Die Einsatzbelastung der niedersächsischen Polizei
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Die Einsatzbelastung der niedersächsischen Polizei Vorbemerkung: § 353 b StGB trägt die Überschrift „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ Das kann bei der Befassung mit Einsatzfragen natürlich sehr leicht relevant werden, deswegen bitte ich um Verständnis, wenn hier in der Öffentlichkeit keine Dienstgeheimnisse dargestellt werden. Ich möchte morgen keine Verfügung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder gar ein Strafverfahren bekommen, daher bitte ich um Verständnis, dass geheimhaltungsbedürftige Aussagen in meinem Vortrag nicht enthalten sein können. Ich möchte vielmehr in einem Situationsberichts darstellen, wo sich meiner Meinung nach die niedersächsische Polizei befindet und dabei Einsatzfragen in den Mittelpunkt rücken. Dabei meine ich nicht nur spektakuläre Großeinsätze, sondern jegliche große und kleine Situation zu denen Polizistinnen und Polizisten eingesetzt werden und wie es ihnen dabei ergeht. Im Jahr 2011 waren es in der PD Hannover rd. 260.000 Notrufe, in ganz Niedersachsen sind es bestimmt weit über 1 Millionen Situationen gewesen, in denen Bürgerinnen und Bürger die Polizei um Hilfe gerufen haben. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass die Ermittler in den KED und im ZKD eine ebenso wichtige Rolle in einer guten Polizei haben und eine Polizei nur dann erfolgreich ist, wenn Einsatz und Ermittlungen Hand in Hand arbeiten. Die Themenstellung und meine Funktion führen aber dazu, dass hier Einsatzfragen im Mittelpunkt stehen sollen. Ich denke aber, dass auch die Ermittler sich an vielen Punkten in meinem Vortrag wiederfinden werden. Niedersachsen verfügt über gut ausgebildete und hoch motivierte Polizistinnen und Polizisten, die alltäglich in den verschiedenen Dienststellen professionell und sehr kompetent ihre Arbeit versehen. 1
Der hohe Grad, mit dem Bürgerinnen und Bürger ihrer Polizei vertrauen, ist sicherlich jedem bekannt und resultiert eben daraus, dass die Polizistinnen und Polizisten ihre Arbeit gut machen und man ihnen vertraut. Jedes Kind weiß, an wen man sich bei Gefahren wenden kann, nämlich an die Polizei und an die Feuerwehr. In der Polizei findet man verschiedene Stimmungsbilder. Die Stimmung bezogen auf das Gefühl, von der Organisation „Polizei“ Wert geschätzt zu werden, ist allgemein nicht gut. Die Ursachen wurden hier bereits ausgiebig vorgestellt. Meist werden hierfür „Vorgesetzte“ ausgemacht, die dafür verantwortlich sein sollen, obwohl es auch von keinem Vorgesetzten veränderbare Rahmenbedingungen sind, die es einem als Chef nicht leicht machen. Oft genug wird einem als Chef dann der Vorwurf des Management- oder Führungsversagens zuteil, wenn Dinge nicht so funktionieren, wie es erwartet wurde oder wie es sollte und an der Stelle ist jeder Vorgesetzte natürlich auch Mitarbeiter, der ebenfalls Teil des Stimmungsbildes ist. Wie sieht Polizeiarbeit in Niedersachsen heute also aus: Polizistinnen und Polizisten bearbeiten Straftaten, nicht nur für die Quote, und, was tausend Mal besser ist, sie verhüten die Begehung von Straftaten, nehmen Verkehrsunfälle auf, schlichten Streitigkeiten machen Schulwegüberwachung, befassen sich mit der Verkehrssicherheit, unterstützen die Feuerwehren und Rettungsdienste und sorgen umfassend darum, dass die Bürgerinnen und Bürger sicher leben können. Neben der eigentlichen Polizeiarbeit muss man sich auch mit der Erstellung von Berichten und Vorgängen befassen. Bei der Polizei muss man nicht nur in der Kommunikation besonders gut sein, sondern auch darin, die gemachten Feststellungen so aufzuschreiben, dass z.B. 2
Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte dies als Beweismittel nutzen, aber letztlich z.B. auch ein parlamentarischer Untersuchungsschuss Geschehnisse verstehen und daraus Schlussfolgerungen ziehen kann. Ein Ärgernis ist die mit fast jedem Beruf verbundene Bürokratie. Bei der Polizei sind das viele Statistiken, z.B. die Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetberichte, Ressourcenberichte, Arbeitszeitnachweise und diverse interne Berichte, deren Nutzen für den praktischen Polizeidienst nicht immer offensichtlich ist und die deswegen eher mit spitzen Fingern angefasst werden. In der Tat kann man hier nicht in jedem Fall erkennen, was der konkrete praktische Nutzen für die Sicherheit im Land sein soll und was der Bürger eigentlich davon hat. Bezogen auf die Kollegen im engeren dienstlichen Umfeld ist die Stimmung jedoch meist trotzdem sehr gut. Dies, obwohl die materiellen und personellen Rahmenbedingungen nicht immer positiv sind. Besonders gut war Stimmung bis vor einigen Jahren dann, wenn es um den polizeilichen Einsatz geht. Wenn bei solchen besonderen Anlässen Kolleginnen und Kollegen gebraucht werden, war es unabhängig vom Einsatzanlass überhaupt kein Problem, Züge, Hundertschaften oder Abteilungen auf den Weg zu bringen. Dabei sind die Vorgesetzten und die Rahmenbedingungen ähnlich, die Bezahlung ist auch nicht besser und die Situationen, in die Einsatzkräfte geraten, sind oft genug alles andere als schön und nicht selten gefährlich. Ich glaube, dass es das polizeitypische Pflichtbewusstsein der Kolleginnen und Kollegen ist und das Gefühl, für die Sicherheit gebraucht zu werden. Leider ist festzustellen, dass diese Stimmung mehr und mehr nachlässt und es immer schwieriger wird, Einsatzstärken für kleine und große Einsatzlagen zusammen zu bekommen. In vielen Dienststellen befasst sich oft genug der Leiter Einsatz- und Streifendienstes (A 12) mehr damit, Personal für die Besetzung der bzw. des einen 3
Funkstreifenwagens zu finden, statt, wie die Funktionsbezeichnung sagt, den Dienst zu leiten. Grund sind Berge von Überstunden, für deren Bezahlung bei Weitem nicht genügend Geld zu Verfügung steht. Weil deshalb dienstfrei genommen werden muss, führt das zu reduzierten Dienststärken und einem Dienstplan, der auf Kante genäht werden muss. Bei jeglichem kurzfristigen Krankheitsfall hat das zur Folge, dass Personal aus dem Frei oder dem Urlaub geholt werden muss, was jedes Mal große Begeisterung hervorruft. Die großen und kleinen Einsätze stellen eine erhebliche Belastung der niedersächsischen Polizei dar. Das Geschehen bei Großeinsätzen ist geprägt durch Demonstrationseinsätze, Einsätze bei Fußballspielen sowie natürlich bisher durch Einsätze im Zusammenhang mit den Castor-Transporten. Viele kleine und mittlere Einsätze gibt es bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, in Veranstaltungsbereichen, zur Kriminalitätsbekämpfung und für die Verkehrssicherheit. Grundsätzlich werden zunächst Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei benötigt, in vielen Fällen werden Einsätze aber auch durch temporär aufgerufene Hundertschaften (Stichwort LEO - Leine) abgewickelt. Diese werden in den Behörden in der Regel aus Beamtinnen und Beamten aus den Dienststellen gebildet mit der Folge, dass für die Dauer des Einsatzes einschl. des anschließenden Dienstfrei der Dienst dort insgesamt mit weniger Personal auskommen muss und die Aufrechterhaltung des Dienstes manchmal schwierig sein kann. Dazu muss man wissen, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen in erster Linie eine Funktion als Sachbearbeiter im Einsatz- und Streifendienst, in der Verfügungseinheit, im Kriminal- und Ermittlungsdienst, im Zentralen Kriminaldienst oder im Stab haben. In der zweiten Funktion wird dasselbe Personal aber z.B. auch in der Hundertschaft oder als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter im Führungsstab 4
