Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN

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Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN

Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende
Georg Erdmann

Die Energiewende hat bereits heute zu Umbrüchen in der Energielandschaft geführt und wird auch weiter Veränderungen
anstoßen. Dennoch wirft sie auch Fragen auf, die beantwortet werden wollen: Welche Ziele dürften bis zum Jahr 2020 erreicht
werden, bei welchen Zielen droht eine mehr oder weniger starke Verfehlung? Welche Instrumente und Maßnahmen haben sich
als hilfreich erwiesen, welche als (weitgehend) wirkungslos? Worauf ist die voraussichtlich heterogene Zielerfüllung zurück-
zuführen? Was sind die dafür maßgebenden exogenen Ursachen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die nationale Ener-
giepolitik darauf grundsätzlich keinen Einfluss nehmen kann? Und was sind die endogenen Ursachen, woraus sich konkrete
Hinweise auf ein erforderliches Nachsteuern der Energiewende ergeben? Offensichtlich sind die Antworten auf diese Fragen
nicht nur aus historischer Perspektive relevant, sondern auch für die Frage, wie die Energiewende im Zeitraum 2020 bis 2030
erfolgreich weitergeführt und wie allfällige Fehlschläge künftig vermieden oder wenigstens reduziert werden können.

Mittlerweile liegt der Beschluss der Bun-
desregierung zum „Energiekonzept für eine
umweltschonende, zuverlässige und be-
zahlbare Energieversorgung“ [1] mehr als
sechs Jahre zurück. Zwar sollen die dort for-
mulierten Energiewende-Ziele erst im Jahr
2020 erreicht sein, doch lässt sich bereits
heute ein Zwischenfazit ziehen.

Der Autor dieses Beitrags ist der Auffas-
sung, dass eine unvoreingenommene Ma-
növerkritik für die erfolgreiche Fortsetzung
der Energiewende dringend notwendig ist.
Als langjähriges Mitglied der unabhängigen
Expertenkommission „Energie der Zukunft“
war er u. a. an der Formulierung der jüngs-
ten Stellungnahme zum fünften Monitoring-
Bericht der Bundesregierung für das Be-
richtsjahr 2015 beteiligt [2, 3].

Gemäß dem Auftrag der Bundesregierung be-               In der Bevölkerung gibt es eine starke Unterstützung der Energiewende, doch diese betrifft meist
                                                        nur den Ausbau der Erneuerbaren, nicht den Klimaschutz insgesamt        freshidea | Fotolia.com
steht die Aufgabe der Expertenkommission
darin, die Umsetzung des Energiekonzepts
einschließlich der darin enthaltenen Ziele      die wichtigsten Energiewendeziele für 2020            Q Der Ausbau der erneuerbaren Energien
mit Blick auf eine sichere, wirtschaftliche     und 2050 sowie im Vergleich dazu den er-              entspricht dem Zielpfad, wobei das Defizit
und umweltverträgliche Energieversorgung        reichten Ist-Wert 2015.                               im Bereich des Verkehrs durch eine vor-
zu überprüfen, um bei Bedarf nachsteuern zu                                                           aussichtliche Übererfüllung im Bereich der
können. Viele der nachfolgenden Aussagen        Die durch die Symbole 9, x, | markierten              erneuerbaren Elektrizitätserzeugung ausge-
entsprechen den gemeinsam erarbeiteten          Felder geben die Einschätzung der Exper-              glichen werden dürfte.
Statements der gemeinsamen Stellungnah-         tenkommission über die Zielerreichung bis             Q Die bisherigen Trends im Bereich der
me der Expertenkommission [2], der Autor        2020 wieder. 9 bedeutet, dass die jeweiligen          Energieeffizienz reichen für die Zielerfül-
nimmt sich jedoch für den vorliegenden Bei-     Ziele aller Voraussicht nach erreicht werden,         lung 2020 bei Weitem nicht aus.
trag die Freiheit, bei der einen oder anderen   x, dass dies voraussichtlich nicht der Fall           Q Das übergeordnete nationale Ener-
Aussage eigenständige Einschätzungen und        sein wird. Beim Gebäudewärmebedarf ist die            giewendeziel der Treibhausgasminderung
Bewertungen einfließen zu lassen.                Zielerreichung 2020 nach Auffassung der Ex-            dürfte aller Voraussicht nach deutlich ver-
                                                pertenkommission aus heutiger Sicht mög-              fehlt werden. Im Jahr 2015 liegt der entspre-
Zum Stand der                                   lich, doch lässt sich das noch nicht taxieren.        chende Ist-Wert um fast 13 Prozentpunkte
Energiewende 2015                               Nicht aufgenommen ist das Energiewende-               hinter dem 2020er-Zielwert von -40 % zu-
                                                Ziel, in Deutschland bis Ende 2022 aus der            rück, und vorläufigen Berechnungen zufol-
Einen Überblick zum aktuellen Stand der         Kernenergie auszusteigen. Aus Tab. 1 lassen           ge ist man auch im Jahr 2016 dem Zielwert
Energiewende 2015 gibt Tab. 1. Sie zeigt        sich grob drei zentrale Aussagen ableiten:            nicht näher gekommen.

