Russian Seasons: Kurze Begegnungen

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Russian Seasons: Kurze Begegnungen

                                                                                                                                                                Russian Seasons
KOROTKIE VSTREČI – KURZE BEGEGNUNGEN

                                                                                                                                                                 31

                                       »Russian Seasons« ist ein Projekt, mit dem sich die rus-   films, von DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1919) bis zu
                                       sische Kultur dem ausländischen Publikum präsentiert.      DIE BÜCHSE DER PANDORA (1929) waren in den sow-
                                       Jedes Jahr wird ein anderes Land ausgesucht, in dem        jetischen Kinos zu sehen, und der Beitrag, den diese
                                       Veranstaltungen aus allen Bereichen der Kultur vorge-      Filme nicht nur zur Filmkunst, sondern auch zum Thea-
                                       stellt werden. Der Name des Projekts bezieht sich auf      ter, zur Malerei und zur Literatur leisteten, ist einmalig.
                                       die legendären Tourneen der Ballett-Truppe von Sergej      Unter anderem auch deshalb, weil ab dem Beginn der
                                       Djagilev. 2017 fand das Festival in Japan statt, 2018      1930er Jahre der Verleih ausländischer Filme in der
                                       in Italien, 2019 ist Deutschland an der Reihe. Für den     Sowjetunion eingeschränkt wurde und dem Publikum
                                       Bereich »Film« haben Peter Bagrov, seit August Leiter      die Bekanntschaft mit weiteren bedeutende Filmströ-
                                       der Filmabteilung des George Eastman Museum in             mungen im ausländischen Film nur sehr limitiert mög-
                                       Rochester, und der Filmkritiker Konstantin Shavlovsky      lich war. Erst in den 1960er Jahren begann sich die
                                       zwei Filmreihen kuratiert, die unterschiedliche Phasen     Situation allmählich zu ändern.
                                       des sowjetischen Kinos dokumentieren. Der Titel des             Der Expressionismus wurde beinahe zum Synonym
                                       Filmprogramms bezieht sich auf den gleichnamigen           von »westlicher« Ausdruckskraft. Das aktuelle sowjeti-
                                       Film von Kira Muratova.                                    sche Material, gedeutet meistens aus der Klassenper-
                                                                                                  spektive, im bedingungslosen Glauben an die rosige
                                       Sowjetischer Filmexpressionismus                           Zukunft, rief eine heitere und gehobene Ästhetik ins Le-
                                       Der expressionistische deutsche Stummfilm übte auf         ben: den Konstruktivismus (in den 1920er Jahren), den
                                       das Weltkino großen Einfluss aus, dem sich auch der        Suprematismus nach Malevič (am Anfang der 1930er),
                                       sowjetische Film nicht entziehen konnte. Und das nicht     den sozialistischen Klassizismus (am Ende der 1930er),
                                       nur in den 1920er Jahren, wie weithin angenommen           das Stalin-Empire (in den 1940ern und 1950ern). Aber
                                       wird. Fast alle Meisterwerke des deutschen Stumm-          jeder dunkle Winkel – sei es in der sowjetischen oder
in der westlichen Wirklichkeit, in der Außenwelt oder        In der Sowjetunion verdrängte die revolutionäre Eu-
                                                              im Bewusstsein der Protagonisten – rief unumgänglich     phorie von 1917 bis 1918 die Ereignisse des Ersten
                                                              klassische deutsche Filme in Erinnerung.                 Weltkriegs, sodass daraus schon lange vor dem Zwei-
                                                                   Die Filmemacher gaben solche Anleihen nur ungern    ten Weltkrieg ein »vergessener« Krieg wurde. Aber
                                                              zu. Grigorij Kozincev und Leonid Trauberg, die Gründer   ausgerechnet der Zweite Weltkrieg oder, genauer ge-
                                                              von FEKS (Fabrik des exzentrischen Schauspielers) be-    sagt, der »Große Vaterländische Krieg«, besonders in
                                                              stritten vehement den Einfluss des Expressionismus       den Jahren 1941 und 1942, die nach einem Jahrzehnt
                                                              auf ihre besten Stummfilme DAS TEUFELSRAD (1926),        bombastischer Paraden und Umzüge am schwersten
                                                              DER MANTEL (1926), S.W.D. – DER BUND DER GROS-           waren, rief einen Umschwung im Bewusstsein der
                                                              SEN TAT (1927) und DAS NEUE BABYLON (1929). Lev          Künstler hervor. Sie beschäftigten sich wieder mit
                                                              Kulešov schwor dem amerikanischen Film die Treue         den Abgründen des menschlichen Bewusstseins, und
                                                              und wollte nicht merken, dass seine Jack-London-Ver-     da kam ihnen die Rückbesinnung auf den deutschen
                                                              filmung NACH DEM GESETZ dem deutschen Kino viel          Filmexpressionismus zur Hilfe. Alle führenden Regis-
