medien und Social Media erklären, denn diese                                                                  • Datensicherheit
beispielweise digitalisierte Verkaufszahlen und Kassen­           stellen Big Data als eine leicht zu realisierende Techno­
systeme oder Schnittstellen zur Übertragung dieser                logie dar, die schnell erste Erkenntnisse liefert. Dies ist                        Externe Einflüsse:                   • Gesetze und Verordnungen (Covid-19)
Daten. Dies dauert nach der Erfahrung im Projekt sehr             leider nicht so, weshalb sich ein fallender Verlauf des                                                                 • Wetter und Jahreszeiten
lange, weshalb Phase I im Vergleich zu den anderen                Mehrwertes einstellt. Vergleicht man dies mit der Kurve                                                                 • Auswirkungen von Covid-19
Phasen einen wesentlich längeren Zeitraum umfasst. In             von effektiven datenbasierten Entscheidungen, so fällt
dieser Phase gibt es noch wenig Mehrwert für die                  auf, dass das Gefälle der erwarteten daten­basierten Ent­           Tabelle 1: Wirksamkeitsfaktoren des Einzelhandels
­Einzelhändlerinnen und Einzelhändler. Betrachtet man             scheidungen steiler ist als das Gefälle der effektiven

16 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                            17
Daten vs. Bauchgefühl? - Zur Zukunft datengetriebener Entscheidungen im Einzelhandel des ländlichen Raums Cindy Schäfer, Aida Stelter, Hans ...
Die Befragung zeigt, dass auch angemessene Öffnungs­       ­ ewinn zu maximieren. Das Spannende an dem Wirk­
                                                           G                                                           Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass Marketing         zeigen aber auch, dass ältere Händlerinnen und Händler
zeiten­eines Geschäfts Einfluss auf den Umsatz haben       samkeitsfaktor ist, dass Traditionen in einer ländlichen    schon immer vielschichtig war und gerade im 21. Jahr­       darin deutlich mehr Hürden und Aufwand sehen als
können. Hier können Big-Data-Analysen hilfreich sein       Umgebung starken Einfluss haben, denn wie EZH 8 er­         hundert das meiste davon online auf Social Media            jüngere Händlerinnen und Händler. Insgesamt sind die
und Informationen darüber liefern, wann und wie viele      klärt, hat es sich über Jahrzehnte eingebürgert, dass zum   ­stattfindet (Leyes, 2021). Deshalb ist es wichtig, das     Einzelhändlerinnen und Einzelhändler sehr daran inte­
Menschen in der Stadt sind und wie sie sich bewegen.       Beispiel ein bestimmtes Geschäft am Mittwoch­nachmittag      ­Geschäft aktiv online auf Social Media zu präsentieren.   ressiert, die eigenen Social-Media-Aktivitäten zu ana­
Nach der Analyse könnten Einzelhändlerinnen und            geschlossen ist. Die folgenden Interview­ausschnitte ver­     Gerade in Zeiten einer Pandemie ist dies eine gute Mög­   lysieren und sehen darin ein großes Potenzial. Die
­Einzelhändler ihre Öffnungszeiten anpassen, um den        anschaulichen diese Entwicklung exemplarisch:                 lichkeit, die Kundinnen und Kunden zu erreichen und       ­folgenden Interviewausschnitte veranschaulichen, inwie­
                                                                                                                         sie auf aktuelle Ereignisse oder Angebote und Kauf­        fern Social-Media-Marketing Einfluss auf den stati­
                                                                                                                         möglichkeiten aufmerksam zu machen. Die Interviews         onären ­Einzelhandel hat:

    „Man verlässt sich nicht mehr darauf, dass man mitt­      „Es ist interessant zu hören, was die Analysen zeigen,
    wochmittags um halb drei bei [Name des Ladens] ist,       und dann empfiehlt das Projekt im Nachgang, mitt-
    weil die mittwochnachmittags geschlossen haben.           wochs ist gut oder damit ändere ich meine Zeiten.“          „Also, ich poste auf Facebook über unsere Seite und         „Das wäre natürlich interessant, wie viele da irgendwo
    ­Am Mittwochnachmittag ist auch [Name des Ge-                                                                         versuche, es nicht zu übertreiben. Natürlich beobachte      angeklickt haben, und wie viele dann tatsächlich hier-
     schäfts] geschlossen, weil die Eltern das 40 Jahre                                                     (EZH10)       ich auch, was unsere Branche macht und was die              hergekommen sind, weil sie das dort gelesen haben.“
     ­lang so gemacht haben. Ich habe das aufgelöst und                                                                   ­anderen machen.“
      10 oder 15 Jahre lang mittwochs durchgehend ge­                                                                                                                                 (EZH11)
      öffnet und dann gemerkt, dass es sich finanziell                                                                    (EZH3)
      nicht lohnt.“

                                                  (EZH8)
                                                                                                                                                                                   Die Befragung zeigt auch, dass die Covid-19-Pandemie-­
                                                                                                                                                                                   Situation große Auswirkungen auf die Einzelhändler­
                                                                                                                                                                                   innen und Einzelhändler hat. Sie können ihre Waren
                                                                                                                                                                                   nicht mehr wie gewohnt verkaufen und müssen teil­
                                                                                                                                                                                   weise um ihre Existenz bangen. Zwar haben sich auch
                                                                                                                                                                                   in Attendorn digitale Alternativen etabliert, aber das
                                                                                                                                                                                   ersetzt nicht den normalen Verkaufsalltag.

                                                                                                                                                                                      „Was aber noch der ganz große Hebel ist, sind die
                                                                                                                                                                                      fehlenden Veranstaltungen durch Corona.“

                                                                                                                                                                                                                                     (EZH13)

                                                                                                                                                                                      „Das hat auch die Krise gezeigt. Es gibt auch in unserer
                                                                                                                                                                                      Branche viele Studien darüber, dass diese kleinen
                                                                                                                                                                                      ­Läden das ganz gut überstanden haben. Die großen
                                                                                                                                                                                       Läden haben es schwer, weil sie oft in den Top-Läden
                                                                                                                                                                                       in den Innenstädten sind, wo die Leute im Moment
                                                                                                                                                                                       nicht so gerne hingehen, und sie sind genauso ano-
                                                                                                                                                                                       nym, und viele Kunden wollen ihren lokalen Laden
                                                                                                                                                                                       unterstützen.“

                                                                                                                                                                                       (EZH5)

18 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                        19
RANKING DER WIRKSAMKEITSFAKTOREN

                                                                                                                       Im Rahmen der quantitativen Umfrage wurden die                drittwichtigsten sind den Einzelhändlerinnen und
                                                                                                                       Wirksamkeitsfaktoren von den Einzelhändlerinnen und           ­Einzelhändlern Social-Media-Analysen aus der Ober­
                                                                                                                       Einzelhändlern bewertet, sodass sich eine ordinale             kategorie Kommunikationsmethoden. Bestätigen ließ
                                                                                                                       ­Reihenfolge derer ergibt – siehe Tabelle 2. Auffallend ist    sich dies durch die Datenanalysen der statmath GmbH.
                                                                                                                        hier, dass vier von sieben Oberkategorien in der Reihen­      Die Social-Media-Aktivitäten der Projektteilnehmer­
                                                                                                                        folge vertreten sind. Am wichtigsten sind den Einzel­         innen und -teilnehmer zeigten einen signifikanten
                                                                                                                        händlerinnen und Einzelhändlern Analysen über externe         ­Einfluss auf Umsatz und Verkaufszahlen. Abschließend
                                                                                                                        Einflüsse bezüglich des Wetters und der Jahreszeiten.          sind den Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern auch
                                                                                                                        Am zweitwichtigsten sind den Einzelhändlerinnen und            noch Analysen über die Warenart aus der Oberkategorie
                                                                                                                        Einzelhändlern Analysen über die Öffnungszeiten, wie           Warenspezifika und Analysen über die Kundenfrequenz
                                                                                                                        „Sind diese angemessen?“, „Wo besteht Verbesserungs­           im Tagesverlauf aus der Oberkategorie Ladenspezifika
                                                                                                                        potenzial?“, aus dem Bereich der Ladenspezifika. Am            wichtig.

