Der Dachstein Hannes Hoffert-Hösl Wanderungen im Dreiländereck Steiermark, Salzburg, Oberösterreich - Wanderweb
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Hannes Hoffert-Hösl Der Dachstein Wanderungen im Dreiländereck Steiermark, Salzburg, Oberösterreich Rotpunktverlag.
Vorwort | 5 Naturpunkt-Fachbeirat Daniel Anker, Thomas Bachmann, Katharina Conradin, Vorwort Lieni Roffler, Dominik Siegrist, Marco Volken Ein Buch über den Dachstein zu schreiben, ist eigentlich ein hoffnungs- loses Unterfangen. Wo anfangen, wo aufhören? Unzählige Geschich- Der Rotpunktverlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. ten, Forschungen, Mythen ranken sich um das imposante Bergmassiv im Herzen Österreichs, im Dreiländereck der Bundesländer Steiermark, Saltzburg und Oberösterreich. Ich hoffe, es ist mir gelungen, immerhin einen guten Überblick über die Themen der Dachsteinregion zu geben. Das vorliegende Buch soll ein Anreiz sein, sich intensiver mit diesem wunderschönen Fleck Erde aus- einanderzusetzen. Es soll Begeisterung für ein einzigartiges Zusam- menspiel von Kultur- und Naturlandschaften wecken. Für jene, die schon öfters in Ramsau und am Dachstein waren, öffnen sich vielleicht neue Perspektiven. Jene, die den Dachstein noch nicht kennen, sollen gewarnt sein – mich hat die Faszination Dachstein gepackt und nie mehr losgelassen. Am Dachstein geht es aber auch um mehr – nur wenn wir mehr über unsere Umwelt Bescheid wissen, können wir sie unserer Nachwelt sorgfältig übergeben. Dieses Buch soll ein kleiner Für Rückmeldungen, Korrekturen und Hinweise aller Art Baustein dafür sein. sind wir dankbar. Bitte schicken Sie alle festgestellten Veränderungen an: www.wanderweb.ch/forum oder redaktion@wanderweb.ch. Hannes Hoffert-Hösl, im April 2018 © 2018 Rotpunktverlag, Zürich www.rotpunktverlag.ch www.wanderweb.ch/dachstein Umschlagbild: Hannes Hoffert-Hösl Seite 2/3: Grimming, Kammspitze und Stoderzinken sind drei markante Berge, die das Dachsteingebirge nach Süden abgrenzen und die man von vielen Orten aus sieht (hier vom Sinabell). Satz: Ulrike Groeger Kartografie: georaum GmbH, St. Anton an der Jeßnitz Bildbearbeitung: typopoint GbR, Ostfildern Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 978-3-85869-781-3 1. Auflage 2018
6 Inhalt | 7 Inhalt Route 10 Der Sarstein Das Salzkammergut 126 132 Route 11 Der Zinken 134 Vorwort 5 Naturschutz am Dachstein 139 Einleitung 8 Höhenwanderungen am Dachstein 140 Faszination Dachstein 8 Route 12 Große Überschreitung von Gröbming nach Obertraun 142 Der Mensch am Dachstein 12 Augensteine 149 Naturschauspiel Dachstein 28 Wandern am Dachstein 48 Route 13 Über das Heilbronnerkreuz zur Grafenbergalm 150 Das Heilbronner Kreuz 156 Auf dem Hochplateau der Ramsau 51 Route 14 In zwei Tagen um den Gosaukamm 158 Alpine Vereine und Schutzhütten im Wandel der Zeit 166 Route 1 Der »Toleranzweg« 52 (Geheim-)Protestantismus in Ramsau am Dachstein 56 Route 15 Von den Gosauseen über das Radltal nach Hallstatt 168 Friedrich Simony, der Dachstein-Professor 172 Route 2 Unterwegs auf dem Panoramaweg 60 Der traditionelle Ramsauer Hof und der Ramsauhof 66 Route 16 Die Dachsteinrunde 174 Karst und Höhlen 182 Route 3 Einmal rund um den Kulm 68 Bioniere hier, Zweitwohnsitz da 71 Route 4 Hinauf zu den Almen der Türlwand 73 Alpine Besteigung des Dachsteins 184 Die Erschließung des Dachsteins – Fluch oder Segen? 80 Route 17 Der Hohe Dachstein 186 Der Stein des Anstoßes 193 Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen 82 Schneeschuhwandern Route 5 Von der Türlwand auf den Rötelstein 84 in Ramsau am Dachstein 195 Dachstein-Südwand – Sehnsucht, Schicksale, Triumphe 91 Auf den Brandriedl 196 Route 6 Scheichenspitze 94 Almenrunde 197 Das Kreuz der Scheichenspitze und Duregg-Runde 198 die Zivilcourage von Pfarrer Koch 100 Um den Rittisberg 199 Route 7 Die Königstour 102 Kulmberg 200 Der Lodenwalker 108 Sattelberg 201 Route 8 Über den Kufstein 110 Der Burgstaller 116 Nützliche Hinweise 203 Route 9 Über das Gradental und die Seen zur Grafenbergalm 117 Berg- und Alpinwanderskala (SAC) 221 Wälder und Almen – ein paar Gedanken über eine heikle Geschichte 124 Routenübersicht in der vorderen Umschlagklappe Übersichtskarte in der hintern Umschlagklappe
8 | Einleitung Faszination Dachstein | 9 Faszination Dachstein Der Dachstein ist eines der schönsten, be- Gschütt, den Gosaubach, dann etwas kanntesten und spektakulärsten Bergmas- nördlich versetzt zum Pötschenpass und sive Österreichs und der Alpen. Egal von zur Kainischtraun. Richtung Osten folgt der welcher Seite man ihn betrachtet – der markante Taleinschnitt der Klachau zur Berg ist eine Pracht. Seit Jahrhunderten Enns. Nach Süden ist die Enns geologisch weckt er Sehnsüchte und zieht die Men- genaugenommen bis Mandling die Grenze, schen, Einheimische wie Fremde, in seinen dann folgt die Warme Mandling weiter Bann. zum St. Martinsbach, und so schließt sich Seit 1997 ist das Dachsteinmassiv gemein- der Kreis nach Lungötz. So gesehen um- sam mit Teilen des benachbarten Salzkam- fasst das Gebiet gut 880 Quadratkilometer merguts UNESCO-Welterbe – Kulturerbe, und bekannte Gipfel wie die Bischofsmüt- wohlgemerkt. Es handle sich um »ein au- ze, den Plassen, den Sarstein, die Kamm- ßergewöhnliches Beispiel einer Naturland- spitze, den Stoderzinken und den Grim- schaft von einzigartiger Schönheit und ming. Letzterer steht ungemein wuchtig besonderer wissenschaftlicher Bedeutung, da und wurde lange für den höchsten Berg die auch Zeugnis von der frühen und kon- der Steiermark gehalten. tinuierlichen menschlichen, wirtschaftli- Die nordöstlich angrenzende Region nennt Den besten Überblick hat man vom Hohen Dachstein. Ganz im Hintergrund die Hohen Tauern chen und kulturellen Tätigkeit ablegt«. So sich Salzkammergut – nomen est omen. und das Tennengebrige. heißt es im Text des UNESCO-Komitees. Das Salzkammergut ist Wiege vieler Tradi- Das Dachsteingebiet ist etwa 22 mal 42 tionen und für manche der schönste Teil Kilometer groß. Der höchste Gipfel ist der Österreichs. Nun gibt es aber ein oberös- Unmittelbar im Süden des Dachsteins lie- zirks Österreichs, Stmk., 8181 Ew.) im Süden. Hohe Dachstein, der bis in die 1980er-Jah- terreichisches und ein steirisches Salzkam- gen die Gemeinden Filzmoos und Ramsau Die größten Orte im Norden sind Bad Aus- re noch auf zahlreichen Karten mit 3004 m mergut, und wenn man das salzburgische am Dachstein, dort grenzen die Niederen see (Stmk., 4798 Ew.), Bad Goisern (Oö., angegeben war, mittlerweile aber auf dazuzählt, wie es der Tourismus macht, Tauern und das Ennstal an, als Teil der Tou- 7514 Ew.) und Bad Ischl (Oö., 13 995 Ew.). 