   8                                                                                      ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4
Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                              ZUKUNFTSFRAGEN

Ursachen für den Erfolg bei                       Tab. 1: Ziele und Zielerreichung in Deutschland 2020 (Quelle [2])
der erneuerbaren Elektrizität
                                                                                                    Ist 2015    Ziel 2020           Ziel 2050

Der durchschlagende Erfolg der erneuerba-         Erneuerbarer Endenergieanteil                      14,9 %        18 %      9        60 %
ren Elektrizitätserzeugung (EE-Erzeugung)         Erneuerbarer Stromanteil                           31,6 %      ≥ 35 %      9        ≥80 %
ist nach Ansicht des Autors auf eine geradezu     Erneuerbarer Wärmeanteil                           13,2 %        14 %      9
einmalige Kombination von Faktoren zurück-        Erneuerbarer Endenergieanteil Verkehr               5,2 %        10 %       x
zuführen, die es in dieser Form in der Ge-        Primärenergie (gegenüber 2008)                     -7,6 %       - 20 %      x       -50 %
schichte der Energiewirtschaft noch nicht gab:
                                                  Elektrizitätsverbrauch (gegenüber 2008)            -4,0 %       -10 %       x       -25 %
                                                  Gebäudewärmebedarf (gegenüber 2008)               -11,1 %       -20 %       |
Q Zunächst muss auf die sehr günstigen
                                                  Primärenergie Verkehr (gegenüber 2008)             +1,3 %       -10 %       x       -40 %
Kapitalmarktbedingungen hingewiesen wer-
den, in deren Folge kapitalintensive EE-Inves-    Treibhausgasemissionen (gegenüber 1990)           -27,2 %       - 40 %      x     -80…-95 %
titionen laufend attraktiver geworden sind.
Dabei spielt auch eine Rolle, dass die EE-Be-    servativ eingestellte Haushalte in ländlichen    Neben Deutschland gehörten Dänemark
treiber so gut wie keinen Absatzrisiken aus-     Gebieten. Mit inzwischen mehr als 1,5 Mio.       und – mit Einschränkungen – Spanien zu
gesetzt sind, so dass die anfänglichen Fremd-    PV-Betreibern handelt es sich um eine „poli-     den EE-Pionieren. Mit den EE-Förderpro-
kapitalquoten nicht selten bei 80 % liegen.      tisch relevante“ Gruppe, gerade für die seit     grammen dieser Länder gelang es, die ent-
Außerdem ist zu erwähnen, dass die durch-        2005 regierende CDU/CSU.                         sprechenden Technologiekosten drastisch
schnittlichen Finanzierungskosten keinen         Q Der Widerstand der politisch ebenso re-        zu senken, so dass sich Wind- und PV-Inves-
expliziten Einfluss auf die Förderhöhe hatten.    levanten Industrien wurde durch die beson-       titionen inzwischen auch in vielen anderen
Q Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)          dere Ausgleichsregelung für energieintensi-      Ländern mit geringer ausgestatteten För-
offerierte (überwiegend) unlimitierte und für     ve Unternehmen neutralisiert. Aus Sicht der      derbudgets durchsetzen lassen. Dies ist der
die meisten Betreiber sehr auskömmliche fi-       EU-Kommission gilt diese zwar als Beihilfe,      maßgebende Innovations- und Klimaschutz-
nanzielle Förderzusagen. Zwar hat die Bun-       doch hatte sie zuletzt die entsprechenden        beitrag der deutschen EE-Förderung.
desregierung die Unlimitiertheit der Förder-     Regeln im Wesentlichen akzeptiert.
zusagen zuletzt eingeschränkt, indem sie für                                                      Allerdings hat diese Entwicklung auch
die einzelnen erneuerbaren Energieträger         Die beiden vorgenannten Aspekte erklä-           zwei neue Probleme hervorgebracht. Der