                                                              näherstand. Während sie den Einfluss expressionisti-     seure und Kameraleute – ohne eine einzige Ausnah-
Russian Seasons

                                                              scher Filme auf ihr Schaffen meistens bestritten, ga-    me – hatten ihre Karriere schon in den 1920er Jahren
                                                              ben sowjetische Filmemacher ihre Begeisterung für        begonnen, im sowjetischen Film hatte seit gut fünfzehn
                                                              expressionistische Malerei und Grafik jedoch gerne zu.   Jahren keine Personalerneuerung stattgefunden. Ein
                                                              Die Namen von Käthe Kollwitz und George Grosz kom-       kurzzeitiges »Tauwetter« während der Kriegsjahre er-
                                                              men in ihren Aufsätzen und Memoiren immer wieder         laubte mehr künstlerische Freiheit. Die Folge war eine
                                                              vor. Das Schlüsselbild von Fridrich Ermlers DER MANN,    ganze Reihe von Filmen, die zu den Schlüsselwerken
 32                                                           DER DAS GEDÄCHTNIS VERLOR (1929), Jesus mit Gas-         ihrer Schöpfer zählen: DIE MÖRDER MACHEN SICH AUF
                                                              maske am Kreuz, ist ein direktes Zitat von George        DEN WEG (1942) von Vsevolod Pudovkin und Jurij Tarič,
                                                              Grosz. Das hat Ermler nie verheimlicht.                  DIE INVASION (1944) von Abram Room, EINES NACHTS
                  LETJAT ŽURAVLI – WENN DIE KRANICHE ZIEHEN
(1944) von Boris Barnet, MENSCH NR. 217 (1944) von            Massenpublikum gerecht sein sollte, für eine verständ-
Michail Romm und schließlich IWAN DER SCHRECKLI-              liche Darstellung des Alltags. 1929 wurde sein KAIN
CHE (1944/45) von Sergej Eisenstein.                          I ARTEM im Leningrader Studio produziert, die Verfil-
    In der Nachkriegszeit, die oft als »Malokartin’e«         mung einer Kurzgeschichte von Maxim Gorki, dem le-
(Filmdürre) bezeichnet wird, wollte man von offizieller       benden Klassiker und Hauptschriftsteller der Proleten.
Seite wieder den erfolgreichen Sozialismus auf der            Pavel Petrov-Bytov beschloss, die Filmhandlung kom-
Leinwand sehen, eine Art Hollywood-Ästhetik gefüllt mit       plett im Studio zu drehen: Auf diese Weise konnte man
sowjetischer Ideologie. Erst der Beginn des »Tauwet-          das komplexe Licht- und Schattenspiel ganz im Griff
ters« in der 1950er Jahren brachte eine Hinwendung            haben. Nikolaj Suvorov, der für die Bauten und Ausstat-
zum Neorealismus, der allerdings etwas primitiv ver-          tung verantwortlich war, machte aus seiner Passion für
standen wurde (woran die Filmemacher am wenigsten             Expressionismus kein Geheimnis. Leningrader witzelten
Schuld hatten, denn sie konnten die allermeisten itali-       darüber, die Macht des Filmteams sei so groß gewesen,
enischen Filme gar nicht sehen). Das Kino, wie Kozin-         dass es selbst einem Pavel Petrov-Bytov gelungen sei,
cev sagte, lernte aufs Neue, von einfachen Dingen zu          einen guten Film zu machen.

                                                                                                                          Russian Seasons
reden: authentische, halb-dokumentarische Alltagsge-           Freitag, 13. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:
schichten aus dem Leben von Durchschnittsmenschen.            Filipp Cheltsov
    Parallel zu dieser Entwicklung bildete sich jedoch
auch die entgegengesetzte Tendenz heraus. Ausge-              Gosudarstvennyj činovnik (Ein Staatsbeamter) |
hend von der Prämisse, dass jeder Mensch einmalig ist         Sowjetunion 1931 | R: Ivan Pyr’ev | B: Vsevolod Pav-
und im 20. Jahrhundert jede Alltagssituation leicht zu        lovskij | K: Anatolij Solodkov | D: Maksim Štrauch, Alek-
tragischen Konflikten führen kann, griff man wieder auf       sandr Antonov, Tat’jana Baryševa, Ivan Bobrov, Lidija        33
die Stilmittel des deutschen Films der 1920er Jahre zu-       Nenaševa, Naum Rogožin | 88 min | OmU | Dieser Film
rück. Doch diese Filme stießen auf wenig Begeisterung         wurde gleich nach dem Produktionsende verboten und
bei der Obrigkeit und blieben eher Randerscheinungen.         noch weitere anderthalb Jahre umgearbeitet. Doch gab
Man hat sich erst während der Perestrojka wieder              es keine Standards für »expressionistische Filmkomö-
an sie erinnert – oder sogar noch später. So wurden           dien«, und so wirkt der Film auch nach der Umarbeitung
Grigorij Nikulins VERGISS NICHT, KASPAR! (1964), Va-          befremdlich. Ein unbedeutender kümmerlicher Staats-
lentin Vinogradovs DER ÖSTLICHE KORRIDOR (1966),              beamter findet sich plötzlich im Besitz einer riesigen
Aleksander Alovs und Vladimir Naumovs EINE BÖSE               Geldsumme. Doch im sozialistischen Regime kann er
GESCHICHTE (1966) und viele andere aus dem Verges-            das Geld nicht ausgeben ohne aufzufallen. Das Wissen
sen zurückgeholt. Aber auch zwei Schlüsselwerke des           über seinen illegalen Reichtum bedrückt ihn und zwingt
Tauwetter-Kinos, Michail Kalatozovs WENN DIE KRANI-           ihn zu einem Doppelleben. Pyr’ev nutzte expressio-
CHE ZIEHEN (1957) und IWANS KINDHEIT (1962) von               nistische Elemente, die nicht nur auf unerwartete Ka-
Andrej Tarkovskij, sind Teil dieser expressionistischen       meraeinstellungen und Schattenspiele begrenzt sind,
Tradition.                                                    sondern auch das Grundthema des Films betreffen.