                                                                                                                                  Wirksamkeitsfaktoren                                          Effektivitätsfaktoren

                                                                                                                                  1.      Wetter und Jahreszeiten                               1.      Keine Wettbewerbsverluste

                                                                                                                                  2.      Öffnungszeiten                                        2.      Hohe Datensicherheit

                                                                                                                                  3.      Social-Media-Aktivitäten                              3.      Ausgewogenes
                                                                                                                                                                                                        Ressourcenmanagement
                                                                                                                                  4.      Art der Waren
                                                                                                                                                                                                4.      Erkennbarer Mehrwert
                                                                                                                                  5.      Tägliche Kundenfrequenz
                                                                                                                                                                                                5.      Hohe Selbstwirksamkeit

                                                                                                                                Tabelle 2: Ordinale Reihenfolge der                           Tabelle 3: Effektivitätsfaktoren aus Sicht
                                                                                                                                Wirksamkeitsfaktoren                                          der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler

                                                                                                                       Ergänzend zu den Analysen über die Wirksamkeits­              hatte und die Daten nur bei statmath analysiert und
                                                                                                                       faktoren haben wir die Einzelhändlerinnen und Einzel­         ­verarbeitet wurden. Keinerlei Daten wurden nach außen
                                                                                                                       händler befragt, was deren wichtigsten Faktoren sind,          getragen. Zum Projektende haben die Einzelhändler­
                                                                                                                       damit die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler von             innen und Einzelhändler einen individuellen Analyse­
                                                                                                                       einem Big-Data-Projekt partizipieren. Im Ergebnis zeigt        bericht über ihre Daten erhalten. Der nächste wichtige
                                                                                                                       sich, dass fünf Faktoren, sogenannte Effektivitäts­            Effektivitätsfaktor ist, dass stets ein ausgewogenes
Phase II – Konsolidierungsphase                                                                                        faktoren, für die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler
                                                                                                                       von Bedeutung sind, damit ein Big-Data-Projekt in deren
                                                                                                                                                                                      ­Ressourcenmanagement vorhanden ist. Das bedeutet,
                                                                                                                                                                                       dass das Verhältnis von Aufwand und Nutzen ausge­
Die Konsolidierungsphase beginnt, wenn sich die Kurven      immer besser als die der traditionellen Instrumente. In    Augen effektiv für sie ist (siehe Tabelle 3).                   glichen ist. Ein weiterer wichtiger Effektivitätsfaktor
von effektiven datenbasierten Entscheidungen mit der        dieser Phase wird auch die Diskrepanz zwischen den                                                                         ist, dass der Mehrwert für die Einzelhändlerinnen und
Kurve der traditionellen Instrumente schneidet. Ab hier     effektiven datenbasierten Entscheidungen und denen
                                                            ­                                                          Klar erkennbar ist, dass die Einzelhändlerinnen und             Einzelhändler erkennbar ist. Im Projektverlauf haben
ist die Grundlagenarbeit erledigt und der erste unter­      die auf Erwartungen basierenWWw immer kleiner              Einzelhändler durch eine aktive Projektteilnahme keine          wir dafür mit den teilnehmenden Einzelhändlerinnen
nehmerische Mehrwert für Einzelhändlerinnen und             – die K
                                                                  ­ urven verlaufen asymptotisch. In dieser Phase      Wettbewerbsverluste erleiden möchten. Im Projektver­            und Einzelhändlern Workshops zu verschiedenen The­
Einzelhändler über das Maß traditioneller Maßnahmen         ist somit die Abbruchrate auch signifikant klein, da der   lauf kam oft die Beschreibung „gläserner Einzelhandel“          men veranstaltet, wodurch der individuelle Mehrwert
wird sichtbar. Ab hier starten die Vorteile für die         bisherige Aufwand und der Nutzen sich nun ausglei­         auf. Dies wird auf jeden Fall vermieden und geht mit            deutlich wurde. Zuletzt ist ein Effektivitätsfaktor, dass
­Einzelhändlerinnen und Einzelhändler. Das Zeitintervall    chen. In dieser Phase haben wir die zuvor hergeleite­      dem zweiten Effektivitätsfaktor einher. Im Projekt war          die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler die Ergeb­
 dieser Phase ist damit auch wesentlich kürzer als das      ten Wirksamkeitsfaktoren mit einer quantitativen Um­       zu jeder Zeit eine hohe Datensicherheit gewährleistet,          nisse nutzen und adaptieren, sodass in Schlussfolgerung
 der vorherigen Phase. Ab hier ist der Mehrwert der         frage ­ bewertet. Die Ergebnisse davon sind im             indem die statmath GmbH mit den partizipierten                  eine hohe Selbstwirksamkeit entsteht. Hierbei haben die
 ­effektiven datenbasierten Entscheidungen (blaue Kurven)   nächsten Kapitel dargestellt.                              ­Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern einen Vertrag            Projektpartner stets unterstützt.