2995 m korrigiert wurde. Immerhin ist der sind es sogar drei. Der steirische Teil beher- rismusregion Schladming-Dachstein in der Bezirkshauptort ist weiter im Norden Dachstein hoch genug, um die nördlichs- bergt spektakuläre Seen, pittoreske Ort- Steiermark. Diese beansprucht die be- Gmunden (13 272 Ew.). ten und östlichsten Gletscher der Alpen zu schaften, ist unter anderem bekannt für rühmten Südwände für sich, samt der In westlicher Richtung gibt es keine größe- beherbergen; sie haben die Landschaft des den Altausseer Kirtag oder das Narzissen- Wanderregion südlich der Enns und dem ren Städte. Hauptort ist Annaberg, Ge- Dachsteins geprägt, doch heute geht es fest und gilt als eine der Hochburgen der Winter-Hotspot Schladming. Steht man burtsort des berühmten Malers Gottfried auch ihnen an den Kragen. Die Dach- österreichischen Tracht. Der oberösterrei- auf einem Gipfel der Südseite, so öffnet Kumpf und des Rekordweltcupsiegers stein-Südwand ist eine der eindrucksvolls- chische Teil ist reich an Geschichte und sich ein weites Panorama auf Hunderte Marcel Hirscher. Dachstein-West wirbt mit ten Felswände der Alpen, und unter dem Naturschätzen, etwa die Höhlen in Ober- Gipfel der Niederen Tauern bis hin zu An- seinen vielen bewirtschafteten Almen Torstein liegt die längste Klettertour der traun, der Hallstätter See und die Bergwer- kogel, den nördlichen Kalkalpen, der Nie- und einem für Salzburger Verhältnisse Ostalpen, der Windlegergrat. ke in Hallstatt. Bad Goisern ist nicht nur, deren Hochalmspitze, Großglockner und gemütlichen Skigebiet. Mit der Abgrenzung des Dachsteingebirges aber vor allem bekannt für den Liederma- Wiesbachhorn der Hohen Tauern. Die Das Innenleben des Dachsteinmassivs hat ist es so eine Sache. In der gebräuchlichen cher Hubert von Goisern, Bad Ischl wiede- größeren Hauptorte um den Dachstein es in sich. Die Mammuthöhle ist eine der Einteilung nach Dr. Josef Moriggl (1924), der rum ist der Traum aller Kaisertreuen und sind Radstadt (Salzburg, 4880 Einwohner), größten Höhlen Europas und misst vom auch der Alpenverein folgt, reicht das Ge- lebt vom Glanz seiner Vergangenheit. Schladming (Steiermark, 6715 Ew.), Gröb- höchsten zum tiefsten Punkt gigantische biet vom Salzburger Lammertal im Westen Beiden gemeinsam ist die Geschichte um ming (Verwaltungssitz, Stmk., 2895 Ew.) 1200 Meter. Spektakulär sind auch die Rie- bis nach Bad Mitterndorf, über den Pass das Salz. und Liezen (Hauptstadt des größten Be- seneishöhle und die geologisch sehr junge
10 | Einleitung Faszination Dachstein | 11 Koppenbrüllerhöhle, die von regelrechten und haben unterschiedlichste Schicksale: Flüssen durchzogen wird. Überhaupt ist bewirtschaftete, touristische, urige, un- das Phänomen Wasser in all seinen Aggre- fassbar entlegene, aber immer noch be- gatszuständen ständiger Begleiter bei wirtschaftete Almen einerseits, aufgelas- Wanderungen am Dachstein. Die Eigen- sene Zeugen vergangener Zeiten anderer- heiten des Karstwassers sind allgegen- seits. wärtig, sei es durch spektakuläre Quell- Über die Jahrhunderte ist viel über den austritte oder aber durch das markante Dachstein geschrieben worden, jedoch Fehlen von Wasser, was bei den großen kaum einmal über das gesamte Dachstein- Überschreitungen unbedingt zu berück- massiv (abgesehen von wissenschaftli- sichtigen ist. Besonders faszinierend sind chen Publikationen). Warum, ist leicht er- im Kalk die Seen – stille Paradiese. Aber klärt: Einerseits ist es kaum möglich, die nicht alles, was sich Dachstein nennt, be- gesamte Vielfalt in einem Stück zusam- steht aus Kalk. Durch die ungemein abge- menzufassen; auch dieses Buch kann nicht schiedene Lage der Hochflächen des Dach- alle Themen und bei weitem nicht alle steins haben sich dort, auch ohne Natio- Touren abdecken. Andererseits haben der nalpark, riesige, naturnahe Lebensräume Berg selbst und die umgebenden politi- erhalten. Auf manchen Wanderungen ist schen Grenzen durchaus eine trennende Bergsport, sanfter Tourismus und traditionelle Landwirtschaft gehen in Ramsau am man umgeben von selten gewordenen Wirkung; drei österreichische Bundeslän- Dachstein Hand in Hand. Hier auf der Südwandhütte, Blick Richtung Süden. Zirbenwäldern und begegnet mit etwas der und elf Gemeinden teilen sich das Glück allerlei Wildtieren. Die Südseite des Dachsteinmassiv, mindestens fünf Touris- Massivs ist entlang der sogenannten musverbände heften sich die markanten einer Auswahl an Beherbergungen in seine Kosten: Es gibt gemütliche, sehr Nördlichen Längstalflucht geprägt von Gipfel auf die Startseite ihrer Web-Auftrit- verschiedenen Preiskategorien, von Privat- leichte Spaziergänge auf den Hochlagen einem der größten Wechsel an Gesteins- te. Wanderführer beschränken sich in der zimmer bis Viersternehotel. Ramsau ist der Ramsau; recht lange Wanderungen serien des Alpenkörpers, der eine bunte Regel auf Teilbereiche der Region – so gibt auch die Gemeinde mit den meisten Näch- zwischen Ramsau und dem Hochgebirge Vielfalt mit sich bringt und großen Einfluss es zahlreiche Werke über die Dach- tigungen im Gebiet, liegt aber in den Sta- des Dachsteins mit über 1000 Metern Hö- auf die Landschaftsentwicklung und die stein-Tauern-Region, die in Wahrheit beide tistiken weit hinter den Hotspots der ös- henunterschied, die technisch gut zu be- Nutzung durch den Menschen hat. Talseiten des Oberen Ennstals meint und terreichischen Tourismusindustrie; daraus wältigen sind; und schließlich stehen Mensch und Natur haben das Gebiet ge- weniger den Dachstein selbst. Das Salz- ergibt sich eine gute Mischung aus Intimi- zahlreiche hochalpine Gipfeltouren zur genseitig geprägt. Die Menschheitsge- kammergut wiederum kam noch nicht auf tät und Professionalität. Drittens ist die Auswahl. Der Blick von der Türlwand und schichte reicht weit zurück; eine eigene die Idee, auch den Südteil des Massivs in Ramsau Startpunkt für viele Touren auf dem Brandriedl auf die Dachstein-Süd- Epoche – die Hallstatt-Zeit in der älteren seine Beschreibungen mit aufzunehmen. das Dachsteinmassiv und den höchsten wände ist einer der schönsten der gesam- Eisenzeit – trägt den Namen des Orts am Und Hallstatt ist sowieso Hallstatt. Gipfel sowie Ausgangspunkt zahlreicher ten Alpen. Alles in allem ein Standort, um gleichnamigen See. Das dortige Gräber- Dieses Buch beschreibt Themen und Wan- alpinistischer Pionierleistungen. Viertens den Dachstein zu erkunden. feld gehört zu den wichtigsten archäolo- derungen über und um das gesamte Berg- erleben wir den Gegensatz zwischen Tal So viele Gipfel und Touren es in diesem gischen Funden weltweit und macht den massiv verteilt, mit dem Ort Ramsau am und Berg nirgendwo anders so unmittel- Dachsteingebiet gibt, so viele Wandervor- Ort außer einem Zentrum des Tourismus Dachstein als zentralem Ausgangspunkt; bar. »Unterwegs auf drei Stockwerken« – schläge sind in gedruckter Literatur und im auch zu einem Zentrum der Wissenschaft. dort liegt auch der thematische Schwer- so ein Werbespruch des Tourismusver- Internet zu finden. Dieses Buch bietet eine Zahlreiche Gesteinsformationen tragen punkt. Dies aus mehreren Gründen: Ers- bands, der vollkommen zutrifft. Und Auswahl von insgesamt 17 Routen und 23 Namen von Gipfeln oder Felswänden des tens ist Ramsau am Dachstein auch mit schließlich ist Ramsau gleichermaßen im Einzeletappen, die dieses Paradies und Gebiets, die geologische und alpinistische öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu errei- Winter und im Sommer attraktiv und hat seine Themen am eindrücklichsten er- Forschung leistete hier Pionierarbeit. chen, zweitens besitzt Ramsau eine her- zudem eine spannende, vielfältige Ge- schließen. Es besteht kein Anspruch auf Die Almen des Dachsteins sind vielfältig vorragende touristische Infrastruktur mit schichte zu erzählen. Jeder kommt hier auf Vollständigkeit, dafür aber auf Qualität.
