Der "Affective Style Questionnaire (ASQ)": Deutsche Adaption und Validitäten
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100 Sonderdruck aus: Diagnostica, Johannes Graser 58, Heft 2, 100–111 et al. © Hogrefe Verlag Göttingen 2012 Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“: Deutsche Adaption und Validitäten Johannes Graser, Christiane Bohn, Augustin Kelava, Franziska Schreiber, Stefan G. Hofmann und Ulrich Stangier Zusammenfassung. Der Affective Style Questionnaire (ASQ) wurde aus dem Englischen übersetzt und an einer studenti- schen Stichprobe (N = 640) validiert. Der ASQ ist ein Selbstbeurteilungsinstrument bestehend aus 20 Items, in dem drei allgemeine Emotionsregulationsstile erfasst werden: Unterdrücken, Anpassen/Neubewerten und Akzeptieren. Die faktorielle Struktur wurde mithilfe des ESEM-Verfahrens (Exploratory Structural Equation Modeling) überprüft. Die Ergebnisse konnten die Faktorenstruktur der englischen Vorlage bestätigen. Die Testgütekriterien, die Konstruktvalidität und demographische Einflüsse wurden untersucht. Die internen Konsistenzen erwiesen sich als zufriedenstellend (Unterdrücken-Skala: = .84; Anpassen-Skala: = .75; Akzeptieren-Skala: = .72), was ebenfalls sehr nahe an den Werten der Originalstudie liegt. Die Subskalen wiesen hypothesenkonforme Zusammenhänge zu bestehenden Verfahren aus dem Forschungsbereich „Emotionsre- gulation“ auf. Der deutschsprachige ASQ ist ein ökonomisches Instrument in einem Bereich, in dem es erst sehr wenige validierte Verfahren gibt. Kein bestehendes Verfahren erfasst die drei genannten Stile in zufriedenstellender Weise gemeinsam. Mögliche Einsatzbereiche sind in der gesunden Allgemeinbevölkerung und nach weiterer Validierung auch in klinischen Populationen anzusehen. Schlüsselwörter: Affective Style Questionnaire, ASQ, deutsche Adaption, Emotionsregulation The “Affective Style Questionnaire (ASQ)”: German Adaptation and Validity Abstract. The English version of the Affective Style Questionnaire (ASQ) was translated into a German version and validated using a student sample (N = 640). The ASQ is a self-rating instrument which consists of 20 items and assesses three broad emotion regulation styles: suppression, adjusting/reappraisal, and accepting. The factor structure was analysed using the ESEM-procedure (Exploratory Structural Equation Modeling). The results replicated the original factor structure. Psycho- metric properties, construct validity, and demographic influences were examined. Internal consistencies were satisfactory (suppression scale: = .84; adjusting scale: = .75; accepting scale: = .72) which is consistent with the original version. The subscales showed expected correlations to other instruments. The German version of the ASQ is an economic instrument in a field in which very few validated instruments exist and none of them assesses the three styles altogether. The current study proved the applicability of the ASQ within the healthy general population; future studies concerning the viability in clinical populations are needed. Key words: Affective Style Questionnaire, ASQ, German version, emotion regulation Die Regulation von Emotionen ist im alltäglichen Leben 1988) und auch dem Vorliegen psychischer Störungen ab aller Menschen von großer Bedeutung (Benecke, Vogt, (Gross, 1998a). So finden sich Defizite in der Regula- Bock, Koschier & Peham, 2008), weshalb sie im Kontext tion von Emotionen bei depressiven Störungen (Horn & klinisch-psychologischer Forschung einen wertvollen Hautzinger, 2003), generalisierten Angststörungen (Men- Forschungsgegenstand darstellt (Berking & Znoj, 2008). nin, Heimberg, Turk & Fresco, 2002), sozialen Phobien Laut Gross (2002) ist es eine der großen Lebensaufgaben, (Mennin, McLaughlin & Flanagan, 2009), Bulimie (Sim & die eigenen Emotionen erfolgreich zu regulieren. Der Be- Zeman, 2004) und Borderline-Persönlichkeitsstörungen griff Emotionsregulation bezieht sich auf Prozesse, mit (Linehan, 1996; Levine, Marziali & Hood, 1997). Derartige denen eine Person beeinflusst, welche Emotionen sie hat, Defizite liegen beispielsweise im Bereich des Verständnis- wann sie sie hat, und wie sie sie erlebt und ausdrückt ses eigener Emotionen sowie in deren unangemessen (Gross, 1998a). Wie Menschen mit Emotionen umgehen, negativen kognitiven Bewertungen. hängt u. a. von Persönlichkeitsmerkmalen (John & Gross, 2004), Temperamentfaktoren (Kagan, Reznick & Snidman, Durch das wachsende Forschungsinteresse im Be- reich Emotionsregulation (Abler & Kessler, 2009) ergibt sich sowohl für gesunde als auch für klinische Populatio- Herr Prof. Dr. Hofmann ist in beratender Funktion für das nen ein Bedarf an Verfahren zur Erfassung individueller Unternehmen Merck tätig und wird vom National Institute of Men- Merkmalsausprägungen in verschiedenen Emotionsregu- tal Health (NIMH; MH078308) gefördert. lationsstilen. Drei in der Literatur und der klinischen Praxis DOI: 10.1026/0012-1924/a000056
Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“ 101 genannte Stile, die Menschen anwenden, um mit ihren Informationen bewerten, um einzuschätzen, ob er selbst Emotionen und Stimmungen umzugehen sind das Unter- gut zu dieser Universität passt. Mit der Änderung von der drücken, das Anpassen/Neubewerten und das Akzeptie- ersten zur zweiten Bewertung ändern sich auch die mit der ren von Emotionen (Hofmann & Kashdan, 2009; Aldao, Interviewsituation verbundenen Emotionen in günstiger Nolen-Hoeksema & Schweizer, 2010). Diese Stile werden Weise. Menschen, die die Strategie des Anpassens/Neu- mit insgesamt 20 Items im Affective Style Questionnaire bewertens häufiger benutzen, zeigten in einer Untersu- (ASQ) erfasst. Bisher gibt es kein deutschsprachiges chung von Mauss, Cook, Cheng und Gross (2007) weni- Instrument, um die drei genannten Stile gemeinsam zu er- ger negative Emotionen, bei Provokationen weniger Ärger fassen. sowie allgemein günstigere physiologische Werte als Pro- banden, die die Strategie des Anpassens/Neubewertens seltener benutzen. Die drei Emotionsregulationsstile des ASQ Es gibt bereits einige Studien, in denen Anpassen/ Unterdrücken von Emotionen Neubewerten und Unterdrückung auf ihre Effektivität und Auswirkungen hin verglichen wurden: Gross und Die Unterdrückung von Emotionen (suppression/con- John (2003) konnten bei einer nichtklinischen, studenti- cealing) stellt den ersten im ASQ erfassten Emotionsregu- schen Stichprobe zeigen, dass eine Neigung zum Anpas- lationsstil dar und beinhaltet auch einen vermeidenden sen/Neubewerten mit mehr positiven und weniger negati- sowie einen nach außen hin verbergenden Aspekt im Um- ven Emotionen, mit weniger Problemen im interpersonel- gang mit den eigenen Gefühlen (Hofmann & Kashdan, len Umgang und mit höherem Wohlbefinden einhergeht, 2009). Gross und John (2003) nennen hierfür beispiels- als wenn eine Neigung zum Unterdrücken besteht. Diese weise einen Pokerspieler, der trotz offensichtlich un- Befunde beruhen auf Selbstbeurteilungsinstrumenten, schlagbarer Karten bewusst nachdenklich und skeptisch Fremdeinschätzungen durch Bekannte und experimental- in die Runde blickt – er unterdrückt seine freudige Vorah- psychologischen Ergebnissen. Ebenfalls negativere Aus- nung und zeigt ein „Pokerface“. In diesem Fall ist das Un- wirkungen hat Unterdrückung auf das Wohlbefinden terdrücken von Emotionen möglicherweise gewinnbrin- sowie die Krankheitsbewältigung bei Dialysepatienten gend, in der psychologischen Forschung werden jedoch (Gillanders, Wild, Deighan & Gillanders, 2008), auf das durchweg negative Auswirkungen des Unterdrückens physiologische Erregungsniveau bei Ekel induzierendem beschrieben: In einer Reihe von Studien (Wegner, Erber & Filmmaterial bei Studenten (Gross, 1998b) und auf die Ge- Zanakos, 1993; Wegner, 1994; Dalgleish, Yiend, Schwei- dächtnisleistung von Studenten (Richards & Gross, zer & Dunn, 2009) wurde gezeigt, dass Angst- und De- 2000). pressionspatienten beim Versuch, negative Emotionen zu unterdrücken, paradoxerweise oft einen Anstieg dieser Emotionen erleben. Bei psychisch gesunden Menschen Akzeptanz von Emotionen tritt dieser Effekt ebenfalls auf, und zwar dann, wenn sie zusätzlich zur Emotionsunterdrückung kognitiv ausge- Der dritte im ASQ erfasste Emotionsregulationsstil ent- lastet sind (Wegner et al., 1993). Auch auf andere Patien- spricht einem akzeptierenden, aushaltenden (accepting/ tengruppen wie chronische Schmerzpatienten (Burns tolerating) Umgang mit Emotionen, was oft auch eine et al., 2008) und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankun- hohe emotionale Belastungstoleranz erfordert (Hofmann gen (Denollet et al., 1996) wirkt sich das Unterdrücken & Kashdan, 2009). Bei chronischen Schmerzpatienten be- von Emotionen negativ aus. Abzugrenzen ist das Unter- richteten diejenigen, die eher zum Emotionsregulationsstil drücken noch von automatischen Emotionsregulations- der Akzeptanz neigen, über ein höheres Wohlbefinden als prozessen, die oft nicht wahrnehmbar sind und weniger Patienten, die andere Emotionsregulationsstile anwenden kognitive Ressourcen benötigen als der bewusste Einsatz (Viane et al., 2003). Carmody, Vieten und Astin (2007) von Emotionsregulationsstrategien (Mauss, Bunge & konnten in einer Studie nachweisen, dass das Akzeptie- Gross, 2007; Williams & Bargh, 2007). ren negativer Emotionen beispielsweise die Raucherent- wöhnung erleichtert. Auf dem Grundsatz, aufkommende Emotionen zu akzeptieren, basiert auch die sogenannte Anpassen von Emotionen Acceptance and Commitment Therapy (Hayes, Strosahl & Wilson, 1999; Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis, Der Emotionsregulationsstil des Anpassens (adjusting/ 2006). Hauptziel ist es, Strategien zur Vermeidung des Erle- reappraisal) beinhaltet persönliche Strategien und Ver- bens von negativen Emotionen abzubauen und eine ge- haltensweisen, um die eigenen Emotionen in einer ge- sunde und akzeptierende Grundhaltung gegenüber den wünschten Weise zu beeinflussen. Dies schließt auch die eigenen Emotionen zu entwickeln. Fähigkeit, eine Situation im Voraus neu zu bewerten, um unangenehme Emotionen abzuschwächen oder sogar Auch das Akzeptieren wurde auf Effektivität und Aus- ganz loszuwerden, mit ein. Gross und John (2003) nennen wirkungen hin mit Unterdrückung verglichen. Sowohl an hierfür beispielsweise ein Auswahlgespräch für einen Stu- einer klinischen Stichprobe mit Angst-, Depressions- und dienplatz. Ein Bewerber kann diese Situation sicherlich als Soziale Phobie-Patienten (Campbell-Sills, Barlow, Brown unangenehmen Test des eigenen Wertes auffassen, er & Hofmann, 2006) als auch an einer studentischen Stich- könnte sie aber auch als ein „Geben“ und „Nehmen“ von probe (Kashdan & Steger, 2006) konnten günstigere Aus-