20 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                    21
Phase III – Verstetigungsphase
                                                                                                             Die Verstetigungsphase beginnt abschließend, wenn der            s­ tatmath GmbH erhalten, in dem die Erkenntnisse für
                                                                                                             Mehrwert der effektiven datenbasierten Entscheidungen             ihr Geschäft aufgezeigt wurden. Diese Vorteile sollten
                                                                                                             mit dem Mehrwert der erwarteten datenbasierten                    nun aktiv g­ enutzt werden.
                                                                                                             ­Entscheidungen korreliert, also annähernd gleich ver­
                                                                                                              laufen. Die Erwartungen an die Leistungsfähigkeit               Als Beispiel möchten wir hier eine Analyse eines Einzel­
                                                                                                              datenbasierter Verfahren sind realistischer geworden
                                                                                                              ­                                                               händlers zeigen, welche die wichtigsten Einflussfaktoren
                                                                                                              und der unternehmerische Mehrwert ist deutlich größer           auf den Umsatz aufzeigt (Abbildung 4). Sichtbar ist, dass
                                                                                                              als beim anfänglichen Bauchgefühl. Ab hier sind im              die vier größten Einflussfaktoren für diesen Einzelhänd­
                                                                                                              ­Datenanalysesystem nur noch kleine Anpassungen nötig           ler die Wochentage, die Tageszeit, die Nutzungszahlen
                                                                                                               und der unternehmerische Mehrwert für Einzelhändler­           der Freifunkmasten und die Jahreszeit sind, wobei insbe­
                                                                                                               innen und Einzelhändler ist gegenüber den traditionellen       sondere die ersten beiden klar sind. Aussagekräftig sind
                                                                                                               Instrumenten deutlich sichtbar. Die projektbeteiligten         der hohe Einfluss der Freifunknutzer, der Temperatur
                                                                                                               Einzelhändler­innen und Einzelhändler haben hierzu             und Social-Media-Aktivitäten. Damit kann der Einzel­
                                                                                                               einen ausführlichen, individualisierten Bericht der
                                                                                                               ­                                                              händler nun seine persönliche Strategie anpassen.

                                                                                                             Einfluss auf den Umsatz

                                                                                                                  Variable

                                                                                                                  Wochentage

                                                                                                                  Tageszeit

                                                                                                                  Nutzungszahlen der
                                                                                                                  Freifunkmasten

                                                         78%
                                                                                                                  Monat

                                                                                                                  Temperatur

                                                   der befragten Einzelhändlerinnen                               Facebook Reichweite
                                                                                                                  in der vorherigen Woche
                                                   und Einzelhändler stimmen für die                              Zeit im Monat oder
                                                    ­anonymisierte Bereitstellung ihrer                           Lage im Monat
                                                          Daten in Social Media.                                  Facebook Reichweite
                                                                                                                  am vorherigen Tag
                                                                                                                  Facebook Reichweite
                                                                                                                  der vorherigen 3 Tage

                                                                                                                  Niederschlag

                                                                                                                  Nutzung des

                            67%
                                                                                                                  Hanse Check

