Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN

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Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
Der Übersetzer
DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
Herausgegeben vom Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e.v.

                            Neckarrems Juni 1973                       Nr. 6 ‘IO. Jahrgang

Maria Wandruszka:                                            Sprachen verdanken kann; wo andererseits die Gefahren
                                                             der Überfremdung, der strukturellen Hybridisierung
Die neue Interlinguistik                                     liegen. Zur Natur unserer Sprachen gehört nicht nur ihre
oder                                                         notwendige Unvollkommenheit, sondern auch ihre in-
Die Notwendigkeit einer kontrastiven,                        strumentale Permeabilität, die Möglichkeit gegenseitiger
konfrontativen, differentiellen Linguistik                   Durchdringung und Bereicherung. Beiden Merkmalen
                                                             wird die linguistische Theorie besser als bisher Rechnung
            Das Thema von Prof. Wandmszkas Vortrag           tragen müssen.
            war ’Kontrastive Linguistik in Österreich’.      Der Streit um die beste Übersetzung, um die dem
            Der Vortrag wurde Anfang des Jahres in der       Original am nächsten kommende Entsprechung, das
            Sitzung der philshist. Klasse der Österreichi-   heißt die beste Annäherung, enthüllt uns den Charakter
            schen Akademie der Wissenschaften gehal-         unserer Sprachen auch noch in anderer Hinsicht. Dieser
            ten. Wir entnehmen ihm einige Auszüge.           Streit entbrennt so leicht, ja er kann überhaupt nur
Über nichts läßt sich bekanntlich scharfsinniger und         entbrennen, weil unsere Sprachen keine monosystema-
 feinsinniger streiten als über die beste Übersetzung. Man   tische Stringenz besitzen, die nur eine einzige richtige
kann die Arbeit des kenntnisreichsten und gewissenhaf-       Lösung zulassen würde. Immer wieder bieten sich zwei
 testen Übersetzers einer Gruppe sprachenkundiger Men-       oder mehrere mögliche Übersetzungen an, annähernde
 schen vorlegen — man wird unweigerlich Widerspruch          Entsprechungen, jede mit ihren Vorzügen und Nachtei-
und verschiedene, manchmal gegensätzliche Verbesse-          len. Mit dem Computer läßt sich nicht streiten, er hat
rungsvorschläge erhalten. Das liegt gewiß nicht nur an       immer recht, seine Lösung ist immer die einzig unfehlbar
 der menschlichen, allzumenschlichen Unvollkommenheit        richtige. Jedes konstruierte Informationssystem ist nach
jedes Übersetzers, seiner Unkenntnis oder Fahrlässigkeit.    dem Prinzip der Biunivozität gebaut, der ein-eindeutigen
 Das liegt ebenso sehr an der notwendigen Unvollkom-         Zuordnung der Formen und Funktionen: für jede Form
menheit unserer Sprachen selbst. Zur Natur unserer           eine und nur eine einzige Funktion und umgekehrt.
Sprachen gehört ihre Unzulänglichkeit.                       Unsere natürlichen Sprachen dagegen sind in allen
Die Formen und Strukturen unserer Sprachen, das wird         Richtungen durchzogen von Polymorphien und Poly-
im Übersetzungsvergleich immer wieder deutlich, besit-       remien: bald haben zwei oder mehrere Formen die
zen nicht überall die gleiche Reichweite; hier macht die     gleiche Funktion, bald werden zwei oder mehrere
eine Sprache etwas explizit was in der anderen implizit      Funktionen der gleichen Form anvertraut.