48 | Einleitung Wandern am Dachstein | 49 Wandern am Dachstein weiten Runde das Plateau erkundet. Fol- die Runde bei Schlechtwetter! Es gibt auch gendes ist dabei grundsätzlich zu beach- eine »erweiterte« Rundtour um den Dach- ten: Die Einzeletappen sind ohne weiteres stein, aus sieben bis acht Tagestouren, die Kinder, Genusswanderer oder ältere Per- an einem Tag zu bewältigen, aber sie füh- keine besonderen alpinistischen Schwie- sonen besonders geeignet. Hier kann man ren in die hochalpine Karstlandschaft. rigkeiten aufweist und zu den Fernwande- vor allem die Kulturlandschaft mit all ihren Manche Stellen bewältigt man mit Seilen rungen gezählt werden kann. Die meisten Themen erleben, die Gastfreundschaft der und Trittbügeln, eine gewisse Bergerfah- Teilabschnitte sind hier beschrieben. Ramsauer erkunden und die Eigenheiten rung ist daher notwendig. Man wandert Fehlt noch der Hohe Dachstein, seine Ma- dieser besonderen Ortschaft erfahren. meistens recht einsam, und da es nur we- jestät selbst. Um die Südwände gibt es Der zweite Abschnitt handelt von Wegen nige Hütten auf dem Dachstein gibt, wird viele legendäre Geschichten, der Westgip- zwischen Berg und Tal. Alpinistisch weisen eine Reservierung empfohlen. Die Runde fel Torstein ist eine unglaublich imposante die Wanderungen kaum Schwierigkeiten ist »logisch« angelegt und eine der weni- Felsgestalt, und die Gletscher verleihen den auf, jedoch sind bei allen anstrengende gen Hüttenwanderungen in dieser Form Gipfeln einen besonderen Kranz. Zwar gilt Anstiege zu überwinden und führen hin- in den Alpen. Umso erstaunlicher ist es, er als »leichter« Klettergipfel, verlangt aber auf ins Hochgebirge. Das ist bei der Pla- dass kein ähnlicher Hype herrscht wie um den Umgang mit Steigeisen, Helm, Pickel, nung der Wanderungen in puncto Wetter den Karnischen Höhenweg, wo die Hütten Seil und Gurt. Zudem führt seine Über- und Ausrüstung unbedingt zu berücksich- regelmäßig überlastet sind. Das ist ver- schreitung über Gletscher. Wollen Sie sich tigen. Ich empfehle bei allen Touren, zeitig mutlich der Tatsache der Dreiteilung des dieses Bergerlebnis nicht entgehen lassen, aufzubrechen oder gleich eine Übernach- Dachsteins in drei Bundesländer und der so empfehle ich unbedingt einen Bergfüh- tung einzuplanen – zu bewältigen sind alle entsprechenden Nicht-Zusammenarbeit rer und eine Rundtour über den Westgrat vorgeschlagenen Touren jedoch an einem der Tourismusverbände zu verdanken. In und die Windlegerscharte. Sie ist wesent- Tag. Trotz ihres ähnlichen Profils tragen jüngster Zeit wird in einschlägigen Inter- lich schwieriger als alle anderen Touren in alle einen unterschiedlichen Charakter netforen der Rundweg allerdings schon als diesem Buch – aber auch, ex aequo mit al- und zählen für mich zu den schönsten und »Klassiker« angepriesen. Gefährlich wird len anderen Wanderungen, die schönste. beeindruckendsten Bergerlebnissen der Alpenwelt. Wege am Dachstein haben etwas Märchen- Das dritte Kapitel führt den Wanderer in … und sind häufig aussichtsreich und einsam. haftes … das schier unendliche Gebiet der Hochflä- chen des Dachsteins. Es beschreibt drei große Überschreitungen des Gebirgs- Wanderungen am Dachstein zeichnen sich stocks und die Umrundung des Gosau- durch ihre besondere Vielfalt aus – in ihrer kamms. Aus technischer Sicht stellen sie Länge, Schwierigkeit und im Erleben un- allesamt keinerlei Anforderungen, aber es terschiedlichster Landschaftsräume. Alle sind ungemein lange Wanderungen, zu- Wanderungen bieten Naturerlebnisse der dem summieren sich im Karst unbemerkt Extraklasse und tolle Aussichten. Die hier die Höhenmeter schnell. Warum ich sie ausgesuchten Wanderungen erschließen hier aufnehme und empfehle? Sie dringen den Dachstein besonders typisch, inhalts- in das Herz der Region vor und sind für sich reich und sind in drei, eigentlich vier Kapi- ein Bergerlebnis der besonderen Art – eine tel unterteilt, die sich in ihrer Schwierigkeit stabile Wetterlage vorausgesetzt. Zusätz- deutlich unterscheiden. lich wird ein Rundweg im Nahbereich des Wanderungen in der Ramsau sind allesamt Dachsteins beschrieben, der in fünf Tagen, sehr einfach und deshalb zum Einstieg, für mit vier bis fünf Übernachtungen, in einer
Routen 1–4 Auf dem Hochplateau der Ramsau Im Unterschied zu anderen Talorten zeichnet sich Ramsau am Dachstein durch einige Vorzüge aus, die nicht viele Gebiete in den Alpen besitzen. Erstens ist es gar kein richtiger Talort, das eigentliche Tal der Enns liegt rund 500 Höhenmeter tiefer in Schladming, wo auch die überregionalen Verkehrsverbindungen verlaufen. Von lautem Durchgangsverkehr ist der Ort verschont, im Winter queren sogar Loipen auf Teppichmatten samt Warnampel die Hauptverkehrslinien. Die Wanderungen sind weder schwierig noch lang, aber sie sind aussichtsreich und erschließen eine Viele Wege auf der Ramsau werden Fülle jener Besonderheiten, die Ramsau am Dachstein so speziell machen. von prächtigen Ahornbäumen gesäumt.
