Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
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Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN Herausgegeben vom Verband deutsdtspradtiger Übersetzer literarischer und wisaenad'tattlieherWerke e.v. Nr. 6 9. Jahrgang (1 i Neckarrems Juni 1972 V Elmar Tophoven: nachgiebige Einlenken zum klügeren Schweigen gewor- den ist) ein Spiegelbild der Unsicherheit gegenüber Bericht aus der Werkstatt verschiedenen sprachlichen Mitteln. Der erwähnte Elmar Tophoven, der in Paris lebende Vizepräsident des ’Mercier—et—Camier’-Dialog ist geradezu ein Musterbei- Verbandes deutschsprachiger Übersetzer literarischer spiel für die ’dynamische Synchronie’, von der Roman und wissenschaftlicher Werke, hat von der Deutschen Jacobson kürzlich in Paris sprach: es wird hier ein Akademie für Sprache und Dichtung den Übersetzer- Schwanken zwischen zwei einander ablösenden sprach- Preis erhalten. Wir veröffentlichen einen Auszug aus der lichen Möglichkeiten demonstriert. Für die Übersetzung Dankesrede, in der sich Tophoven auch mit seiner Arbeit bot sich folgender Notbehelf an: ’Wenn wir uns der letzten Monate beschäftigt. Es handelt sich um hinsetzen würden, das hat mir den Rest gegeben. — Du Samuel Becketts ersten französisch geschriebenen willst sagen, wenn wir uns hinsetzen, sagte Mercier. — Roman ’Mercier et Camier’, deren kleine Odyssee, die Ich will sagen, wenn wir uns hinsetzen würden, sagte bereits Wladimirs und Estragons Wanderschaft ankün- Camier. — Na dann, meinetwegen, sagte Mercier.’ digt, sich zum größten Teil in Dialogen spiegelt. Diese Die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten, die Dialoge werden von kurzen Erzählungen, Beschreibun- Abstimmung der Möglichkeiten mit dem Textzusammen- gen und Zusammenfassungen unterbrochen, ’so daß bei hang, dieser eigentliche Arbeitsprozeß schlägt sich, gleich der Arbeit an dem circa 140 Schreibmaschinenseiten einem sich selber widersprechenden, sich immer wieder langen Text über 1 100 Beobachtungen gemacht werden verbessernden Monolog auf den Zetteln des Übersetzers konnten’. nieder. Von den Hunderten ’Mercier et Camier’-Notizen hier nur ein paar aus der ’Wortschicht’: ’Il e'couta — er Diese Beobachtungen entsprechen weit über 1000 Über- hörte — horchte — lauschte — spitzte die Ohren — er setzungsschwierigkeiten, etwa 7 bis 8 pro Seite. Die in wartete gespannt.’ — ’En voila un vocable de valeur — Anlehnung an Wilhelm von Humboldts Dreiteilung Das ist mir eine wertvolle Vokabel — Das ist mir ein (Wortschicht, syntaktisch-grammatische Periodenschicht Wort, das es in sich hat.’ — ’Cela se de’fend aussi — Das und metrisch-numerische Klangschicht) geordneten hat auch seine Berechtigung — das läßt sich auch hören 158 Schwierigkeiten des ersten Kapitels stehen in einem — das hat auch was flir sich.’ — 'Ce n’est pas tous les der Eigenart des Stils entsprechenden Verhältnis jours qu’il est donne' de couper en quatre un cheveu de zueinander: Hundertviermal mußten Wortbedeutungen cette qualite. -— Es kommt nicht alle Tage vor, daß man mit Mühe zur Deckung gebracht werden, dreiundvierzig— ein Haar von solcher Qualität spalten kann —— Es ist mal waren grammatische oder syntaktische Probleme zu einem nicht alle Tage vergönnt, Haare von solcher lösen, und siebenunddreißigmal galt es, rhythmische Qualität zu spalten.’ — ’Je reviens ä la charge — Ich oder klangliche Unstimmigkeiten zu beheben. Hinzu versuche es noch einmal — Ich mache einen neuen kamen noch acht Schwierigkeiten, die nur mit Hilfe des ' Vorstoß.’ —"Et j’en passe. — Und wer weiß was noch.’ Autors überwunden werden konnten. Den 158 Proble- Zum Verfahren sei gesagt, daß die Vokabeln, um die es men stehen 192 Lösungen auf verschiedenen Ebenen geht, mit dem unerläßlichen Minimum an Kontext gegenüber, da manche Schwierigkeiten mehrere Aspekte notiert werden und absichtlich so, daß der unbefriedi- haben und zugleich die Bedeutung, den Satzbau und den gende, durch Überlagerungen belastete erste Einfall als Wohlklang betreffen können. Mehr als die Hälfte der Station auf dem Weg zur vorgeschlagenen Lösung Notizen sind also in diesem Falle semantischer Natur, erhalten bleibt. Aus der syntaktischen-grammatischen d. h. in über hundert Fällen konnte nur dank der Periodenschicht als Beispiel der erste Satz des Romans: direkten oder indirekten Hilfe vorliegender Lexika das 'Le voyage de Mercier et Camier, je peux le raconter si je mehr oder weniger treffende Wort gefunden werden. veux, car j’ätais avec eux tout le temps,’ da sich hier im Ohne die Aufzeichnungen, die auch des Übersetzers Deutschen dank den Satzkompositionsmöglichkeiten die Zweifel und Entscheidungsprozesse wiedergeben, wären Wahl zwischen folgenden fünf Formen bietet: ’Merciers die einmal erarbeiteten Verbindungen zwischen französi- und Camiers Reise kann ich erzählen, wenn ich will, schen und deutschen Bedeutungswerten, Ausdrucks- denn ich war die ganze Zeit dabei’, oder ’Ich kann weisen oder Redensarten wieder unterbrochen worden Merciers und Camiers Reise erzählen, wenn ich will, und gewiß nur zu einem geringen Teil im Gedächtnis usw. ...’, oder ’Wenn ich will, kann ich Merciers und haften geblieben. Wenn Camier im ersten Kapitel zu Camiers Reise erzählen, usw, ...’‚ oder ’Da ich die ganze Mercier sagt: ’Si on s’assoyait, cela m’a vidö’ und Mercier Zeit dabei war, kann ich usw. ...’, oder aber ’Die Reise antwortet: ’Tu veux dire s’asseyait’, und Camier trotzig von Mercier und Camier kann ich erzählen, wenn ich erwidert: ’Je veux dire s’assoyait’ und Mercier schließlich will, denn ich war die ganze Zeit dabei’. einlenkt: ’Assoyons-nous’, dann ist diese Vorform des in Der Autor zog diese letzte, dem lncipit des Originals ’Warten auf Godot’ siebenmal wiederkehrenden typi- entsprechende Interlinearversion vor, also dem sächsi- schen Dialogschemas (in dem dann allerdings das schen Genitiv das umgangssprachlich beliebtere Präposi-
tionalgefiige mit ’von’, was von vornherein, wie der neben ungestüm Anwendung von gestüm, neben Schlüssel auf einem Notenblatt, Konsequenzen für die Unterzeug Anwendung des Wortes Oberzeug), die weitere Arbeit hatte. Es wäre freilich ein Gewinn ’gleitende Erzählzeit’ (unauffälliger Wechsel vom Futur gewesen, wenn bei diesem ersten Satz auch die drei zum Präsens), Übersetzung von umgekehrten Wörtern Binnenreime ’peux — veux — eux’ eingebracht worden (nodrap alias pardon wird zu gnuhiestrev alias wären. Diese Beobachtungen in der metrisch-numeri— Verzeihung oder zum leichter ‚ sprechbaren gnugid- schen Klangschicht bilden den geringsten Teil der luschtne alias Entschuldigung), unumgängliche Wortbil- Summe aller Notizen, vielleicht weil das Ohr so sehr auf dungen (aunt-in-law wird zur Schwiegertante), nichtzu- das Verstehen des bloßen Sinns abgerichtet ist, daß es sammengesetzte französische Wörter im Verhältnis zu nur allmählich in die dritte Schicht hineinhorcht. Ob der deutschen Komposita (la boule d’os, d’ivoire — die genaue Wortsinn, ob Satzbauformen oder Reime jeweils Elfenbeinkugel, wobei die umgekehrte Reihenfolge der den Text tragen, ist von Fall zu Fall zu ermitteln. Wenn Elemente des Kompositums — abc wird zu cba — es z. B. heißt, daß Mercier und Camier nicht genug Geld Schwierigkeiten bereiten kann), oder, zum Abschluß, haben, ’pour voyager en premiere classe et pour dieses Komposita-Problem aus ‘Watt’: es handelt sich um descendre dans 1es palace‘s’, so liegt es hier nahe, den Blumen, um: a daisy, or a primrose, or