102 Johannes Graser et al. wirkungen durch die Neigung zum Akzeptieren im Ver- Ein weiteres Verfahren ist der Fragebogen zur Erfas- gleich zur Neigung zum Unterdrücken festgestellt wer- sung von Emotionserleben und Emotionsregulation den. Im Fall der klinischen Stichprobe waren dies weniger (EER; Benecke et al., 2008): Er besteht aus zwei Teilen und negative Emotionen und günstigere physiologische Wer- erfasst das Emotionserleben im Zeitraum der letzten sie- te bei Stress. Bei der studentischen Stichprobe wurden ben Tage sowie den Umgang mit einer selbst gewählten durch Akzeptanz mehr positive Emotionen erlebt. als „schwierig“ erlebten Emotion. Die im EER eingesetzten Skalen weisen keine inhaltlichen Überschneidungen mit Es gibt eine Studie, die alle drei Stile anhand einer dem ASQ auf. Stressinduktion bei Studenten (improvisierte Rede vor Kamera) vergleicht (Hofmann, Heering, Sawyer & Asnaa- ni, 2009). Probanden, die Anpassen/Neubewerten anwen- Ableitung von Hypothesen und deten, hatten weniger Angstgefühle als Probanden, die Fragestellungen Akzeptanz oder Unterdrückung einsetzten. Der Anstieg des Pulses bei Verwendung von Unterdrückung war grö- Zunächst wurde angenommen, dass die Faktorenanaly- ßer als bei Anpassen/Neubewerten und Akzeptanz. se drei eindeutig interpretierbare Faktoren ergibt, die die drei Skalen des englischsprachigen ASQ (Hofmann & Kashdan, 2009) bestätigen. Darüber hinaus sollten die Einordnung im Bereich drei ASQ-Skalen zufriedenstellende interne Konsistenzen Emotionsregulationsforschung aufweisen. Zur Konstruktvalidierung wurden der Emo- tion Regulation Questionnaire (ERQ; Abler & Kessler, 2009), der Berkeley Expressivity Questionnaire (BEQ; Die aufgezeigten Auswirkungen der verschiedenen Emo- Mohiyeddini, John & Gross, 2008), die Toronto Alexithy- tionsregulationsstile verdeutlichen den hohen Nutzen mia Scale (TAS-26; Kupfer, Brosig & Brähler, 2001) und eines Fragebogens, der die Ausprägung der drei beschrie- der Acceptance and Action Questionnaire (AAQ; Rüsch benen Emotionsregulationsstile erfasst. Es existiert derzeit & Brück, 2003) herangezogen. kein deutschsprachiges Instrument, das die Emotionsre- gulationsstile Unterdrückung, Anpassen und Akzeptanz Bezüglich der konvergenten Konstruktvalidität wurde gemeinsam erfasst. für die ASQ-Skala Unterdrücken ein hoher positiver Zu- sammenhang mit der Unterdrücken-Skala des ERQ (Abler Im ASQ wird Unterdrückung mit neun Items spezifi- & Kessler, 2009) erwartet. Laut Gross und Levenson (1993) scher erfasst als im Emotion Regulation Questionnaire neigen Menschen, die Ihre Emotionen unterdrücken, zu (ERQ; Abler & Kessler, 2009), wo dieser Stil mit vier Items geringerer emotionaler Expressivität als Menschen, die erhoben wird. Statt nur auf den Umgang mit negativen mit ihren Emotionen anders umgehen. Daher wurden Emotionen allgemein wird im ASQ auch spezifisch auf den negative Zusammenhänge zwischen der Unterdrücken- Umgang mit Trauer und Ärger eingegangen. Skala des ASQ und den drei Skalen des BEQ-D Negative Expressivität, Positive Expressivität und Impulsintensi- Die Anpassen-Skala des ASQ beinhaltet die Verwen- tät (Mohiyeddini et al., 2008) erwartet. dung von individuellen Emotionsregulationsstrategien („Ich weiß genau, was ich tun muss, um in eine bessere Für die ASQ-Skala Anpassen wurden positive Zusam- Stimmung zu kommen“), ähnlich der aus drei Items beste- menhänge mit der Neubewerten-Skala des ERQ (Abler & henden Regulations-Skala im Fragebogen zur standar- Kessler, 2009) angenommen. Menschen, die die Strategie disierten Selbsteinschätzung emotionaler Kompetenzen des Anpassens/Neubewertens häufiger benutzten, zeigten (SEK-27; Berking & Znoj, 2008). Darüber hinaus wird in in einer Untersuchung von Mauss und Kollegen (2007) der Anpassen-Skala des ASQ auch die Strategie des Neu- weniger negative Emotionen, bei Provokationen weniger bewertens einbezogen („Ich kann es vermeiden, mich auf- Ärger sowie allgemein günstigere physiologische Werte zuregen, indem ich die Dinge aus einer anderen Perspekti- als Personen, die die Strategie des Anpassens seltener be- ve betrachte“). Dieser Teilaspekt des Anpassens wird nutzten. Es ist daher davon auszugehen, dass es negative auch im ERQ erhoben, dort werden wiederum keine indivi- Zusammenhänge zwischen der Anpassen-Skala des ASQ duellen Anpassungsstrategien erfasst. und den Konstrukten Impulsintensität und Negative Expressivität des BEQ-D gibt. Für den Stil des Akzeptierens ist bisher lediglich eine aus drei Items bestehende Sub-Skala des SEK-27 mit Re- Für die ASQ-Skala Akzeptieren wurden positive Zu- liabilitäten zwischen .62 und .68 verfügbar. Daher stellt sammenhänge mit den drei Skalen des BEQ-D erwartet, da auch die aus sechs Items bestehende Akzeptieren-Skala anzunehmen ist, dass Menschen, die eher zum Emo- des ASQ einen Zugewinn zu den bestehenden Verfahren tionsregulationsstil des Akzeptierens neigen, diese Emo- dar. Die zum Akzeptieren gegenpolige Tendenz des Nicht- tionen auch „ungefiltert“ ausdrücken. Der AAQ (Rüsch Akzeptierens eigener Emotionen wird im Acceptance and & Brück, 2003) erfasst das Konstrukt experiential avoi- Action Questionnaire (AAQ; Rüsch & Brück, 2003) und dance, welches laut Hayes und Kollegen (2006) eine ge- in der Difficulties in Emotion Regulation Scale (DERS; genpolige Beziehung zur Akzeptanz von Emotionen auf- Gratz & Roemer, 2004) erfasst. Letztere Skala ist jedoch weist. Daher wurde dies auch für die vorliegende Untersu- noch nicht in validierter deutscher Fassung verfügbar. chung angenommen.
Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“ 103 Gross und John (2003) konnten über mehrere Stichpro- 23.82 Jahre (SD = 4.63). Weibliche Probanden waren im ben hinweg zeigen, dass Männer eher zum Unterdrücken Durchschnitt 23.76 (SD = 4.73) Jahre alt, männliche Pro- von Emotionen neigen als Frauen. Deshalb haben wir banden waren im Durchschnitt 23.95 (SD = 4.12) Jahre alt. überprüft, ob geschlechtsspezifische Unterschiede bei Dieser Unterschied ist nicht signifikant (p = .69; t (629) = der Präferenz für Emotionsregulationsstile vorliegen. .41). Zusätzlich wurden demografische und persönliche Daten wie Nationalität, Muttersprache, Bildungsstand und Studienfach erhoben. Von den 640 Probanden besa- Methoden ßen 601 die deutsche Staatsbürgerschaft, für 594 Proban- den war Deutsch die Muttersprache. Mit 390 Studenten (60.94 %) stellten die Hauptfachstudierenden der Psycho- Konstruktion des ASQ logie die größte Teilnehmergruppe dar. Als Teilnahmean- reiz wurden 3 Online-Einkaufsgutscheine à 20 € verlost. Hofmann und Kashdan (2009) erstellten den ASQ in der ursprünglichen englischen Fassung aus einem aus 127 Fragen bestehenden Itempool, der, durch eine Faktoren- Weitere Messinstrumente analyse bestätigt, die drei vorgestellten Emotionsregula- tionsstile erfasste. Dieser Itempool wurde an einer studen- Der Emotion Regulation Questionnaire (ERQ; Gross & tischen Stichprobe der Boston University, USA (N = 434) John, 2003; dt. Version von Abler & Kessler, 2009) besteht getestet und dann an dieser und einer weiteren studenti- aus 10 Items und erfasst interindividuelle Unterschiede schen Stichprobe der George Mason University in Virgi- in den beiden Emotionsregulationsstrategien Unterdrü- nia, USA (N = 495) auf seine Faktorenstruktur, die psycho- ckung und Neubewertung. Der Berkeley Expressivity metrische Qualität und Konstruktvalidität hin untersucht. Questionnaire (BEQ; Gross & John, 1995; dt. Version Items, die im Sinne einer Einfachstruktur auf einem der drei BEQ-D von Mohiyeddini et al., 2008) umfasst 16 Items zur Faktoren hoch luden, wurden ausgewählt, Items mit gerin- Erfassung von interindividuellen Unterschieden in drei ger Itemvalidität/Ladung wurden verworfen. Auf Grundla- Dimensionen der emotionalen Expressivität: Negative ge dieser Vorgehensweise konnten die drei Skalen Unter- Expressivität, Positive Expressivität und Impulsinten- drückung („Ich kann meine Gefühle gut verbergen“), An- sität. Die Toronto Alexithymia Scale (TAS-20; Bagby, passen („Ich weiß genau, was ich tun muss, um in eine Parker & Taylor, 1994; dt. Version TAS-26 von Kupfer bessere Stimmung zu kommen“), und Akzeptanz („Es ist et al., 2001) erfasst das Konstrukt der Alexithymie, die so- OK, wenn andere sehen, dass ich aufgebracht bin“), er- genannte Gefühlsblindheit. Diese beinhaltet die Unfähig- stellt werden. Diese ergaben zusammen 20 Items, wobei keit, Gefühle hinreichend wahrnehmen und beschreiben die Skala Unterdrückung aus 8 Items, die Skala Anpassen zu können. Der in der Originalarbeit verwendete Accep- aus 7 Items, und die Skala Akzeptanz aus 5 Items besteht. tance and Action Questionnaire-II (AAQ-II; Bond et al., Die Antwortskala ist eine 5-stufige Likert-Skala und reicht 2011) lag in deutscher Version noch nicht in der überarbei- von „Trifft auf mich überhaupt nicht zu“, „Trifft ein klein teten Fassung AAQ-II, sondern nur in der ersten Version wenig zu“, „Mittelmäßig“, „Trifft ziemlich zu“, bis „Trifft AAQ (AAQ; Hayes et al., 2004; dt. Version von Rüsch & auf mich sehr stark zu“. Keines der Items ist invertiert. In Brück, 2003) vor. Er beinhaltet 9 Items zur Erfassung des der vorliegenden Studie wurde die deutsche Version des Konstrukts experiential avoidance. Dies ist die Tendenz ASQ (Bohn & Hofmann) validiert. Bei der Erstellung wur- einer Person, den Zugang zu besonders persönlichen Er- de das Verfahren der back-translation (vgl. Brislin, 1970) fahrungen (z. B. Emotionen, Gedanken, körperlichen Emp- angewendet, um sprachlich und inhaltlich nah an der findungen) zu vermeiden (Hayes, Wilson, Gifford, Follette Originalversion zu bleiben. & Strosahl, 1996). Stichprobe Datenaufbereitung und Auswertung Wie in der amerikanischen Validierungsstudie wurde auch Die Daten wurden mit der Onlinefragebogenplattform Uni- in der aktuellen Untersuchung eine studentische Stich- park (Hersteller: Globalpark) erhoben und in die Statis- probe mithilfe eines Onlinefragebogens rekrutiert. Insge- tiksoftwares Mplus für Windows (Version 5.2) und SPSS samt nahmen N = 811 Personen teil. Neben der Abfrage für Windows (Version 17.0) exportiert, mit deren Hilfe die des Studentenstatus wurde erhoben, ob sich die Proban- Berechnungen durchgeführt wurden. Berechnungen zur den aktuell in psychotherapeutischer/psychiatrischer Be- Faktorenstruktur und der Modellgüte wurden mit Mplus handlung befanden. Dies konnte mit „Ja“, „Nein“ oder vorgenommen, alle anderen Berechnungen wurden mit „Keine Angabe“ beantwortet werden. Nur solche Proban- SPSS durchgeführt. Es wurden nur Datensätze verwen- den, die eine „Nein“-Antwort gaben, wurden im weiteren det, bei denen auch demografische Daten wie der Studen- Verlauf der Studie berücksichtigt. Daher bestand die Ge- tenstatus sowie die Information, ob sich der Proband in samtstichprobe aus nur N = 640 Personen. Von den 640 psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung be- Probanden waren 509 (79.53 %) weiblichen und 126 findet, vorlagen. Fehlende Werte wurden mit multipler Im- (19.69 %) männlichen Geschlechts, 5 Probanden gaben ihr putation (fünf Imputationen) mithilfe des Missing Value Geschlecht nicht an. Die Altersspanne der Probanden Plugins in SPSS 17.0 ersetzt (vgl. Lüdtke, Robitzsch, reichte von 18 bis 48 Jahre. Das Durchschnittsalter betrug Trautwein & Köller, 2007). Der Anteil an fehlenden Wer-
104 Johannes Graser et al. ten lag bei 0.52 % des Datensatzes. Die Scores der drei Datensätze .92, was nach Marsh et al. (2009) einen akzep- Skalen wurden als Skalenmittelwerte durch Addition der tablen Fit darstellt. Der Root Mean Square Error of Ap- jeweiligen Items und Division durch die Anzahl der Items proximation-Wert (RMSEA), der zwischen .062 und .063 der jeweiligen Skala errechnet. liegt, befindet sich ebenfalls im zufriedenstellenden Be- reich. Der Wert des standardisierten Root Mean Square Residuals (SRMR) ist mit .035 für alle fünf Datensätze als Ergebnisse gut zu bezeichnen (vgl. Schermelleh-Engel, Moosbrugger & Müller, 2003). Faktorenstruktur, Modellpassung und Die internen Konsistenzen können mit Werten von = Reliabilitäten .84 für die Unterdrücken-Skala ( = .80/ = .84 in den beiden Stichproben der Originalstudie), = .75 für die An- Zur Bestimmung der Faktorenstruktur und der Modellgü- passen-Skala ( = .80/ = .82 in Originalstudie) und = .72 te wurde das ESEM-Verfahren (Exploratory Structural für die Akzeptieren-Skala ( = .66/ = .68 in Originalstu- Equation Modeling) durchgeführt (vgl. Asparouhov & die) als zufriedenstellend bis gut