Emotionen und Stimmung bei Nutztieren - NUTZTIERHALTUNG IM Internationale ...
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INTERNATIONALE GESELLSCHAFT FÜR NUTZTIERHALTUNG NUTZTIERHALTUNG IM F O K U S Emotionen und Stimmung bei Nutztieren THEMEN HERBST 2017 Aus dem Forscherbüro Forschungsgruppen stellen aktuelle Erkenntnisse zum cognitive bias, möglichen Einflussfaktoren und Indikatoren für Emotionen und Stimmung bei Nutztieren vor. >> Seite 08 Aus der Bibliothek Vorstellung internationaler Publikationen zur Thematik „Emotionen und Stimmung bei Nutztieren“. >> Seite 27 Aus der Rechtsprechung Der Umgang mit tierischen Emotionen in der Rechtsprechung. >> Seite 36 Aus der Ethik Ethische Gesichtspunkte zu der Betrachtung von Emotionen bei Mensch und Tier. >> Seite 40 Informationsbroschüre der IGN e.V. über aktuelle Ergebnisse aus der Forschung zum Wohlbefinden der Tiere.
EDITORIAL Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, heute wir sprechen heute von Wohlbefinden aus Brauchen wir Emotionen? halten Sie das Heft NUTZTIERHALTUNG der Sicht des Tieres. Der Begriff Wohlerge- Und wenn ja, welche? IM FOKUS zum Thema „Emotionen und hen betonte viel stärker, dass das Tier einer Als Emotionen werden kurzfristige, auf Stimmung bei Nutztieren“ in den Händen. Situation passiv ausgesetzt ist. einander abgestimmte Veränderungen in Gut möglich, dass Sie selber ein oder meh- Verhalten, Physiologie und kognitiver Ein- Tiere empfinden Emotionen wahrscheinlich rere Tiere haben. Mit großer Wahrschein- schätzung betrachtet. Innere und äußere anders als wir. Das Ausmaß der Subjekti- lichkeit gehören Sie dann zu den vielen Reize lösen Emotionen meist als direkte Re- vität ist möglicherweise weniger reichhal- Besitzern, die ihren Tieren eine eigene aktionen aus. Im Tierschutzbereich wurde tig als beim Menschen. Trotzdem ist es Gefühlswelt zugestehen. Und dabei sind wiederholt gefordert, das Wohlbefinden intuitiv einleuchtend, dass solche Zustände Sie in guter Gesellschaft. Schon Charles dadurch sicherzustellen, dass negative bedeutsam sind für die Befindlichkeit ei- Darwin thematisierte 1872 in seinem Buch Ereignisse vermieden und positive Ereig- nes Tieres. Wir müssen uns somit fragen, „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen nisse herbeigeführt werden. Würde man wie der Zustand des Wohlbefindens eines bei dem Menschen und den Tieren“ Ge- dies konsequent umsetzen, so würde das Tieres gemessen werden kann. In einer fühle beim Tier. Diese Gefühle beim Tier Leben recht langweilig. Es böte keine Her- einfachen Modellsichtweise wird ein emo- waren für lange Zeit in der Wissenschaft ausforderungen mehr und die wiederholten tionaler Zustand auf einer Achse von „ne- verpönt. Die Forschenden vermieden den positiven Ereignisse würden an Bedeutung gativ“ bis „positiv“ gemessen. Diese Skala Ausdruck „Gefühl“ bei Tieren, weil der verlieren. Häufige und schwerwiegende wird auch Valenz genannt. Intensivere ne- subjektive Teil der Empfindung bei Tieren negative Ereignisse sollten in der Tierhal- gative und positive Emotionen gehen da- nicht zugänglich ist. Auch beim Menschen tung dennoch vermieden werden. bei mit einem erhöhten Erregungszustand können wir diesen subjektiven Anteil mit einher. In der Fachliteratur spricht man heutigen Ansätzen nicht objektiv messen. Was ist Stimmung? von „Arousal“. Das klassische Dimensions Die Sprache jedoch vermag das Subjek- modell für Emotionen (vgl. Abbildung A) be- Stimmungen und Emotionen werden unter tive auszudrücken. Dennoch begannen trachtet das Arousal als eine von der Valenz dem Oberbegriff „affektive Zustände“ zu- angewandte Wissenschaftler wie auch Grundlagenwissenschaftler, sich wieder Überlegungen zu Gefühlen von Tieren zu machen. Um das unbekannte Maß an subjektivem Empfinden zu berücksichtigen, sprechen die Wissenschaftler bei Tieren lieber von „Emotionen“. Durch die Wort- wahl werden diese von den bewusst und subjektiv wahrgenommenen menschlichen Gefühlen abgegrenzt. Im Folgenden möchte ich einen kurzen Rahmen für diese NUTZTIERHALTUNG IM FOKUS geben. Dazu stelle ich drei Model- le zu Emotionen vor und beschreibe, wie sich Stimmung von Emotionen unterschei- den. Dies ergänze ich mit einem kurzen Überblick, wo das Interesse der Grundla- gen- und angewandten Wissenschaft an Emotionen und Stimmung liegt. Negatives und positives Empfinden: derzeit diskutierte unabhängige Qualität einer emotionalen sammengefasst. Stimmungen sind im Ver- Erklärungsmodelle Reaktion. Jüngste Ergebnisse aus dem gleich zu den Emotionen längerfristiger und Tierschutzansätze waren ursprünglich patho- Humanbereich stützen jedoch die Gleich- diffuser. Sie gelten als Hintergrundzustän- zentrisch. Sie zielten darauf, Schäden, setzung von Arousal und Intensität de. Jede kürzlich erlebte Emotion beein- Leiden und Stress von Nutztieren zu ver- (Abbildung B). Zudem scheinen negatives flusst die Stimmung in einem kleinen Masse. meiden. Damit geht es um eingeschränk- und positives Empfinden auf zwei unab- Wiederholte negative emotionale Erlebnis- tes Wohlergehen. Für gutes Wohlergehen, hängigen Achsen zu variieren. So werden se führen demnach zu einer schlechteren, ein „lebenswertes Leben“, wird heutzutage in einem weiteren Modell auch Emo- wiederholte positive Erlebnisse zu einer auch positives Erleben gefordert. Dies geht tionen mit gemischten Valenzen möglich besseren Stimmung. Diese Erlebnisse be- mit einer sprachlichen Verschiebung einher: (Abbildung C). einflussen die Stimmung vermutlich stärker, 2 I