a cowslip, or a Reim zu retten; darum lautet diese Stelle im Deutschen: buttercup, or a violet, or a dandelion, oder um une ’wenn sie auch nicht genug Geld hatten, um l. Klasse zu päquerette, ou une primevere, ou un coucou, ou un reisen und in Luxushotels zu speisen, so hatten sie doch bouton d’or, ou une violette, ou un pissenlit, oder um genug, um herumwandern zu können, ohne dabei betteln ein Gänseblümchen oder ein Himmelschlüsselchen, oder zu müssen’. eine Schlüsselblume oder eine Butterblume oder ein Die deutsche Version dieses Romans wurde dem Autor Veilchen oder einen Löwenzahn. Man hört es gleich: die vom Tonband vorgespielt, so daß beim Abhören anhand Wiederholungen von Schlüssel und Blume in den des französischen Originals unberücksichtigt gebliebene zusammengesetzten Wörtern stören hier. Um das Nuancen besser als bei früheren Arbeitssitzungen zu Sträußchen neu zu binden, wählte ich ein Tausendschön- entdecken waren. Da, wo Mercier seinem Gefährten in chen, eine Primel, eine Schlüsselblume, eine Butterrose, der Abenddämmerung die Insel der Seligen zeigt und ein Veilchen und ein Löwenmäulchen. Und dieses sagt: ’C’est l’Ile Heureuse des anciens’, erweist sich eine imaginäre kleine Bukett möchte ich hier gern meiner Defizienz des Wortes ’die Alten’ im Vergleich mit dem Frau Erika Tophoven—Schöningh anbieten, ohne deren französischen ’les anciens’, und außerdem stören die treue, unermüdliche Hilfe ich die englischen Werke aufeinanderfolgenden Genitive ’die Insel der Seligen der Becketts und manches andere nicht hätte übersetzen Alten’. Mein erster Vorschlag ’Die Insel der Seligen, der können. . alten Griechen und Römer’ fand beim Autor keinen Es ist klar, daß die meisten Lehren, die aus derartigen Anklang, weil auch die Kelten von einer ähnlichen Arbeitsnotizen zu ziehen sind, sich mit den Erfahrungen mythischen Insel namens ’Hy Brasil’ geträumt hätten. Hunderter anderer Übersetzer decken. Bei Vergleichen ’Das ist die Insel der Seligen, das Elysium der Alten’, ließ solcher gesammelter Einsichten werden sich jedoch von der Autor gelten. Aber dieses Geltenlassen bei bloßem den sprachspezifischen Konstanten die autorspezifischen Abhören kann freilich auch in vielen Fällen wohlwol- Innovationen abheben. Dabei erweist sich dann deutlich, lende Nachsicht sein. Für die Deutung der Werke was man den einzelnen Autoren besonders verdankt: scheinen vor allem jene Notizen zu zählen, die von z. B. Robbe—Grillet das Exerzitium zu utopischer kritischen Einwänden des Autors zeugen wie dieser: ’Je Spracheichung neigender Präzision, Nathalie Sarraute die peux t’aider, je ne peux pas te ressusciter’ sollte nicht Einübung in eine aus vielen Sprachen genährte durch ’Ich kann dir helfen, aber ich kann dich nicht zu Umschreibungskunst, und Claude Simon dem Umgang neuem Leben erwecken’ wiedergegeben werden, son- mit bis zum äußersten gespannten Perioden, die eine dern, deutlicher anspielend, durch ’Ich kann dir helfen, Wiederkehr des Rhapsoden ankündigen; und manchen aber ich kann dich nicht wiederauferstehen lassen’. Und anderen Autoren verdanke ich andere Befreiungen von da, wo von Worten die Rede ist, ’qui mettent quelque lästigen, einengenden Sprachgewohnheiten, denn jedes temps ä degager tout leur bouquet’ — ’die einige Zeit im wahren Sinne neue literarische Werk erfordert eine brauchen, um ihr ganzes Feuerwerk abzubrennen’ oder Umstellung auf ein ihm angemessenes Übersetzungsver- ’um zu voller Wirkung zu kommen’ zog Beckett ’Worte, fahren, dessen erarbeitete Prinzipien kurzsichtig als die einige Zeit brauchen, um ihren vollen Duft Berufsgeheimnisse gehütet oder aber, wie in anderen auszuströmen’ vor. Freilich sollten derartige Notizen Disziplinen, zur Förderung der Kunst vermittelt