bezeichnet werden. Muthén, 2009; Marsh et al., 2009). Wie in der englisch- sprachigen Originalversion konnte die dreifaktorielle Lö- sung bestätigt werden. Der erste Faktor erreichte bei allen Itemanalyse und deskriptive Statistiken fünf imputierten Datensätzen einen Eigenwert von 4.85. Die acht Items, die den Emotionsregulationsstil der Unter- Damit nach der Replikation der faktoriellen Struktur von drückung erfassen sollen, weisen darauf die höchsten einer Messmodellinvarianz ausgegangen werden konnte, Ladungen auf. Eine Übersicht über alle Items und deren wurde zudem eine Itemanalyse durchgeführt (siehe Tabel- Ladungen ist in Tabelle 1 dargestellt. Unerwartet erzielte le 2). Ferner wurden demografische Einflüsse untersucht. auch ein Item, das im Originalfragebogen der Skala des Bei Betrachtung der Itemtrennschärfen fällt auf, dass nach Anpassens zugeordnet ist (Item Nr. 2: „Ich habe meine der Neuzuordnung der Items 2 und 8 keines der Items die Emotionen gut unter Kontrolle“), eine Sekundärladung auf in der Literatur genannte Untergrenze von .30 (Moosbrug- dem ersten Faktor ( = .39). Der zweite Faktor weist bei den ger & Kelava, 2007) unterschritt (siehe Tabelle 2). Keines imputierten Datensätzen einen Eigenwert zwischen 3.15 der Items unter- oder überschritt die Itemschwierigkeits- und 3.16 auf. Auf diesem Faktor erzielten fünf der sieben werte Pi = .20 sowie Pi = .80. Items, die den Emotionsregulationsstil des Anpassens er- fassen sollen, die höchsten Ladungen. Der dritte Faktor Darüber hinaus wurden die Skalenmittelwerte der erreichte bei allen imputierten Datensätzen den Eigenwert deutschen Studenten mit denen der amerikanischen Stu- von 1.85. Wie erwartet erzielten hier jene fünf Items, die denten der Originalstudie verglichen, Skalenmittelwerte den Emotionsregulationsstil des Akzeptierens erfassen zwischen 1 und 5 waren möglich, es wurden Zweistichpro- sollen, die höchsten Ladungen. Überraschenderweise er- ben-t-Tests verwendet. Da in der vorliegenden Studie zielte auch hier ein Item, das im Originalfragebogen der mehrfach t-Tests durchgeführt wurden, wurde die Bon- Skala des Anpassens zugeordnet ist (Item Nr. 8: „Es ist mir ferroni-Holm-Methode (vgl. Holm, 1979) herangezogen, möglich, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen“), eine um der Alpha-Fehler-Inflation entgegenzuwirken. Bei der Sekundärladung auf dem dritten Faktor ( = .58). Der erste Nennung von signifikanten Ergebnissen ist diese Korrek- Faktor (Unterdrücken) korreliert mit dem zweiten Faktor tur bereits berücksichtigt. Auf der Unterdrücken-Skala (Anpassen) mit r = .13, der zweite Faktor (Anpassen) und erzielten die deutschen Studenten einen Mittelwert von der dritte Faktor (Akzeptieren) korrelieren mit r = .10. Der 2.95 (SD = .69), die amerikanischen Studenten erreichten erste Faktor (Unterdrücken) und der dritte Faktor (Akzep- einen Mittelwert von 2.90 (SD = .79); (p = .097; t (1567) = tieren) korrelieren mit r = –.24. 1.30; n. s.). Auf der Anpassen-Skala erzielten die deut- schen Studenten einen Mittelwert von 3.10 (SD = .70), die Für 18 der 20 Items des deutschsprachigen ASQ konn- amerikanischen Studenten erreichten einen Mittelwert te die Skalenzuordnung der Originalversion bestätigt wer- von 2.96 (SD = .73). Dieser Unterschied ist signifikant (p < den. Zwei Items der Anpassen-Skala erzielten jedoch Se- .001; t (1567) = 3.80; d = .19). Auf der Akzeptieren-Skala kundärladungen auf anderen Skalen und wurden deshalb erzielten die deutschen Studenten einen Mittelwert von diesen zugeordnet. Das durch diese beiden Änderungen 3.64 (SD = .63), die amerikanischen Studenten erreichten modifizierte Messmodell wurde daraufhin auf seine Güte einen Mittelwert von 3.07 (SD = .69). Auch dieser Unter- untersucht. Die Passung dieses Modells wurde anhand schied ist signifikant (p < .001; t (1567) = 16.66; d = .84). des 2/df-Verhältnisses sowie den Fit-Indices Compara- tive Fit Index (CFI), Root Mean Square Error of Approxi- Männer und Frauen unterschieden sich in den Aus- mation (RMSEA) und standardisiertes Root Mean prägungen auf den drei deutschsprachigen ASQ-Skalen: Square Residual (SRMR) überprüft. Die Chi-Quadrat- Auf der Unterdrücken-Skala des ASQ erzielten Männer Werte für die fünf imputierten Datensätze liegen zwischen mit 3.21 (SD = .65) einen höheren Mittelwert als Frauen 456.09 und 466.77 (df = 133), was ein 2/df-Verhältnis von (M = 2.88; SD = .68). Dieser Unterschied ist signifikant 3.42 bis 3.51 ergibt. Laut Bollen und Long (1993) sollte (p < .001; t(633) = 5.01; d = .40). Auf der Anpassen-Skala dieses Verhältnis einen Wert zwischen 2 und 5 annehmen. des ASQ erzielten Männer einen Mittelwert von 3.24 Der Comparative Fit Index (CFI) beträgt für alle fünf (SD = .70), Frauen erreichten einen Mittelwert von 3.06
Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“ 105 Tabelle 1. Faktorladungen des deutschsprachigen ASQ; ESEM (Exploratory Structural Equation Modeling) mit schief- winkliger Geomin-Rotation; geordnet nach Skalen und Höhe der Ladungen; N = 640 Items (U=Unterdrückung; AN=Anpassen; Unter- Anpassen Akzep- AK=Akzeptieren) drückung tieren Item_09_U: Ich kann meine Gefühle gut verbergen. .77 .06 –.08 Item_15_U: Ich kann mich so verhalten, dass andere Menschen nicht bemerken, wenn ich aufgebracht bin. .74 .03 .08 Item_10_U: Andere Leute können normalerweise nicht erkennen, wenn ich aufgebracht bin. .67 .00 –.22 Item_13_U: Andere Leute können normalerweise nicht erkennen, wenn ich traurig bin. .64 –.02 –.19 Item_20_U: Ich kann meinen Ärger gut verbergen, wenn ich das tun muss. .59 .21 .05 Item_01_U: Andere Leute können normalerweise nicht einschätzen, wie ich mich gerade fühle. .52 –.17 –.22 Item_05_U: Ich unterdrücke häufig meine emotionalen Reaktionen Dingen gegenüber. .41 .02 –.39 Item_18_U: Ich kann Emotionen leicht vortäuschen. .40 .06 .06 Item_02_U: Ich habe meine Emotionen gut unter Kontrolle. .39 .29 –.08 Item_19_AN: Ich kann ziemlich schnell in eine bessere Stimmung kommen. –.07 .83 .00 Item_12_AN: Ich komme sehr schnell aus einer schlechten Stimmung raus. –.06 .76 .02 Item_16_AN: Ich weiß genau, was ich tun muss, um in eine bessere Stimmung zu kommen. –.02 .61 .12 Item_07_AN: Ich kann mich sehr schnell beruhigen. .14 .55 –.05 Item_04_AN: Ich kann es vermeiden, mich aufzuregen, indemich die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachte. .23 .35 –.03 Item_17_AK: Es ist nichts Falsches daran, sich sehr emotional zu fühlen. –.03 –.07 .61 Item_08_AK: Es ist mir möglich, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. –.25 .05 .58 Item_14_AK: Ich kann es tolerieren, traurig zu sein. .18 .08 .55 Item_03_AK: Ich kann starke Emotionen tolerieren. .20 .18 .54 Item_06_AK: Es ist OK, wenn andere sehen, dass ich aufgebracht bin. –.20 .06 .50 Item_11_AK: Es ist OK, ab und zu negative Emotionen zu fühlen. .07 –.11 .50 Anmerkungen: Jeweilige Höchstladungen sind fett markiert; vom Originalfragebogen abweichende Skalenzugehörigkeiten sind grau markiert.