dem Kontext und der kommunikativen Situation anver-          Was wir eine Sprache nennen, ’die deutsche Sprache‘,
traut bleibt; bald kann man in der einen, bald in der        ’die englische Sprache’, ’die arabische Sprache’ oder
anderen etwas besser, treffender, knapper, eleganter         irgendeine andere der dreitausend Sprachen, die wir
sagen; da treten Redundanzen auf, dort Defizienzen; da       Menschen auf dieser Erde sprechen, ist ja in Wahrheit ein
entdeckt man in einer Sprache eine überraschende             unglaublich vielgestaltetes, -geschichtetes‚ gefächertes
 Lücke, dort hat sie einen besonders glücklichen Fund        soziokulturelles Polyrystem aus Konstanten und Varian—
anzubieten.                                                  ten.                                                       w
Der Übersetzer kennt am allerbesten das Ungenügen            Jede unserer Sprachen ist eigentlich ein Konglomerat
jeder Übersetzung. Er weiß nur zu gut, daß diese             von Sprachen. Wir alle sind mehrsprachig schon in
 Rechnung nie restlos aufgehen kann, wie das umgekehrt       unserer Muttersprache, wir alle haben nach der regional,
bei jeder Transcodierung einer Information aus einem         sozial, kulturell begrenzten Sprache unserer Kindheit in       .\.. ‘

konstruierten Code A in einen Code B der Fall sein muß.      der Schule eine transregionale, transsoziale Kultur-
Die Konfrontation der Formen und Strukturen spielt           sprache gelernt, die eigentlich schon unsere erste
sich im Gehirn des Übersetzers ab. In seinem Bewußtsein      Fremdsprache    war.    Von     dieser   ’muttersprachlichen
stiften sich die approximativen Äquivalenzen, entstehen      Mehrsprachigkeit’ weiß jeder Volksschullehrer ein Lied
aber auch die Interferenzen zwischen den Sprachen.           zu singen. Die phonetischen, lexikalischen, grammati-
Denn auch das unterscheidet unsere natürlichen Spra-         schen, idiomatischen Interferenzen zwischen der Dorf-
chen von einem monosystematisch schlüssigen und              mundart und der Sprache des Lesebuchs, des Schulauf-
geschlossenen Code: ihre erstaunliche gegenseitige           satzes sind sein tägliches Brot, die Interferenzen zwi-
Durchlässigkeit, ihre instrumentale Permeabilität. Daher     schen dem Dialekt, der regional mehr oder weniger stark
können in der Übersetzung so leicht die verschiedensten      gefärbten Hochsprache, die er selber im Klassenzimmer
lexikalischen, grammatischen, idiomatischen Strukturen       zu sprechen sich bemüht, der Sprache Goethes und
der einen Sprache auf die der anderen abfärben. Gerade       Grillparzers, den verschiedensten Varianten des Deut-
die besten Übersetzungen lassen erkennen, welche             schen, die das Fernsehen allabendlich in jedes Haus
Erweiterungen, Bereicherungen, Verfeinerungen ihrer          bringt, der Regiolekte west- und norddeutscher Ferien-
Mittel eine Sprache den Übersetzungen aus anderen            gäste, die heute auch in den abgelegensten Alpendörfern
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erklingen     Wie weit diese 'innere Mehrsprachigkeit’         spezifische Regiolekte, sondern für alle spezifischen
gehen kann, zeigt am besten die deutschsprachige               Strukturen. Dafür nur noch ein letztes Beispiel. Wir
Schweiz mit ihrem selbstverständlichen, unablässigen           besitzen im Deutschen in der Du- und Sie-Anrede ein
Nebeneinander, Nacheinander, Ineinander von Schwy-             soziokulturelles Instrumentarium, mit dem wir einen
zerdütsch und Hochdeutsch.                                     inneren Kreis uns vertrauter Menschen von allen anderen