Ausbaukorridore festgelegt hatte, doch wenn      ren vor allem, warum die Politik bis heute       ungestüme EE-Ausbau hat die Großhan-
diese überschritten wurden, bestand die          grundsätzlich an der EEG-Förderung fest-         delsstrompreise und damit die elektrizi-
Sanktion bislang nur in einer zusätzlichen       hält, nicht aber, wie es zu dieser Milliarden-   tätswirtschaftlichen Investitions- und Fi-
Absenkung der Fördersätze für Neuinves-          förderung gekommen ist. Dies ist vor allem       nanzierungsbedingungen außerhalb der
titionen, nicht in einer Aussetzung der För-     als Spätfolge der Anti-AKW-Bewegung der          EE-Förderung massiv einbrechen lassen
derung. Letzteres wird erst mit dem neuen        1970er und 1980er Jahre zu sehen. Da-            (siehe den letzten Block von Tab. 2). Auf der
Ausschreibungsmodell ab 2017 eingeführt.         mals lautete das typische Gegenargument          anderen Seite sind auch die Belastungen
Q Die Finanzierung der Erneuerbaren-             der Energieversorger, dass die Opponenten        durch die EEG-Umlage explodiert, und zwar
Förderung nicht durch öffentliche Haushal-        keine echten Alternativen zur Kernkraft zu       von 8,3 Mrd. € in 2010 auf 22 Mrd. € in 2015.
te, sondern durch Umlagen auf die Elektri-       bieten hätten und dass es bei einem allfäl-      Nach Ansicht der Bundesregierung und vie-
zitäts-Letztverbraucher mit ihrem bislang        ligen Atomausstieg zu einem Anstieg der          ler Energieexperten darf sich dieser Trend
noch preisunelastischen Nachfrageverhal-         deutschen Treibhausgasemissionen kom-            nicht fortsetzen, wenn die Energiewende
ten hatte ebenfalls einen großen Anteil. Bei     men müsste.                                      nicht Schiffbruch erleiden soll. Das erklärt
einer Haushaltsfinanzierung ständen die                                                            das jetzt beschlossene Ausschreibungsmo-
EEG-Fördermittel im Wettbewerb mit an-           Diese Argumente wurden von etlichen              dell mit den im Vergleich zur Vergangenheit
deren öffentlichen Budgetposten, die damit        Aktivisten aufgegriffen, indem sie damit          doch recht drastischen Einschränkungen
verbundenen Konflikte sind durch die Fi-          begannen, mit erneuerbaren Technologi-           bei der EE-Förderung.
nanzierung über Umlagen auf den Elektri-         en zu experimentieren. Später kamen un-
zitätsbezug entschärft.                          ternehmerische Engagements hinzu – wir           Ursachen für die relative Stag-
                                                 würden heute von Startups sprechen. Die          nation bei der Energieeffizienz
Über die Gesetzestechnik im Detail gibt es       Bemühungen um politische Anerkennung
auch gesellschaftliche Aspekte, die in die-      und Förderung dieser jungen Branche hat-         Anders als bei der erneuerbaren Elektrizität
ser Form in anderen Ländern nicht gegeben        ten erstmals im Stromeinspeisegesetz von         und – mit Einschränkungen – der erneuer-
sind und entsprechend den Unterschied            1990 Erfolg. Es legte den Grundstein für         baren Wärmeversorgung lassen Fortschritte
ausmachen:                                       eine Fördersystematik, die im späteren Er-       bei den erneuerbaren Treibstoffen und bei
                                                 neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit einer        der Energieeffizienz auf sich warten. Doch
Q Viele EEG-Begünstigte sind ökologisch          Vervielfachung der Fördermittel weiterent-       vor dem Hintergrund der zuvor genannten
bewusste, doch politisch eher strukturkon-       wickelt wurde.                                   Faktoren zugunsten des Ausbaus der Er-