    In unserem Programm sind Filme aus allen Epo-             Es geht um das kranke Bewusstsein von Menschen,
chen, Stilrichtungen und sogar Genres vertreten (es           die von historischen Katastrophen traumatisiert sind –
gab ja zum Beispiel auch expressionistische Komödi-           freilich nicht vom Ersten Weltkrieg wie in Deutschland,
en). Neben bekannten Meisterwerken sind selten ge-            sondern von der sowjetischen Revolution.
zeigte Werke zu sehen. Das gibt dem Zuschauer die              Samstag, 14. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:
Möglichkeit, dem Phänomen in all seinen Facetten zu           Filipp Cheltsov
begegnen. 			                             Peter Bagrov
                                                              Oblomok imperii (Der Mann, der das Gedächtnis
Kain i Artem (Das Lied vom alten Markt) | Sowjet-             verlor) | Sowjetunion 1929 | R: Fridrich Ermler | B:
union 1929 | R: Pavel Petrov-Bytov | B: Ol’ga Kuzne-          Ekaterina Vinogradskaja, Fridrich Ermler | K: Evgenij
cova, Elena Nevjažskaja, Marija Remezova, Pavel Pe-           Šnejder, Gleb Buštyev | D: Fedor Nikitin, Ljudmila Seme-
trov-Bytov, nach der Erzählung von Maxim Gorki | K:           nova, Valerij Solovcov, Emil’ Gal’, Jakov Gudkin, Sergej
Nikolaj Ušakov, Michail Kaplan | D: Emil’ Gal’, Nikolaj Si-   Gerasimov, Ursula Krug | 109 min | OmeU | Fridrich
monov, Alena Egorova, Georgij Uvarov, Iona Bij-Brodskij       Ermler bedient sich der Geschichte eines Unteroffi-
| 85 min | OmU | Pavel Petrov-Bytov, der Macher von           ziers, der durch eine Verletzung an der Front des Ersten
Melodramen, plädierte für eine Filmsprache, die dem           Weltkriegs sein Gedächtnis verliert und erst nach zehn
Jahren wieder »erwacht«, um die Errungenschaften          Granica (Die Grenze) | Sowjetunion 1935 | R+B:
                  der sowjetischen Regierung aufzuzeigen. Aber auf          Michail Dubson | K: Vladimir Rapoport | M: Lev Pul’ver
                  der Leinwand sehen wir, wie ein Mensch – ein vitaler      | D: Nikolaj Čerkasov, Elena Granovskaja, Veniamin
                  Charakter, der sich in seiner Gegenwart auskannte, der    Zuskin, Emil’ Gal’, Vera Bakun, Efim Al’tus, Boris Pos-
                  ein Haus und eine Ehefrau hatte – in eine Welt gigan-     lavskij | 84 min | OmU | In seiner ersten Version er-
                  tischer konstruktivistischer Bauten gerät. Am Ende des    zählte der Film über den Alltag einer verelenden aus-
                  Films löst sich der Protagonist in der Menschenmas-       sterbenden jüdischen Siedlung an der Grenze zwischen
                  se der Komsomolzen auf. Ermlers Leidenschaft waren        Polen und der Sowjetunion. Alle Bewohner betreiben
                  die Freud’schen Theorien, was sich in der berühmten       Schmuggel, um zu überleben. Später musste man
                  Filmsequenz niederschlug, in der Filimonovs Gedächt-      noch das Thema der Klassensolidarität in die Handlung
                  nis wieder erwacht. Die Szene kulminiert im Bild eines    einbauen. Der Alltag in der Siedlung ist zu einer Gro-
                                                                            teske komprimiert, das »Ethnografische« interessiert
                                                                            Dubson wenig. Fast alle Szenen wurden im Studio ge-
                                                                            dreht – hier zeigt sich deutlich die Schule des Expres-
Russian Seasons

                                                                            sionisten Dubson. Ein plakativ im Schatten liegender,
                                                                            enger, abgekapselter Raum, in den kein Sonnenstrahl
                                                                            je eindringt, wird zu einem Wohnort der Nacht. Jede
                                                                            einzelne Geste der Filmfiguren unterstreicht die Stili-
                                                                            sierung. Der Kinoexperte Miron Černenko sprach von
                                                                            einer »Chagall’schen Plastizität« dieses Films. Für Ma-
 34                                                                         xim Gorki war DIE GRENZE »genauso schön, gewaltig
                                                                            und kräftig wie ČAPAEV (TSCHAPAJEW, 1934).« Ein
                                                                            größeres Kompliment konnte man einem sowjetischen
                                                                            Film nicht machen.