106 Johannes Graser et al. Tabelle 2. Itemanalyse der deutschsprachigen ASQ-Items für die Gesamtstichprobe (N = 640); Itemmittelwerte (M), Stan- dardabweichungen (SD), Itemschwierigkeiten (Pi) und Trennschärfen (ri); geordnet nach Skalenzugehörigkei- ten und Trennschärfen Items (U=Unterdrückung; AN=Anpassen; AK=Akzeptieren) Mi SD i Pi r i(t-i) Item_09_U: Ich kann meine Gefühle gut verbergen. 3.14 1.05 .54 .73 Item_10_U: Andere Leute können normalerweise nicht erkennen, wenn ich aufgebracht bin. 2.54 1.02 .39 .66 Item_15_U: Ich kann mich so verhalten, dass andere Menschen nicht bemerken, wenn ich aufgebracht bin. 3.29 1.07 .57 .63 Item_13_U: Andere Leute können normalerweise nicht erkennen, wenn ich traurig bin. 2.73 1.09 .43 .63 Item_20_U: Ich kann meinen Ärger gut verbergen, wenn ich das tun muss. 3.48 0.98 .62 .56 Item_01_U: Andere Leute können normalerweise nicht einschätzen, wie ich mich gerade fühle. 2.79 1.00 .45 .50 Item_05_U: Ich unterdrücke häufig meine emotionalen Reaktionen Dingen gegenüber. 2.72 1.07 .43 .49 Item_02_U: Ich habe meine Emotionen gut unter Kontrolle. 3.27 0.91 .57 .43 (.26) Item_18_U: Ich kann Emotionen leicht vortäuschen. 2.56 1.10 .39 .35 Item_19_AN: Ich kann ziemlich schnell in eine bessere Stimmung kommen. 3.04 0.92 .51 .66 Item_12_AN: Ich komme sehr schnell aus einer schlechten Stimmung raus. 3.03 0.97 .51 .59 Item_16_AN: Ich weiß genau, was ich tun muss, um in eine bessere Stimmung zu kommen. 3.27 0.96 .57 .52 Item_07_AN: Ich kann mich sehr schnell beruhigen. 2.98 1.04 .50 .52 Item_04_AN: Ich kann es vermeiden, mich aufzuregen, indem ich die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachte. 3.18 1.05 .55 .35 Item_17_AK: Es ist nichts Falsches daran, sich sehr emotional zu fühlen. 3.94 0.87 .74 .50 Item_08_AK: Es ist mir möglich, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. 3.41 1.13 .60 .48 (–.02) Item_06_AK: Es ist OK, wenn andere sehen, dass ich aufgebracht bin. 3.20 1.06 .55 .46 Item_14_AK: Ich kann es tolerieren, traurig zu sein. 3.63 1.01 .66 .45 Item_03_AK: Ich kann starke Emotionen tolerieren. 3.47 1.00 .62 .43 Item_11_AK: Es ist OK, ab und zu negative Emotionen zu fühlen. 4.16 0.76 .79 .38 Anmerkungen: Vom Originalfragebogen abweichende Skalenzugehörigkeiten sind grau markiert; Werte in Klammern stellen die Itemtrenn- schärfen der ursprünglichen Skalenzugehörigkeiten dar.
Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“ 107 Tabelle 3. Produkt-Moment-Korrelationen zwischen den modifizierten deutschsprachigen ASQ-Skalen und den Verfahren ERQ, BEQ-D, TAS-26 und AAQ; N = 640 Eingesetzte Verfahren und deren Subskalen Unterdrückung Anpassen Akzeptieren ERQ Neubewertung .08*(.13*/.14*) 46**(.54**/.57**) .10*(.09/.14**) Unterdrückung .69**(.60**/.52**) .06 (–.03/–.05) –.46**(–.34**/–.32**) BEQ-D Negative Expressivität –.77** (–.68**/–.70**) –.16** (–.16*/–.27**) .37**(.16*/.10*) Positive Expressivität –.42** (–.23**/–.33**) .07 (.07/.07) .43** (.28**/.28**) Impulsintensität –.37** (–.15*/–.30**) –.24** (–.39**/–.38**) .34**(.18**/.18**) TAS-26 Schwierigkeiten bei der Beschreibung .30**(.38**/.29**) –.15* (–.18**/–.17**) –.44**(–.28**/–.25**) von Gefühlen Schwierigkeiten bei der Identifikation .11** (.18**/.11*) –.23** (–.27**/–.25**) –.21**(–.16**/–.12**) von Gefühlen Extern orientierter Denkstil –.04(.13/.16**) –.05 (–.02/–.03) –.09*(–.34**/–.28**) Alexithymie-Gesamtskala .20** –.21** –.37** AAQ Experiential Avoidance .09* –.43** –.38** Anmerkungen: Die in der englischsprachigen Originalstudie gefundenen Korrelationen sind in Klammern dargestellt; * p < .05; ** p < .01. (SD = .70). Auch dieser Unterschied ist signifikant (p = sivitäts-Skala des BEQ-D und der Impulsintensitäts-Skala .012; t (633) = 2.51; d = .20). Auf der Akzeptieren-Skala des des BEQ-D. ASQ erzielten Männer einen Mittelwert von 3.43 (SD = .64), Frauen erreichten einen Mittelwert von 3.69 (SD = Die Anpassen-Skala des ASQ weist einen mittleren .62). Dieser Unterschied ist ebenfalls signifikant (p < .001; positiven Zusammenhang mit der Neubewerten-Skala des t (633) = 4.19; d = .33). ERQ auf. Ein mittlerer negativer Zusammenhang besteht mit dem AAQ. Kleine negative Zusammenhänge bestehen mit den Skalen Impulsintensität und Negative Expressivi- Konstruktvalidität tät des BEQ-D sowie mit den Skalen Schwierigkeiten bei der Identifikation von Gefühlen, Schwierigkeiten bei der In Tabelle 3 werden die Korrelationen zwischen den ASQ- Beschreibung von Gefühlen sowie der Alexithymie-Ge- Skalen und den anderen verwendeten Verfahren darge- samtskala der TAS-26. stellt. Die in den beiden Stichproben der Originalstudie Die Akzeptieren-Skala des ASQ weist mittlere positive gefundenen Ergebnisse werden bei Verwendung identi- Zusammenhänge mit den Skalen Positive Expressivität, scher Verfahren jeweils in Klammern genannt. Im Folgen- Negative Expressivität und Impulsintensität des BEQ-D den werden statistisch signifikante Zusammenhänge nach auf, ein kleiner positiver Zusammenhang besteht mit der Größe und Richtung geordnet dargestellt. Neubewerten-Skala des ERQ. Mittlere negative Zusam- menhänge bestehen mit der Unterdrücken-Skala des ERQ, Die ASQ-Skala Unterdrücken weist eine hohe positive dem AAQ, der Skala Schwierigkeiten bei der Beschrei- Korrelation mit der Unterdrücken-Skala des ERQ auf. bung von Gefühlen und der Alexithymie-Gesamtskala der Ein mittlerer positiver Zusammenhang besteht mit der Ska- TAS-26. Kleine negative Zusammenhänge bestehen mit la Schwierigkeiten bei der Beschreibung von Gefühlen den Skalen Schwierigkeiten bei der Identifikation von der TAS-26. Kleine positive Zusammenhänge bestehen Gefühlen und extern orientierter Denkstil der TAS-26. mit der Alexithymie-Gesamtskala der TAS-26, der Skala Schwierigkeiten bei der Identifikation von Gefühlen der TAS-26, dem AAQ und der Neubewerten-Skala das ERQ. Diskussion Ein hoher negativer Zusammenhang besteht mit der Ne- gativen Expressivitäts-Skala des BEQ-D, mittlere negati- Das Ziel der vorliegenden Studie war die Prüfung der Vali- ve Zusammenhänge bestehen mit der Positiven Expres- dität einer deutschsprachigen Adaption des Affective