je weiter die Erwartung und die tatsäch- in der Wahrnehmung der Reize. Im posi- Ohrbewegungen und -stellungen erfassen. liche Erfahrung auseinander klaffen. Damit tiven Sinne führt das zur „rosa Brille“, im Alle diese Indikatoren werden vermehrt spiegelt die negative Stimmung wider, wie negativen zu einer größeren Vorsicht und auch für das Messen von Reaktionen auf oft eine Erwartung enttäuscht oder ein Ziel einem verstärkten Misstrauen. Ein solcher positive Reize angewendet. Emotionen ent- nicht erreicht wurde. Positive Stimmung Mechanismus scheint in einer Umwelt evo- stehen als direkte Reaktion auf Reize. Da- würde hingegen zeigen, wie oft ein Ziel lutiv sinnvoll, in der sich eine Vielzahl von rum ist das Zeitfenster, in denen Indikator- erreicht oder die Erwartungen übertroffen Reizen gemeinsam und gleichzeitig verän- variablen gemessen werden können, rela- wurden. dern. Man kann sich z. B. vorstellen, dass tiv klar. Leider haben sich bisher aber keine aktuelle Wetterbedingungen dazu führen, Indikatorvariablen heraus kristallisiert, die Die längerfristige Stimmung dürfte für das dass für ein Beutetier die Nahrungsgrund- auf einfache Art und Weise und situations- Wohlbefinden letztlich relevanter sein als lage knapp wird. Gleichzeitig wird auch übergreifend die Valenz eines Reizes oder emotionale Reaktionen auf Einzelereig- der Tisch für seinen Raubfeind weniger einer Situation widerspiegeln. nisse. Extrem negative Stimmung wie die reicht gedeckt sein. Damit wird der Räuber klinische Depression trübt beim Menschen Für diffusere Zustände wie die Stimmung gefährlicher. In dieser Situation ist es sinn- jegliches Erleben und positive Ereignisse kommt auch die experimentelle Befragung voll, eine pessimistische Einstellung in Form werden kaum noch als solche wahrgenom- von Tieren zum Zuge. Dieser Ansatz kann einer negativen Stimmung zu haben. Die men. Positive Stimmung hingegen erhöht auch zur grundlegenden Abklärung der Va- Futtersuche wird intensiviert, weil wenig Fut- die Resilienz gegenüber kurzfristigen nega- lenz von Reizen und Situationen oder bei ter erwartet wird. Zudem bewegt sich das tiven Ereignissen. Wir können annehmen, der Validierung von Indikatorvariablen ein- Beutetier noch vorsichtiger und ist aufmerk- dass Stimmungen im Grundsatz bei Tieren gesetzt werden. Für solche experimentellen samer, was es vor einem Raubfeind schützt. gleich funktionieren. Tiere reagieren dann Befragungen müssen die Tiere meist eine Im Zusammenhang mit solchen Fragen der schwächer auf ein negatives Erlebnis und operante Konditionierung durchlaufen. Sie Verhaltenssteuerung ist das Interesse der erholen sich schneller, wenn sie sich in können dann eine Entscheidung in einem Grundlagen-Ethologie am Thema der affek- einer positiven Stimmung befinden. Das Wahlversuch treffen oder durch eingesetz- tiven Zustände wieder erwacht. könnten wir uns zunutze machen. Zum te Arbeit den Wert eines Reizes aufzeigen. Beispiel könnte die Klauenpflege beim Damit zeigen sie uns durch das Verhalten Emotionen und Stimmung: Rind oder die Einzelaufstallung zur Besa- ihre Präferenzen für und ihre Einschätzun- Bedeutung für die Nutztierhaltung mung bei Muttersauen durch das Herbei- gen von Situationen und Reizen. Diese führen einer positiven Stimmung entschärft Die anatomischen und physiologischen Ansätze sind zeitlich aufwändiger und sind werden. Hier besteht jedoch noch großer Ähnlichkeiten im Aufbau der Gehirne ver- weniger auf das Einzeltier ausgerichtet. Forschungsbedarf: Sogar beim Menschen schiedener Säugetierarten sind groß. Unter- Das Augenmerk hier liegt darin, die Tiere gibt es bisher wenige Erkenntnisse wie sich schiede sind fließend. Darum ist anzuneh- in ihrer verallgemeinerbaren Eigenheiten zu „normale“ Stimmungsschwankungen auf men, dass alle Säuger in gewissem Masse verstehen. das Gefühlsleben auswirken. Anpassungen subjektive Emotionen empfinden. Diese an diesem Wirkungsmodell der Stimmung mögen einfacher sein als das uns bekannte Dieses Heft werden so noch notwendig sein. Gefühlsleben. Trotzdem ist es wichtig für Die Beiträge dieser NUTZTIERHALTUNG das Erleben des Hier und Jetzt und des ei- IM FOKUS sind stärker Grundlagen-orien- Emotionen und Stimmung aus der genen Selbst bei Tieren. Darum müssen wir tiert als in anderen Ausgaben. Wie weit Sicht der Verhaltenssteuerung uns wissenschaftlich mit dem emotionalen sich die dargestellten Erkenntnisse auf die Leben unserer Mitgeschöpfe auseinander- Affektive Zustände sind im Laufe der Evolu- praktische Haltung von Nutztieren auswir- setzen. Dies könnte in Zukunft unseren Um- tion entstanden. Ihre Funktion ist wohl nicht ken werden, muss sich erst noch zeigen. gang gerade mit Tieren tiefgreifend verän- in der Messbarkeit des Wohlbefindens zu Die angesprochenen rechtlichen und ethi- dern. Dies betrifft insbesondere die Haltung sehen. Aber wozu dienen sie? Emotionen schen Aspekte weisen jedoch darauf hin, der landwirtschaftlichen Nutztiere. sind der Motor für die Steuerung von Ver- dass die Ergebnisse aus der aktuellen For- halten. Sie signalisieren dem Tier oder ei- Wir können affektive Zustände zur Beur- schung zu weitreichenden Folgerungen für nem Menschen, was in der Umwelt wichtig teilung des Wohlbefindens von landwirt- die Praxis führen können. ist. Sie bringen ein Tier dazu, positive Rei- schaftlichen Nutztieren nur dann nutzen, Diese NUTZTIERHALTUNG IM FOKUS ze zu erreichen und negative zu meiden. wenn wir solche Zustände messen können. hätte nicht ohne das große Engagement Damit verstärken und formen sie das Ver- Tiere können wir nicht im Interview oder mit von Frau Dr. Sabine Vögeli und allen Au- halten. Emotionen bestimmen so, was Tiere einem Fragebogen nach ihrem Empfinden torinnen und Autoren der einzelnen Beiträ- wollen und was Tiere mögen. Gleichzeitig fragen. Darum sind wir auf Indikatorvaria- ge entstehen können. Ihnen allen sei hier dienen die Valenz und die Intensität von blen angewiesen, die es uns erlauben, die herzlich gedankt. Wie immer finden Sie Reizen dazu, diese zu priorisieren und da- Reaktionen direkt zu messen. Diese Indika- die NUTZTIERHALTUNG IM FOKUS auch mit Entscheidungen im Verhalten zu treffen. toren lassen sich tierindividuell auch in der als PDF auf der Website der IGN zur frei- Z. B. wird auf eine negative, lebensbedroh- Praxis anwenden. Für negative Emotionen en Verfügung (www.ign-nutztierhaltung.ch/ liche Situation stärker und schneller reagiert finden sich als Indikatoren z. B. bekannte de/seite/nutztierhaltung-im-fokus). als auf eine gleichzeitig vorhandene Fut- Masse für Stress. Diese Indikatoren wurden terquelle. Stimmung verschiebt dabei die in den letzten Jahren um weitere ergänzt, die kritischen Schwellen und Reaktionsnormen z. B. das Ausdrucksverhalten anhand von EMOTIONEN UND STIMMUNG BEI NUTZTIEREN I 3