Dabei erwerben wir in unserer Muttersprache nicht nur          explizit differenzieren (das für gewisse soziale Gruppen
eine aktive Kompetenz, das heißt die Varianten, die wir        kennzeichnende allgemeine Du sei hier einmal beiseitege-
selbst verwenden, sondern auch eine um ein Vielfaches          lassen). In Thomas Manns ’Zauberberg’ spielt der
größere passive Kompetenz, das heißt alles, was wir            Wechsel vom Sie zum Du und wieder zurück zum Sie
verstehen, ohne es vielleicht selbst je zu gebrauchen.         zwischen Hans Castorp und Clawdia Chauchat eine große
Auch wenn wir selbst nie anders als Samstag sagen,             Rolle. Wie soll das der englische Übersetzer verständlich
gehört Sonnabend doch auch zum Wortschatz unserer              machen, der in seiner Sprache dafür immer nur die
Muttersprache. Ein anderes Verhältnis kann für jeden           Allerweltsanrede you zur Verfügung hat? Umgekehrt
von uns zwischen Januar und Jänner bestehen, wieder            hat das Englische die alten ’Du’-Formen thau, thee
ein anderes zwischen Februar und Feber Die regionale           bewahrt, aber versehen mit dem soziokulturellen Index
Polymorphie ist im Deutschen besonders groß, und diese         ’biblisch, poetisch, archaisch’ und den entsprechenden
’innere Mehrsprachigkeit’ führt daher auch immer wieder        Konnotationen. Wie soll man heute etwa die ironisch
zur ’inneren Übersetzung’. So übersetzen wir Laken mit         archaisierende Wirkung eines solchen thou und th'ee im
Bettuch oder Leintuch; Spind oder Kasten mit Schrank;          Deutschen wiedergeben, wo das Du einen ganz anderen
Schornsteinfeger, Schlatfeger, Essenfeger, Essenkehrer.        Stellenwert hat?
Kaminfeger, Kaminkehrer, Rauchfangkehrer; Spengler,            In der Übersetzung kann eine Sprache längst nicht all das
Flaschnen Klempner; Erdäpfel, Grundbirnen, Kartoffel;          zeigen, worüber sie verfügt. Der Übersetzer ist immer im
Apfelrinen und Orangen; Marillen und Aprikosen           Ich   Nachteil. Er muß immer wieder seine ganze Kunst
erwähne nur die allbekannten lexikalischen Polymor-            aufbieten, um wenigstens ungefähre Entsprechungen zu
phien, weil sich unsere innere Mehrsprachigkeit am             finden, das Unabdingbare nötigenfalls zu umschreiben,
leichtesten am Wortschatz verdeutlichen läßt; sie ist in       zu erklären, weniger Wichtiges zu opfern oder dafür an
den phonetischen oder den grammatischen Strukturen             anderer Stelle Kompensationen zu schaffen. Um zwei
keineswegs geringer.                                           Sprachen richtig miteinander vergleichen zu können,
                                                               muß daher das Verhältnis Vorlage — Übersetzung auch
Für uns aber lautet hier die entscheidende Frage: Was          immer wieder umgekehrt werden, müssen in einem
geschieht, wenn ein solches ebenso komplexes wie               ausgewogenen Verhältnis Originaltexte aus beiden Spra-
subtiles Polysystem (also zum Beispiel die deutsche            chen, da wo der Verfasser jeweils aus dem Vollen seiner
Sprache) in ein anderes Polysystem (z. B. die franzö-          Sprache schöpfen konnte, mit ihren jeweiligen Überset-
sische Sprache) transponiert werden soll? Wie kann für         zungen verglichen werden, also etwa nach den ’Budden—
ein solches Gebilde, zustandegekommen durch das                brooks’ und ihrer französischen Übersetzung umgekehrt
Zusammen— und Gegeneinanderwirken zahlloser histori-           ein großer französischer Familienroman und seine
scher, vielfältig heterogener Faktoren, für alle diese         deutsche Übersetzung.