für besondere Einsatzanlässe eingesetzt. Die dort eingebrachte Zeit fehlt natürlich bei der eigentlichen Tätigkeit. Auf die Bereitschaftspolizei entfallen im Jahr über 900.000 Einsatzstunden, sie ist damit gut ausgelastet. Die Aufrufeinheiten des polizeilichen Einzeldienstes leisten zusätzlich jährlich weitere 380.000 Einsatzstunden. Bezieht man diese Stunden auf die übliche Jahresarbeitsleistung eines Polizisten entspricht das rechnerisch etwa 200 Kolleginnen oder Kollegen, die in den Dienststellen permanent auf Grund größerer Einsätze fehlen. Aber natürlich gehört auch der Einsatz zum Polizeialltag, so dass ich das nicht beklagen möchte und ich habe auch kein Rezept, dies gänzlich zu ändern, die Zahl soll nur die Dimension beschreiben. Was ist es nun, was den Kolleginnen und Kollegen immer mehr die Arbeit verleidet? Zunächst einmal ist es das, was den Kolleginnen und Kollegen bei den Einsätzen selbst zugemutet wird. Es gibt vielfach Angriffe und Verletzungen, Beleidigungen und Verunglimpfungen und oft begegnet man staatlicher Gewalt mit unvorstellbarer Aggressivität, insbesondere, wenn Alkohol im Spiel ist. Die Tatsache, das Polizistinnen und Polizisten zu allererst auch Menschen sind, wird allzu leicht vergessen. Aber als Gegenwert bleibt ja immerhin das Gefühl, einen positiven Dienst für die Bürgerinnen und Bürger geleistet zu haben. Häufig wird die Polizei zum Schutz von Versammlungen eingesetzt. Hier bin ich als Bürger Deutschlands persönlich sehr froh, in einem Land zu leben, in dem jedermann friedlich und ohne Waffen demonstrieren kann. Andererseits kann niemand seine persönlichen Werte und Anschauungen vergessen. Bei Rechts-Links- Auseinandersetzungen hat die Polizei z.B. die Rolle, eine Seite schützen zu müssen, obwohl man innerlich mit dem Anliegen nicht einverstanden ist. Und dafür wird man von anderer Seite angegriffen, beschimpft und bespuckt, was man natürlich ebenso wenig möchte. Leider ist das die Realität und das vermittelt bei solchen Anlässen das Gefühl, zwischen die Stühle zu geraten. 5
Nach größeren Einsätzen gibt es häufig parlamentarische Anfragen und es müssen umfangreiche Stellungnahmen gefertigt werden. Die Opposition will mit der Kritik an der Polizei die jeweilige Landesregierung treffen, aber sie trifft natürlich die Polizei. Und wenn man ganz viel Pech hat, kassiert man noch eine Strafanzeige und eine Beförderung während des Ermittlungsverfahrens ist dann natürlich erst mal ausgeschlossen bis sich die Unschuld herausstellt. Dieses Pech ist aber eigentlich im Moment nicht so groß, weil es ja für die Kommissare und Oberkommissare, die üblicherweise in Hundertschaften und Streifendiensten sind, sowieso kaum Beförderungen gibt. Eine Besonderheit stellen sicher die vielen Fußballeinsätze dar, die wöchentlich erforderlich sind. Dabei sind es Einsätze rund um die Stadien für Fußballfans und gegen Hooligans, die nicht zwangsläufig aus den Reihen der gegnerischen Mannschaft stammen, sondern frei nach dem Motto „Der Feind meines Freundes ist auch mein Feind“ dort auftauchen, wo es Schlägereien geben könnte oder solche konkret verabredet werden. Allianzen gibt es in vielfältigen Konstellationen: Kommt Magdeburg nach Hannover, kommt Braunschweig gleich mit, die vielleicht noch Freunde aus Basel mitbringen. Und beim letzten Europaleaguespiel in Hannover tauchten zur Unterstützung von Athletico Madrid Hooligans aus Polen auf, In Madrid beim Rückspiel sind die Madrilenen gegen Hannover wiederum durch Düsseldorfer verstärkt worden, die ja zuletzt im Zusammenhang mit dem Relegationsspiel gegen Berlin besonders negativ aufgefallen sind. Alles schwer zu durchschauen, aber Realität, die wenig Freude und viel Arbeit macht. Realität ist auch, dass es Fußballgewalt vielfach auch in den unteren Ligen gibt. Hier sind es bisweilen Spieler und Zuschauer, die gemeinsame Sache machen und gewalttätig werden und denen dann lediglich Polizistinnen oder Polizisten aus dem Einsatz- und Streifendienst gegenüber stehen, die dann spontan alles regeln müssen, weil es unmöglich ist, sämtliche Fußballspiele von vorneherein 6