108 Johannes Graser et al. Style Questionnaire, welche die drei Emotionsregulations- deutschsprachigen ASQ hin. Wie erwartet wurde ein ho- stile Unterdrücken, Anpassen/Neubewerten und Akzep- her Zusammenhang der ASQ-Unterdrücken-Skala mit der tanz mit einer guten psychometrischen Qualität erfasst. ERQ-Unterdrücken-Skala gefunden. Die erwarteten ne- Durch die erreichten internen Konsistenzen der drei Ska- gativen Zusammenhänge mit den drei Dimensionen der len sowie die Ergebnisse aus Faktorenanalyse und Unter- Expressivität des BEQ-D bestätigen Befunde von Gross suchung der Konstruktvalidität, die allesamt den Ergeb- und Levenson (1993). Die Anpassen-Skala des ASQ wies nissen der Originalstudie sehr nahe kommen, konnte die- wie erwartet einen deutlich positiven Zusammenhang mit ses Ziel erreicht werden. Das ESEM-Verfahren bestätigte der Neubewerten-Skala des ERQ auf. Erwartete negative die dreifaktorielle Lösung. 18 der 20 Items wiesen der Ori- Zusammenhänge bestehen mit den Skalen Negative Ex- ginalstudie entsprechende Ladungsmuster auf. Die Items pressivität und Impulsintensität des BEQ-D, was Befun- Nr. 2 („Ich habe meine Emotionen gut unter Kontrolle“) de von Mauss und Kollegen (2007) bestätigt. Unerwartet und Nr. 8 („Es ist mir möglich, meinen Gefühlen freien Lauf ist der mittlere negative Zusammenhang mit dem AAQ, der zu lassen“), die ursprünglich beide der Anpassen-Skala experiential avoidance erfasst. Dieser Zusammenhang angehörten, wurden jedoch neu zugeordnet (Item Nr. 2 der scheint dadurch begründet, dass ein Aspekt des Anpas- Unterdrücken-Skala, Item Nr. 8 der Akzeptieren-Skala). sens, nämlich der aktive Zugang zu eigenen Emotionen, im Dies wurde anhand der Ladungsmuster, der ursprünglich Gegensatz zur Vermeidung von Emotionen steht. sehr niedrigen Trennschärfen der beiden Items, durch ver- besserte interne Konsistenzen der betroffenen Skalen und Die Akzeptieren-Skala des ASQ wies erwartungsge- durch inhaltliche Überlegungen begründet. Da das Item mäß einen deutlichen negativen Zusammenhang mit der Nr. 2 die Neigung zur Kontrolle über aufkommende Emo- AAQ-Gesamtskala auf, was bisherige Befunde in der Lite- tionen misst, erschien die Neuzuordnung von der Anpas- ratur bestätigt (Hayes et al., 2006). Positive Zusammen- sen- zur Unterdrücken-Skala nicht nur empirisch, sondern hänge bestehen wie erwartet mit den Expressivitäts-Ska- auch inhaltlich angemessen, da der Stil des Unterdrü- len des BEQ-D, was einen hohen emotionalen Ausdruck ckens einen starken Aspekt des Kontrollierens von Emo- auf der Verhaltensebene bei Neigung zur Akzeptanz be- tionen beinhaltet. Item Nr. 8 wurde nicht korrekt aus dem stätigt. Ein Ergebnis, das bereits in der englischsprachi- Englischen ins Deutsche übersetzt. Im Original lautet das gen Originalstudie als überraschend angesehen wurde Item „I am able to let go of my feelings“, wobei „let go“ und sich auch in der vorliegenden Studie wiederfand, ist statt mit „los lassen“ mit „freien Lauf lassen“ übersetzt der bedeutsame negative Zusammenhang zwischen der wurde. Inhaltlich ist die Neuzuordnung sinnhaft, da sich Akzeptieren-Skala des ASQ und der Unterdrücken-Skala „den Gefühlen freien Lauf lassen“ dem Konstrukt des des ERQ. Die Gemeinsamkeit scheint im Zeigen/nicht Zei- Akzeptierens zuordnen lässt. So stellt die Möglichkeit, gen der Emotionen nach außen zu liegen; ein Aspekt der Gefühle zu erleben und frei von Modifikationen auszudrü- in beiden Skalen erfasst wird. cken, eine wesentliche Operationalisierung des Akzep- tanzkonzeptes dar (Hayes et al., 1999; Campbell-Sills et al., Wie bei Gross und John (2003) wurde auch in unserer 2006). Dies wird auch durch die bedeutsamen positiven Untersuchung deutlich, dass Männer eher zum Unterdrü- Zusammenhänge der Akzeptieren-Skala mit den Expres- cken neigen als Frauen. Für den Stil des Anpassens/Neu- sivitäts-Skalen des BEQ-D deutlich. Aus der Neuzu- bewertens gab es widersprüchliche Ergebnisse: Frauen ordnung resultierten auch günstigere psychometrische zeigten signifikant höhere Werte auf der Neubewerten- Kennwerte; d. h. ein höherer Trennschärfekoeffizient und Skala des ERQ, während Männer in der Anpassen-Skala eine merkliche Verbesserung der Reliabilität der Akzeptie- des ASQ signifikant höhere Werte erzielten. In einer Stu- ren-Skala bei Einbeziehung des Items in selbige. Die die von Gross und John (2003), die an amerikanischen Trennschärfen (nach Neuzuordnung der Items 2 und 8) Probanden mit dem ERQ durchgeführt wurde, gab es kei- und Itemschwierigkeiten aller Items bewegen sich inner- ne Geschlechterunterschiede im Neubewerten. Die Er- halb der in der Literatur empfohlenen Referenzwerte gebnisse der vorliegenden Studie