                  am Kreuz hängenden Jesu mit Gasmaske – das direkte         Dienstag, 24. September 2019, 18.30 Uhr
                  Zitat einer Zeichnung von George Grosz, eines führen-
                  den Malers des deutschen Expressionismus.                 Pauki (Spinnen) | Sowjetunion 1942 | R: Il’ja Trauberg
                   Sonntag, 15. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:    | B: Michail Berenstinskij | K: Aleksandr Lavrik | M:
                  Filipp Cheltsov                                           Dmitrij Klebanov | D: Maksim Štrauch, Nikolaj Volkov,
                                                                            Petr Alejnikov | 17 min | OmU | Agitationsfilm, der in
                  Rvanye bašmaki (Zerrissene Stiefelchen) | Sow-            Deutschland spielt und sich expressionistischer Mittel
                  jetunion 1933 | R+B: Margarita Barskaja | K: Georgij      bedient. Die Hauptdarstellerin stilisiert sich unverhohlen
                  Bobrov, Sarkis Geworkjan | M: Vissarion Šebalin, Da-      als Brigitte Helm. – Ubijcy vychodjat na dorogu (Die
                  vid Blok | D: Michail Klimov, Ivan Novoselcev, Natal’ja   Mörder machen sich auf den Weg) | Sowjetunion
                  Sadovskaja, Anna Čekulaeva, Vera Alechina, Klavdija       1942 | R: Vsevolod Pudovkin, Jurij Tarič | B: Manuel’
                  Polovikova | 84 min | OmU | Die Filmhandlung spielt       Bol’šincov, Vsevolod Pudovkin, nach »Furcht und Elend
                  im Deutschland der Weimarer Republik. Arbeitslosig-       des Dritten Reichs« von Bertolt Becht | K: Boris Volček,
                  keit, Schlangen, Streiks, Streikbrecher, reiche Bürger,   Era Savel’eva | M: Nikolaj Krjukov | D: Michail Astan-
                  Rotfrontkämpferbund – alles abgedroschene Klischees       gov, Ada Vojcik, Oleg Žakov, Boris Blinov, Ol’ga Žizneva,
                  der sowjetischen Filme Anfang der 1930er Jahre. In        Aleksandr Antonov | 56 min | OmU | Diese Verfilmung
                  ZERRISSENE STIEFELCHEN wird das alles aus der Per-        nach Brecht zeigt den Alltag im Nationalsozialismus
                  spektive von Kindern erzählt. Margarita Barskaja wählte   und wie sich die psychische Verfassung der Bürger
                  einfache Kinder aus und setzte diese in »vorgegebene      in einem totalitären Staat verändert. Da die Darstel-
                  Umstände«. Es findet sich in den 1930er Jahren kein       lung des Lebens in einer Atmosphäre der ständigen
                  anderer Film, in dem Kinderdarsteller ähnlich zwanglos    Bespitzelung, Denunziation und Repression nicht nur
                  und glaubwürdig agieren. Der Einfluss der deutschen       auf Hitler-Deutschland, sondern auch auf das stalinis-
                  Filmproduktion ist nicht zu übersehen, aber nicht etwa    tische Russland bezogen werden konnte, wurde der
                  der des Frühexpressionismus mit seiner gewollten De-      Film sofort verboten. Vsevolod Pudovkin und Jurij Tarič
                  korativität, sondern der der »Neuen Sachlichkeit« von     arbeiten virtuos mit Räumen, in denen die Menschen
                  G.W. Pabst und den ersten Tonfilmen von Fritz Lang.       gefangen sind.
                   Dienstag, 17. September 2019, 18.30 Uhr                  Dienstag, 1. Oktober 2019, 18.30 Uhr
Čelovek No. 217 (Mensch Nr. 217) | Sowjetunion                Pomni, Kaspar! (Vergiss nicht, Kaspar!) | Sowjet-
1944 | R: Michail Romm | B: Evgenij Gabrilovič, Michail       union 1964 | R+B: Grigorij Nikulin | K: Dmitrij Meschiev
Romm | K: Era Savel’eva, Boris Volček | M: Aram               | M: Nadežda Simonjan | D: Anatolij Romašin, German
Chačaturjan | D: Elena Kuz’mina, Anna Lisjanskaja, Va-        Žuravlev, Aleksandr Michajlov, Oskar Lind, Vladimir Lip-
silij Zajčikov, Nikolaj Komissarov, Tat’jana Baryševa, Gri-   part, Vladimir Picek | 83 min | OmU | Ein sowjetischer
gorij Michajlov, | 104 min | OmU | 1945 wurde MENSCH          Film über Deutsche, die mit dem Krieg aufhören wol-
NR. 217 noch als beste Produktion des Jahres gefeiert,        len. Über weite Strecken beherrscht Stille die Tonspur:
doch schon ein Jahrzehnt später erinnerte man sich            »Stille im Krieg heißt immer eine lauernde Gefahr, eine
an den Film mit Unbehagen: sein antideutsches (und            Verunsicherung.« (Grigorij Nikulin) Neben dem Ton
nicht etwa antifaschistisches) Pathos unterschied ihn         orientiert sich auch die Bildgestaltung an der Ästhetik