polizeilich zu begleiten – meist ist das allerdings auch nicht erforderlich. Trotzdem ist dies Problem in den letzten Jahren nicht gerade kleiner geworden. Besondere Probleme gibt es auch oft auf den Reisewegen, wo die Begleitung von Fußball-Gewalttätern in Bussen, Pkw und insbesondere Zügen an jedem Spieltag viele Kräfte der Bundes- und Landespolizei beschäftigt. Die Landespolizei ist immer dann gefordert, wenn die Zugfahrt anders abläuft, als geplant und dann auf irgendeinem Bahnhof ein unplanmäßiger Halt anfällt. Wenn das Pech es will, sind auf dem Bahnhof zeitgleich Fußballanhänger eines völlig anderen Vereins, die man aber auch nicht mag und schon geht die Auseinandersetzung los. Manchmal tauchen aber auch bei planmäßigen Stopps von Zügen ebenso planmäßig gegnerische Hooligans auftauchen, die den Zug und darin befindliche Anhänger eines anderen Vereins angreifen. Schlimm für diejenigen Reisenden, die zufällig in so etwas hinein geraten und schlimm für die Polizei, die dort spontan einschreiten muss. Die Sachschäden, die in der jeder Woche in Bussen und Bahnen entstehen, müssen immens sein. Leider gelingt es viel zu selten, Gewalttäter schon auf der Anreise abzufangen und stehenden Fußes wieder nach Hause zu schicken. Ich bin in den letzten Monaten häufig als Berater in Polen gewesen und dort hat die Fußballgewalt schon vor Jahren eine sehr große Dimensionen angenommen. Familien gehen dort schon lange nicht mehr ins Stadion und es scheint so, dass der Ligabetrieb ein mehr oder weniger großes Treffen von Gewalttätern mit fußballerischer Begleitung geworden ist. Der Einsatz von Wasserwerfern, Pfefferspray, Schallgranaten und Gummigeschossen ist dort an der Tagesordnung und im Internet findet man massenhaft Filme von Auseinandersetzungen in polnischen Fußballstadien. Wie so etwas aussieht, konnte man jüngst bei den Auseinandersetzungen zw. Russen und Polen in Warschau anlässlich des EM-Spiels sehen. 7
Wenn die Entwicklung bei uns nicht radikal geändert wird, fürchte ich, wir haben vielleicht bald auch Zustände, wie in Polen. Es ist auch eine Aufgabe der Vereine, sich dort in Form von Fanprojekten zu engagieren und das darf durchaus auch Geld kosten, weil es schwer vermittelbar ist, dass dort ein Millionengeschäft besteht, die Folgen aber vom Steuerzahler getragen und von der Polizei ausgebadet werden müssen. Und von den Sportlern verlange ich bei allen Emotionen nur sportliche Härte und absolute Gewaltfreiheit. Wer während oder nach dem Spiel gewalttätig wird, sollte schlichtweg als Spieler entlassen werden. Wie sollen Zuschauer, auch Minderjährige Gewaltfreiheit lernen, wenn der Sport es nicht fertig bringt, ein Spiel ohne Gewalt auszutragen. Natürlich wird von den Kolleginnen und Kollegen akzeptiert, dass Einsätze vorwiegend am Wochenende stattfinden, das weiß man als Polizist. Schwer zu akzeptieren sind jedoch die Rahmenbedingungen und das Gefühl, dass durch diese Arbeit, die durch Minderheiten verursacht wird, der Mehrheit eine große Menge an Polizei nicht zur Verfügung steht. Aber: wenn man an der einen Seite der Decke zieht, fehlt dann natürlich etwas an der anderen Seite. Und natürlich sind alle diese Einsätze gefährlich. An der Tagesordnung sind Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten mit Fäusten, Feuerwerkskörpern, Polenböllern, Steinen, Flüssigkeiten, Stangen, Stahlkugeln. Zum Glück sehr selten mit Molotowcocktails oder Waffen, jedoch ist mit den Messerstichen eines Salafisten in Bonn offenbar auch bei Demonstrationseinsätzen eine neue Gefährlichkeit eingetreten, die Angst macht. Eine besondere Gefährlichkeit liegt aber auch in den alltäglichen Einsätzen überall in Niedersachsen. Die Gefahr, angegriffen zu werden, besteht nicht mehr nur nachts und an den Wochenenden, sondern grundsätzlich werden täglich Polizistinnen und Polizisten überall und 8
zu jeder Zeit Opfer von Straftaten. Beleidigungen sind Massenware, Verletzungen bei der Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen sehr häufig und Angriffe nicht selten. An den letzten Wochenenden sind in der PD Hannover jeweils zw. 6 bis 8 Polizistinnen und Polizisten durch Gewalttaten verletzt worden, übrigens sind das in fast allen Fällen Polizeikommissare, keine Berufsanfänger, sondern gestandene, erfahrene Kollegen, die nach vielen Jahren Zeit trotz guter Leistungen nicht über das Eingangsamt hinaus gekommen sind. Und wie sieht der strafrechtliche Schutz aus? Natürlich sind das alles Straftaten und werden angezeigt und die Behörde stellt natürlich auch in allen Fällen Strafantrag und es gibt auch Verurteilung – meist zu Geldstrafen oder Geldbußen. Als