werden auch die spontanen Benennungen der jeweiligen können. Schwierigkeiten enthalten, an deren Vielfalt und Das sich weiterentwickelnde automatische Übersetzungs- Differenzierungen Grad und Grenzen der Sensibilität zu wesen hat eine Besinnung der Humanübersetzer auf ihre erkennen wären. Und schließlich sollten diese Benennun- ungenützten Möglichkeiten herbeigeführt. Sie haben ihre gen möglichst durch eingeführte linguistische Termini Klausen verlassen und sind miteinander ins Gespräch ersetzt werden. gekommen: Grund genug zu neuen Hoffnungen. Wenn Bei der Beschäftigung mit Becketts frühen Schriften, die, man sich nun in irgendeiner Abenddämmerung eine Insel wie Jean-Jacques Mayoux sagt, ein einziges erfinde- der Seligen, ein irdisches Elysium der Übersetzer risches linguistisches Spiel sind, wurde die Humboldtsche vorstellt, so würde dort die Kunst des Hörens, Dreiteilung (Wort, Satz, Klang) in vielerlei neue Fächer Verstehens und Wiedergebens fremdsprachiger Literatur unterteilt, die Beobachtungen aufnehmen, welche nicht derart von den Älteren an die Jüngeren überliefert, daß nur sprach-, gattungs— und autorspezifischen Aspekten nicht jeder einzelne Anfänger, wie so lange Zeit, immer entsprechen, sondern darüber hinaus u. a. folgende wieder von vorne anfangen müßte, hellhörig zu werden. allgemeine wie besondere Problemkomplexe betreffen: Die Arbeitserfahrungen, die eigentlichen Früchte der grammatisches Geschlecht, Adjektivstellung, Vorsilben, Arbeit, der von der Spreu gesonderte Weizen würde Wortkonkordanz, Satzbaukonkordanz, Reime und jeweils in der rechten Weise ausgesiebt werden. Ein Assonanzen, Verklammerungen, Wortlängen bei Permu- großer Haufen Körner, der lediglich von persönlichen tationen, Vasarely-Effekte, Wiedergabe von Aussprache- Unzulänglichkeiten zeugende Teil, würde im eigenen Fehlern, Ausnützung latenter sprachlicher Möglichkei- Kropf verschwinden. Ein anderer Teil von Problemlösun- ten, gestützt auf das gleiche Verfahren des Autors (z. B. gen mit Modellcharakter käme in den Topf, aus dem die
stets der Ergänzung bedürfende Methodenlehre mit eigentlich nur Teill des großen Harrap, ein kleines neuem praxisbezogenen Stoff versorgt würde. Ein Bändchen mit dem Titel Beyond the Dictionary in weiterer Teil linguistischer Entdeckungen wäre für den French und die Entschlossenheit, uns so elegant wie unmittelbaren Austausch unter Übersetzerkollegen be- möglich ausdrücken zu wollen. Des Geldes wegen, viel stimmt. Ungewöhnlich erscheinende Strukturen würden war es nicht, habe ich drei französische Romane dem oft lange Monate mit einem einzigen Buch übersetzt; nur bei einem hatte es sich gelohnt, Servins Beschäftigten belebende Einsichten in die Gewebe Deo Gratias, aus dem dann The Man Who Robbed Paar anderer Werke z. B. von Butor, Le Clezio oder Sollers Boxes wurde (obwohl ich Now Thank We All [’Nun erlauben. Eine strenge Auslese der Körnchen, die danket alle . .’] wollte) sowie ein recht lustiger Film von unumgänglichen Wortbildungen oder übersetzten Neolo— einem Mann, der Opferstöcke plünderte. Ein anderer gismen, würden dem Lexikographen zur Speisung des Roman, ich weigere mich, mir den Titel ins Gedächtnis elektronischen französisch-deutschen und deutsch-fran- zurückzurufen, war von derart mittelmäßiger Qualität, ‚ zösischen Sprachspeichers angeboten, um dafür immer daß ich ihn nicht nur zu übersetzen, sondern auch dann, wenn Wörterbücher keinen Rat mehr geben, ganze umzuformen versuchte. Ich gestehe, daß ich eine ‚ Reihen von Äquivalenten mit Kontext-Beispielen perverse Art von Genugtuung empfand, als meine abrufen zu können. Noch ein anderer Teil von eigenen trouvailles von den Rezensenten dem Original- Aufzeichnungen würde für vergleichende Sprachwissen- autor