augenscheinlich nicht von anderen Agitationsfilmen der        des Stummfilms. Nikulin, ein erfahrener Theaterre-
Kriegszeit. Tatsächlich bot die Geschichte von Russen,        gisseur, wusste zwischen Theater und Film zu unter-
die nach Deutschland verschleppt und zu Zwangsar-             scheiden und vertraute auf rein filmische Mittel. Sein
beit gezwungen werden, wenig Differenzierung. Boris           Kameramann Dmitrij Meschiev, der beim großen Andrej

                                                                                                                          Russian Seasons
Volček porträtierte in expressionistischer Ausleuchtung       Moskvin gelernt hatte, unterstützte ihn dabei. In VER-
ausgezehrte, bis aufs Skelett abgemagerte Menschen,           GISS NICHT, KASPAR! sind die Szeneneinstellungen be-
Evgenij Enej schuf kantige Bauten mit verrutschter Per-       wusst nicht ausbalanciert, es wird ohne Stativ aus der
spektive und Elena Kuz’mina imitiert die Bewegungen           Hand und mit verstärkter Kontrasteinstellung gedreht
und Gestik der deutschen Stummfilmschauspieler. Man           – all das schafft eine unruhige Atmosphäre und Span-
kann den Film aber auch anders sehen: Furchterre-             nung, die auch über das Filmende hinausreicht. Dem
gend sind die Deutschen nicht, weil sie deutsch sind,         Film wurde Pazifismus vorgeworfen. Er wurde zwar of-         35
sondern weil sie Kleinbürger sind und der Film zeigt          fiziell zur Vorführung zugelassen, aber es wurden nur
eindrücklich, wie der Faschismus sich in diesem Milieu        wenige Kopien gezogen, so dass er nicht den Weg zum
ausbreitet.                                                   breiten Publikum finden konnte.
 Dienstag, 8. Oktober 2019, 18.30 Uhr                         Dienstag, 22. Oktober 2019, 18.30 Uhr

Letjat žuravli (Wenn die Kraniche ziehen) | Sowjet-           Skvernyj anekdot (Eine böse Geschichte) | Sow-
union 1957 | R: Michail Kalatozov | B: Viktor Rozov |         jetunion 1966 | R: Aleksandr Alov, Vladimir Naumov
K: Sergej Urusevskij | M: Moisej Vajnberg | D: Tat’jana       | B: Leonid Zorin, Aleksandr Alov, Vladimir Naumov,
Samojlova, Aleksej Batalov, Vasilij Merkur’ev, Aleksandr      nach der Erzählung von Fedor Dostoevskij | K: Anatolij
Švorin, Svetlana Charitonova, Konstantin Kadočnikov           Kuznecov | M: Nikolaj Karetnikov | D: Evgenij Evstigneev,
| 92 min | OmU | Der erste sowjetische Film, in dem           Viktor Sergačev, Aleksandr Gruzinskij, Elena Ponsova,
der Krieg als eine private menschliche Tragödie gezeigt       Elizaveta Nikiščichina, Zoja Fedorova, Gleb Striženov,
wurde. Dabei ist der Film von genregemäßem Pathos             Pavel Pavlenko | 102 min | OmU | Die deutschen Ex-
erfüllt. Zeit und Raum beugen sich dem Willen der             pressionisten bedienten sich gern bei Dostoevskij,
Protagonistin, deren Charakter sowohl vom Spiel der           und so ist es nicht verwunderlich, dass sich späte-
Hauptdarstellerin Tat’jana Samojlova als auch von der         re Dostoevskij-Verfimungen experessionistischer Stil-
subjektive Kameraführung Sergej Urusevskijs geprägt           mittel bedienten. Aleksandr Alov und Vladimir Naumov
ist. Unter jungen sowjetischen Filmemachern war die           waren Absolventen der legendären Filmwerkstatt von
Aufnahme des Filmes eher kühl: Im Trend lag damals            Igor’ Savčenko und waren als einzige der von allen of-
der italienische Neorealismus, gegen den die Bildspra-        fiziell anerkannten sowjetischen Filmemacher nicht nur
che von Kalatozov und Urusevskij prätentiös wirkte.           meilenweit entfernt vom Sozialrealismus, sondern vom
Aber es war ein gewollter Verzicht auf Realismus und          Realismus generell. Die Geschichte über einen Gene-
eine bewusste Anlehnung an den Expressionismus, der           ral, der aus liberaler Überzeugung »ins Volk geht« und
es ermöglichte, die komplexe psychische Verfassung            einsehen muss, dass er und das Volk sich gegenseitig
eines Menschen mit allen Brüchen und Paradoxien               anwidern, wurde 1966 sofort in die Archive verbannt.
darzustellen. LETJAT ŽURAVLI (WENN DIE KRANICHE               Das Aufführungsverbot war eines der ersten Signale ei-
ZIEHEN) ist bis heute der einzige sowjetische Film, der       ner neuen Stagnation im sowjetischen Kino, erst wäh-
beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Palme            rend der Perestroika erlebte der Film seine öffentliche
ausgezeichnet wurde.                                          Premiere.