                                                                                                                  Bewölkung

                                                                          89%
                                                                                                                  Schulferien
                    der befragten Einzelhändlerinnen
                                                                                                                  Veranstaltungen
                   und Einzelhändler würden ihre Daten
                                                                                                                  Tag der
                       über die Kundenanzahl nicht                   der befragten Einzelhändlerinnen             Werbemaßnahme
                           anonymisiert teilen.                      und ­Einzelhändler stimmen dafür,            Werbeanzeigen
                                                                     ihre ­Daten über die Bezahlvarianten­
                                                                                                                  Ferienzeiten
                                                                        ihrer ­Kundinnen und Kunden
                                                                            ­anonym­isiert zu teilen.                                                                                                                   Einfluss
                                                                                                                   Abbildung 4: Analyse der Einflussfaktoren auf den Umsatz

22 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                           23
17%
                                                                                                                                                                                           der Einzelhändlerinnen und Einzel­­-
                                                                                                                                                                                            händler würden die Anzahl ihrer
                                                                                                                                                                                              Kundinnen und Kunden und
                                                                                                                                                                                                Verkaufsvorgänge teilen.

Teilen von Daten? Ja oder nein?
                                                                                                                                                                                                     Social-Media
– Die Sicht der Einzelhändlerinnen und Einzelhändler                                                                            Umsatzdaten                       Kundenzahlen
                                                                                                                                                                                                      Aktivitäten
                                                                                                                                                                                                                                    Bezahlvarianten

In dieser Studie wurden neben der Analyse der Wirksam­       stimmen sie dem Teilen von bestimmten Daten zu, wie
keitsfaktoren von Big Data im Einzelhandel ebenso die        z.B. ihrer Social-Media-Aktivitäten.
verschiedenen Aspekte des Teilens von Daten im Rah­
men einer quantitativen Ergebung (N=81) beleuchtet.          Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass insbesondere Daten
                                                             über Umsatzzahlen und Kundenzahlen zu privat sind und
Die Einstellung der Einzelhändlerinnen und Einzel­           über 75 % der Befragten solche Informationen nicht
händler zum Teilen ihrer Daten ist zweigeteilt. Einerseits   ­veröffentlichen oder teilen würden. Im Gegensatz dazu
­stehen die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler dem          gaben mehr als 86 % der Befragten an, dass sie Daten zu                                        ja             eher ja             neutral                 eher nein
 Teilen von Daten kritisch gegenüber, da sie Angst haben,     Bezahlvarianten teilen würden und mehr als 71 % der
 zu private und wichtige Daten zu veröffentlichen und sie     Befragten würden ihre Social-Media-Aktivitäten veröf­           Abbildung 5: Datenbereitstellung aus der Sicht von Einzelhändlerinnen und Einzelhändler
 dadurch einen Nachteil bekommen könnten. ­Andererseits       fentlichen, siehe Abbildung 5.

                                                                                                                        Als Resümee kann festgehalten werden, dass alle                       dass es immer Vorangehende gibt, die eine Vorbildfunk­
                                                                                                                        ­befragten Einzelhändlerinnen und Einzelhändler grund­                tion einnehmen, sodass wir durch das Bereitstellen der
                                                                                                                         sätzlich eine positive Einstellung und Absicht zum ­Teilen           Daten in dieser Studie aufzeigen konnten, welche

                            88%
                                                                                                                         von Daten haben. Je nachdem, um welche Daten es sich                 ­Wirkungen Daten tatsächlich haben. Durch die Analyse
                                                                                                                         handelt, sind die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler                und Be­  wertung aller bereitstehenden Daten konnten

                                                                                   71%
                                                                                                                         bereit, diese zur Verfügung zu stellen, wenn sie das                  wichtige Rückschlüsse gezogen werden, die ohne die
                                                                                                                         ­Gefühl haben, dass sie nicht allzu private Daten veröf­              Einzel­ händlerinnen und Einzelhändler nicht bekannt
                       der Einzelhändlerinnen und Einzel-                                                                 fentlichen. Es fehlt ihnen das Wissen und die konkrete               wären. ­  Dadurch zeigt diese Studie, dass durch die
                       händler würden ihre Daten zu ihren                                                                 Umsetzung darüber, welche Daten tatsächlich preisgege­               ­gemeinsame Bereitstellung von Daten wichtige Erkennt­
                                                                             der Einzelhändlerinnen und Einzel-           ben werden sollen und wie sie die Daten für ihre eigene               nisse ge­zogen werden können und sich ein Mehrwert für
                        ­Bezahlvorgängen veröffentlichen.
                                                                             händler stimmen dafür, ihre Daten            Zwecke nutzen. Hier kommen die Ängste hervor, die die                 alle ­Beteiligten ergibt. Werden die Hürden bei den
                                                                                ­zu ­Social-Media-Aktivitäten             konkrete Umsetzung verhindern. Da die Ergebnisse                   ­anderen Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern schluss­
                                                                                            zu teilen.                    ­dieser Studie auf Daten von den teilnehmenden Einzel­              endlich überwunden, so kann aus Big-Data-Projekten
                                                                                                                           händlerinnen und Einzelhändlern basieren, zeigt sich,              sämtlicher Mehrwert allumfänglich generiert werden.