Reaktion auf scheinbar zunehmende Gewalttaten wurde 2010 die angedrohte Höchststrafe für einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte von 2 auf 3 Jahre herauf gesetzt. Sehr beeindruckend! Es entspricht auch absolut der polizeilichen Erfahrung, dass diese Strafverschärfung zum Widerstand entschlossene Menschen von der Begehung dieser Straftat abhält. Besonders natürlich den angetrunkenen, emotionalisierten Bürger, der einer polizeilichen Weisung Folge leisten soll, dies aber nicht möchte. Der wird sich sicher angesichts dieser Aussichten gut überlegen, ob er künftig noch Widerstand leisten wird oder besser lammfromm mitkommt. Übrigens: wenn der Täter in diesem Zusammenhang noch einen Streifenwagen demoliert, dann liegt die angedrohte Höchststrafe dafür bei 5 Jahren. Wenn man also meint, das Strafgesetzbuch bietet durch die Strafandrohung einen Schutz, Ist dann nicht der Streifenwagen besser geschützt als der Insasse ? Was geschieht zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen ? Bei den sog. geschlossenen Einsätzen ist der passive Schutz durch Schutzausstattung sehr wichtig und wird regelmäßig genutzt. Bei den 9
kleineren spontan zu bewältigenden Einsätzen im Rahmen des Einsatz- und Streifendienstes steht so eine Ausstattung natürlich nicht zur Verfügung, das Verletzungsrisiko ist dort natürlich viel größer, aber man hat die Unterziehschutzweste, das beste Mittel der Polizei, nämlich das Wort und zur Not den Schutz des Strafgesetzbuches. Dennoch: Niedersachsen verfügt über gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten, die alltäglich professionell und sehr kompetent ihre Arbeit versehen und Ihre Motivation gerne in die Aufgabe einbringen. Im Jahr 2011 hat die Niedersächsische Polizei bei 44 Einsätzen andere Bundesländer unterstützt und dabei rund 200.000 Einsatzstunden geleistet. Dagegen sind Einheiten anderer Bundesländer in niedersächsischen Polizeibehörden bei 7 Anlässen eingesetzt worden, darunter natürlich der herausragende Großeinsatz im Zusammenhang mit den Castortransporten, der in dieser Dimension natürlich kaum vergleichbar ist und den man eigentlich herausrechnen müsste, weil es sowieso ungerecht ist, dass Niedersachsen hier alle Kosten tragen muss, obwohl es eigentlich ein Bundesproblem ist. Obwohl man hier die jeweiligen Einsatzstunden wohl nur mit großem Aufwand gegen rechnen könnte, bleibt doch der Eindruck, dass mehr unserer Kräfte außerhalb Niedersachsens sind, als im Gegenzug Kräfte aus anderen Bundesländern bei uns eingesetzt werden. Da wir ja in diesem und wohl auch im nächsten Jahr keinen Castoreinsatz der bisherigen Dimension haben werden, kann es sein, dass dieses Ungleichgewicht noch größer wird. Rein rechnerisch ist es in Niedersachsen also so, dass wir Polizistinnen und Polizisten haben, die nur in anderen Bundesländer tätig sind --- aber nur rein rechnerisch natürlich. Für die anderen Länder ist das sicher gut und spricht dafür, dass unsere Polizistinnen und Polizisten gute Arbeit machen, aber einzusehen ist das nicht. Da in der Regel die Bereitschaftspolizei außerhalb des 10
Landes eingesetzt wird, führt das dazu, dass eigene Einsätze von den Aufrufeinheiten der Dienststellen bewältigt werden müssen. Es ist doch klar, dass wir dieses Personal besser dazu nutzen könnten, Polizeiarbeit vor Ort in Niedersachsen zu leisten, z.B. zur Verhütung von Straftaten, zur Verkehrsunfallbekämpfung oder für Einsatzlagen hier im Land. Hier müssen gegenüber anderen Ländern, die im Gegenzug wohl ihre Stärken reduziert haben, klare Erwartungen formuliert werden. Aber natürlich werden solche Einsätze von den anderen Ländern auch bezahlt, und zwar nicht fiktiv, sondern mit richtigem Geld, das im Landeshaushalt verschwindet. Es ist also z.B. so, dass die Bereitschaftspolizei in NRW gegen Bezahlung bei einer Demonstration eingesetzt wird. Und wenn in Niedersachsen zeitgleich eine Einsatzlage ist, was sehr sehr häufig der Fall ist, muss dann der Einzeldienst kommen. Es entstehen Überstunden und in unseren Dienststellen muss dann mehr gearbeitet werden. Überstunden