 Dienstag, 15. Oktober 2019, 18.30 Uhr                        Dienstag, 5. November 2019, 18.30 Uhr
Das Kino der Nach-Tauwetter-Periode                       Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Privatleben und
                                                             Das sowjetische »Tauwetter« war ein verspätetes           auf die Äußerung einer eigenen Meinung im öffentli-
                                                             Durchatmen nach dem Krieg – nach dem Tod Stalins im       chen Raum. Der Weg zurück zu Lenins Idealen, zu dem
                                                             Jahr 1953 gab es auch im sowjetischen Kino Ende der       die Abrechnung mit Stalins Personenkult führen sollte,
                                                             1950er Jahre neorealistische Ansätze: Die Filme inter-    wurde versperrt durch die wachsenden Ambitionen
                                                             essierten sich nicht mehr nur für die Massen oder Hel-    des sowjetischen Imperialismus und die zunehmende
                                                             dengeschichten, sondern für die Schicksale einfacher      Macht der sowjetischen Bürokratie.
                                                             Menschen, die Kameras verließen die Studios, filmten          Den Mangel an Luft zum freien Atmen in diesen
                                                             auf der Straße, und schauten direkt in die Gesichter      Jahren findet man auch in den sowjetischen Nach-Tau-
                                                             von Individuen. Es entstand eine neue Sicht auf die       wetter-Filmen. Es ist klar, dass es eine direkte politische
                                                             Menschen, die die schrecklichen Kriegsjahre und die       Kritik in den sowjetischen Filmen nicht gab und nicht
                                                             Jahre der Repressionen davor und danach durchlebt         geben konnte – schließlich durchliefen alle Drehbü-
                                                             hatten. Sie waren nun endlich frei – zumindest so frei    cher eine mehrstufige Zensur. Aber der gesellschaft-
                                                             wie ein entlassener Häftling, der der Zukunft beraubt     liche Grundkonflikt, der Widerspruch zwischen dem
Russian Seasons

                                                             war und plötzlich das gewöhnliche Leben als Geschenk      Persönlichen, Privaten und dem Gesellschaftlichen,
                                                             erhält. Die Zeit war von einem Gefühl von Freiheit und    Öffentlichen, zog sich durch die Jahre der Stagnation
                                                             Hoffnung auf eine bessere Zukunft geprägt, und die Fil-   und erreichte seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte der
                                                             me der Tauwetter-Zeit bilden diese Stimmung ab, ohne      1980er Jahre. Die Protagonisten der Filme dieser Zeit
                                                             dass sie dies explizit thematisieren mussten. Erst 30     quält eine innere Unruhe und Unstetigkeit, sie sind –
                                                             Jahre später sollte im Zuge der Perestroika noch ein-     unabhängig davon, wie gut sie situiert sind – mit ihrem
 36                                                          mal ein ähnlicher Aufbruch stattfinden.                   Leben nicht zufrieden, weder im Beruf (wie die Prota-
                                                                 Der Optimismus der Tauwetter-Zeit und die Hoff-       gonistinnen in den Filmen KURZE BEGEGNUNGEN und
                                                             nungen auf ein neues besseres Leben endeten jedoch        EINIGE INTERVIEWS ZU PERSÖNLICHEN FRAGEN), noch
                                                             bereits Mitte der 1960er Jahre: Die Liberalisierungen     in der Familie (wie bei der Hausfrau und Hauptfigur in
                                                             wurden zurückgenommen, eine militaristische Rhe-          DIE FRAU IST GEGANGEN). Sie laufen die ganze Zeit
                                                             torik zog wieder ein, der kalte Krieg verschärfte sich,   weg, versuchen, von einem Leben in ein anderes zu
                                                             soziale Missstände nahmen zu, und neue Repressio-         flüchten. Der Film MARATHON IM HERBST greift schon
                                                             nen erstickten buchstäblich die gewonnenen Freihei-       im Titel dieses Sinnbild als Metapher auf und zeigt sehr
                                                             ten. Systematisch eingeschränkt wurde das Recht des       anschaulich einen Mann, der nie zur Ruhe kommt.
                  EINIGE INTERVIEWS ZU PERSÖNLICHEN FRAGEN
Zunehmend entwickelte sich in den Jahren der ge-      Jahr des Einmarschs sowjetischer Truppen nach Af-
sellschaftlichen Stagnation das Familiendrama zu ei-       ghanistan und der zweiten Ölkrise – zwei Ereignisse,
nem »Protestgenre«, in dem die Autoren aussprachen,        die eine entscheidende Rolle beim Zerfall der Sowjet-
was sie nicht direkt sagen konnten (und wahrschein-        union spielten.                Konstantin Shavlovsky
lich auch nicht direkt sagen wollten). Am Modell einer
Familie wurden Fragen über den Platz des Menschen          Korotkie vstreči (Kurze Begegnungen) | Sowjetunion
in der sowjetischen Gesellschaft verhandelt, erzählten     1967 | R: Kira Muratova | B: Kira Muratova, Leonid Žu-
die Regisseure über die Geschichte des Landes und          chovickij | K: Gennadij Karjuk | M: Oleg Karavajčuk, Vla-
über seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.           dimir Vysockij | D: Nina Ruslanowa, Vladimir Vysockij,
Lev Tolstoj beginnt seinen Roman »Anna Karenina«           Kira Muratova, Ol’ga Vikland, Aleksej Glazyrin, Valerij
mit dem berühmten Satz »Alle glücklichen Familien          Isakov | 96 min | OmU | Odessa, Provinz, Abwesen-
ähneln einander, jede unglückliche aber ist auf ihre ei-   heit, Warten, eine Festtafel ohne Gäste, eine Gitarre,
gene Art unglücklich.« Das »Unglück« der Familien in       ein Tonband. Ein Leben, das sich nicht verstehen lässt.