Konstanten und spezifischen Varianten, alle diese sozio-       In der Übersetzung, der geglückten und der gescheiter-
kulturellen lndices und die ihnen eigentümlichen Konno—        ten, Zeigen sich unsere Sprachen erst wie sie wirklich
tationen — wie kann dafür ein tausendfach anders               sind, in dieser Konfrontation enthüllen sie erst ihre
gestaltetes Gebilde eine Entsprechung bieten?                  wahre Natur. Die linguistische Analyse der Übersetzung,
Erinnern wir uns an Thomas Manns Buddenbrooks. Da              dieses ’Gesprächs zwischen den Sprachen in uns’, kann
hören wir Lübecker Patrizierdeutsch, vor allem bei der         der heute weithin monosystematisch fixierten linguisti-
älteren Generation oft noch eine merkwürdige Mischung          schen Theorie helfen, aus ihrem selbstgebauten Gefäng-
von Platt und Französisch, der damaligen europäischen          nis wieder heraus- und zurückzufinden zur lebendigen
Bildungssprache, die auch noch in vielen dem Franzö-           Wirklichkeit unserer Sprachen, dieser erstaunlichen Ge-
sischen nachgemachten deutschen Wörtern und Wendun-            bilde aus Analogien und Anomalien, Polymorphien und
gen deutlich zu erkennen ist, da hören wir Ostpreußisch        Polysemien, Redundanzen und Defizienzen, Explikatio
mit ein paar polnischen Brocken, baltisches, schwilbi-         nen und Implikationen, Konstanten und Varianten. Bei
sches, fränkisches Pfarrerdeutsch, und schließlich Alois       dieser ’Linguistik der Übersetzung’ geht es also nicht
Permaneders unvergeßliches Münchnerisch. Die inner-            darum, linguistische Rezepte für die Übersetzung zu
deutsche Mehrsprachigkeit, das sprachliche Spannungs-          entwickeln, eine linguistisch fundierte Übersetzungswis—
verhältnis zwischen Nord und Süd, Lübeck und Mün-              senschaft aufzubauen, sondern umgekehrt darum, aus
chen, ist eines der großen Themen dieses Buches.               der sprachlichen Grundtatsache des Übersetzens, aus den
Wie sollte das alles in einer anderen Sprache als eben der     wissenschaftlich beobachtbaren, beschreibbaren Wirk-
deutschen ausdrückbar sein? Genevieve Bianquis, die            lichkeiten der Übersetzung Aufschlüsse über die Natur
französische Übersetzerin der ’Buddenbrooks’, fühlte           unserer Sprachen zu gewinnen.
sich verpflichtet, in einer Vorbemerkung zu erklären:
’Zu unserem lebhaften Bedauern mußten wir auf ein              Zur Frage der Transkription
pittoreskes Element verzichten, auf den plattdeutschen
Dialekt, der so in'elen Seiten der Buddenbrooks Anschauo       ’Der Übersetzer’ bringt erfreulicherweise immer häufiger
lichkeit und Farbe verleiht. Einen deutschen Dialekt           auch Artikel zu Übersetzungsproblemen aus Sprachen,
durch einen französischen wiederzugeben wäre ein               die der hiesigen Kulturlandschaft noch recht wenig
großes Wagnis gewesen; und hätte man sich für Norman-          vertraut sind. Die dabei unvermeidliche Notwendigkeit,
nisch oder li'ikardisch entschieden, um das Lübecker           einen Übersetzungsvorschlag mit dem Originalzitat zu
Deutsch wiederzugeben, hätte man dann auch Münch-              konfrontieren, stößt hier zuweilen (etwa beim Rus—
nerisch mit Marseiller Französisch übersetzen müssen?          sischen oder Bulgarischen) auf die Barriere eines fremden
Im übrigen bedient sich das gebildete Bürgertum in             Schriftbildes, das dann in ein dem Leser ’verständliches’
Frankreich nicht des lokalen Dialekts, so wie man es in        Schriftbild   ‘übersetzt’   werden muß. Auch bei der
Deutschland tut.’                        ’                     Vermittlung. unübersetzbarer Namen, Realien etc., nicht
Hier sind wir also wieder an der Grenze der Übersetzbars       zuletzt bei experimenteller Literatur (vgl. etwa die von
keit   angelangt.   Das   gilt   aber   keineswegs   nur für   Peter Urban zusammen mit dem transkribierten original-
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sprachlichen     Text   herausgegebenen Übersetzungsvor—          l. Vergütungr- und Auskunftsanspruch der Autoren und
schläge für Velemir Chlebnikovr ’Zakljatie smechom’ in            Übersetzer gegenüber den Bibliotheken: Nach dem
V. Ch.‚ Werke l, Reinbek 1973 S. 19—21) ist es nötig,             Gesetz richtet sich der Anspruch der Autoren und
eine dem originalen Lautbild entsprechende Transkrip-             Übersetzer gegen die einzelnen Bibliotheken, d. h. gegen
tion zu finden.                                                   deren Rechtsträger (Stadt, Staat, Kirche, Industrie).