angelastet und als etwas gepriesen wurden, dessen schaftler und Literarhistoriker aufbewahrt. Die wenigen englische Autoren eben nie fähig sein könnten. Eine Körner aber, um die sich alle Mühe lohnt, die Leserin in den Vereinigten Staaten war so angetan von eigentlichen Gewinne, die man übersetzend in die eigene dem Buch, daß sie zwanzig oder mehr Exemplare an ihre Sprache einbringen kann, sind die vielleicht zum Freunde und Bekannten verschickte; ich darf wohl erstenmal gehörten und wiedergegebenen Übereinstim— annehmen, ihr Französisch langte nicht, um das Original mungen von Sprache und neu gesehenen Teilen der uns bloßzulegen. umgebenden, sich ständig erweiternden, erkennbaren Ich habe ebenfalls Berlioz’ L’Enfance du Christ, ein (‘x Wirklichkeit, wie z.B. diese Stelle aus ’Mercier et hervorragendes, ergreifendes Oratorium, für eine Weih- Camier’, wo es statt ’le soleil se leva’ ’die Sonne ging auf’ nachtsaufführung im Zweiten Programm der BBC heißt: ’la terre se tralnait vers la lumiäre, la breve, trop übersetzt. Berlioz war sein eigener Librettist, und kein longue lumiäre’, oder ’die Erde wälzte sich ins Licht, ins schlechter. Deshalb war ich auch von den Problemen kurze, allzu lange Licht’. verschont geblieben, mit denen sich Übersetzer von Libretti, die nicht aus der Feder eines Da Ponte oder Boito stammen, herumschlagen müssen, nämlich Banali- Anthany Burgen: täten, die in einer romanischen Sprache weit weniger banal klingen, in vernünftiges, sinnvolles und einiger- BLESS THEE, BOTTOM maßen euphonisches Englisch zu übertragen. Mein Quince: ’Bless thee, Bottom, blese thee! Problem lag in der femininen Endung im Französischen, Thou art translated!’ die der Komponist bei der Stimmführung oft nur ganz knapp anschlägt, und zwar häufig zu Beginn eines Squenz: ’Gott behüte dich, Zettel, Gott Taktes. So vertont Berlioz terre indem er dem terr eine behüte dich! Du bist transferiert!’ gehaltene ganze Note gibt und dann das —e mit einer Cyril Connolly hat einmal gesagt, diejenigen Kritiker staccato gesungenen Achtelnote abbeißt; im Englischen verfaßten die verständnisvollsten Rezensionen, die selber geht das nur mit einem betonten Monosyllabum zu einmal Bücher geschrieben hätten, denn sie kennten die machen. All das ist außerordentlich knifflig. So habe ich Mühsal, die selbst das armseligste Erzeugnis von uns zum Beispiel Cyrano de Bergerac für eine Neu-Inszenie- erfordere. Die Augenausstecher und Schnappbarsche mng übertragen, und wenn mir jemand verraten kann, unserer literarischen Sonntagsgazetten sind in der Regel wie man am besten das allerletzte Wort des Stückes, nicht fähig, auch nur ein sechzigtausend Worte langes panache, wiedergibt, werde ich demjenigen mehr als nur Baby hervorzubringen. Ähnlich verhält es sich auf dem verpflichtet sein. Gebiet der Übersetzung. Englische Schriftsteller, die von Ich bin mir also bewußt, wie knifflig Übersetzungen sein ihrer Hände Arbeit leben wollen, betrachten alles außer können. Damm bin ich auch bereit, den Männern und vielleicht gröbster Pornographie und platter politischer Frauen, die meine Bücher und Artikel zu übersetzen Propaganda als in ihr Gebiet gehörig, und sie sehen denn haben, vieles nachzusehen, wenn sie nicht immer genau auch in Übersetzungen eine durchaus standesgemäße erfassen, was ich sagen will. In der Tat kriegen sie es Hausarbeit. Deshalb können sie auch, vorausgesetzt, sie manchmal fertig, Absichten zu entdecken, wo es keine sind Romanciers, die übersetzt worden sind, gut gegeben hat. In einem Roman mit dem Titel The Doctor beurteilen, welche Seelenpein jenseits des Ärmelkanals is Sick kommt jemand vor, der gähnt. Anstatt zu ausgestanden werden muß. Wie jeder von uns Lohn- schreiben: ’Er gähnte’, lasse ich ihn folgendes artikulie- schreibern habe auch ich mein Scherflein dazu ren: ’War, awe, warthog, Warsaw.’ In einer Übersetzung beigetragen: in der Tat habe ich als Übersetzer und nicht wurde das wörtlich übertragen. Das gleiche passierte bei als Autor eigener Werke angefangen. Mein erstes meinem Roman The Wanting Seed mit meiner Bemühen galt einer malaiischen Fassung von Eliots The Phonetisierung eines niesenden Mannes: ’Arch. How rash Waste Land, was recht schwierig war, denn in den you are.’ Wie gesagt bin ich bereit, zu verzeihen, denn Tropen ist der Monat April weder grausamer noch ich weiß, daß ich selber ähnlichen Unsinn verzapft habe. minder grausam als jeder andere, und der Sommer kann So wußte ich zum Beispiel nicht, was eine passage d nicht überraschen, wenn er das ganze Jahr über dauert. tabac in einem in Algerien spielenden Roman war. Ich Übersetzung, sagen unsere anthropologisch orientierten hielt es für einen Ort, an dem Zigaretten schwarz Linguisten, sei eben nicht nur eine Sache von Worten. gehandelt wurden, aber irgendwie schien das nicht mit Nehmen wir aber einmal eine Sprache wie das- dem gewalttätigen Klima des Ganzen zusammenzupas— Französische, das zumindest früher einmal die meisten sen. Im Umbruchkorrektur—Stadium bekam ich es mit Lohnschreiber beherrschten: es ist in der Tat vielfach der Angst zu tun und entschloß mich, passage ä tabac als nur eine Sache von Worten, denn um einen französischen passage ä tabac stehen zu lassen, also als eine Roman ins Englische zu übertragen, brauchen wir Redewendung, die jeder weitgereiste, welterfahrene
Leser genau so gut kennt oder kennen sollte wie coq au Chacun a son tour, les deux commensaux vm. passerent commande d'un plat. Hillier: filets de Übersetzungen meiner Bücher ins Japanische oder in sole reine Elisabeth sauce blonde; Theodorescu: skandinavische Sprachen kann ich nicht gut beurteilen, croustade de fruits de mer sauce Newburg; aber im Deutschen und in den Tochtersprachen des Hillier: souffle au foie gras — et qu’on soit Lateins kenne ich mich einigermaßen aus. Auf genereux avec le Madere; Theodorescu: avocats französisch scheine ich französisch zu werden, und zwar au caviar sauce Mousseline. in solchem Maße, daß eine französische Übersetzung Aber irgendwie klingt das Französisch doch zivilisierter, meines Tremor of Intent von der Postbehörde in Malta glaubwürdiger und weniger wie der Wunschtraum eines beschlagnahmt wurde, wo Französisch ipso facto als eine Gourmands. anrüchige Sprache gilt. Der Titel war Un Agent qui vous Jeder Autor, der ein Belegexemplar der Übersetzung veut du bien. Etwa eine Woche darauf wurde dasselbe eines seiner Bücher zugesandt bekommt, wird selbstver- Buch in dänischer Fassung nach Malta geschickt. Der ständlich sofort diejenigen Dinge nachschlagen, die er für Titel, Martyrenes Blod, garantierte, daß mir das Buch unübersetzbar hält. Dies sind zum Beispiel Wortwitze, mit Windeseile, ja fast mit erzbischöflichem Segen und eine erklärende Fußnote scheint mir ein recht zugestellt wurde. Als ich dann schließlich in Montreal ein lahmer Klirnmzug aus einer prekären Situation. In einem Exemplar von Un Agent qui vous veut du bien zu fassen meiner letzten Romane wimmelt es von Wortspielen und bekam — die junge Dame im Buchladen sagte: ’Burgess? Rätseln, und das Buch wird in der Übersetzung entweder Un auteur pas trop lu’ ——‚ stellte es sich heraus, daß zur Hälfte aus Fußnoten bestehen müssen, oder der Michel Deutsch, der Übersetzer, weitaus bessere Arbeit Übersetzer muß es von Grund auf als eine linguistische geleistet hatte als ich, und zwar besonders bei Stellen, in Fantasia in seiner Muttersprache neu konzipieren. denen es um Liebe oder um Essen ging. Vergleichen wir Übersetzern mangelt es