den Filmen ist die tragische Diskrepanz der Wünsche        Zwei Frauen, die städtische Angestellte und ihre Haus-

                                                                                                                       Russian Seasons
und Möglichkeiten des sowjetischen Menschen in der         hälterin, warten auf denselben Mann, ohne zu wissen,
Nach-Tauwetter-Gesellschaft. Der Konflikt zwischen         dass sie Rivalinnen sind. Der unangepasste Mann ist
dem privaten und öffentlichen Leben erzeugt ein star-      als Geologe ständig unterwegs und weiß nichts von der
kes Verlangen nach Ausbruch aus der Institution Fami-      Verbindung der Frauen. Ein »neuer weiblicher« Film mit
lie, die die Verbindung zwischen dem Staatlichen und       leisen Tönen und starken Gefühlen. Die »bleierne Zeit«
dem Privaten darstellt.                                    der Sowjetunion wird jedoch so schmerzhaft und erdrü-
     Am radikalsten geschah dies in dem Film HERBST        ckend thematisiert, dass der Film nur kurz anlief, im        37
von Andrej Smirnov: Der Regisseur zeigt einerseits erst-   Tresor verschwand und erst mit der Glasnost-Kampa-
mals offen die Unmöglichkeit seiner Protagonisten, ihr     gne im In- und Ausland bekannt wurde. Kameramann
privates Glück zu finden, und andererseits ihre Beses-     Gennadij Karjuk drehte über 60 Filme, darunter acht
senheit, sich ein solches unter Umgehung aller Regeln      zusammen mit der 2018 verstorbenen Kira Muratova.
und Normen aufzubauen. Smirnovs Film wurde »Klein-          Dienstag, 12. November 2019, 18.30 Uhr | Zu Gast:
bürgerlichkeit« vorgeworfen, seine Verbreitung wurde       Gennadij Karjuk | Einführung: Aleksej Artamonov
eingeschränkt, Andrej Smirnov konnte über 30 Jahre
keinen weiteren Film mehr drehen. Mit dem Vorwurf          Osen’ (Herbst) | Sowjetunion 1974 | R+B: Andrej
vermeintlicher »Kleinbürgerlichkeit« und »Melodrama-       Smirnov | K: Aleksandr Knjažinskij | M: Al’fred Šnitke
tik« sah sich auch Kira Muratova mit ihrem Film KUR-       | D: Natal’ja Rudnaja, Leonid Kulagin, Natal’ja Gunda-
ZE BEGEGNUNGEN konfrontiert, der unserer Filmreihe         reva, Aleksandr Fatjušin, Ljudmila Maksakova, Armen
den Namen gab. Muratova wählte eine Hauptfigur mit         Džigarchanjan | 93 min | OmU | In der Jugend lieb-
einem »unweiblichen« Beruf, dem einer Funktionärin,        ten sie einander, gingen aber auseinander: Il’ja, Ende
konzentriert sich jedoch auf die Darstellung ihres Pri-    zwanzig, ist verheiratet und hat Kinder, Saša, Anfang
vatlebens. Im Mittelpunkt stehen die familiäre Unstetig-   dreißig, hat verschiedene Beziehungen hinter sich. Bei-
keit, Missstimmung, kurze Begegnungen und die leeren       de sind in ihren Ehen nicht glücklich geworden. Nun
Pausen zwischen ihnen. KURZE BEGEGNUNGEN zeigt             sind sie wieder zusammen und versuchen abseits der
einen Blick auf die Welt mit weiblicher Sinnlichkeit.      Stadt Petersburg, die Fehler der Jugend auszugleichen.
     Kira Muratova wie auch die Regisseurinnen Lana        Es regnet unablässig, so dass sie die meiste Zeit in
Gogoberidze und Dinara Asanova waren keine Femi-           einem kleinen Landhaus verbringen. Sie haben ganze
nistinnen – aber sie wuchsen in der Sowjetunion auf,       acht Tage Zeit. HERBST gilt als der erste erotische Film
wo die Gleichberechtigung der Geschlechter früher als      des sowjetischen Kinos. Wegen seiner »freimütigen
woanders auf der Welt behauptet wurde. Sie erlebten        Liebesszenen« wurde der Film nur in kleinen Sälen
die Diskrepanz der erklärten Absichten und der sow-        gezeigt, und Andrej Smirnov konnte jahrelang keinen
jetischen Realität auf tragische Art, und dies nicht nur   weiteren Film mehr drehen. Smirnov, der neben seinen
ausschließlich in Bezug auf die Gleichberechtigung.        Arbeiten als Regisseur und Drehbuchautor auch als
Ihre Sichtweise ermöglicht dem Kinopublikum den di-        Schauspieler in vielen Filmen mitgewirkt hat, wird sei-
rekten Vergleich von geschlechterspezifischen Blicken      nen Film persönlich vorstellen.