Nun herrscht aber in Zeitungen, Zeitschriften und                 Neben der Vergütung steht dem Autor oder Übersetzer
Büchern (als Folge davon natürlich auch in Rundfunk               ein umfassender Auskunftsanspruch zu. Die Träger der
und TV) gerade bei der jetzt immer mehr ins Bewußtsein            Büchereien müssen bei der Ermittlung mit den Verwer-
dringenden russischen Sprache ein geradezu unglaub-               tungsgesellschaften eng zusammenarbeiten. Keinem wäre
liches Babel. In den meisten Fällen werden individuelle           gedient, wenn die Bibliotheken zu Auskünften gezwun-
Lösungen versucht, die häufig genug noch größere                  gen werden müßten.
Unklarheit schaffen. Aber auch Anlehnungen an franzö-             2. Pauschalierung der Inkassos: Eine Pauschalierung des
sische oder englische Lautvorstellungen vermitteln einem          Inkassos wird angestrebt. Der Abschluß von Gesamtver-
deutschen Leser kein adäquates Lautbild des Originals.            trägen ist für die Verwertungsgesellschaften gesetzliche
Diese Gedanken kamen mir nicht zuletzt auch bei der               Pflicht, er muß aber auch nach ökonomischen Gesichts-
Lektüre    des    ’Übersetzers’ 10/3    (Besprechung        von   punkten durchgeführt werden. Sollten Gesamtverträge
Pushkin Threefold aus ’Tirnes Literary Supplement’;               mit den einzelnen Bibliotheksträgern nicht zustande
Literaturangabe in R. Tonndorfir Gaöeöiladse-Rezension)            kommen, wären die Verwertungsgesellschaften gezwun-
und 10/4 (Beispiel 20 des David-L.-Gold-Beitrags). Die            gen, Tarife nach ä 13 des Wahrnehmungsgesetzes aufzu-
hier gewählten Transkriptionen stellen weitgehend einen           stellen. Eine solche einseitige Maßnahme würde nach
Zwitter aus inkonsequenter Anlehnung an bestimmte                 erheblicher Zeitverzögerung den Zahlzwang zwar nicht
englische Lautvorstellungen und wissenschaftlicher                aufheben, sondern die Belastung rückwirkend nur vergrö-
Transkription dar (etwa ’v glazakh’oder ’khudoshestven-           ßern.
nyj’). Es ist hier kein Platz, die unlogische und                 3. Hohe Gebühren für Lesesaal- und Prärenzbestände:
fehlerhafte Wiedergabe der entsprechenden russischen              Sowohl bei Verhandlungen über Gesamtverträge als auch
Laute im einzelnen nachzuweisen. Auf jeden Fall sollte            bei der Aufstellung von Tarifen wird zu prüfen sein, wie
aber bei jeder Transkription         bedacht      werden,   daß   sogenannte Präsenzbibliotheken zu behandeln sind
unterschiedliche Schriftbilder nicht nur verschiedene             (Lesen innerhalb der Bibliotheksräume). Von Autoren-
kulturhistorische Fakten widerspiegeln, sondern vor               und Übersetzerseite wird gefordert, eine höhere Vergü-
allem auch ein Ausdruck nicht deckungsgleicher phone-             tung anzustreben, da eine häufigere Benutzung zu
tischer Systeme sind. Kein Mensch würde auf den                   erwarten ist. Demgegenüber wird argumentiert, daß das
Gedanken kommen, das englische ’th’ zu transkribieren,            Lesen in Bibliotheksräumen kein Entleihen darstellt.