EDITORIAL Meine persönliche Erkenntnis aus diesen Überlegungen zu Emotionen, Stimmungen und Verhaltensentscheidungen ist: Wir freun- den uns wohl besser mit dem Gedanken an, dass wir selber und andere Tiere ständig nach Glück streben, dass aber das Glück- lich-Sein nur ein flüchtiger und schwer zu haltender Zustand ist. In diesem Sinne wün- sche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Spaß an dieser NUTZTIERHALTUNG IM FOKUS „Emotionen und Stimmung bei Nutztieren“. Lorenz Gygax, IGN Mitglied (Foto: S. Vögeli) Mit freundlichem Dank an die Unterstützer der IGN: Stiftung zum Schutz von Haustieren, Zürich Felix-Wankel-Stiftung, Züberwangen 4 I
INHALT Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 07 Aus dem Forscherbüro Können kognitive Umweltanreicherungen Nutztiere glücklicher machen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 – 13 Emotionale Valenz und Lateralisation beim Schwein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – 17 Hirnaktivität und Ohrstellungen als Indikatoren zur Erfassung von Emotionen bei Schafen und Ziegen. . . . . . . . . . . . . . . . 18 – 22 Sind Schweine Optimisten oder Pessimisten? Untersuchungsansätze zum cognitive bias beim Hausschwein . . . . . . . . . . . 23 – 26 Aus der Bibliothek Stimmung und Emotionen – ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Stimmung als Abbildung des Momentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 – Sind Valenz und Arousal beim emotionalen Empfinden voneinander unterscheidbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Die Erforschung potentieller Indikatoren für Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – 31 – Emotionen bei Ziegen: Abbildung physiologischer, Verhaltens- und Stimmprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – Indikatoren positiver und negativer Emotionen und emotionale Ansteckung bei Schweinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 – Der Einsatz von Diazepam als pharmakologische Validierung für Augenweiß als einem Indikator von emotionalen Zuständen bei Milchkühen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Nasaltemperaturen bei Milchkühen sind beeinflusst durch positive emotionale Zustände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – Konsistenz, Transitivität und Wechselbeziehungen zwischen dem Wahlverhalten von Hühnern in Präferenztests zur Haltungsumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Ansätze zum Cognitive Judgement Bias Test zur Erfassung affektiver Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – 34 – Das Beenden eines Stresszustands generiert einen positiven Judgement Bias bei Schafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Kognitiver Bias beim Angst-Depressions-Modell mit Küken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 – Die Art wie Menschen sich verhalten, beeinflusst den emotionalen Zustand von Ferkeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Effekte von pränatalem Stress und emotionaler Reaktivität der Mutter auf die emotionalen und kognitiven Fähigkeiten der Lämmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 – Separation von der Mutter erzeugt einen negativen Judgement Bias bei Milchkälbern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Affektive Zustände und die Beurteilung von Wohlbefinden in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – 35 – Schmerz und Pessimismus: Kälber zeigen einen negativen Judgement Bias nach der Enthornung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 – Der Bodenbelag und die Fahrverhältnisse beeinflussen den Verhaltensausdruck bei Rindern während des Transports. . . . . . . 35 Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Aus der Rechtsprechung Emotionen bei Nutztieren in der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 – 39 Aus der Ethik Emotionen, Nutztiere – und die Ethik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 – 43 Aus der IGN Vorstellung eines IGN-Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 – 45 Platz für Notizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 – 47 IS B N: 9 7 8 - 3 - 9 5 24555- 5- 5 EMOTIONEN UND STIMMUNG BEI NUTZTIEREN I 5
EINLEITUNG Während Emotionen bei Menschen in kei- ner Weise angezweifelt werden, wurden Emotionen bei (Nutz-)Tieren erst viel später thematisiert. Dabei spielen Emotionen im Zusammenhang mit dem Wohlbefinden der Tiere eine wichtige Rolle. Positive emo- tionale Erfahrungen können beispielsweise das Wohlbefinden von Tieren steigern. Doch wie generiert man positive Emotio- nen? Welchen Einfluss hat die Haltungsum- welt auf die Emotionen von Tieren? Wie kann man Emotionen bei Tieren überhaupt erfassen? Während es für gesundheitliche Aspekte meist klare Anzeichen und Mess- methoden gibt, müssen solche Indikatoren für Emotionen und Stimmung bei Tieren erst entwickelt werden. Viele Forscherinnen und Forscher beschäf- tigen sich genau mit diesen Fragestellun- gen rund um das Thema Emotionen und (Foto: S. Vögeli) Stimmung bei Nutztieren. Einige dieser aktuellen Projekte werden in diesem IGN- zusammengefasst, wobei sowohl grundle- Obschon wir immer neue Erkenntnisse ge- Fokusheft unter dem Kapitel „Aus dem gende Aspekte über affektive Zustände als winnen, die zu einem besseren Verständ- Forscherbüro“ vorgestellt. Das erste Projekt auch Indikatoren von Emotionen und ver- nis von Emotionen und Stimmung führen, befasst sich insbesondere mit dem Effekt schiedene Erkenntnisse aus dem Cognitive fehlen uns doch noch etliche Puzzlestücke, der Haltungsumwelt der Tiere auf deren Judgement Bias Test erörtert werden. um dieses komplexe Thema auch nur an- Wohlbefinden, bzw. damit, welchen (po- nähernd entschlüsseln zu können. Mit dem Obschon in Wissenschaftskreisen das sitiven) Einfluss kognitive Umweltanreiche- vorliegenden Heft möchten wir daher der Thema Emotionen und Stimmung bei Tie- rungen auf die emotionale Bewertung der Leserschaft einen „Zwischenstand“ vorle- ren schon länger intensiv diskutiert und Umwelt haben. Die folgenden Projekte in gen und dafür das Thema aus verschiede- erforscht wird, ist die Übertragung in die diesem Kapitel widmen sich der schwieri- nen Blickwinkeln heraus beleuchten sowie Praxis noch immer schwierig. So gibt uns gen Suche nach geeigneten Indikatoren für einen aktuellen Überblick bieten. Gewiss das Kapitel „Aus der Rechtsprechung“ ei- die Valenz von Emotionen. Dabei werden werden Emotionen und Stimmung auch in nen