Der afro-kubanische Social Club

 
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Der afro-kubanische Social Club
Der afro-kubanische Social Club | norient.com                           16 Nov 2021 07:05:39

    Der afro-kubanische Social
    Club
    by Knut Henkel

    Als Nick Gold Buena Vista Social Club produzierte, war das
    Ersatz für ein gescheitertes Projekt. Eigentlich hätte er
    Musiker aus Kuba und Mali zusammenbringen wollen.
    Dreizehn Jahre später hat er die Idee endlich realisiert. Das
    Album Afrocubism schafft eine Brücke zwischen Bamako
    und Santiago de Cuba.

    Bassekou Kouyaté lässt die Finger über die Saiten seiner Ngoni tanzen, dann
    blickt er erwartungsvoll zum Mann mit schwarzem Cowboyhut hinüber, der
    wenige Meter von ihm entfernt auf der Bühne des Amphitheaters von
    Cartagena steht. Eliades Ochoa schiebt seinen Stetson in den Nacken, lässt
    ein Lächeln um die Lippen spielen und greift entschlossen in die
    Gitarrensaiten. Exakt spielt er die Melodie nach, die ihm der Kollege aus
    Bamako auf seinem afrikanischen Banjo, der Ngoni, vorgespielt hat. Um den
    Wettstreit nicht mit einem Patt enden zu lassen, schickt der kubanische
    Cowboy noch einige komplizierte Akkorde hinterher. Lachend verfolgen die
    anderen Musiker das Geschehen.

    Wettstreit der Virtuosen

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Der afro-kubanische Social Club
Der afro-kubanische Social Club | norient.com                            16 Nov 2021 07:05:39

    Das sei so seit dem ersten Treffen im Studio im Dezember 2008, erklärt
    Djelimady Tounkara schmunzelnd. Der Gitarrist aus Mali ist der dritte Saiten-
    Virtuose in der zwölfköpfigen Afrocubism-Band, in der je sechs Musiker aus
    Mali und Kuba zusammenspielen. Manchmal greift er in den Wettstreit ein
    und setzt ein paar klingende Duftmarken. Doch heute beim Soundcheck in
    Cartagena, der südlich von Valencia gelegenen spanischen Mittelmeerstadt,
    ist dem Mann nicht danach. Routiniert spielt er ein kleines Solo, stimmt sich
    mit den Männern am Mischpult ab, greift noch einmal in die Saiten und
    nimmt wenig später im Innenraum neben Nick Gold Platz.

    Der Chef des britischen Plattenlabels World Circuit ist das Schwungrad des
    Projekts «Afrocubism». Er hatte die Idee, kubanische Musiker mit Kollegen
    aus Mali zusammenzubringen. Mali war so etwas wie die zweite Heimat des
    aus London stammenden Musikproduzenten. Verliebt habe er sich in den
    Sound und die musikalische Vielfalt des Landes, so der 49-jährige Fan
    afrikanischer Musik. Dann reiste er Anfang der neunziger Jahre erstmals nach
    Kuba. Dort fiel ihm eine CD vom Troubadour Ñico Saquito in die Hände. Doch
    nicht der markante Gesang des alten Soneros, sondern der Klang der Gitarre
    bei den traditionellen Son- und Guaracha-Songs faszinierte den Briten.
    Schnell bekam er heraus, wer dafür verantwortlich war – Eliades Ochoa. Das
    sei der Beginn einer Freundschaft und der Auftakt zu «Afrocubism» gewesen,
    erklärt Gold.

    Eigentlich wollte Gold das Afrocubism-Album schon vor vierzehn Jahren in
    Havanna einspielen. Alles sei vorbereitet gewesen. Das Studio war gebucht,
    mit Ry Cooder hatte man einen namhaften Produzenten verpflichtet, und
    auch die Tickets für Djelimady Tounkara und Bassekou Kouyaté waren
    gekauft. Doch ihre Plätze in der Maschine von Bamako nach Havanna blieben
    leer. Die Musiker hatten ihre Pässe per Post zur kubanischen Botschaft nach
    Burkina Faso geschickt – und nie wieder gesehen. Das war der Grund,
    weshalb Eliades Ochoa, Nick Gold und Ry Cooder in Havanna improvisierten
    und so schliesslich das meistverkaufte Weltmusik-Album aller Zeiten
    einspielten – Buena Vista Social Club . Für die Musiker und Nick Gold war das
    ein glücklicher Zufall.