52 | Auf dem Hochplateau der Ramsau Der »Toleranzweg« | 53 1 Route 1 1991 wurde ein kleiner, schlichter Lehrpfad erreicht ist. Die beiden Gebäude bilden errichtet, der die evangelische Glaubens- gemeinsam mit dem Gemeindehaus das Der »Toleranzweg« geschichte in Ramsau am Dachstein er- Zentrum des Orts und weisen eine beweg- zählt und einige wichtige Orte der Glau- te Geschichte auf (siehe Thema). Auf den Spuren der Geschichte der bensgeschichte verbindet. Ein steiler Der Weg führt nach Norden weiter, einer evangelischen Ramsau ´n x 1608 Aufstieg führt dabei zum Predigtstuhl, der zahlreichen prächtigen Ahornbaum- Mayrhofer-rugg Direkt vom Ortszentrum Ramsau führt ein schmaler, überraschenderweise wenig be- 1448 dem ehemaligen Treffpunkt der evangeli- reihen entlang, vorbei über die Wiesen, die gangener Weg zu einem ehemals geheimen schen Bevölkerung der Ramsau. Wir begin- im Winter als flache Piste des Klanglifts, Treffpunkt der Protestanten. Auf dem Pre- nen direkt bei der Bushaltestelle, in der früher Eiskarlift, dienen. Nach wenigen digtstuhl angelangt, überblickt man hervor- Nähe des Hotels Matschner, und gehen ein Minuten erreichen wir eine schön gelege- ragend die Ramsau. paar Schritte Richtung Dachstein bergauf, ne Landwirtschaft, den »Mayerhofer« zunächst am Heimatmuseum Zeitroas oder »Moarhofer«. Die Geschichte des Charakter: Mäßig steile Waldwanderung zu und am Kirchenwirt Pehab vorbei, dann Moarhofers ist gut dokumentiert, das einem tollen Aussichtspunkt hoch über der 1135 Ramsau-Ort Ramsau. Schwierigkeit: T2–T3. Filzmoos Weißenbach links und erreichen das Bethaus. Dort bie- Haus spielte in Politik und Kirche der Beste Jahreszeit: Mitte April, nach der 500 m I A gen wir rechts zur Kirche hinauf, die sofort Ramsau eine wichtige Rolle. Es war lange Schneeschmelze, bis November, vor dem ers- Schladming in salzburgischem Besitz und wohl daher ten Schneefall. als Verwaltungsmittelpunkt mit zahlrei- Route und Wanderzeiten Am Predigtstuhl wird die Geschichte Verkehrsmittel: Der Bus der Ramsauer Ver- chen Höfen in der Umgebung personell der Geheimprotestanten wieder lebendig. kehrsbetriebe führt von Schladming in die Ramsau-Ort–Predigtstuhl 2h verbunden. 1782 hielt Samuel Hirschmann, Ramsau zum Ausgangspunkt. Predigtstuhl–Ramsau-Ort 1 h 30 geboren in Crailsheim, in der Moarhofer Total 3 h 30 Scheune, wo ein paar Bänke zusammen- Die evangelische Kirche in Ramsau am Dach- Höhendifferenz X 400 m V 400 m gestellt wurden, den ersten evangelischen stein wurde 1895 fertiggestellt und ist heute Distanz 4,5 km Gottesdienst ab. Eine Inschrift in einem Zentrum und Wahrzeichen der Ortschaft. Balken erinnert heute noch an diese Ge- Sehenswertes schichte. A Evangelische Kirche in Ramsau Der weitere Weg ist nicht sofort zu finden, B Predigtstuhl er ist nicht mit den grauen oder gelben Standardschildern markiert, sondern Besonderes: Das Heimatmuseum »Zeitroas« durch kleine violette Hinweistafeln. Steil in Ramsau am Dachstein informiert über die geht es in den Wald hinauf, und mit einem besondere Geschichte der Gemeinde und Mal finden wir uns in einer anderen Welt erklärt viel über Tradition und Brauchtum. Jährlich finden zu verschiedenen Themen wieder. Die offene Landschaft der Ramsau Sonderausstellungen statt. wird für einige Zeit verlassen, und schon Variante: Der Weg kann in Kombination mit werden wir daran erinnert, dass wir im dem Ramsauer Panoramaweg auf eine Ta- Hochgebirge unterwegs sind. Nach gut geswanderung mit lohnenden Einkehrmög- 0 h 45 kommen wir zu einer Weggabelung, lichkeiten ausgedehnt werden. die wir uns für den Rückweg merken. Um Übernachten, Gasthäuser: Entlang der Route auf den Predigtstuhl gibt es keine Gasthäu- das Ziel zu erreichen, geht es vorerst steil ser. In der Ramsau finden sich aber zahlreiche bergauf. Bald lichtet sich der – zugegeben Unterkünfte und Einkehrmöglichkeiten (sie- monotone – Fichtenwald, und der Predigt- he Nützliche Hinweise). stuhl ist erreicht. Die Rodungsinsel nimmt Literatur: Karl Dinges, Geschichte der evange- dem Platz ein wenig von seiner Schönheit, lischen Ramsau am Dachstein, Ramsau 1976. man muss ihn sich inmitten des Waldes
54 | Auf dem Hochplateau der Ramsau Der »Toleranzweg« | 55 1 beten und zu singen; auch der Flurname Ramsau am Dachstein belegt diese Geschichte. In unserem Rü- cken der Schutz des gesamten Dachstein- Hochplateau ist f ür die massivs, vor uns ausgebreitet liegt Ramsau der falsche Ausdruck Ramsau – der Platz ist versteckt, aber – hoch stimmt, aber Plateau dennoch mit gutem Überblick über mög- nicht. Es sind verschiedene liche Verfolger. morphologische Einheiten, die zusammen eine vielfach Es dauert eine Zeit, bis man sich von die- gegliederte, abwechslungs- sem Platz lösen kann. Wir folgen dem Weg, reiche Landschaft bilden. Als den wir heraufgekommen sind, bis zum nach dem Abschmelzen der besagten Abzweiger und gehen dann Gletscher viel Lockermaterial hangparallel nach Westen. Der Weg mün- den Weg vom Dachstein ins Die evangelische Kirche sollte nach Wunsch det in eine Forststraße, die in einigen Keh- Tal suchte, standen die Hö- der Ramsauer allen Bewohnern Platz bieten. ren zurück zu den Flächen der Ramsau henzüge von Rittisberg, Kulm führt. Es lohnt sich, die Runde nach Westen und Sattelberg im Weg und so staute sich Material auf. oder Osten auszudehnen und einen Ein- Das weite »Tal« der Ramsau war lange Zeit spärlich besiedelt. Von den Dachsteinsüdwän- vorstellen, als Versteck, das nicht einzuse- kehrschwung, zum Beispiel in der Gruber- Die Struktur der Felder ist bis heute erhalten. den laufen mächtige Schutt- hen ist. So muss es gewesen sein, als sich stube, einzuplanen. Wer sich besonders für kegel Richtung Kulm aus. hier, das ist historisch belegt, zahlreiche die Kirchengeschichte interessiert, be- Dort finden wir vielfach vermoorte Bereiche, delt. Kleine, verwinkelte Ortsgassen fehlen Protestanten trafen, um gemeinsam aus sucht das Heimatmuseum, wo auch ent- die unter Naturschutz stehen. Auf der Südsei- dort jedoch. Nachdem es Protestanten nach der deutschsprachigen Bibel zu lesen, zu sprechende Literatur zu finden ist. te wiederum lagerte die Enns mächtige Sedi- 1848 gestattet war, Gotteshäuser zu bauen mentpakete an den Grauwacken-Bergen ab. (mehr dazu siehe Thema Route 1), war man Ramsau-Vorberg und Ramsau-Leiten liegen sich zunächst uneinig, wo die evangelische Hangbrekzie baut die Steinfiguren des Predigtstuhls auf – er diente als Versteck genaugenommen auf einer riesigen Flusster- Kirche gebaut werden sollte. Jeder Ortsteil für Geheimprotestanten, die sich hier trafen, um aus evangelischem Schrifttum zu lesen. rasse. Diese flach geneigten Hänge auf eini- hatte Argumente für sich, die Entscheidung germaßen gründigen Boden eigneten sich fiel letztlich auf den geografischen Mittel- sehr zeitig sogar für den Ackerbau und es ent- punkt. Mit der Einweihung der evangelischen stand die kennzeichnende Form der Streu- Kirche 1895 entwickelte sich langsam ein Zen- siedlung. Die gut 2800 Einwohner, Tendenz trum. Das Gemeindehaus wurde errichtet, steigend, verteilen sich weit verstreut auf die das Ortszentrum neugestaltet, Bank, Tank- Ortsteile Hirzegg, Schildlehen, Vorberg, Lei- stelle, Kaufhaus, neues Schulgebäude und ten, Kulm, Ramsau und Rössing. Hallenbad folgten. Ein richtiges Zentrum, wie Der Ortsname ist in den Alpen weit verbreitet, man es aus anderen Alpensiedlungen kennt, allein in Österreich gibt es 20 Nennungen. Die gibt es dennoch nicht, jedoch öffnen in letzter Wortherkunft ist dafür unklar – entweder es Zeit interessante Lokale und Geschäfte. Vor deutet auf das mittelhochdeutsche ram, den allem aber gibt es zahlreiche typische Höfe, Schafbock, hin, oder es ist eine Bezeichnung schön mit Herz- und Tulpenmuster verzierte für lauchartige Gewächse, beides ist aber ety- Balkone, »Gangl« genannt, alte Stuben und mologisch nicht geklärt. Bis vor 70 Jahren hat- traditionell angeordnete Hausensembles. In te die Gemeinde zudem keinen klassischen einigen Gastwirtschaften, dem Friener, dem Ortskern. Die katholische Kirche wurde im Halser oder der Gruberstube, kann man die 12. Jahrhundert im Ortsteil Kulm errichtet, typische Raumaufteilung noch erkennen. Am dort öffnete das erste Gasthaus, auch die Post besten lassen sich die Eigenheiten bei ausge- war bis vor kurzem nahe der Kirche angesie- dehnten Wanderungen erkunden.