24 Daten vs. Bauchgefühl?                                                                                                                                                                                                                             25
3.      Stosszeiten nutzen!
                                                                                                                           Einen sehr starken Einfluss auf den Umsatz und die          bestimmten Zeiten (zwei Stunden am Morgen und zwei
                                                                                                                           Verkaufszahlen haben die Kundenfrequenz während             Stunden am Nachmittag) einen starken Andrang erleben
                                                                                                                           des Tages, die Veranstaltungen, die Covid-19-Pandemie       und daher einen Unterschied im Umsatz im Vergleich
                                                                                                                           in ihren Auswirkungen und die daraus folgende               zu den Spitzenzeiten sehen. Daraus lässt sich schließen,
                                                                                                                           ­Gesetzgebung beziehungsweise Verordnungen. So hatte        dass die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler gerade
                                                                                                                            beispielsweise die Kundenfrequenz während des Tages        in den Stoßzeiten ihre Produkte intensiver an die Kun­
                                                                                                                            einen sehr großen Einfluss sowohl auf den Umsatz als       dinnen und Kunden verkaufen können und daher ihre
                                                                                                                            auch auf die Verkaufszahlen. Alle befragten Einzel­        individuellen Strategien anpassen sollten.
                                                                                                                            händlerinnen und Einzelhändler gaben an, dass sie zu

                                                                                                                           4. Kundenvertrauen wertschätzen!
                                                                                                                           Kundenkarten sind beispielsweise für den stationären        Kunden zu binden. Die Auswertung zeigt, dass diese
                                                                                                                           Handel von großer Relevanz, um einen Überblick und          Art der Kundenbindung zwar beliebt ist, aber nur einen
                                                                                                                           eine Datenbasis über die Kundschaft zu erhalten und         geringen Einfluss auf die Umsatz- und Verkaufszahlen
                                                                                                                           diese regelmäßig über Aktionen der Markenpartner­           hat. Sie zeigt den Kundinnen und Kunden jedoch, dass
                                                                                                                           innen und Markenpartner zu informieren sowie kleine         ihr Vertrauen und ihre Unterstützung durch den Kauf
                                                                                                                           Zusatzgeschenke nur für Karteninhaberinnen und Kar­         wertgeschätzt werden.
                                                                                                                           teninhaber bereitzustellen. Kurz: Um Kundinnen und