Einblick, welche Herausforderung der etho-physiologische Indikatoren einschliess- Zukunft bei der Betrachtung von Tieren eine angemessene Umgang mit tierischen Emo- lich der Ohrstellungen und der Hirnaktivität immer wichtigere Rolle spielen. tionen in der Rechtsprechung darstellt. Dies als mögliche Indikatoren für Emotionen un- unter anderem deshalb, weil hier Emotio- Sabine Vögeli tersucht. Ein neuer Ansatz zur Erkenntnisge- nen nicht nur erfasst, sondern auch bewer- winnung bzgl. Emotionen bildet ausserdem tet werden müssen. Wie in konkreten Fällen die funktionale Lateralisation, welche in ei- die Emotionen der Tiere berücksichtigt und ner Studie beim Hausschwein genauer un- gehandhabt werden, verdeutlichen einige ter die Lupe genommen wurde. Das Haus- in diesem Kapitel vorgestellte Fallbeispiele. schwein war auch das Forschungsobjekt des letzten in diesem Kapitel vorgestellten Um mit Emotionen bei Tieren angemessen Projekts. Die Forschenden gehen in die- umgehen oder sie gar bewerten zu kön- ser Studie der Frage nach, ob bestimmte nen, lohnt sich vielleicht auch ein Blick auf Schweine eher Optimisten oder Pessimisten unsere eigenen menschlichen Emotionen. sind. Wichtig ist hierbei der Untersuchungs- Welchen Zusammenhang menschliche ansatz: der Cognitive Judgement Bias Test Emotionen mit denen von Tieren haben und zeigt vielversprechende Möglichkeiten zur welche ethischen Gesichtspunkte bei der Erfassung affektiver Zustände. Die Idee Betrachtung von tierischen Emotionen eine dieser Methode und wie sie genau funkti- Rolle spielen, wird abschliessend in dem oniert, wird in diesem Beitrag anschaulich Kapitel „Aus der Ethik“ genauer beleuchtet. beschrieben. So lange es Emotionen und Stimmungen Wie wichtig das Thema Emotionen und bei (Nutz-)Tieren auch schon gibt, so in- Stimmung bei Tieren ist, zeigen auch die tensiv und lebendig wird dieses Thema zahlreichen Publikationen dazu. Einige da- momentan in der aktuellen Forschung, aber von werden im Kapitel „Aus der Bibliothek“ auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. EMOTIONEN UND STIMMUNG I 7 BEI NUTZTIEREN
AUS DEM FORSCHERBÜRO Wozu Umweltanreicherung? schaftlichen Nutztieren, ist die kognitive Können kognitive Die meisten künstlich geschaffenen Umwel- Anreicherung der Haltungsumwelt. Dabei Umweltanreicherungen ten, wie die Haltungssysteme von Nutztie- müssen die Tiere unter Verwendung ihrer kognitiven Fähigkeiten und durch eine Nutztiere glücklicher ren, sind strukturell einfach und langfristig reizarm (Morgan und Tromborg, 2007). aktive Interaktion mit ihrer Umwelt artge- machen? rechte Probleme/Herausforderungen bzw. Schweine z. B. verbringen in freier Natur einen Großteil ihrer Aktivitätszeit mit der Lernaufgaben lösen (Meehan und Mench, Manuela Zebunke1 (Dr. rer. nat.), 2007). Artgerechte Herausforderungen Suche nach und dem Verzehr von Nah- Jan Langbein2 (Dr. rer. nat.) und Birger sollten in ihrer Form den sensorischen, phy- rung. In intensiver Haltung verkürzt sich die Puppe3 (Prof. Dr. rer. nat. habil.) siologischen, ethologischen und kognitiven dafür notwendige Zeit deutlich auf einen Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), 1 Bruchteil, was in einem hohen Maß zu Fähigkeiten der Tiere angepasst sein und Institut für Genetik und Biometrie, Beschäftigungsarmut und infolge dessen zu in ihrem Schwierigkeitsgrad keine Über- Wilhelm-Stahl-Allee 2, Langeweile bei den Tieren führt (Wemels- forderung oder Unterforderung darstellen 18196 Dummerstorf, Deutschland, felder, 2005). Die Anreicherung der Um- (Wemelsfelder, 2005, Manteuffel et al., zebunke@fbn-dummerstorf.de welt ist eine Methode, um die biologische 2009). Die Integration von kognitiven Relevanz der Umgebung für die Tiere zu Herausforderungen in den Haltungsalltag Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), 2 in Kombination mit einer Belohnungsaus- erhöhen und Verhaltensprobleme anzuge- Institut für Verhaltensphysiologie, gabe bedeutet für Nutztiere wiederholte hen, die infolge von Reiz- und Beschäfti- Wilhelm-Stahl-Allee 2, Stimulation durch Neuheit und Unvorher- gungsarmut entstehen (Newberry, 1995, 18196 Dummerstorf, Deutschland, sehbarkeit, ermöglicht es ihnen aktiv mit Swaisgood, 2007). Tabelle 1 zeigt eine langbein@fbn-dummerstorf.de der Umwelt zu interagieren und infolge des Übersicht über verschiedene Typen von Professur für Verhaltenskunde, 3 Umweltanreicherung. Die häufigste Form eigenen Verhaltens eine positive Resonanz Agrar- und Umweltwissenschaftliche ist dabei die strukturelle Anreicherung zu erfahren. Bei zunehmender erfolgreicher Fakultät, Universität Rostock, (Abb. 1), gefolgt von sensorischer, sozialer Bewältigung der Aufgabe steigt die Kont- Justus-von-Liebig-Weg 8, und futterassoziierter Umweltanreicherung rolle über die Umwelt, was als eine wesent- 18059 Rostock, Deutschland, (Azevedo et. al., 2007). Die bisher am liche Komponente für das Wohlbefinden puppe@fbn-dummerstorf.de wenigsten untersuchte Form der Umwelt- von Tieren erkannt wurde (Carlstead und anreicherung, insbesondere bei landwirt- Shepherdson, 2000, Meyer et al., 2010). Tabelle 1: Übersicht über die verschiedenen Typen von Umweltanreicherung (nach Azevedo et al., 2007). Typ Beschreibung Objekte, Substrate, Gliederung in funktionelle Bereiche strukturell (ABER: Habituation, erhöhtes Management, Gesundheitsprobleme) sensorisch Licht, Musik /Geräusche, Gerüche, Geschmack, … (ABER: Relevanz fraglich) sozial Zugang zu Sozialpartnern (ABER: hauptsächlich bei Labortieren relevant) Futter Futterdiversität, Futterverteilung, Arbeitsaufwand zur Futteraufnahme erhöhen (ABER: erhöhtes Management) kognitiv artgerechte Herausforderungen/Aufgaben mit einer Belohnung (z. B. Futter, Wasser) Abbildung 1: Schweine mit struktureller Umweltanreicherung (Fotos: FBN). 8 I