man setzt einfach eine allgemeine Kenntnis des Lautwer-           Über die Angemessenheit der Vergütung wird man
tes voraus. Sollte es da nicht möglich sein, den Leser            diskutieren müssen; daß aber das Lesen in Bibliotheken
allmählich auch an die international anerkannten wissen-          den gleichen Leihvorgang darstellt, als wäre das betref-
schaftlichen Transkriptionssysteme zu gewöhnen — auch             fende Werk außerhalb des Hauses, ist rechtlich nachweis-
wenn ein ’ö’ oder ’z’ z. Zt. noch etwas fremd wirkt? Mir          bar. Auf einem anderen Blatt steht, daß es hier technisch
scheint nämlich, daß es weniger der mangelnde Lernwille           noch schwieriger als bei den übrigen Bibliotheken ist, die
des Lesers als vielmehr eine billige Unkostenscheu des            einzelnen Leihvorgänge zu kontrollieren. In diesen
Verlegers (neue Schrifttypen!) ist, die eine damit                Fällen sollte bei der Aufnahme eines Werkes eine
gegebene adäquate und international vereinbarte Trans-            Pauschalgebühr abgeführt werden, um in entsprechender
kription fremder Schriftzeichen verhindert. Auch gerade           Höhe alle kommenden Leihvorgänge abzugelten.
der   'Übersetzer’   sollte   dazu   beitragen,    der neuen      4. Verteilung der Gebühren: Die Hälfte der Gebühren
Sprachverwirrung ein wissenschaftliches Halt zu bieten!           wird dem Altersversorgungswerk zugeführt. Das System
                                     Hans-Joachim Schlegel        der Einzelverteilung wird im Augenblick von der
                                                                  VG WORT geprüft. 0b man dabei von der einzelnen
Bibliotheksabgabe:                                                Buchentleihe ausgeht oder Kauf und Bestände der
                                                                  Bibliotheken berücksichtigt — eventuell auch eine Misch-
Eine wichtige Änderung                                            form wählt —, muß sich erst erweisen. Voraussetzungfü’r
des Urheberrechtsgesetzes                                         die Auszahlung ist jedoch immer der Abschluß einer
Am I.Januar 1973 ist die Neufassung des 527 des                   Wahrnehmungsvertrages mit der VG WORT.
Urheberrechtsgesetzes in Kraft getreten. Danach sind alle         Bis zur endgültigen Durchführung wird bei all diesen
öffentlichen Bibliotheken verpflichtet, für jedes Ausleiv          Problemen noch einige Zeit vergehen. Dem Gesetzgeber
hen eines urheberrechtlich geschützten Werkes (Bücher,            ist jedenfalls zu danken, daß er mit der Bibliotheks-
Zeitschriften oder audiovisuelle Materialien) eine ange-          abgabe dem Autor und dem Übersetzer die Möglichkeit
messene Vergütung zu zahlen. Laut Gesetz kann jedoch              verschafft hat, soziale Forderungen zu verwirklichen, die
nicht jeder Autor oder Übersetzer von den Büchereien              in einigen anderen Ländern heute schon selbstverständ-
die Zahlung einer Gebühr verlangen. Dieser Anspruch               lich geworden sind.
wird durch eine Verwertungsgesellschaft, die VG WORT              Von der Bibliotheksabgabe können auch Mitglieder
geltend gemacht. Sie ist verpflichtet, die Hälfte der              unseres Verbandes profitieren, die Bücher veröffentlicht
Einnahmen einem Altersversorgungswerk zuzuführen.                 oder übersetzt haben. Wir bitten alle Interessenten, sich
Bei der Vielzahl der Publikationen und Bibliotheken               direkt   an    die   Verwertungsgesellschaft     WORT,
wird die Abrechnung der Bücherei-Tantiemen eine Reihe             D-8000 München 2, Lenbachplatz 4/IV, zu wenden.
von organisatorischen Schwierigkeiten mit sich bringen.