7         Handlungsempfehlungen für den                                                                                    5.      Externe Faktoren berücksichtigen!
          ländlichen stationären Einzelhandel
                                                                                                                           Eine Differenzierung der Einflüsse auf die Umsatz- und      nur einen geringen Einfluss auf den Umsatz, aber einen
                                                                                                                           Verkaufszahlen zeigte sich vor allem bei den Faktoren       stärkeren Einfluss auf die Verkaufszahlen hat. Je nach
                                                                                                                           Wetter, Online-Präsenz, Social-Media-Marketing und          Sortiment berichteten einige Händlerinnen und Händler,
    1.      Dem Bauchgefühl vertrauen und ergänzen!                                                                        die Warenart. Am Beispiel des Wetters lässt sich dies       dass sich beispielsweise ein Sommerregen positiv auf
                                                                                                                           anschaulich darstellen. Mit Hilfe der Datenanalyse lassen   ihre Verkaufszahlen auswirkt und vermuten, dass die
Ein wichtiges Instrument der Einzelhändlerinnen und            ­ ehrwerts und dem verbundenen Aufwand steigen
                                                               M                                                           sich so schon einfache Prognosen über das Kunden­           Kundinnen und Kunden nicht im Garten sind, sondern
Einzelhändler ist und bleibt ihr Bauchgefühl. Im ­Rahmen       ­infolgedessen an. Im Projektverlauf zeigte sich, dass      verhalten erzeugen, welche unmittelbar genutzt werden       in der Stadt einkaufen gehen. Daraus lässt sich schließen,
dieser Studie zeigt sich jedoch, dass das Bauchgefühl um        ­datenbasierte oder datenunterstützende Entscheidungen     können. Zusammen mit der Berücksichtigung externer          dass Wettervorhersagen einen Einfluss auf die Verkaufs­
datengetrieben Entscheidungen ergänzt werden sollte.             zunächst kritisch bewertet wurden, diese mit der Zeit     Faktoren und der Kenntnis der verschiedenen Phasen          zahlen haben können und vom stationären Handel in die
Der Einsatz von datenbasierten Verfahren zeigt erst mit          jedoch als sehr sinnvoll und wichtig betrachtet wurden.   der Datenanalyse wird verstecktes Potential zugänglich      Planung umsatzfördernder Maßnahmen aufgenommen
Beginn der Konsolidierungsphase (Phase II) seinen                Einzelhändlerinnen und Einzelhändler sollten auf ihr      (ab Phase II). So zeigten die Ergebnisse, dass das Wetter   werden sollten.
Mehrwert, welche in der Verstetigungsphase (Phase                Bauchgefühl vertrauen und ihre Entscheidungen daten­
III) weit über dem Bauchgefühl liegt. In der Regel               basiert ergänzen, um den Mehrwert vollumfänglich
­werden die hoch angesiedelten Erwartungen nicht                 ­auszunutzen.                                             6.      Verschiedene Methoden des Bezahlens
 von Beginn an erfüllt und die Zweifel bezüglich des
                                                                                                                                   sind „nur“ attraktiv!
2.          Datenbasierte Entscheidungen brauchen ihre Zeit!                                                               Das Angebot von verschiedenen Zahlungsmethoden              auf die Verkaufszahlen und einen eher mittelmäßigen
                                                                                                                           kann eine Reihe von Kundinnen und Kunden erreichen          Einfluss auf den Umsatz haben. Durch eine automati­
    Die Nutzung von Daten und deren Bereitstellung für         Vorteilen führt. Daten sind in Zeiten der Digitalisie­      und ihnen verschiedene Optionen bieten. Neben den           sierten Datenaufzeichnung und Analyse werden die
    die Öffentlichkeit bedeutet für viele Einzelhändlerinnen   rung nicht mehr wegzudenken und nur durch die               klassischen Zahlungsmethoden, wie Bar- und EC-­             Hürden für datenbasierte Entscheidungen gesenkt, da
    und Einzelhändler zu Beginn einen enormen Arbeits­         frühzeitige und konstante Auseinandersetzung mit            Zahlungen, werden neue Zahlungsmethoden, wie Apple          die Grundarbeiten, wie sie im Projekt stattgefunden
    aufwand, welcher zunächst höher als der Mehrwert           den Daten werden der Mehrwert und all die Vorteile          Pay oder Google Pay, gesellschaftlich attraktiver und       ­haben, bereits vorhanden sind. Die Initialisierungsphase
    ­erscheint. Jedoch handelt es sich bei der Arbeit mit      sichtbar. Schlussendlich ergeben sich so Erleichterungen    vielfältige Zahlungsmethoden sprechen Kundinnen und          (Phase I) verkürzt sich somit und die Vorteile der Kon­
     ­Daten um einen langwierigen Prozess, welcher mit         und Zeitersparnis für den Einzelhandel. Hier gilt das       Kunden an ohne nachteilige Beeinflussung des Kaufver­        solidierungsphase (Phase II) und Verstetigungsphase
      ­Beginn der Konsolidierungsphase (Phase II) und spä­     Motto: >>Dran bleiben – der Erfolg zahlt sich aus!
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