56 | Auf dem Hochplateau der Ramsau Der »Toleranzweg« | 57 1 (Geheim-)Protestantismus in Die größte erzwungene Auswanderung der Steiermark wurden an die 50 000 war wohl jene der über 15 000 Bauern und Schriften vernichtet. Trotzdem hielt sich Ramsau am Dachstein 4000 »Unangesessenen« – so nannte der Glaube in Oberösterreich, in der Ober- man Knechte, Mägde, Tagelöhner – aus steiermark und in Oberkärnten. Der Ge- dem Pongau. Auf Einladung des Königs heimprotestantismus wurde durch die von Preußen wanderten viele nach Ost- Siedlungsform in den Alpen wesentlich preußen, aber auch nach Holland und begünstigt. Gehöfte in Streulagen, weitab Amerika aus. Danach standen 1800 Bau- von der katholischen Pfarrkirche, boten die ernhäuser leer. Als sich 1733 rund 270 Fa- Möglichkeit zu religiösen Versammlungen milien aus dem Salzkammergut als Evan- in einer Hausgemeinschaft. Ein wesent gelische bekannten, schlug die oberöster- licher Faktor war die Pflege des evange reichische Reformkommission vor, diese lischen Schrifttums, des evangelischen Protestanten in jene habsburgischen Län- Liedguts und des evangelischen Katechis- der zu übersiedeln, in denen das evange- mus innerhalb der Familie – dadurch wur- lische Bekenntnis geduldet war. Die Irr- de das Bekenntnis bei den zukünftigen gläubigen, und somit Gesetzwidrigen, Generationen sowie die Kenntnis des konnte man innerhalb des eigenen Terri- Lesens gewährleistet. Die Eltern übernah- toriums beliebig aussiedeln. Der erste men die Rolle des Pfarrers, Seelsorgers, Ge- Transport mit 263 Personen verließ am lehrten und Aufklärers in einer Person. 9. Juli 1734 zu Schiff Linz und gelangte Heuschober, Höhlen, hohle Bäume, Mau- nach siebenwöchiger Fahrt auf Donau erspalten, Doppelböden im Stall, mit ein- und Theiß nach Siebenbürgen. gebauten Fallen, sogar fließende Gewässer Ab 1750 setzte unter Maria Theresia ein und Misthaufen dienten als Verstecke der verschärfter Kampf gegen den evangeli- Literatur! Der Schmuggel von Bibeln, Ge- In einigen Häusern sind uralte religiöse Schriftstücke erhalten, auch Bibeln aus schen Bücherbesitz ein. Auch nach sangbüchern, Katechismen durch Bücher- dem 16. Jahrhundert. Ramsau am Dachstein kamen Visitatoren. träger, Bauernburschen und Handwerker Belohnungen für Denunziationen wurden führte zur Ergänzung des evangelischen eingeführt und es warteten Die Lehre Luthers verbreitete sich verblüf- Wegen durch die Alpen brachten. Sie ka- hohe Strafen für alle, die fend schnell in den entlegenen Gebirgsre- men zum großen Teil aus Sachsen und ar- protestantisches Schrifttum Nur selten werden diese Schätze ausgepackt. Man weiß um ihren historischen Wert. gionen Österreichs. Der Buchdruck war beiteten in Silber- und Kupferbergwerken einschleppten, verkauften von Beginn an Katalysator – im 16. Jahr- bei Schladming. Bis 1528 breitete sich die oder in ihrem Besitz hatten: hundert machte der Druck der Schriften Reformation, ausgehend von den oberen Man berichtet, dass für je- Luthers fast ein Drittel der gesamten Auf- Gesellschaftsschichten, in ganz Öster- des gefundene Buch ein lage deutscher Buchdrucke aus. Bereits reich aus. Stück Rindvieh herzugeben wenige Wochen nach dem Auftreten Ab 1599 aber wurde die Bevölkerung des war. Oder es drohten eine Luthers vor dem Wormser Reichstag 1521 gesamten Ennstals unter der Leitung des Stunde am Pranger, zwei war dieses Ereignis in der Steiermark be- Admonter Abts mit voller Wucht rekatho- Jahre Zuchthaus oder – kannt. Bücher und Flugschriften fanden lisiert. Emigration, Mission und Deporta- wenn man gar nicht einsich- reißenden Absatz, und es waren neben tion – so lauten die Maßnahmen des ab- tig war – die Transmigration Kaufleuten vor allem Bergknappen, die die solutistischen Staates gegen Akatholiken nach Siebenbürgen. Die Bü- Botschaft der Reformation und ihre vor allem unter Maria Theresia und im chervernichtung traf die Schriften in Buckelkörben auf entlegenen Territorium des Erzbischofs von Salzburg. Evangelischen schwer – in
58 | Auf dem Hochplateau der Ramsau Der »Toleranzweg« | 59 1 Bücherschatzes – und das, obwohl die Be- Diskussion, wo der neue Standort eines völkerung zum Teil überfallsartig visitiert Bethauses sein sollte. Nachdem sich die wurde. Freilich gab es Fälle, in denen sich Ramsauer nicht einigen konnten, ent- Personen wegen des Besitzes akatholi- schied sich 1783 das Kreisamt Judenburg schen Schrifttums vor der Obrigkeit ver- für den Standort in der Mitte der Gemein- antworten mussten. Der Fortbestand de. Jakob Prugger, dem das Pehabgut ge- wurde auch durch äußere Umstände be- hörte, stellte den Baugrund unter der Be- günstigt: Einerseits war der Pfarrsprengel dingung zur Verfügung, dass ihm die der katholischen Pfarre Haus sehr groß, die Gasthauskonzession eingeräumt wurde. Höfe lagen weit zerstreut. Daher waren Nach nur dreimonatiger Bauzeit war das die Kontrollen mühsam und es gab kaum Bethaus fertig. Im Obergeschoß war der seelsorgliche Betreuung. Zudem waren die Pfarrsaal, darunter Pfarrer- und Lehrer- katholischen Pfarrer schlecht bezahlt und wohnung sowie die Kanzlei. Bis 1790 wur- auf die Gaben der Bauern angewiesen. den im heutigen Österreich 56 solche Und sie wussten, dass die Ramsauer ohne- Bethäuser errichtet, die Hälfte von ihnen hin zusammenhielten. Eine Flasche existiert heute noch, zwei dienen nach Schnaps soll so manchen Kompromiss zwi- wie vor als Gotteshäuser, in Arriach und schen katholischen Pfarrern, Visitatoren Watschig bei Hermagor, beide in Kärnten. und »Häretikern« ermöglicht haben. Wenige Schritte vom Bethaus steht die Also hielten viele ungebrochen an der große, stolze evangelische Kirche. Nach- evangelischen Lehre fest, bis zum denk- dem ab 1848 evangelische Kirchen errich- Hausandachten und heimliche Bibelkreise hielten den Glauben am Leben. würdigen 13. Oktober 1781, dem Tag, da tet werden durften, stellten die Ramsauer Kaiser Joseph II. das Toleranzpatent erließ. erstmals 1871 im Gemeinderat einen An- Nun konnten sich die Ramsauer Bauern trag auf Neubau. Mit der Planung beauf- Grund zu stoßen. Der Kirchturm steht auf verantwortliche Pfarrer Carl Hilpert ging wieder offen zu ihrem Glauben bekennen tragte die Gemeinde den Nürnberger Ar- neun Meter langen Pfeilern, die mit Eisen- schließlich aus eigenen Stücken. und aus allen Verstecken die Bibeln, Ge- chitekten Hans Kieser. Wieder stellte der schuhen versehen waren und bei Tag und Am 11. August 1895 nahmen die Gemeinde bets-, Andachts- und Gesangsbücher her- Besitzer des Pehabguts unentgeltlich den Nacht in die Erde gerammt wurden – und und der neue Pfarrer Jungmayr Abschied ausholen – und ein eigenes Gotteshaus Baugrund zur Verfügung. Zur Finanzie- das mit den Mitteln der damaligen Zeit. vom alten Bethaus, das immerhin 112 Jah- bauen. Bis zur vollständigen Gleichstel- rung des Kirchenbaus machten sich die Auch die Bausteine, versteinerter Hang- re lang das Gotteshaus der Gemeinde war. lung dauerte es allerdings noch bis 1960. damaligen Presbyter auf den Weg nach schutt, die in der Nähe des heutigen Jung- Vier Tage später war es soweit: Erstmals Das ehemalige Bethaus in Ramsau am Augsburg und baten beim Gustav-Adolf- fernsteigs gewonnen wurden, waren erklangen die drei großen Bochumer Dachstein, wo sich heute immer noch das Werk um Unterstützung. Auf die Frage, nicht so zahlreich vorhanden wie ange- Gussstahlglocken, die über Haus und Pfarrhaus befindet, zählt zu den ersten of- wie groß die Kirche werden solle, antwor- nommen. Letzen Endes stiegen die Kosten Weißenbach in die Ramsau transportiert fiziellen Kirchengebäuden der Steiermark. teten die Ramsauer: »Mia send 1300 Leit und es wurde eine zweite und dritte Bau- wurden. Es muss ein sehr emotionales Er- Dem Bau ging eine lange Geschichte vor- und es soitn schon oi Plotz hobm.