In der BRD werden zur Zeit Werke von 22 000                           Wichtiges Datum!
inländischen Buchautoren und von etwa 30 000 auslän-
dischen Verfassern in etwa 1850 Verlagen herausge-                    Bitte vormerken.
geben. Rund 25 000 Bibliotheken mit etwa 100 Millio-                  Das ’VI. Esslinger Gespräch’ findet dieses Jahr
nen Ausleihbewegungen sind zu berücksichtigen. Die                    vom 16. bis 18. November in der Friedrich-
Justitiare der VG WORT weisen in einer ersten Stellung-               Ebert-Stiftung in Bergneustadt bei Köln statt.
nahme auf folgende Punkte hin:
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Der VDÜ teilt mit:                                             folgendes auf deutsch formuliert: ’... Das (kommunisti-
                                                               sche) System fraß eine Nachtigall nach der anderen,
Wir begrüßen als neue Mitglieder:                              ohne jedoch sein wütendes Brüllen merklich zu dämp-
Frau Gundula von Eichborn, 7901 Humlangen, Nr. 6;              fen ...’. Auf englisch geht das nicht.’
Herrn Friedrich Griese, 6 Frankfurt l, Fichardstr. 49;
Frau Gundl Herrnstadt-Steinmetz, 1020 Wien, Ausstel-
lungsstr. 7/14.                                                Huldigung an einen Übersetzer
                           t t lt

                                                               In der DDR-Zeitschrift ’Sinn und Form’ findet man im
                                                               l. Heft 1973 eine wahrlich bemerkenswerte Würdigung
Andreas Gryphius-Preise 1973                                   des Übersetzerberufes. Konstantin Simonow, Korrespon-
Eine Ehrengabe von DM 2000 erhielt Elisabeth Kott-             dierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR,
meier, geb. 1902 in Sandowitz Kr. Groß-Streblitz,              der vor allem durch sein Prosawerk über den ’Großen
Schwaikheim. Sie hat neben eigenen literarischen Arbei-        Vaterländischen Krieg’ bekannt wurde, veröffentlichte
ten sich große Verdienste durch Übertragungen an-              nach einem Aufenthalt in Vietnam einen Lyrikband
spruchsvollster Prosa und Lyrik vor allem aus dem              ’Vietnam, Winter siebzig ...’, aus dem das Gedicht ’Wart
Russischen (Boris Pasternak, Juri Tynjanow, Bella              auf mich’ ins Vietnamesische übersetzt wurde. Dafür
Achmadulina, L. Maljugin), aus dem Ukrainischen                bedankte sich Simonow mit Versen, die Sarah Kirsch
(Wassyl Barka, Lesja Ukrainka) und dem Polnischen              wohl kaum besonders geschickt aus dem Russischen ins
(Stanislaw Jercy Lec) und durch ihre publizistische und        Deutsche übertragen hat, jedoch fallen sie durch die mit
Vortragstätigkeit erworben. Zusammen mit ihrem Ehe—            ihrem Inhalt verknüpfte Würdigung des Übersetzer-
mann Eaghor Kostetzky übertrug sie u. a. den gesamten          metiers auf:
Prosateil der Anthologie ’Aus dem alten Rußland’, die          Für Genossen To Hui, der ’Wart auf mich’ übersetzte
satirischen Komödien von Nikolai Erdman ’Der Selbst-
mörder’ und ’Das Mandat’, zwei Bühnenstücke von Jurj          Hier, weiß ich, leben meine Verse
Olescha und den ukrainischen Roman ’Der Dom von
                                                              In Ihrer vorzüglichen Übersetzung.
                                                              Und werden leben, solang Frauen mutig
Satschipljanka’ von Olesj I-Iontschar. Sie war dabei auch
                                                              Auf Männer, die im Feld sind, warten.
stets um theoretische und philologische Probleme grund-
sätzlicher Art bemüht.                                        Jahrzehntelang nun schlagen die Kanonen.
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                                                              Die Witwen gehen zu den Gräbern hin.
                                                              Meine Verse warten und sie leben
Den Heinrich-Heine-Preis der DDR 1972 erhielten der           Durch Ihre vorzügliche Übersetzung.