häufig an Courage, oder sie sind einmal folgende Passage: nicht frei genug und tun, als hätten sie eine Art Prüfung he saw the girl. At once, with a kind of groan zu bestehen. Unübersetzbar ist auch manchmal, so in of habituation, his body made its stock einem meiner Romane, dem die Deutschen den Titel Der responses — tightening of the larynx, minimal Doktor ist übergerchnappt gaben, eine Verhohnepiepe- pain in the frenurn, a shuddering re-stoking of lung genau der Sprache, in die das Buch zu übersetzen the arteries, a sense of slight levitation. She was ist. So kommt in diesem Roman eine Figur namens beautiful: com-hair piled up carelessly, a nose Renate vor, die, wenn sie sich auf englisch ausdrückt, like an idealization of a broken boxer’s, a deutsche Wortfolgen gebraucht. So sagt sie zum Beispiel, mouth whose scolding ought at once to be und ich zitiere hier aus dem Gedächtnis: ’At the corner stopped with kisses. She was in a straight gold is a little shop where man can swineflesh and calf and ox dress deep cut; legs, arms, neck were bare, with sauerkraut and pumpernickel get.’ lm Deutschen honeyed, superb. wurde (übrigens sehr geschickt) daraus: ’Um die Ecke ist eine kleine Laden, dort man kann bekommen Schweine- il vit la jeune. Aussitöt, avec une espece de fleisch und Kalb und Ochsen mit Sauerkohl und plainte n€e de l’accoutumance, son corps eut 1a schwarzem Brot’, was allerdings eher wie eine Englän- räaction globale habituelle: constriction de la derin klingt, die versucht, sich auf deutsch auszudrücken. larynx, infime lancinement du filet de la langue, In dem gleichen Buch soll der Held einen Vortrag über fremissement des artäres qui s’engorgent, den Reimslang der Cockneys halten. Die Übersetzung impression de planer l€g€rement au-dessus du zieht sich aus der Affaire, indem sie dem Problem sol. Une beautez des cheveux couleur de ble einfach aus dem Wege geht: negligemment ramenes en chignon, un nez qui ätait lidöalisation d’un nez casse' de boxeur, ’Arse — Arsch’, sagte Edwin laut, ’gibt ein gutes une bouche dont la moue meritait d’etre Beispiel dafür. Arse wird im Reimslang zu sur-le-champ effacöe sous les baisers. Elle ’bottle and glass’. Bottle wird seinerseits mit portait une robe droite en tissu dore, ’Aristotle’ gereirnt. Dieses Wort wird gekürzt, so genereusement echancree. Des jambes des bras, daß das Ersatzwort für ’arse’ dann ’Aris’ heißt, un cou aux tons de miel — une cröature sich also vom Grundwert kaum unterschei- superbe. det ...'. Natürlich ist der französische Text ein gutes Stück Dieser Vortragende wird übrigens scherzhaft und aus länger, aber das Mädchen ist auch dementsprechend ein dem Stegreif als 'Dr. Livingstone l presume’ vorgestellt. gutes Stück begehrenswerter und eleganter geworden. Im folgenden halten einander Original und Übersetzung Wird fortgesetzt. (Übers. Eva Bomemann) einigermaßen die Waage: Hillier and Theodorescu ordered ahead alter- nately. Hillier: fillets of sole Queen Elizabeth, with sauce blonde; Theodorescu: shellfish tart Bitte beachten: Neue Konto-Nr. with sauce Newburg; Hillier: soufflö au foie gras to be generous with the Madeira; des VDÜ: Dresdner Bank and Theodorescu: avocado halves with caviar and a Stuttgart. Nr. 2 319 834. cold chiffon sauce. DER UBERSETZER erscheint monatlich. Einzel reis 90Pf zuzii lieh Versandkosten. Herausgeber: Verband deutschssrachiger ersetzer literarischer und wissenschaftlicher Wer e e. V. (VDÜ), äsident Helmut M. Braem, 7141 Neckarterns, Schloß emseck. — Redaktion Eva Bornemann, A—4612 Scharten, Vitta 7, Oberösterreich, Tel.: (00 43) 72 75 1 35 oder (0 72 7S) 1 35. _ Postscheckkonto für die Zeitschrift DER ÜBERSETZER: Stuttgart Nr. 932 68. 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