« In die- steuer notwendig. Das Gewölbe über dem eignis gewesen sein. Die 1300-Seelen-Ge- aus, die mit dem Toleranzpatent von 1781 ser Dimension wurde das Vorhaben dann Altarraum stürzte ein und musste neu ge- meinde Ramsau erbaut innerhalb von sie- begann. Es konnten sich 100 Familien oder doch nicht bewilligt, etwa die Hälfte ist es baut werden. Alles Material, Zement und ben Jahren eine Kirche mit 750 Sitzplätzen. 500 Einzelpersonen zu einer Pfarrgemein- geworden. 1888 wurde endlich der Grund- Lebensmittel für die Arbeiter mussten auf de zusammenschließen und ein Bethaus stein gelegt. Der Bau war mit zahlreichen dem steilen Ochsenkarrenweg von bauen, freilich ohne Turm, Kirchenfenster Hindernissen verbunden: Der Boden, auf Schladming mühsam heraufgekarrt wer- und Glocke, der Eingang durfte nicht dem die Kirche zu stehen kommen sollte, den. Und es gab Wirbel wegen der Finan- straßenseitig angelegt sein. Dem Proviso- ist angeschwemmtes Lockermaterial, und zen. Zahlreiche Verträge waren mündlich rium in der Mayrhofer Scheune folgte eine so musste man tief graben, um auf festen geregelt und nicht nachvollziehbar, der
Routen 5–11 Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Wanderungen von den Talbereichen in die luftigen Höhen des Dachsteinplateaus bergen besonders viele Reize. Jede der hier vorgestellten Routen hat ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Höhepunkte. Alle Wanderungen folgen gut markierten Wegen und sind bis auf wenige Ausnah- men nicht ausgesetzt. Allerdings sind es durchwegs lange Touren, auf denen einige Höhenmeter zu bewältigen sind. Der gemütliche Beginn auf den Wiesen- und Almflächen der Ramsau täuscht – hier gehen Spaziergänge schnell in Hochgebirgswanderungen über. Daher ist unbedingt das Wetter und entsprechende Ausrüstung zu beachten. Entlang der meisten Wanderungen in diesem Kapitel gibt es Übernachtungsmöglichkeiten, somit kann die Anstren- gung auf zwei Tage aufgeteilt und der Genuss verdoppelt Herbst auf der Planeralm, im Hintergrund der frisch werden. verschneite Dachstein.
84 | Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Hinauf zu den Almen der Türlwand | 85 5 Route 5 3 Die Route kann auf zwei Wanderungen aufgeteilt werden: Eine Wanderung Von der Türlwand auf den Rötelstein durch das Tor von der Türlwand ausge- hend und über die Maralm zurück (etwa 6 h Gehzeit). Und eine auf den Rötelstein, Aussichtskanzel vor den Südwänden Route und Wanderzeiten mit Start und Ziel bei den Hofalmen Ein Weg unmittelbar unter den Südwänden nördlich von Filzmoos, oder bei der Bachl- des Dachsteins, die Durchsteigung des Türlwand–Südwandhütte–Tor 2h alm, die beide von Shuttlebussen bedient »Tors«, ein ungemein aussichtsreicher Gipfel Tor–Sulzenhals 0 h 45 werden (ebenfalls etwa 6 h Gehzeit). und lohnende Einkehrmöglichkeiten machen Sulzenhals–Rötelstein 1 h 30 Besonderes: 360° Panorama auf dem Rötel- die lange Wanderung zu einem Erlebnis der Rötelstein–Bachlalm–Maralm– stein – für manche der schönste Blick auf Sonderklasse. Glösalm 2 h 30 das Dachsteinmassiv. Charakter: Eine recht lange Wanderung, Total 6 h 45 Übernachten, Gasthäuser: mit einigen anstrengenden Anstiegen und ¿ Dachstein-Südwandhütte (1910 m), einem Gipfel gespickt, der Trittsicherheit Höhendifferenz X 1300 m V 1100 m +43 3687 81509 (Hütte), +43 3687 81819 und Bergerfahrung verlangt. Alle Wege sind Distanz 15,5 km (Tal), www.alpenbad-ramsau.at; ausgezeichnet markiert, aber hochalpin. Ein Ende Mai bis Anfang November geöffnet; kleiner Haken an der Wanderung ist, dass es 18 Betten, 42 Matratzenlager. zwischen den Ramsauer Almen und der Hof Sehenswertes * Bachlalm (1490 m), +43 664 1139319, pürglhütte keine Übernachtungsmöglichkeit A Torstein www.bachlalm.at; Anfang Juni bis Mitte gibt. Will man nur auf den Rötelsteingipfel, B Gipfel des Rötelsteins Oktober geöffnet; keine Übernachtungs- so empfiehlt sich eher eine Wanderung mit C »Schnittlauchboden« möglichkeit; Shuttleservice zum Gasthof Start in Filzmoos, dafür gibt es einige Almen Der Weg auf den Rötelstein ist bestens mar- Dachsteinruhe. und Varianten. Schwierigkeit: T3–T5. kiert, doch die Warnung ist an wenigen Stel- ¿ Glösalm (1510 m), +43 3687 81242, len durchaus berechtigt. www.gloesalm.at; Winter und Sommer geöffnet; 3 Ferienwohnungen. * Krahlehenhütte, +43 664 5332146, Torsteineck Beste Jahreszeit: Juni bis September, www.bauernhof-krahlehen.at. Hochkesselkopf 2256 Gosau- gletscher Hallstätter bei entsprechenden Wetterverhältnissen * Tipp: Wallehenhütte, +43 664 9105392, 2454 Gletscher bis Ende Oktober. babsi.rettenwender@gmail.com. Niederer Dachstein Windlegerscharte 2934 Verkehrsmittel: Bus der Ramsauer Verkehrs Hausgemachtes Brot und Butter, sehr Mitterspitz betriebe bis Ausgangspunkt Türlwand. Für zu empfehlen. Hofalmen Windlegerspitz 2401 Torstein Hoher Dachstein 2925 den Rückweg empfiehlt sich die Station Glös- 2325 2948 2995 alm. Ein Shuttlebus verkehrt während der Krahlehenalm Saison regelmäßig zwischen der Bachlalm Auf der Dachstein-Südwandhütte herrscht Wallehenalm Mitterstein 1 ' Tor 2097 und der Haltestelle Dachsteinruhe, wo uns Hochgebirgsflair. 2033 Raucheck Dachsteinloch Bus oder Taxi wieder in die Ramsau bringen. 2139 Marstein Sulzenhals 1821 Varianten: Reitalm 1861 1871 1 Wem der Rötelstein zu heftig erscheint, der kann auf den gegenüberliegenden 2 ' Rötelstein Maralm Südwandhütte 2247 Predigtstuhl wandern (1 h weniger, T2). 2 Wer gerne ausgiebig wandert, der nimmt Bachlalm vom Rötelstein nicht den gleichen Weg Neustattalm 1692 zurück, sondern steigt auf der Südseite Hot. Türlwand ins Salzburgische ab. Eine lange Schleife Ghf. Dachsteinruhe führt zu zwei bewirtschafteten Almen, ¿ ' ¿ ' Glösalm von denen ich die obere für einen Ein- kehrschwung empfehle (2 bis 2 h 30 mehr, 1 000 m T3–T5, eine Stelle im Schwierigkeitsgrad I ist zu überwinden).