Kognitive Umweltanreicherung Im Falle der Artgerechte Formen von kognitiver Umwelt- Schweine wurde anreicherung haben bei erfolgreicher Be- ein Ton-Schalter- wältigung das Potential positive emotionale Futterautomat in Erfahrungen zu generieren, was wiederum die Haltungsbucht das tierische Wohlbefinden positiv beein- integriert, an dem flussen kann (Spruijt et al., 2001). die Schweine in- dividuell und selbst- Bei Untersuchungen zur Verwendung von kontrolliert sowie Lernaufgaben als mögliche Formen der forciert lernen konn- kognitiven Umweltanreicherung bei Zwerg- ten (Abb. 3). Die ziegen (Langbein et al., 2004) und Schwei- Schweine wurden nen (Ernst et al., 2005) wurde das Prinzip mittels klassischer der operanten Konditionierung („Lernen und operanter Kon- am Erfolg“) eingesetzt. Bei Zwergziegen ditionierung auf wurde ein Lernautomat zur Präsentation Abbildung 2: Ziegen mit visuellem 4-fach Lernautomat in ihrer einen individuellen von visuellen Diskriminierungsaufgaben in Haltungsumwelt (Foto: FBN). Ton konditioniert, die Haltungsbucht integriert und stand den mit dem sie dann Ziegen 24h am Tag zum individuellen und Futter und Wasser sind darüber hinaus es- mehrmals, zufällig über den Tag verteilt, selbstkontrollierten Lernen zur Verfügung sentielle Ressourcen, über deren Verfügbar- zum Futterautomaten gerufen wurden. Die (Abb. 2). Den Tieren wurden auf einem keit Tiere in Gefangenschaft nur wenig Herausforderung wurde für die Schweine Computerbildschirm 4 schwarze Symbole Kontrolle haben (Manteuffel et al., 2009). erhöht, indem sie nach dem Aufruf zusätz- in wechselnder Anordnung präsentiert. Die Das gilt insbesondere für Futter, das meist lich einen Schalter am Automaten betätigen Ziegen lernten, dass eines der Symbole mit nur restriktiv zur Verfügung steht. Da operan- mussten, um Futter zu erhalten. Die Häufig- Wasser belohnt wurde und mussten dieses te Konditionierung nicht nur kognitiv stimuliert keit der Schalterbetätigung, die notwendig Symbol von den anderen unterscheiden. sondern auch Aktivität und Interaktion mit war, um die gleiche Portion Futter zu er- Wasser war in diesem Ansatz nur am Lern- der Umwelt erfordert, die bei korrekter Aus- halten wurde zusätzlich schrittweise erhöht automaten verfügbar. Durch das forcierte führung mit essentiellen Ressourcen belohnt (fixed ratio 1–10). aber offene Versuchsdesign waren die wird, erlangen die Tiere eine gewisse Kon- Ziegen einerseits zur Interaktion mit dem In den beiden beschriebenen Fällen von trolle über ihre Umwelt, was von großer Lernautomaten gezwungen. Andererseits kognitiver Umweltanreicherung erhielten die Bedeutung für ihr Wohlbefinden ist (Sam- konnten aber auch Tiere, die die Symbo- Tiere nach der Bewältigung der Lernaufgabe brook und Buchanan-Smith, 1997). Struktu- le nicht lernten Trinkwasser abrufen, wenn eine externe Belohnung von hohem appe- relle, soziale, sensorische und rein Futter auch mit höherem physischen Aufwand titiven Wert (Futter oder Wasser), was we- bezogene Umweltanreicherungen streben (Langbein et al., 2006). Nachdem die sentlich effektiver zur längerfristigen Vermei- meist eine Veränderung von Verhalten an, Ziegen den generellen Ablauf der Lernauf- dung bzw. Verzögerung von Habituation also weniger abnormales und mehr natürli- gabe schrittweise gelernt haben, kann der (Tarou und Bashaw, 2007) an die Lernauf- ches Verhalten, dem ethologische Bedürfnis- Inhalt der Aufgabe beliebig variiert werden gabe beiträgt und gleichzeitig die wieder- se wie Futtersuche und Exploration oder das (Langbein et al., 2007). holte Aktivierung des zentralnervösen Beloh- Sammeln von Informationen über die Umwelt nungssystems auslöst (Spruijt et al., 2001). zugrunde liegen (Inglis et al., 2001, Mason et al., 2007, Studnitz et al., 2007, Tarou und Bashaw, 2007). Kognitive Umweltan- reicherung spricht ein wesentlich breiteres Spektrum von tierbezogenen Faktoren an. Sie stimuliert artgerechtes Verhalten, ermög- licht durch erfolgreiche Bewältigung die aktive Kontrolle und Vorhersehbarkeit der Umwelt, was wiederum, verknüpft über die Belohnungsausgabe, eine potenzielle Quel- le von wiederholten positiven Emotionen ist (Meehan und Mench, 2007, Manteuffel et al., 2009, Milgram, 2003). Wie misst man Emotionen? Désiré et al. (2002) definieren Emotionen als eine intensive, kurzlebige, affektive Ant- wort auf externe oder interne Ereignisse, begleitet von spezifischen physiologischen Abbildung 3: Ton-Schalter-Futterautomat sowie Schweine am Ton-Schalter-Futterautomaten in ihrer Haltungsumwelt (Fotos: FBN). AUS DEM FORSCHERBÜRO I 9
AUS DEM FORSCHERBÜRO Abbildung 4: Verschiedene Tiere in typischen Verhaltens-Testsituationen (novel object test, human approach test, open field est) (Fotos: FBN). Reaktionen und Verhaltensänderungen. Affekt und Emotion sind zwei Begriffe, die in der Literatur häufig synonym und oftmals uneinheitlich verwendet werden. Posner et al. (2005) beschreiben den Affekt als sehr schnelle neurophysiologische Reaktion auf ein Ereignis. Diese weist eine bestimmte Valenz/Wertigkeit auf der kontinuierlichen Skala zwischen positiv und negativ sowie einen gewissen Grad der Erregung auf. Da diese neurophysiologische Reaktion subkorti- kal abläuft, ist sie zumeist unbewusst. Durch die enge Verknüpfung des limbischen Sys- tems mit dem Stammhirn, können sehr schnell unbewusste physiologische und Verhaltens- Reaktionen ausgelöst werden. Die neuro- physiologischen Veränderungen werden schließlich zusammen mit den sensorischen Eindrücken des Ereignisses auf neo-kortikaler Ebene interpretiert. Die Interpretation führt Abbildung 5: Regulation und Modulation von Herzschlagvariabilität. Verschiedene Verände- zu einer entsprechenden Modulierung rungen von Herzfrequenz und Herzschlagvariabilität mit möglichen Ursachen. der laufenden physiologischen und Ver- haltens-Reaktionen sowie zu einer subjek- reagieren (Abb. 5, Boissy et al., 2007, von was beides auf eine Stressbelastung hin- tiven Wahrnehmung bzw. Empfindung. Borell et al., 2007, Krause et al., 2017, wies, und dies insbesondere bei den Das Ergebnis wird als Emotion bezeichnet Zebunke et al., 2011). rangniederen Tieren (Baymann, 2007). und weist eine Verhaltens-, eine physiolo- Bei der Untersuchung von gleichzeitig gische und eine subjektive Komponente Macht Knobeln glücklich? angebotener kognitiver und struktureller auf (Désiré et al., 2002). Die subjektive Langbein et al. (2004; 2007) sowie Umweltanreicherung wirkte sich die struk- Komponente ist bei Tieren schwer zugäng- Ernst (2008) konnten bei Ziegen bzw. bei turelle Anreicherung positiv auf die Lern- lich. Ein möglicher Ansatz sind aktuell Un- Schweinen zeigen, dass diese die gestell- leistung aus, während sich die kognitive