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4                                                                                  9
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 Tab. 2: Letztverbraucher-Ausgaben für Elektrizität in Deutschland
 (Quelle [2])                                                                                       stellen. Dieses Problem gab es vor 20 Jah-
                                                                                                    ren auch im Bereich der Elektrizitätsversor-
 [Mrd. €]                               2010       2011    2012      2013      2014     2015
                                                                                                    gung. Warum gelingt es, den Widerstand
 Ausgaben induziert durch Politik        17,2      23,0     23,3      30,0     32,3      31,3
                                                                                                    der Elektrizitätswirtschaft auszuschalten,
 Stromsteuer                              6,4       7,2       7,0      7,0       6,6      6,6       nicht jedoch den der Fahrzeugindustrie?
 Konzessionsabgaben                       2,1       2,2       2,1      2,1       2,0      2,0
 EEG-Umlage                               8,3      13,4      14,0     19,8      22,3     22,0       Hier macht die fehlende gesellschaftliche
 KWK-Umlage                               0,4       0,2       0,3      0,4       0,5      0,6       Emotionalisierung den Unterschied: Etwas
 Offshore-Umlage (§ 17F ENWG)             -         -         -        0,7       0,8      0,0       Vergleichbares wie die Anti-AKW-Bewegung
 Ausgaben reguliert durch Politik        16,9      17,6     19,0      21,2     21,4      21,4       mit der daraus entstandenen Aufbruchs-
                                                                                                    stimmung zugunsten der erneuerbaren
 Netzentgelte Übertragungsnetz            2,2       2,2       2,6      3,0       3,1      3,5
                                                                                                    Energien ist im Verkehrsbereich noch nicht
 Netzentgelte Verteilnetz                14,7      15,4      16,4     18,2      18,3     17,9
                                                                                                    zu beobachten, obwohl dieser Sektor auch
 Marktgetriebene Ausgaben                26,8      23,1     22,0      19,8     16,6      16,8
                                                                                                    außerhalb des Klimaschutzes nicht weni-
 Marktwert erneuerbarer Strom             3,5       4,4       4,8      4,2       4,1      4,7       ge Probleme vor sich her schiebt – von der
 Konventionelle Erzeugung, Handel,                                                                  Feinstaubbelastung in den Städten über die
                                         23,3      18,6      17,2     15,6      12,6     12,0
 Marketing und Vertrieb
                                                                                                    regelmäßigen Verkehrszusammenbrüche
 Total                                   60,9      63,6     64,3      71,0     70,3      69,4       auf zentralen Hauptachsen, die Unzuverläs-
                                                                                                    sigkeit des öffentlichen Personenverkehrs
neuerbaren im Bereich der Elektrizitätser-          (EEG) erscheint der NAPE als ein Flicken-       bis hin zum Sanierungsbedarf der Straßen-
zeugung ist dies nicht überraschend: Noch           teppich. Entsprechend kann es nicht über-       und Schieneninfrastruktur.
immer wird die Energiewende in der breiten          raschen, wenn er vorerst nicht in der Lage
Öffentlichkeit mit der Ausweitung der er-            ist, eine Aufbruchsstimmung im Bereich der      Aus volkswirtschaftlicher Lehrbuchmeinung
neuerbaren Elektrizitätserzeugung gleich-           Gebäudesanierung zu erzeugen und damit          kann man den vorstehenden Ausführungen