haben alle Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen aber genügend, die aus anderen Bundesländern brauchen wir eigentlich nicht noch zusätzlich. Aber wenn dort schon gegen Bezahlung gearbeitet wird, wäre es doch nur fair, dieses Geld nicht als Zubrot für den Landeshaushalt zu nehmen, sondern es konkret für die Bezahlung der Überstunden an die Kolleginnen und Kollegen weiter zu geben. Ein häufiger Diskussionspunkt und die eigentliche polizeiliche Kunst ist es, zu dem jeweiligen Anlass festzulegen, wie viele Einsatzkräfte benötigt werden. Einerseits sollen es natürlich nicht mehr Polizistinnen und Polizisten sein, als benötigt werden. Nicht nur, dass Einsätze zusätzlich Geld kosten, sondern man möchte natürlich keine wertvolle Arbeitszeit verbrauchen, weil die besser in die eigentliche Polizeiarbeit investiert werden sollte. Andererseits dürfen es auch nicht zu wenige Kräfte sein, weil man damit das Sicherheitsproblem nicht löst, sondern wahrscheinlich neue Probleme schafft. 11
Die Kunst ist, die Einsatzstärken bei Polizeieinsätzen so zu bemessen, dass dies in jedem Fall der objektiven Gefährdungslage entspricht und dass Sicherheitszuschläge nicht das vertretbare Maß überschreiten. Hier sollte man auf die Erfahrung von Polizeieinsatzverantwortlichen vertrauen, weil es einfach eine Ehrensache ist, Einsätze ordentlich zu planen. Politische Sicherheitszuschläge sind nicht erforderlich und man kann benötigte Einsatzkräfte auch nicht einfach rein mathematisch per Dreisatz berechnen. Insbesondere bedarf es einer Polizeikultur, die es zulässt, auf die polizeiliche Kompetenz der Lagebeurteilung zu setzen. Hierzu brauchen wir insbesondere auch eine offene Fehler- und Kritikkultur, die es ermöglicht eine Einsatznachbereitung ohne Rechtfertigungszwänge als Chance zur Fortentwicklung von Einsatzkonzepten zu begreifen. Allerdings ist gerade das häufig schwierig, weil eine kritische oder selbstkritische Betrachtung gerne von Politik und Medien aufgegriffen und hinterfragt wird. Und wer als Einsatzleiter dann eine Möglichkeit einräumt, etwas beim nächsten Mal besser zu machen, hat meist schon verloren und wird Maß genommen. Insgesamt wäre hier aber mehr politische und sonstige Gelassenheit hilfreicher, weil der Rechtsstaat genügend Mittel hat, auf echte Defizite zu reagieren. Zweifelhaft finde ich, ob hinsichtlich der Ausstattung und Ausrüstung der bei größeren Einsätzen eingesetzten Polizei stets die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden. Es besteht ein offensichtliches Missverhältnis, wenn beispielsweise zuletzt aus Bundesmitteln etwa 900.000 € teure Wasserwerfer oder aus Landesmitteln Drohnen oder Bombendecken prestigeträchtig beschafft und vorgeführt werden, während daneben die persönliche Ausstattung des Personals z.B. mit einer genügenden Anzahl von modernen Einsatzanzügen nicht erfolgt. Hier ist es nämlich so, dass die Hundertschaftsbeamtinnen und – 12
beamten der Aufrufeinheiten in vielen Fällen nur einen einzigen modernen blauen Einsatzanzug haben, und wenn der z.B. durch den schönen neuen Wasserwerfer nass wird, gibt es nur noch alte grüne Einsatzanzüge und damit bunte Hundertschaften. Das ist für den Einsatzwert egal, für das Befinden der Kolleginnen und Kollegen aber nicht, weil auch Bekleidung, das Arbeitszeug etwas mit Wertschätzung zu tun hat. Auch ist es problematisch, dass die Hundertschaften des Einzeldienstes bei Großeinsätzen auf die Anmietung von Fahrzeugen angewiesen sind, die dann natürlich nicht die besonderen Sicherheitsstandards, wie z.B. eine Sicherheitsverglasung, aufweisen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es seit vielen Jahren nicht möglich ist, Einheiten adäquat auch mit einer mobilen Befehlsstelle auszustatten. Die teilweise vorhandenen Fahrzeuge sind museumsreif und für längere Fahrten zu gefährlich. Und wenn man die Hundertschaften fragt, bekommt man noch eine ziemlich lange Liste mit vielen weiteren Wünschen. Besondere Talente, welche Polizistinnen und Polizisten haben müssen, sind Geduld, Kreativität und Improvisationsvermögen und wenn es