86 | Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Hinauf zu den Almen der Türlwand | 87 5 Unterwegs deuten immer wieder Hin- Tor trägt seinen Namen zurecht; links und weisschilder auf Klettersteige hin, allein in rechts ragen die Felsgebilde empor. Jetzt Ramsau am Dachstein gibt es aktuell 20, geht es zur Sache. Wir steigen über Geröll- ein Eldorado für Klettersteiggeher. Genau felder bergab. Das feine Material am Bo- genommen gilt Ramsau als die Wiege der den verrät uns, dass wir in einem Glet- Klettersteige, da 1843 am Hohen Dach- schergebiet sind, viel Lockermaterial ist stein die ersten künstlichen Steighilfen hier in Bewegung. Vorbei an einigen Morä- fertiggestellt wurden – mit Handhaken, nenwällen erreichen wir den Aufstieg zum Eisenstiften, eingemeißelten Tritten und Tor. Dieser ist zwar nie ausgesetzt, aber Seilversicherungen. Bekannt und berüch- fürchterlich anstrengend – zwei Schritte tigt ist der Steig »Superferrata«, der auf geht man vor, einen rutscht man zurück. den Dachsteingipfel führt und mit 6,2 Ki- Kleine Murgänge verändern ständig den lometern Länge und 1800 Höhenmetern Wegverlauf – ein guter Rhythmus ist ge- als einer der längsten Klettersteige der fragt, dann sind diese 250 Höhenmeter im Alpen gilt. Während der nächsten Minute Nu bewältigt. Lassen wir uns einfach vom wechselt ständig die Perspektive, schnell Blick auf die Südwände hypnotisieren. Un- haben wir über dem steinigen Pfad die bemerkt haben wir am Beginn des An- kleine Scharte am Marstein erreicht. Vor stiegs zum Tor die historisch so wichtige uns bauen sich das Raucheck (2139 m) und Bundesländergrenze zwischen Steiermark der mächtige Torstein (2948 m) auf. Das und Salzburg überschritten. Am Tor ange- Am Anfang der Tour ist man auf Tuchfühlung Nach dem Gipfel des Rötelsteins geht es ra- Auf der Wallehenalm sorgt man dafür, dass den Gästen nicht kalt wird. mit den Südwänden. sant bergab. Auffallend ist die rote Färbung des Kalks – Rost. Die erste der Tal-Berg-Wanderungen Bewegung sind und regelmäßig für kleine schließt an die in Route 4 beschriebene Wegänderungen sorgen. Das Dreigestirn 5-Hütten-Tour an und beginnt bei der Tal- liegt in seiner ganzen Pracht vor uns. Un- station der Seilbahn, Türlwand (1692 m). terhalb der Südwände schließt ein schutt- Der Begriff Türlwand wird gemeinhin für bedeckter Bereich an, darunter folgen den ganzen Bereich um die Talstation der wieder Felsbänder – diese sind aus Wet- Seilbahn verwendet. Rechts von der tersteinkalk, wesentlich älter als der Gip- Bergstation führt der Weg an den steilen felaufbau. Wir sehen den Marstein Abhängen der Südwände bis zur Süd- (1861 m), einen kleinen Vorgipfel, der wie- wandhütte. Auf der Westseite der Hütte derum aus noch älterem Guttensteiner steigen wir steil bergab. Am Wegrand Kalk und Dolomit besteht. Somit liegt der fallen wieder dünnblättrige Gesteine auf Großteil der Gesteine der nördlichen Kalk – so nah am Dachstein, und immer noch alpen wie im Bilderbuch vor uns. Zu erken- kein Kalk! Der ganze Riedl (Hügel) der Süd- nen ist auch der weitere Wegverlauf – los wandhütte besteht aus wasserstauenden geht es Richtung Sulzenhals, Tor und Werfener Schichten, die immer wieder in Bachlalm.
88 | Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Hinauf zu den Almen der Türlwand | 89 5 ten. Richtung Rötelstein geht es erst durch jungem, ungemein reinem Kalkgestein aus Latschen mäßig, bald über unangenehm der Jurazeit. Sein Zwilling, der Plassen zu bewältigendes Geröll steil bergauf. Die (1953 m), liegt nördlich des Dachsteins und leichte Kraxelei im Geröll ist bald vorbei, ist für dieses Gestein namensgebend. Im das Gelände lehnt sich zurück und wir er- Tal liegt die kleine Ortschaft Filzmoos, in- reichen nach gut 1 h 30 den grasbewach- mitten der sanften Berge der Grauwa- senen Gipfelaufbau (2247 m) – überra- ckenzone. Es gibt für den weiteren Weg schend flach nach diesem Aufstieg. Auf zwei Möglichkeiten: wieder zurück auf dem Plateau liegen überall eigenartige gleichem Weg oder die Überschreitung. kristalline Schotter herum, Augensteine Eine Überschreitung, und somit ein Ab- (siehe Thema Route 12), und trotz Gipfel stieg über den Südwestgrat des Rötel- fühlt man sich nicht ganz oben, in Anbe- steins, lässt die Wanderung zu einer lan- tracht der benachbarten Bergriesen, die gen Tagestour ausarten, die sich aber alle- zum Greifen nahe scheinen – für manche mal lohnt. Vorsicht ist auf den ersten der schönste Dachsteinblick. Die Sicht ist 0 h 30 geboten! Der weitere Weg ist an in alle Richtungen frei, Niedere Tauern, einer Stelle etwas ausgesetzt und erfor- Bischofsmütze, Torstein, die Almen der dert dort Trittsicherheit und Schwindel Ramsau, im Hintergrund Großglockner, freiheit. Nach dem rasanten Abstieg auf Wiesbachhorn und die Gletscher der Ho- den Wiesen der Ahorneggalm heißt es hen Tauern. Noch einmal Geologie muss aufmerksam der spärlichen Beschilderung sein: Der Rötelstein selbst besteht aus sehr Richtung Reitalm nach Norden folgen. Der Nach dem steilen Anstieg zum Tor wartet ein angenehmer Weg durch das Rauchkar zum Sulzenhals. Der Gipfel des Rötelsteins bietet eine herrliche Aussicht auf den Torstein und in alle Himmelsrichtungen. kommen, ist Zeit für eine Rast, knapp 2 h 30 kletterer als vielmehr die Rock’n’Roller sind vergangen. Die Sicht nach Westen unter den Alpinisten. Für die gesamte öffnet sich, der Torstein, aus Dach- Durchsteigung werden etwa 10 Stunden stein-Riffkalk, wächst direkt über uns her- gerechnet, ohne Zustieg und Abstieg, bei aus. Bequem wandern wir in das Rauchkar großem Sicherungsaufwand und Wegsu- weiter und erreichen eine Abzweigung, die chen entsprechend mehr. in die berühmte Windlegerscharte führt. Wenige Minuten vor dem Sulzenhals Wir folgen immer weiter den Hinweisschil- zweigt der Weg auf den Sulzenschneid ab. dern zum Sulzenhals, der vom Tor nach Am höchsten Punkt, dem Predigtstuhl, ist etwa 0 h 45 erreicht ist. Hinter uns liegt ein schönes Gipfelkreuz errichtet. Von dort etwas unscheinbar der Windlegergrat. führt der Weg weiter zur Hofpürglhütte Kletterer erreichen über ihn den Gipfel des und bildet die Verbindung zu Wanderun- Torsteins in Schwierigkeiten von IV bis ma- gen um den Gosaukamm (siehe Route 16). ximal V. Der Grat gilt als eine der längsten Wir wandern zum Sattel des Sulzenhalses alpinen Klettertouren der Ostalpen: 1920 weiter. Die Hinweisschilder bestätigen, erstmals begangen, 52 Seillängen, 1000 dass der Aufstieg zum Rötelstein nun be- Höhenmeter, 2100 Klettermeter. Insider schwerlich wird. Auffallend ist der rote, meinen, er fasziniere weniger die Sport- lehmige Boden – genau: Werfener Schich-