gesetzt. Eine Wärmewende oder gar eine              den autonomen Trend der Effizienzverbes-          entgegenhalten, dass es für die Energiewen-
Verkehrswende ist dem Stadium von Exper-            serung signifikant zu verstärken.                de und den Klimaschutz erheblich effizienter
tenrunden bislang noch nicht entwachsen.                                                            wäre, wenn man die Grenzvermeidungskos-
                                                    Ursachen für die Entwicklun-                    ten von Treibhausgasemissionen ins Zen-
Aus Sicht des Autors ist dies eine indirekte        gen im Bereich der Treibstoffe                   trum der strategischen Überlegungen rückte.
Spätfolge des energiewirtschaftlichen Dis-                                                          Wenn ein gegebenes Emissionsziel mit den
kurses während der Anti-AKW-Bewegung.               Im Vergleich zu den immerhin vorhande-          jeweils kostengünstigsten Vermeidungsmaß-
Diese hatte nur im Bereich der Elektrizitäts-       nen Fortschritten bei der Gebäudeenergie-       nahmen realisiert würde, könnte das Emissi-
versorgung zu einer gesellschaftlichen Emo-         effizienz ist die Energiewendefortschritt im      onsziel mit erheblich geringeren gesamtwirt-
tionalisierung geführt, nicht hingegen in den       Bereich des Verkehrs praktisch inexistent.      schaftlichen Kosten erreicht werden als mit
anderen Zielbereichen der Energiewende.             Ob der erneuerbare Treibstoffanteil oder die     sektorspezifischen, milliardenschweren För-
                                                    Reduktion des Primärenergiebedarfs – bei-       derprogrammen. In ihrer jüngsten Stellung-
Daher existiert auch kein vergleichbarer ge-        de Zielindikatoren haben sich in den letzten    nahme hat die Expertenkommission darauf
sellschaftlicher Druck auf die Politik, jährlich    Jahren im Trend verschlechtert. Berechtigter-   hingewiesen, dass die Einführung einer über
bspw. 22 Mrd. € an Fördermitteln in die Ge-         weise darf man darauf hinweisen, dass sich      alle Anwendungsbereiche einheitlichen, nati-
bäudesanierung zu lenken. Vermutlich würde          das Verkehrsaufkommen in Deutschland im-        onalen Emissionsabgabe in Ergänzung zum
ein entsprechend ausgestattetes Gebäudesa-          mer noch vergrößert und viele klimafreundli-    europäischen Emissionshandel der theore-
nierungsprogramm in der Lage sein, ähnlich          che Lösungsoptionen noch unausgereift sind      tisch effizienteste Weg zum Klimaschutz in
grundlegende Fortschritte auf dem Weg zu            oder anderweitige Nachteile haben.              Deutschland wäre.
einem „nahezu klimaneutralen Gebäudebe-
stand“ zu erzielen wie dies im Bereich der          Doch im Vergleich mit der erneuerbaren          Losgelöst von den zahllosen praktischen
Elektrizitätswirtschaft zu beobachten ist.          Elektrizitätserzeugung kann man erneut          Problemen der Umsetzung eines solchen
                                                    das Gedankenexperiment anstellen, welche        Vorschlags wäre die Konsequenz, dass – mit
Doch aggregiert man die verschiedenen               Entwicklungen im Verkehrssektor wohl            Ausnahme des nationalen Klimaschutzziels
Förderprogramme des Nationalen Aktions-             ausgelöst werden könnten, wenn auch hier        – auf alle expliziten Energiewendeziele ver-
plans Energieeffizienz (NAPE), so gehen               Fördermittel von jährlich 22 Mrd. € zur Ver-    zichtet werden müsste.
nicht einmal 20 % dieser Summe jährlich             fügung gestellt würden.
an den Zielbereich der Gebäudesanierung.                                                            Mit der Einführung einer universellen natio-
Außerdem verteilen sich die Fördermittel            Nur vordergründig kann man auf die Starr-       nalen Emissionsabgabe ist die Formulierung
auf mehrere Dutzend Einzeltöpfe. Im Ver-            sinnigkeit der Fahrzeughersteller oder der      zusätzlicher quantitativer Ziele zum Min-
gleich zum Erneuerbare-Energien-Gesetz              Mineralölwirtschaft verweisen, die sich         destanteil Erneuerbarer oder zur Energieeffi-