    Das Treffen
    Für Bassekou Kouyaté hingegen war es ärgerlich. Denn der Virtuose auf dem
    afrikanischen Banjo hatte sich gefreut auf das Zusammenspiel mit Eliades
    Ochoa. Immer wieder habe er Nick Gold seither an seine Idee erinnert. Und
    tatsächlich begann Nick Gold dann im Sommer 2008 nach Terminen zu
    suchen, um die kubanisch-malische Session endlich zu realisieren. Ein halbes
    Jahr später war es so weit: In Madrid, wo sowohl Eliades Ochoa als auch
    Bassekou Kouyaté zufällig gerade eine Tournee-Pause einlegten, trafen sich
    die Musiker erstmals. Nick Gold bemühte sich, die Erwartungen
    vorsichtshalber eher tief zu halten. Doch seine beiden Zugpferde waren es,
    die mit den Hufen scharrten, um etwas Besonderes einzuspielen.

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    Das kann man auf dem ersten Video von «Afrocubism» sehen – und auf der
    CD ist es hören. Sechzehn Stücke nahmen die zwölf Musiker in vier Tagen
    auf. Dass die Chemie zwischen Maliern und Kubanern stimmte, zeigen Stücke
    wie «Al Vaivén De Mi Carreta»: Diese Hymne der ostkubanischen Bauern
    intoniert zu Beginn Eliades Ochoa, dann übernimmt der malische Griot-
    Sänger Kasse Mady Diabaté. Dadurch und durch das Spiel von Lassana
    Diabaté am Balafon, einem afrikanischen Xylofon, aber ebenso durch die
    Einsätze von Bassekou und Djelimady entsteht ein Stück, in dem sich die
    Traditionen kreuzen. Das wäre kaum passiert, wenn man das Album damals
    wie geplant in Havanna eingespielt hätte, glaubt Bassekou Kouyaté. Damals
    wären er und Djelimady allein gewesen mit den Kubanern. In Madrid hingegen
    war die Verteilung nun ausgeglichen. So seien beide Musikkulturen
    gleichermassen zu ihrem Recht gekommen. Bisweilen – wie etwa in
    «Karamo» – dominieren die malischen Elemente, in Songs wie «La Culebra»
    ist es gerade umgekehrt.

    Gegenseitiger Respekt
    Dass die Fusion funktioniert, zeigen Stücke wie «Nima Diyala», eine
    groovende Perle im Zeichen des Balafons, die mit kubanischem Swing
    aufwartet, oder «A La Luna Yo Me Voy»: Da sorgen die Saiten-Virtuosen aus
    Mali, darunter auch der Kora-Spieler Toumani Diabaté, für Klangkaskaden, die
    dem Spiel von Eliades Ochoa ganz neue Schattierungen verleihen. Quasi
    hörbar ist auch der gegenseitige Respekt der Musiker. Es ist ihnen so
    gelungen, eine klingende Brücke zwischen Bamako und Santiago de Cuba zu
    bauen. Und wenn es nach Bassekou Kouyaté und Eliades Ochoa geht, wird
    sich die Kooperation nicht auf ein einziges Album beschränken.

    V. A.: AfroCubism (World Circuit / Musikvertrieb).

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    → Published on October 26, 2010

    → Last updated on October 11, 2019

    Knut Henkel, freier Publizist mit Wohnort Hamburg ist regelmäßig in Lateinamerika
    unterwegs. Dort beschäftigt er sich auch mit Musik. Son, Rap und Mestizo haben es
    ihm angetan und überaus spannend findet er nicht nur die neuen und alten Klänge
    zwischen Ciudad Júarez und Feuerland, sondern auch deren Hintergründe und
    Entstehungsgeschichte.

    → Topics

          Cultural Diplomacy
              Encounter
             Experiment
          Music Production
               Tradition
               All Topics

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