90 | Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Hinauf zu den Almen der Türlwand | 91 5 und die urigere Wallehenhütte erreicht ist. Vorsicht – hier bleibt man leicht hängen. Dachstein-Südwand – Von hier sind es etwa 0 h 45 zurück zum Sulzenhals, am Ende über auffallend toni- Sehnsucht, Schicksale, Triumphe ge, nasse Erde. Für den Rückweg wandern wir auf breitem Weg bergab Richtung Bachlalm, über den malerischen Schnittlauchboden. Das Raucheck links vor uns wird mit abneh- mender Höhe immer größer und schroffer. Wir folgen dem Bachverlauf und erreichen nach einem Gatter bald die Schaidalm und die Almflächen der Bachlalm, die Alm mit den Murmeltieren. Diese sind hier nicht unbedingt heimisch, in den 1970er-Jahren wurden sie angesiedelt. Heute wirbt die Bachlalm mit den Nagern, die ihre Scheu vor dem Menschen manchmal vergessen und sich, erwünscht oder nicht, streicheln lassen. Man könnte die Tour hier enden lassen – von der Bachlalm führt ein Shutt- lebus zur Busstation Dachsteinruhe. Wer zu Fuß weiter möchte –die alpinistischen Schwierigkeiten sind bewältigt – nimmt Über den Schnittlauchboden erreicht man den genussvollen Forstweg durch den die schön gelegene Bachlalm. Brandwald, bis die Bäche der Maralm er- Bergführergeneration der 1930er-Jahre auf der Dachstein-Südwandhütte. Vorne die Legenden reicht sind. Die lange, ereignisreiche Runde Franz Steiner, Eduard Pichl und Georg Steiner. ist vollendet, wenn wir bei der Dachstein- Weg mündet in eine Forststraße, und wer straße wieder in die Zivilisation zurückkeh- die Karte studiert, erkennt, dass nun leider ren (müssen). Von dort kann man entwe- Montblanc und Großglockner waren reichte der kaiserliche Jäger Jakob ein Umweg auf dem Plan steht, da per der mit dem Bus wieder ins Tal, oder es längst bezwungen, als im frühen 19. Jahr- Buchsteiner vom Gosaugletscher aus erst- Verbot kein direkter Weg zur Wallehen- lockt ein abendlicher Abstecher in die hundert erstmals versucht wurde, den mals den Gipfel. Die ersten Torsteinbege- hütte führt. Also geht es neben dem Bach Brandalm oder auf die Austriahütte. Dachstein zu erklimmen. 1812 unternahm hungen fanden viel Beachtung, die Erst- rasch bergab zur ausgesprochen schön Erzherzog Karl den ersten Versuch, den bezwingung des Dachsteins hingegen gelegenen Reitalm, direkt vor der Bischofs- Dachstein von Norden zu besteigen – der kaum. Seit der neuen Vermessung 1822 mütze – ein schönes Fotomotiv. Unterhalb untere Teil des Hallstätter Gletschers er- stand fest, welcher Gipfel der höchste ist. verläuft die Forststraße für den weiteren hielt daher seinen Namen, Karlseisfeld. Ausgerechnet ein Filzmooser, Peter Gapp- Weg. Nach einem Bach steigt der Weg Sein Bruder, Erzherzog Johann, der »Steiri- mayer, wurde vom Grazer Professor Carl kontinuierlich an, und rechts weisen Hin- sche Prinz«, war Erstbesteiger der Hoch- Thurnwieser als Sponsor angespornt, 1832 weisschilder den Weg zum Sulzenhals. wildstelle der Niederen Tauern; seiner In- den Hohen Dachstein über den Go- Über weites Almgelände, an ursprüngli- itiative ist auch die Erstbegehung des Tor- saugletscher und Westgrat erstmals zu chen Almbehausungen vorbei, geht es steins zu verdanken, der lange Zeit als besteigen. Jener Professor galt als der ers- bergauf, bis endlich die Krahlehenhütte höchster Gipfel des Gebirges galt. 1819 er- te Tourist in der Region und blickte selbst
92 | Bergauf, bergab unterwegs auf drei Ebenen Hinauf zu den Almen der Türlwand | 93 5 Johann Frischauf einen Durchstieg von Steinerband, ist bereits »vernagelt«. Seit Süden, noch bevor der heute gängigste den ersten Gehversuchen fanden hunder- Steig über die »Schulter« errichtet wurde. te Touristen, aber auch Bergführer, hier ihr Die erste Ramsauer Bergführergenerati- Schicksal. Bis heute ist die Bergrettung on, die Herren Knaus, Steiner und fast täglich im Einsatz; die häufigsten Schrempf, inspizierten die Wand in sei- Gründe sind Selbstüberschätzung, das nem Auftrag und gingen dabei nicht zim- Missachten von alpinen Gefahren und das perlich mit dem Berg um. Um den soge- Ignorieren von Wetterlagen. nannten Seilwurfriss unterhalb des West- Der Steinerweg erfuhr bald Varianten grats zu erreichen, schreckten sie auch vor und noch direktere Wege. Aber die Brüder, Sprengungen nicht zurück. 1889 gelang allen voran Irg, wurden zur Legende. Als die erste Durchkletterung der Südwand Wilderer hat er tausend Gemsen geschos- bis zur Oberen Windlucke, westlich des sen und mindestens hundert Kinder ge- Gipfels. Die erste Bezwingung der Süd- zeugt. Tagsüber bestieg er Berge, näch- wand des Hohen Dachsteins wurde erst tens die Sennerinnen. Ein abgedroschener zwölf Jahre später, 1901, von Eduard Pichl Spruch begleitet die Geschichten über ihn: vollzogen, allerdings nicht in der Falllinie »Griaß di, Vater«, riefen sie ihm zu, worauf des Gipfels, sondern zur Ostgratschulter er antwortete: »Von wöllener bistn du?«. – womit die Sehnsucht immer noch nicht Der damalige Forstmeister aus Gosau gab gestillt war. den Befehl aus: »Wer ihn im Wald antrifft Jede berühmte Wand hat ihre Helden, de- – sofort ohne Anruf erschießen!« Noch als ren Namen untrennbar mit dem Berg ver- 50-Jähriger durchstieg er neue Routen, vor bunden sind. Die Dachsteinsüdwand hat allem um den Däumling im Gosaukamm, Das Salzburger Band am Steinerweg ist eine die Steiner-Brüder. 1909 haben Georg der als der schwierigste Gipfel im Die Überwindung des Steinerbands galt als der zahlreichen Schlüsselstellen in freier »Irg« und Franz Steiner einen Mythos ge- Dachsteinmassiv gilt, er war aber auch im Pionierleistung des alpinen Kletterns. Kletterei. schaffen, indem sie das Unmögliche mög- ganzen Alpenraum als Bergführer unter- lich machten. Ihr Vater Hans Steiner war wegs. Für seine Einsätze bei der Bergret- bereits Bergführer der ersten Stunde in tung erhielt er das Grüne Kreuz. Jahre be- achtzig Jahren erkrankte er leicht. In der 1834 vom Hauptgipfel in das umliegende Ramsau und hatte mit dem ebenso legen- vor Bubi Bradl den 100-Meter-Rekord im Meinung, er müsse sterben, stieg er auf Gipfelmeer. Friedrich Simony schaffte dären Johann Schrempf, dem »Auhäusler«, Skisprung erreichte, plante er die Errich- die »Aussicht«, seinen Lieblingsberg, 1842 die erst sechste Besteigung, aber als bereits 1880 den Weg zur Oberen Windlu- tung einer Großschanze auf der Zwiesel- schaufelte ein Grab und legte sich hinein. Erster über die sogenannte Randkluft von cke gesucht; dort stiegen die Brüder ein. alm. Er experimentierte mit Steighilfen Nach zwei Tagen begann es leider zu reg- Norden. Und er übernachtete im Winter Sie nahmen eine Stange mit, mit der für Ski und entdeckte das Prinzip des nen, da stand er auf, schüttelte sich und zwei Nächte auf dem Dachstein, was ihm presste Franz an der Schlüsselstelle, heute Schuppenski. Anekdoten sind reichlich do- ging wieder heim. Als er 1972 tatsächlich die Erkenntnis einbrachte, dass man des- Steinerband genannt, den vorgestiegenen kumentiert. Im Ersten Weltkrieg beging er starb, wurde er in der neuen Leichenhalle halb nicht notwendigerweise erfrieren Irg gegen die Wand, bis dieser fortsetzen Fahnenflucht: »Im Kriag, da schiassns jo von Gosau aufgebahrt, ehe er in einer müsse. konnte. Nur fünf Stunden dauerte die »Lö- auf Leit«, soll er gesagt haben. In Wahrheit Nacht- und Nebelaktion von Ramsauern Der Dachstein galt von Süden zwischen sung des Wandproblems«. Heute teilt der lag es wohl eher daran, dass er nicht in die gekidnappt und in Ramsau würdevoll be- Windleger- und Feisterscharte lange Zeit Weg an schönen Wochenenden der Dolomiten, sondern in die serbische Ebe- erdigt wurde. als unbezwingbar. Der »Hallstätter Nor- Hauptsaison das Schicksal vieler Mode- ne versetzt werden sollte; das war dem malweg« von Norden war 1871 wegen sei- touren, etliche Seilschaften durchsteigen Bergmenschen nicht recht. Also versteck- nes weit geöffneten Bergschrunds keine täglich die Wand. Als Schlüsselstelle gilt te er sich jahrelang im Dachsteingebirge Option. Daher plante der Grazer Professor ein Überhang (IV+); die andere Stelle, das und überlebte den Krieg. Im Alter von
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