dort einmal eine Meisterschaft in diesen Disziplinen gibt, gewinnt bestimmt eine Polizistin oder ein Polizist. Der Zustand vieler Dienstgebäude ist schlecht, was wäre eigentlich ein Sonderthema mit tag- und abendfüllenden Beispielen wäre, die man leicht landauf landab finden wird. Wäre ich persönlich dort Mieter, hätte ich dort wohl schon längst gekündigt und wäre ausgezogen. Viele Dienststellen sind Bruchbuden, es zieht und regnet rein, Fensterputzer weigern sich, manche Fenster zu öffnen aus Angst, die könnten dann auseinander fallen. Gute Nachricht: es gibt wenigstens noch Fensterputzer!! Von den sanitären Einrichtungen, Waschräumen und Duschmöglichkeiten ganz zu schweigen. Bekanntlich werden den Dienststellen in landeseigenen Gebäuden ja fiktive Mieten in Rechnung gestellt – wegen der Kostentransparenz! Diese müssten in vielen Fällen drastisch gekürzt werden, aber da es ja 13
nur fiktives Geld ist, hilft das eben nicht gegen echte Missstände. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass man für fiktives Geld auch nur fiktive Reparaturen erwarten kann. Im Jahr 2011 hat der Genosse Klaus-Peter Bachmann hierzu durch eine Kleine Anfrage die Auskunft bekommen, dass seinerzeit für alle Polizeiliegenschaften Bauunterhaltungskosten in Höhe von 55 – 60 Mio € benötigt werden, davon 20 – 25 Mio € mit der Priorität 1. Und das sind nur die Bedarfe, die es schaffen, angemeldet zu werden. Das sind längst nicht alle, viele kleine Bedürfnisse werden hingegen gar nicht erst gemeldet, weil ohnehin keine Aussicht auf Realisierung besteht. Kolleginnen und Kollegen helfen sich selber so gut es geht mit Pinsel, Farbe und sonstigen Leistungen, aber dadurch wird der Sanierungsstau natürlich nicht beseitigt. Beseitigt werden sollte dieser Stau mit 8 Mio Euro im Jahr 2011 und bis zum Jahr 2014 sollen insgesamt 23 Mio Euro investiert werden. Fehlen also knapp 40 Mio Euro und täglich wird es mehr. Wohlgemerkt: Bauunterhaltungskosten bedeuten Reparaturbedarf, also etwas, wo der Haus- bzw. Wohnungsbesitzer sagen würde: „Das muss wohl gemacht werden“. Bei der Polizei heißt das dann eben: „Das müsste mal gemacht werden, aber leider ist kein Geld da“. Und dass darunter die Motivation leiden kann, ist für jeden nachvollziehbar, weil es eben auch eine Frage der Wertschätzung ist, ob man in einer Ruine arbeiten muss oder in einem zweckmäßigen, ordentlichen Dienstgebäude oder wenigstens die Aussicht hat, dass man irgendwann einmal in so einem Gebäude arbeiten darf. Damit sind wir zurück beim Thema Motivation: Niedersachsen verfügt über gut ausgebildete und hoch motivierte Polizistinnen und Polizisten, die alltäglich in den verschiedenen Dienststellen professionell und sehr kompetent ihre Arbeit versehen. Die Motivation und das polizeitypische Pflichtbewusstsein wird gewissermaßen als Vorleistung von den Kolleginnen und Kollegen in 14
den Polizeidienst eingebracht und alle Vorgesetzten und viele Bürger sind damit sehr zufrieden, letztlich lebt der Polizeidienst auch von dieser Einstellung. Aber was ist (neben dem beamtenrechtlichen Status und der Besoldung) eigentlich die Gegenleistung ? • In der Regel sind es Polizeikommissare und Polizeioberkommissare, die diese Arbeit leisten. Aussichten auf Beförderung: Fehlanzeige mangels Dienstposten oder auch nach vielen Dienstjahren nicht absehbar. • Aussicht auf positive wertschätzende Beurteilungen: Fehlanzeige, jedenfalls muss für die meisten C Mitte reichen • Aussicht auf angemessene Unterbringung: Fehlanzeige, ggf. Hinweis mittelfristige Finanzplanung, vielleicht kommt aber 1 x jährlich der Fensterputzer, dann gibt es wenigstens eine Aussicht • Aussicht auf angemessene Arbeitsmittel: Hier sind Verbesserungen für die Einsatzkräfte statt Prestigepflege nötig (siehe oben!) Und dann finde ich, das es etwas gibt, was für mich auch ein Beispiel für „Nicht-Wertschätzung“ darstellt, nämlich diese furchtbare „Feilscherei“ um die Anerkennung von Einsatz- bzw. Bereitschaftsstunden. Es geht also um die Zeit, die Kolleginnen und Kollegen z.B. im Castoreinsatz zugebracht haben und hier unterscheidet das Ministerium zw. Einsatzzeiten und den Zeiten, in denen die Kräfte lediglich in Bereitschaft lagen. Einsatzzeiten sind voller Dienst, Bereitschaftszeiten nur zu einem Drittel, und darüber wird seit Jahren mit Unterstützung der GdP ein Rechtsstreit geführt. Zuletzt hat das OVG Lüneburg entschieden, dass diese Unterscheidung 15