auf die familiären und gesellschaftlichen Probleme im       Dienstag, 26. November 2019, 18.30 Uhr | Zu Gast:
Kino der Sowjetunion zwischen 1966 und 1979, dem           Andrej Smirnov
Žena ušla (Die Frau ist gegangen) | Sowjetunion               nov, Norbert Kuchinke, Galina Volček | 90 min | OmU
                  1980 | R: Dinara Asanova | B: Viktor Aristov | K: Jurij       | Der gute und hilfsbereite Busykin ist stets bemüht,
                  Voroncov | M: Vladimir Vasil’ev, Bulat Okudžava, | D:         allen zu helfen und keinen zu benachteiligen. Aber die
                  Valerij Prijomychov, Elena Solovej, Dmitrij Savel’ev, Ek-     Situationen, in die er gerät, werden komplizierter, und
                  aterina Vasil’eva, Aleksandr Dem’janenko, Lidija Fedo-        Busykin muß jeden Tag einen wahren Marathon laufen,
                  seeva-Šukšina | 91 min | OmU | Aleksandr Michailovič          um seine Arbeit, Spaziergänge mit einem ausländi-
                  Kluev, Spitzname »Čanita«, hält sein Familienleben für        schen Freund, die Sorge um seine Familie und seine
                  ideal. Es scheint, dass er alles hat, was man zum Glück       außerehelichen Beziehungen miteinander zu vereinen.
                  braucht: ein gutes Einkommen, seine schöne und zärt-          »Eine melancholische Komödie um die Auswirkung von
                  liche Frau Vera, der Sohn Vit’ka, der keine besonderen        Zeitdruck, Stress und Lebenslüge auf die Persönlichkeit
                  Sorgen bereitet. Aber dann verlässt ihn seine Frau, weil      des Menschen; offen mit der Unmoral der Hauptfigur
                  sie in der Ehe nicht glücklich war, und lässt ihm den         kokettierend, bietet der Film ein hintersinniges, unprä-
                  Sohn zurück. Der Darsteller des Sohns, der heutige            tentiös inszeniertes Vergnügen.« (Lexikon des Interna-
                  Filmkritiker Dmitrij Savel’ev wird anwesend sein und          tionalen Films) Der Film wurde auf den internationalen
Russian Seasons

                  in den Film einführen. Die früh verstorbene, aus Kir-
                  gisien stammende Dinara Asanova (1942–1984) hat
                  nicht viele Filme drehen können. Sie studierte an der
                  Moskauer Filmhochschule und arbeitete In DIE FRAU
                  IST GEGANGEN zum ersten Mal mit Valerij Prijomychov
                  zusammen, der in drei weiteren ihrer Filme als Schau-
 38               spieler und Drehbuchautor mitwirkte.
                   Dienstag, 3. Dezember 2019, 18.30 Uhr | Zu Gast:
                  Dmitrij Savel’ev

                  Neskol’ko interv’ju po ličnym voprosam (Einige
                  Interviews zu persönlichen Fragen) | Sowjetunion
                  1978 | R: Lana Gogoberidze | B: Erlom Achvlediani, Zai-
                  ra Arsenišvili, Lana Gogoberidze | K: Nugzar Erkomaiš-
                  vili | M: Gija Kančeli | D: Sofiko Čiaureli, Gija Badridze,
                  Ketevan Orachelašvili, Žanri Lolašvili, Salome Kančeli,
                  Levan Abašidze | 95 min | OmU | Sofiko hält sich für
                  glücklich: Sie hat eine interessante Arbeit, einen gelieb-
                  ten Mann, Kinder. Die 40-jährige Journalistin ist für die
                  Beantwortung der Leserbriefe verantwortlich und geht
                  ganz in ihrer Arbeit für die Zeitung auf. Sie ist ständig
                  von Menschen umgeben, kennt deren Probleme und
                  Sorgen. In ihrer Arbeit findet sie den Sinn des Lebens.
                  Während sie Ratsuchenden Hilfe, Trost und Neuorien-
                  tierung zu vermitteln vermag, bemerkt sie allerdings
                  die Krise in ihrer Ehe fast zu spät. Für die Filmkritike-
                  rin Maja Turovskaja war Gogoberidzes Film der »erste
                  wahre Frauenfilm des sowjetischen Kinos«. Mit Charme
                  und Humor zeichnet er ein aufschlussreiches Bild des          Filmfestivals von Venedig, San Sebastian und Berlin
                  sowjetischen Alltags.                                         preisgekrönt und war in den sowjetischen Kinos sehr
                   Dienstag, 10. Dezember 2019, 18.30 Uhr | Einfüh-            populär.
                  rung: Karina Karaeva                                           Dienstag, 17. Dezember 2019, 18.30 Uhr

                  Osennij marafon (Marathon im Herbst) | Sowjetuni-
                  on 1979 | R: Georgij Danelija | B: Aleksandr Volodin |
                  K: Sergej Vronskij | M: Andrej Petrov | D: Oleg Basilaš-
                  vili, Natal’ja Gundareva, Marina Nejolova, Evgenij Leo-
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