tersuchungen zum sogenannten “cognitive ten Aufgaben sehr gut lernten und sich auch Anreicherung positiv auf das Explorations- bias“. Dabei wird analysiert, ob Tiere nach über längere Zeit merken konnten (Lang- verhalten in einer fremden Umgebung aus- kurz- oder langfristigen positiven oder ne- bein et al., 2008, Kirchner et al., 2014). wirkte (Abb. 7, Meyer, 2012, Oesterwind gativen Umwelteinflüssen eine ambivalente Weiterhin suchten die Zwergziegen den et al., 2016). Mehr Neugier in Verbin- Situation eher positiv oder negativ bewer- Lernautomaten auch dann auf, um dort dung mit verringerter Ängstlichkeit in ex- ten (Düpjan et al., 2013). Demgegenüber zu trinken, wenn die Belohnung (Wasser) ternen Verhaltenstests wurde auch für die sind die eine Emotion begleitende Verhal- gleichzeitig an einer Tränke frei verfügbar langfristig kognitiv stimulierten Schweine tens- und physiologische Komponente gut war (Abb. 6, Langbein et al., 2009). Die- im Vergleich zu konventionell gefütterten messbar. Verschiedene Verhaltensweisen ses Phänomen, das als „contrafreeloading“ Kontrolltieren nachgewiesen (Abb. 8, wie Exploration, Ängstlichkeit und Aktivität bezeichnet wird (Inglis et al., 2001) weist Zebunke et al., 2013). Auch auf physiolo- werden mittels individueller Verhaltenstests darauf hin, dass die Ziegen nicht nur an gischer Ebene zeigten sich positive Effekte untersucht (Abb. 4, Forkman et al., 2007, der Belohnung sondern auch an der Be- von kognitiver Umweltanreicherung bei Puppe et wal., 2007). Auf physiologischer schäftigung mit dem Lernautomaten selbst Schweinen (Zebunke, 2009). Bei der Ebene eignet sich z.B. die Erfassung von interessiert waren. Eine instabile Umwelt, direkten Interaktion mit der Lernaufgabe Herzschlagaktivität, -variabilität sowie Blut- z. B. durch Umgruppierung der Ziegen, (d. h. dem Aufruf) zeigten die aufgerufenen druck und Blutdruckvariabilität zur online wirkte sich dagegen negativ auf die Lern- Schweine einen sprunghaften Anstieg der Erfassung, da diese ebenfalls vom Stamm- leistung aus und führte zu Veränderung von Herzfrequenz (d. h. sympathisch vermittelte hirn beeinflusst werden und sehr kurzfristig Herzfrequenz und Herzschlagvariabilität, Erregungsreaktion) während die übrigen 10 I
Abbildung 6: Abgerufene Wassermenge am Lernautomaten durch Abbildung 7: Beschäftigung von Ziegen mit (Lernautomat) und Lösung von Lernaufgaben (bekannte und unbekannte) bei gleich- ohne (Tränke) kognitiver Umweltanreicherung mit einem unbekannten zeitiger freier Verfügung von Wasser an einer Tränke Objekt in einer unbekannten Umgebung (open-field/novel-object test) (nach Langbein et al., 2009). (nach Oesterwind et al., 2016). Signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen: p < 0.05. Abbildung 8: Verhalten von Schweinen mit (Versuchsgruppe) und Abbildung 9: Herzfrequenz-Reaktion (HR) von Schweinen auf eine ohne (Kontrollgruppe) kognitiver Umweltanreicherung in unbekannter konventionelle Fütterung im Trog (Kontrollgruppe) bzw. am Ton- Umgebung mit unbekanntem Objekt (open-field/novel-object test) Schalter-Futterautomaten (Versuchsgruppe) mit eigenem Aufruf (nach Zebunke et al., 2013).Signifikante Unterschiede zwischen (Futteraufruf) und während andere Schweine aufgerufen werden Versuchs- und Kontrollgruppe: * p < 0.05, ** p < 0.01. (kein Futteraufruf) (nach Zebunke et al., 2011,2013). Signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen: ** p < 0.01, ** p < 0.001. Schweine der Gruppe keinerlei physio- al., 2013). Darüber hinaus konnte eine logische Reaktion auf den fremden Ton veränderte Genexpression (Opioidrezep- zeigten. Bei der folgenden Futteraufnahme toren KOR und DOR, Neuropeptid-Y5- dagegen sank die Herzfrequenz wieder Rezeptor NPY5R) in emotionsrelevanten ab, blieb aber leicht erhöht im Vergleich Gehirnarealen (Abb. 11, Amygdala, Hypo- zu vor dem Aufruf, d. h. es fand eine vagal thalamus) infolge langanhaltender kogniti- vermittelte Entspannung mit gleichzeitiger ver Stimulation bei den Schweinen nach- leichter sympathischer Erregung statt, was gewiesen werden. Dies weist auf eine auf positive Emotionen hinweist (Abb. 9, Erhöhung der biologischen Bedeutung der Zebunke et al., 2011). Auch längerfris- Umwelt durch eine wiederholte Aktivierung tig während der Ruhephasen war bei des zentralen Belohnungssystems sowie die den Schweinen in der aktiven Lernphase Förderung von motiviertem Verhalten hin die Aktivität beider Teile des autonomen (Kalbe und Puppe, 2010). Nervensystems erhöht, was ebenfalls ein Hinweis auf eine positive emotionale Grundstimmung ist (Abb. 10, Zebunke et AUS DEM FORSCHERBÜRO I 11
AUS DEM FORSCHERBÜRO Eigene Publikationen Zeitschriften Düpjan S, Ramp C, Kanitz E, Tuchscherer A, Puppe B, 2013. A design for studies on cognitive bias in the domestic pig. Journal of Veterinary Behavior-Clinical Applications and Research 8, 485 – 489. Ernst K, Puppe B, Schön PC, Manteuffel G, 2005. A complex automatic feeding system for pigs aimed to induce successful behavioural coping by cognitive adaptati- on. Applied Animal Behaviour Science 91, 205 – 218. Kalbe C, Puppe B, 2010. Long-term cogni- tive enrichment affects opioid receptor ex- Abbildung 10: Herzfrequenzvariabilität (SDNN, RMSSD) und Herzfrequenz (HR) der pression in the amygdala of domestic pigs. Schweine in Ruhe über den Verlauf des Versuches (klassische Konditionierung (Phase 1), Genes, Brain and Behavior 9, 75 – 83. operante Konditionierung (Phase 2), fixed ratio 1 (Phase 3), fixed ratio 5 (Phase 4)) Kirchner J, Manteuffel C, Manteuffel G, (nach Zebunke et al., 2013). Signifikanter Einfluss der Versuchsphase: HR (p < 0.001), Schrader L, 2014. Learning performance of SDNN (p < 0.01), RMSSD (p < 0.10). gestating sows called to the feeder. Applied Animal Behaviour Science 153, 18 – 25. Take Home Message Krause A, Puppe B, Langbein J, 2017. Co- ping Style Modifies General and Affective Nutztiere sind zu komplexen kogni- Autonomic Reactions of Domestic Pigs in tiven Leistungen fähig, die eine ent- Different Behavioral Contexts. Frontiers in scheidende Rolle in der emotionalen Behavioral Neuroscience 11. Bewertung ihrer Haltungsumwelt Krause A, Zebunke M, Bellmann O, spielen. Die sinnvolle Integration von Mohr E, Langbein J, Puppe B, 