falsch ist und alle Zeiten voll als Einsatzzeiten anzurechnen sind. Statt dies nun zu akzeptieren, führt das Ministerium den Rechtsstreit weiter mit der Begründung, Rechtssicherheit haben zu wollen. Ich frage mich wirklich, wozu das gut sein soll. In vielen Fragen werden Urteile von VG und OVG uneingeschränkt akzeptiert, hier aber nicht und es geht weiter zum BVerwG. Und dann entscheidet der Innenminister plötzlich, dass von den nach seiner Rechtsauffassung eigentlich nicht anrechenbaren Bereitschaftsstunden nun doch nachträglich 50 % in Freizeit ausgeglichen werden können, und das auch noch rückwirkend für 4 Castoreinsätze. Begründung: „Das herausragende Engagement der Beschäftigten“. Ein gigantischer Verwaltungsaufwand war zuerst einmal die Folge. Das führt zu der Frage, welche Art Rechtssicherheit es sein soll, wenn eine Vergütung von Einsatzstunden nach Art einer Belohnung für Wohlverhalten und Einsatzerfolge vorgesehen wird. Ich finde das völlig unmöglich, sowohl den Rechtsstreit an sich als auch, wie das einfach mal so entschieden wird. Was soll daran „rechtssicher“ sein ? Und ist es so, dass bei Einsatzmisserfolgen oder bei aus Sicht des Ministers ungenügendem Engagement künftig Stunden abgezogen werden? Es muss einfach Standard sein, dass sämtliche in einem Großeinsatz verbrachte Zeit angerechnet und mindestens einer Vergütung durch Freizeit zugänglich gemacht wird, und ich erwarte vom Innenminister des Jahres 2013, dass das auch so geregelt wird und diese Debatte endlich beendet wird. Das mag vielleicht für das Land eine finanzielle Frage sein, obwohl es ja eigentlich nur um Freizeit geht. Bei Einsatzkräften ist es bestimmt nicht so, dass die Kolleginnen und Kollegen im Geld schwimmen oder zu viel Freizeit da ist, aber hier geht es um viel mehr, nämlich um 16
Wertschätzung und Anerkennung für gute Arbeit, und zwar zu 100 %, nicht nur zu 50 %. Und da habe ich auch einen guten Vorschlag: Wie wäre es denn, wenn das Geld, das andere Länder für den Einsatz unserer Bereitschaftspolizei zahlen, genommen wird, um damit die Castorstunden zu bezahlen und diesen Rechtsstreit ein für alle Mal zu beenden? Und dann wünsche ich mir • Wertschätzung für Polizistinnen und Polizisten, die in großen und kleinen Einsätzen alltäglich ihren Dienst leisten. • Perspektiven für die Polizistinnen und Polizisten, die alltäglich eingesetzt werden müssen. Die müssen mehr haben, als nach 13 Jahren immer noch das Eingangsamt ! • Eine gerechte Bewertung und Unterstützung polizeilicher Arbeit in allen polizeilichen Aufgabenfeldern. • dass bei der Ausstattung von Einsatzkräften die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen in den Vordergrund gestellt werden. • Dienstgebäude, in denen man sich wohl fühlen kann. • Maßnahmen zur Ächtung und Bekämpfung von Gewalt in der Öffentlichkeit, beim Fußball, beim Schützenfest, bei Demonstrationen und ein Klima, in dem der gesellschaftliche Dialog im Mittelpunkt der Problemlösung steht. • Keine Toleranz von Gewalt gegenüber Polizistinnen u. Polizisten • Die Erkenntnis, dass ein Polizeieinsatz nur das letzte Mittel und nicht die erstbeste Lösung ist. 17
• Rückendeckung und die Bereitschaft zum Diskurs, auch dann, wenn etwas nicht optimal gelaufen ist. • Einen Vorstoß des Landes Niedersachsen mit dem Ziel, dass in anderen Ländern genügend eigene Polizeikräfte vorhanden sind, damit unsere Kräfte mehr bei uns eingesetzt werden können. Niedersachsen verfügt über gut ausgebildete und hoch motivierte Polizistinnen und Polizisten, die alltäglich in den verschiedenen Dienststellen professionell und sehr kompetent ihre Arbeit versehen. Darauf kann man sich verlassen und das bleibt auch so, trotz alledem !! 18
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