könnten (für deutsche (Moosbrugger & Kelava, 2007). Probanden) darauf hindeuten, dass Frauen stärker zu kog- nitiven Strategien des Anpassens wie dem Neubewerten Aufgrund der ESEM-Berechnungen kann die Modell- neigen, während Männer eher andere Strategien aus dem güte insgesamt als zufriedenstellend bis gut bezeichnet Spektrum des Anpassens nutzen. Frauen neigten stärker werden. Zufriedenstellende Werte konnten für das 2/df- zum Akzeptieren als männliche Probanden. Dass sich die Verhältnis (vgl. Bollen & Long, 1993), den Comparative deutschen und amerikanischen Studenten auf der Unter- Fit Index (CFI; vgl. Marsh et al., 2009) und den Root Mean drücken-Skala des ASQ nicht unterschieden, ist überra- Square Error of Approximation (RMSEA; vgl. Marsh schend, da es in der Literatur Hinweise zur höheren et al., 2009) erzielt werden. Ein als gut zu bezeichnender Neigung im Unterdrücken für deutsche Studenten gibt Wert konnte beim standardisierten Root Mean Square (Matsumoto, Yoo & Nakagawa, 2008). Residual (SRMR; vgl. Schermelleh-Engel et al., 2003) er- reicht werden. Die externe Validität des ASQ kann derzeit noch nicht als vollständig bestätigt angesehen werden, da die Stich- Die konvergenten und diskriminanten Zusammenhän- probe der vorliegenden Untersuchung lediglich aus Stu- ge der ASQ-Skalen zu den anderen eingesetzten Verfahren denten besteht (mehrheitlich Psychologiestudenten). sowie die Analogie zu den in der Originalstudie gefunde- Dies stellt eine Einschränkung der Repräsentativität dar. nen Korrelationen weisen auf die Konstruktvalidität des Ferner war es uns nicht möglich, die Validierung wie von
Der „Affective Style Questionnaire (ASQ)“ 109 Schmitt und Eid (2007) empfohlen an einer bilingualen tients: Evaluation of an Ironic Process Model. Health Psy- Stichprobe durchzuführen. chology, 27, 645–652. Campbell-Sills, L., Barlow, D. H., Brown, T. A. & Hofmann, S. G. (2006). Effects of suppression and acceptance on emo- In einer bereits geplanten Studie wird der ASQ auch an tional responses of individuals with anxiety and mood dis- einer klinischen Stichprobe validiert werden. Ebenso gilt orders. Behaviour Research and Therapy, 44, 1251–1263. es, die zeitliche Stabilität des ASQ, sowohl in gesunden als Carmody, T. P., Vieten, C. & Astin, J. A. (2007). Negative auch in klinischen Populationen zu untersuchen. Sehr in- Affect, Emotional Acceptance, and Smoking Cessation. teressant erscheint dabei die Frage, ob durch psychothe- Journal of Psychoactive Drugs, 39, 499–508. rapeutische Interventionen Änderungen in der Neigung Dalgleish, T., Yiend, J., Schweizer, S. & Dunn, B. D. (2009). Ironic Effects of Emotion Suppression When Recounting zu den verschiedenen Emotionsregulationsstilen erwirkt Distressing Memories. Emotion, 9, 744–749. werden können. Durch die berichteten negativen Einflüs- Denollet, J., Sys, S. U., Stroobant, N., Rombouts, H., Gillebert, se des Unterdrückens (z. B. Denollet et al., 1996; Gross & T. C. & Brutsaert, D. L. (1996). Personality as independent John, 2003; Burns et al., 2008; Gillanders et al., 2008) wäre predictor of long-term mortality in patients with coronary dies ein wichtiger Befund. Klinische Anwendung könnte heart disease. Lancet, 347, 417–421. auch die Akzeptieren-Skala finden, um beispielsweise Gillanders, S., Wild, M., Deighan, C. & Gillanders, D. (2008). Emotion Regulation, Affect, Psychosocial Functioning, and festzustellen, ob Elemente einer Acceptance and Commit- Well-being in Hemodialysis Patients. American Journal of ment Therapy nach Hayes und Kollegen (1999, 2006) zu Kidney Disease, 51, 651–662. einer höheren Neigung zur Akzeptanz der eigenen Emotio- Gratz, K. L. & Roemer, L. (2004). Multidimensional Assess- nen führen. Weitere Studien sollten sich auch mit der ment of Emotion Regulation and Dysregulation: Devel- transsituativen Konsistenz von Emotionsregulationssti- opment, Factor Structure, and Initial Validation of the Diffi- len beschäftigen. Eine Version des ASQ, die das Erleben culties in Emotion Regulation Scale. Journal of Psycho- pathology and Behavioral Assessment, 26, 41–54. und Reagieren in verschiedenen Gemütszuständen wie Gross, J. J. & Levenson, R. W. (1993). Emotional Suppression: Stress, Ärger und Trauer erhebt, wurde bereits entworfen Physiology, Self-Report, and Expressive Behavior. Journal und wird derzeit getestet. Der Einsatz des ASQ ist in der of Personality and Social Psychology, 64, 970–986. gesunden Allgemeinbevölkerung und nach weiterer Vali- Gross, J. J. & John, O. P. (1995). Facets of emotional expressi- dierung auch in klinischen Populationen möglich. vity: Three self-report factors and their correlates. Persona- lity and Individual Differences, 19, 558–568. Gross, J. J. (1998a). The emerging field of emotion regulation: An integrative review. Review of General Psychology, 2, Literatur 271–299. Gross, J. J. (1998b). Antecedent- and Response-Focused Emo- tion Regulation: Divergent Consequences for Experience, Abler, B. & Kessler, H. (2009). Emotion Regulation Question- Expression, and Physiology. Journal of Personality and So- naire – Eine deutsche Version des ERQ von Gross & John. cial Psychology, 74, 224–237. Diagnostica, 55, 144–152. Gross, J. J. (2002). Emotion regulation: Affective, cognitive, and Aldao, A., Nolen-Hoeksema, S. & Schweizer, S. (2010). Emo- social consequences. 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