2016. kognitiven Umweltanreicherungen in Surgical implantation and functional as- die Haltungsumwelt hat das Poten- sessment of an invasive telemetric system to tial, nachhaltige Verbesserungen im measure autonomic responses in domestic Wohlbefinden der Tiere zu erreichen. pigs. Veterinary Journal 207, 140 – 146. Die Tiere erhalten eine gewisse Kon- trolle über ihre Umwelt und erfahren Langbein J, Nürnberg G, Manteuffel G, wiederholt positive Emotionen durch 2004. Visual discrimination learning in die erfolgreiche Bewältigung von in dwarf goats and associated changes in die Haltung integrierten Lernaufga- heart rate and heart rate variability. Physio- ben verbunden mit einer Belohnung. logy & Behavior 82, 601 – 609. Langbein J, Puppe, B. Nürnberg G, Man- Abbildung 11: Gehirnareale (blau = Amyg- teuffel G, 2006. Self-controlled visual discri- dala, violett = Hypothalamus) mit veränderter mination learning of group-housed dwarf Genexpression (KOR, DOR, NPY5R) durch goats (Capra hircus): Behavioral strategies kognitive Umweltanreicherung (nach Kalbe and effects of relocation on learning and und Puppe, 2010). memory. Journal of Comparative Psychology 120, 58 – 66. Langbein J, Siebert K, Nürnberg G, Man- teuffel G, 2007. Learning to learn during visual discrimination in group housed dwarf goats (Capra hircus). Journal of Comparative Psychology 121, 447 – 456. Langbein J, Siebert K, Nürnberg G, 2008. Concurrent recall of serially learned visual discrimination problems in dwarf goats (Capra hircus). Behavioural Processes 79, 156 – 164. 12 I
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Erfolgreiche Bewältigung Inglis IR, Langton S, Forkman B, Lazarus Wemelsfelder F, 2005. Mental health and kognitiver Herausforderungen und ihre Kon- J, 2001. An information primacy model of well-being in animals. In: Animal boredom - sequenzen auf ethologische und physiologi- exploratory and foraging behaviour. Animal Understanding the tedium of confined lives, sche Parameter bei Schweinen (Sus scrofa Behavior 62, 543 – 557. 79 – 91. domestica). Dissertation, Universität Rostock, D-Dummerstorf. Mason G, Clubb R, Latham N, Vickery S, 2007. Why and how should we use envi- Meyer S, 2012. Untersuchung höherer ronmental enrichment to tackle stereotypic Lernleistungen von Nutztieren und Auswir- behavior? Applied Animal Behaviour Sci- kung kognitiver Umweltanreicherung auf ence 102, 163 – 188. Verhalten, Umweltflexibilität und Wohl- befinden. Dissertation, Universität Rostock, Meehan CL, Mench JA, 2007. The challen- D-Dummerstorf. ge of challenge: Can problem solving op- portunities enhance animal welfare? Applied Animal Behaviour Science 102, 246 – 261. AUS DEM FORSCHERBÜRO I 13
AUS DEM FORSCHERBÜRO darstellt und untersucht (Mendl et al., 2010). nende Reize im Hausschwein zu messbaren Emotionale Valenz und Die meisten physiologischen und Verhalten- Unterschieden in der emotionalen Valenz Lateralisation beim sparameter können die arousal-Dimension führen (Leliveld et al., 2016). Bei Schwei- gut erfassen, aber die Valenz ist schwieriger nen haben sich bis jetzt die meisten Studien Schwein zu messen (Dawkins, 2008). Daher gibt es mit stark negativen emotionalen Kontexten eine ständige Suche nach neuen Ansätzen beschäftigt, wie z. B. Kastration (Puppe et Lisette M.C. Leliveld1,2 (Ph.D.), um Emotionen, und insbesondere deren al., 2005). Im Alltag dagegen sind solche Charlotte Goursot1 (M.Sc.), Valenz-Dimension, besser und effizienter zu Kontexte aber eher selten. Dort gibt es we- Sandra Düpjan1 (Dr. rer. nat.), erfassen. In diesem Artikel möchten wir un- niger große Schwankungen zwischen ne- Birger Puppe1,3 (Prof. Dr. rer. nat. habil.) sere Forschung zu zwei solchen Ansätzen, gativen (z. B. kurze Schreckmomente) und Institut für Verhaltensphysiologie, 1 nämlich der Erfassung ethophysiologischer positiven (z. B. Fütterung) Emotionen. Nichts- Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), Indikatoren sowie der Analyse von Laterali- destotrotz können viele Wiederholungen von Wilhelm-Stahl-Allee 2, sation, besprechen. solchen subtilen emotionalen Reizen langfris- D-18196 Dummerstorf, Deutschland tig zu einer veränderten Stimmung führen Ethophysiologische Indikatoren (Mendl et al., 2010), und somit das Wohl- 2 leliveld@fbn-dummerstorf.de von Emotionen befinden beeinflussen. Um dieses zu testen, Professur für Verhaltenskunde, 3 Obwohl die meisten ethophysiologischen In- haben wir 105 juvenile, weibliche Schweine Agrar- und Umweltwissenschaftliche dikatoren von Emotionen hauptsächlich die in einer Versuchsarena in 11 Konditionie- Fakultät, Universität Rostock, arousal- Dimension erfassen, gibt es ein paar rungssessions wiederholt moderat aversi- Justus-von-Liebig-Weg 8, Indikatoren, die auch die emotionale Valenz ven Reizen (negativ), belohnenden Reizen 18059 Rostock, Deutschland erfassen können. Einer dieser Indikatoren (positiv) oder keinen Reizen (Kontrolle) aus- ist die Herzschlagvariabilität (von Borell et gesetzt. Vorher und nachher haben wir ihre Einleitung al., 2007), die die Aktivität des autonomen physiologischen (Herzfrequenz) und Ver- Emotionen spielen eine wichtige Rolle in der Nervensystems und Balance zwischen dem haltensreaktionen (Verhalten und Vokalisation) Forschung zum Wohlbefinden von Tieren. sympathischen System (aktiviert während in einer Versuchsarena gemessen. Wir fan- Dieses wird nämlich geprägt von den psy- Stress) und dem parasympathischen System den, dass eine negative Konditionierung chischen Fähigkeiten eines Tieres, mit seiner (aktiviert während der Ruhe) darstellt, und zu einer Abnahme der Lokomotion und Umwelt zurechtzukommen und sich anzu- somit eine Differenzierung zwischen eher Zunahme von Stehen (signifikant mehr im passen sowie das Ergebnis emotional zu positiven und eher negativen Zuständen Vergleich zu Kontrolltieren) führte, während bewerten (Puppe, 1996). Außerdem bildet erlaubt. Andererseits gibt es bestimmte Ver- eine positive Konditionierung (im Vergleich die Fähigkeit von Tieren, als fühlende Wesen haltensindikatoren, die mehr Information zu Kontrolltieren) zu einer stärkeren Abnah- Emotionen zu erfahren, die Grundlage für über die emotionale Valenz bieten können. me der Herzschlagaktivität und schwächeren die Tierschutzrichtlinie