Lyriker Stephan Hermlin und der Literaturwissenschaft-
ler Hans Kaufmann. Stephan Hermlin empfing den Preis          Ach, würde jenes Jahr nun endlich kommen
                                                              Auf langem Wege, der zur Freiheit führt.
für sein lyrisches Schaffen, von dem ’Zweiundzwanzig
                                                              Die Verse, wie die Leute, ihren Feldzug
Balladen’ (1947) und ’Der Flug der Taube’ (1952) im
Verlag Volk und Welt erschienen (neben Erzählungen             Beendeten in Ihrer Übersetzung.
und Aufsätzen), und für seine Verdienste bei der               Wenn man nicht länger warten muß
Vermittlung fremdsprachiger Dichtungen. Für den Ver-           Daß Irgendjemand aus dem Krieg zurückkommt
lag Volk und Welt hat er u. a. Apollinaire, Aragon, Paul       Dann werden meine Verse freudig sterben
Eluard, Attila Jözsef, Pablo Neruda sowie Dichtungen          In Ihrer vorzüglichen Übersetzung.
amerikanischer Neger übertragen und Prosawerke von             Erstaunlich die huldigende Höflichkeit des Literaten für
Aragon, Courtade, Haddad, Pozner und Sillitoe über-            seinen Übersetzer, erstaunlich auch die Naivität, mit der
setzt.                                                         hier Krieg und Dichtung, Leben und Übersetzung
                           S i! t
                                                               verschränkt werden. In der 3. und 4. Strophe geben eine
Kurz nach Vollendung seines 87. Lebensjahres ist in            mangelhafte Syntax und Interpunktion Rätsel auf, was
Kochel der Schriftsteller und Übersetzer Johannes              bei der sonst sehr sorgfältigen Redaktion dieser Zeit—
Ferdinand von Günther gestorben. Der in Mitau im               schrift verwunderlich ist. Man wünschte den ’Sinn’ und
Kurland als Sohn eines hohen russischen Beamten                die ’Form’ dieser zweifellos seltenen Verbeugung vor
geborene Autor hatte sich seit 1905 mit der Übertragung        dem Kollegen Übersetzer im Original nachprüfen zu
der Werke russischer Dichter ins Deutsche beschäftigt.         können. Vielleicht ließe sich dann für eine ’vorzügliche
Neben diesen Übersetzungen hat von Günther eine Reihe          Übersetzung’ doch noch eine andere Fassung finden.
eigener Romane und Theaterstücke hinterlassen, die alle                                                    Fr. Weidner
Zusammenhänge mit der russischen Literatur aufweisen.
Am bekanntesten wurden seine Romane Cagliosiro und
Rasputin sowie eine 1964 erschienene russische Litera-         Text eines deutschen Merkblattes, das zur Zeit in
turgeschichte.                                                 spanischen Postämtern ausliegt: ’Hochgeehrte Reisen-
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                                                               den! Um ein Entweichen Ihrer geschätzten Poststücke zu
Aus einer kürzlich in England erschienenen Rezension           vermeiden, wir bitten beste aufmerksamkeit zu widmen
von Erwin Weits Buch ’Eyewitness’, das den englischen          mit höflicher bitte, daß Du keine Postkarte wegsendest,
Untertitel trägt: ’The Autobiography of Gomulka’s              welche Erhabenheit haben und auch plitze mit Geruch,
Interpreter’: ’   Die Übersetzung (von Mary Schofield)         woran sich der Posthalter verletzt und auch von
ist gut, obwohl manchmal zu wörtlich. So mag es                auslaendische post sowie europaische nicht angenommen
durchaus im Bereich des Möglichen liegen, daß man              ist.’

DER ÜBERSETZER erscheint monatlich. Einzelpreis 90Pf z uzügich Versandkosten. Herausgeber: Verband deutschs achiger
Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e. V. (VDÜ), äsident Helmut M. Bracm, 7141 Neckarrems, Schloß emseck.
— Redaktion Eva Bomemann, A—4612 Schatten, Vitta 7, Oberösterreich, Tel.:         (00 43) 72 75 1 35 oder (07275) l 35.
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