der Europäischen Uni- Insbesondere Vokalisationen scheinen gut Abnahme der SDNN (Indikator sympathischer on (Europäische Union, 1997). Emotionen geeignet zu sein, um sowohl emotionales und parasympathischer Aktivität) führte. von Tieren lassen sich aber nicht einfach er- arousal als auch emotionale Valenz zu er- Außerdem fanden wir, dass die vokale Re- fassen. Vor kurzem ist ein Modell vorgeschla- fassen (Manteuffel et al., 2004). aktion von den Konditionierungen beeinflusst gen worden, das Emotionen als Punkte in wird (Abbildung 1). Die positiv konditionier- Wir haben diese kombinierten ethophysio- ten Tiere produzierten insgesamt am wenigs- einem zwei-dimensionalen Raum, mit arou- logischen Indikatoren benutzt, um zu unter- ten Laute, als auch am wenigsten tieffrequen- sal (~Erregung; niedrig-hoch) und Valenz suchen, ob moderate aversive oder beloh- te Grunzer (Cluster 2), während negativ (~Wertigkeit; negativ-positiv) als Achsen, Tabelle 1: Befunde von lateralisierter Verarbeitung verschiedener emotionaler Kontexte bei nicht-menschlichen Vertebraten. Die 2. und 3. Spalten zeigen die Anzahl Befunde von Dominanz einer Großhirnhemisphäre (jeweils links und rechts) auf der Populationsebene. Die 4. Spalte zeigt die Anzahl der Befunde von Dominanz einer Großhirnhemisphäre nur auf individueller Ebene (nach Leliveld et al., 2013). Emotionaler Linke Rechte Individuelle Kontext Großhirnhemisphäre Großhirnhemisphäre Neigungen Angst 21 48 9 Aggression 8 18 1 Sex 7 7 1 Futterassoziierte Kontexte 23 6 2 Positive soziale Interaktionen 3 5 0 14 I
konditionierte Tiere am wenigsten hochfre- Auge oder Ohr eine Dominanz der rechten quente Grunzer (Cluster 3) produzierten. Großhirnhemisphäre andeutet. Insbesondere Dieses zeigt, dass wiederholte moderat aver- die Forschung zur lateralisierten Verarbeitung sive und belohnende Reize schwache, aber von Befindlichkeiten könnte neue Einsichten messbare Effekte auf Herzfrequenz, Verhal- in die Ausprägung emotionalen Erlebens bei ten und Vokalisation haben, was auf Unter- Nutztieren schaffen und somit der Forschung schiede in der emotionalen Valenz hindeutet. zum Tierwohl dienen. Obwohl die latera- Dieses bedeutet, dass ethophysiologische lisierte Verarbeitung von Emotionen schon Indikatoren, wie zum Beispiel Herzfrequenz lange anerkannt ist, wird die genaue Beteili- und Vokalisation, nicht nur kurzfristige, starke gung der beiden Großhirnhemisphären noch Emotionen erfassen können, sondern auch immer diskutiert. So gibt es zum Bespiel eine langfristige, subtile Stimmungen. Viele Fak- ‚Rechte-Großhirnhemisphäre-Hypothese‘ die toren, die das Wohlbefinden von Tieren postuliert, dass die rechte Großhirnhemi- beeinflussen, wirken langfristig. So kann sphäre dominant ist für die Verarbeitung aller chronischer Stress beispielsweise zu Pro- Emotionen (Tucker, 1981). Darüber hinaus blemen in der Tierhaltung führen. Studien gibt es die ‚Emotionale-Valenz-Hypothese‘ wie diese zeigen, dass schon subtile Unter- die unterstellt, dass nur negative Emotionen schiede in der Behandlung von Tieren (po- mit einer Dominanz der rechten Großhirn- sitiv oder negativ) auf Dauer den affektiven hemisphäre verarbeitet werden, positive Zustand des Tieres beeinflussen können. Emotionen dagegen mit einer Dominanz (Foto: S. Vögeli) Wirbeltieren unterstützt werden, haben wir zunächst eine Übersicht erstellt (Leliveld et al., 2013). Diese zeigt, dass die laterali- sierte Verarbeitung in emotionalen Kontex- ten bei Wirbeltieren weit verbreitet ist, von Fischen (z. B. Reddon und Hurd, 2009) bis zu nicht-menschlichen Primaten (z. B. Leliveld et al., 2010). Alle Wirbeltier- Großgruppen (vielleicht mit Ausnahme von Fischen) zeigten ein ähnliches Mus- ter in der Verarbeitung von Emotionen, nämlich eine Dominanz der rechten Großhirnhemisphäre für die Verarbeitung von Angst und Aggression und eine Do- minanz der linken Großhirnhemisphäre für die Verarbeitung von Emotionen als Reaktion auf Futter (Tabelle 1). Da Reaktionen auf Abbildung 1: Vokalisation von negativ, positiv oder unkonditionierten Schweinen als Anzahl Futter oft mit positiven Emotionen einherge- Laute insgesamt („total“) und getrennt nach Lauttypen (Cluster 2: tieffrequente Grunzer, hen, Angst und Aggression hingegen mit Cluster 3: hochfrequente Grunzer) (lsm±s.e.). negativen Emotionen, liefert diese Übersicht ** P < 0.001, * P < 0.05 (nach Leliveld et al., 2013). eine leichte Unterstützung der ‚Emotionale- Valenz-Hypothese‘. Dies bedeutet, dass beide Großhirnhemisphären an der Verar- Lateralisierte Verarbeitung von der linken Großhirnhemisphäre (Silbermann beitung von Emotionen beteiligt sind, und Emotionen und Weingartner, 1986). Die ‚Annäherung- dass die Dominanz einer Großhirnhemis- Ein relativ neuer Ansatz in der Forschung Rückzug-Hypothese‘ ist eine Variation der phäre als ein Indikator von emotionaler zum Wohlbefinden bei Tieren ist die Analy- ‚Emotionale-Valenz-Hypothese‘ die postu- Valenz eingesetzt werden könnte. se der Lateralisation, das heißt funktionaler liert, dass Emotionen, die mit einer Annähe- Asymmetrien der Großhirnhemisphären. rung an den auslösenden Reiz einhergehen, Diese lateralisierte Verarbeitung von Emo- Ein Vorteil dieses Ansatzes ist, dass die mit einer Dominanz der linken Großhirn- tionen kann auch dazu führen, dass zugrundeliegenden zerebralen Prozesse hemisphäre verarbeitet werden, während spezifische Verhaltensmuster, wie z. B. Ängst- relativ einfach und nicht-invasiv mittels Ver- Emotionen, die mit Rückzug assoziiert sind, lichkeit, mit individuellen Lateralisations- haltensbeobachtungen erfasst werden kön- mit einer Dominanz der rechten Großhirn- mustern, wie z. B. Händigkeit, assoziiert sind nen. Da jede Großhirnhemisphäre stärker hemisphäre verarbeitet werden (Davidson, (Rogers, 2010). Solch individuell unter- mit der kontralateralen Seite des Körpers 1995). Um mehr Einsicht zu bekommen, schiedliche emotionale Reaktivität wird verknüpft ist, wird davon ausgegangen, inwiefern diese Hypothesen von experi- auch als „Persönlichkeit“ bezeichnet. Zum dass eine Präferenz für z. B. linke Hand, mentellen Befunden an nicht-menschlichen Bespiel sind linkshändige Menschen, AUS DEM FORSCHERBÜRO I 15
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