   10                                                                                     ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4
Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                    ZUKUNFTSFRAGEN

zienz nämlich inkompatibel. Auch hätte der
Vorschlag Auswirkungen auf das Energie-
wende-Monitoring: Anstelle der Beobachtung
einer Fülle von Detailzielen ginge es nur um
die Bewertung des gesellschaftlich akzep-
tierten Niveaus der Klimaschutzabgabe im
Bezug auf die Triade „Versorgungssicherheit
– Preiswürdigkeit – Umweltverträglichkeit“
jenseits des Klimaschutzes.

Nun ist mit der Einführung einer einheit-
lichen nationalen Emissionsabgabe in
Deutschland als zentrales Instrument für
das langfristige Erreichen einer kohlenstoff-
freien Volkswirtschaft kaum zu rechnen.
Auch nach Paris 2015 steht eine Verschlan-
kung und Fokussierung der nationalen
Energiewendepolitik auf den Klimaschutz           Abb.      Treibhausgas-Emissionen in Deutschland (Quelle [2])

momentan nicht auf der politischen Agen-
da. Auch dies hat etwas mit der asymmetri-
schen Emotionalisierung gegenüber den di-        der Eindruck erweckt wird, das für das Jahr              gangen, zwischen exogenen und endoge-
versen Einzelzielen zu tun. Wie ausgeführt       2020 ausgegebene Klimaziel könne zumin-                  nen Ursachen der perspektivisch bis 2020
assoziiert der größte Teil der Bevölkerung       dest approximativ erreicht werden.                       drohenden Zielverfehlung zu unterschei-
die Energiewende nicht mit dem Klimaziel,                                                                 den. Exogen sind die Ursachen dann, wenn
sondern mit dem Ausbau der erneuerbaren          Zwar kann man Verständnis dafür aufbrin-                 sie von Handlungsträgern in Deutschland
Elektrizitätserzeugung. Entsprechend ist die     gen, wenn die Bundesregierung das Thema                  grundsätzlich nicht beeinflussbar sind, en-
öffentliche Aufregung überschaubar, wenn          drohender Zielabweichungen nicht in voller               dogen, wenn dies im Prinzip der Fall ist.
der Klimaschutz in Deutschland in den letz-      Offenheit diskutieren mag und sich lieber
ten Jahren auf der Stelle tritt.                 hinter den von ihr beauftragten Emissions-               Bei den exogenen Ursachen spielen neben
                                                 prognosen versteckt, doch verunmöglicht                  allzu vorsichtigen Annahmen zur Bevölke-
Entwicklungen bei den                            diese Haltung die jetzt anstehende Aufga-                rungsentwicklung vor allem eine unrealis-
Treibhausgasemissionen                           be des Energiewende-Monitorings: Nur ein                 tisch hohe Einschätzung der Entwicklung
                                                 ungeschönter Blick auf die offensichtlich                 internationaler Energie- und CO2-Preise
Zwar konnten die Treibhausgasemissionen          unzureichenden Fortschritte schafft die Vor-              eine Rolle. Zur Ausarbeitung der Energie-
in Deutschland zwischen 1990 und 2015            aussetzungen dafür, allfällige Handlungsde-              wendeziele für das Jahr 2020 hatte sich die
um rund 27 % reduziert werden, doch ent-         fizite und -hemmnisse zu identifizieren und                Bundesregierung u. a. auf Studien der Ar-
sprechend der Abbildung stagniert der            perspektivisch zu überwinden.                            beitsgemeinschaft Prognos/EWI/GWS (sie-
Emissionsrückgang seit dem Regierungsbe-                                                                  he [4] und [5]) berufen.
schluss zum Energiekonzept im Jahr 2010.         Ursachen für die stagnie-
Unter normalen Umständen dürfte das für          rende Entwicklung der                                    Die dort für das Jahr 2020 getroffenen An-
2020 vorgegebene nationale Emissionsziel         Treibhausgasemissionen                                   nahmen können natürlich heute noch nicht
(d. h. ohne eine scharfe Rezession wie im                                                                 auf ihren Realitätsgehalt überprüft werden,
Jahr 2009 sowie bei extrem warmem Win-           In ihrem diesjährigen Kommentar zum                      doch die für das Jahr 2015 getroffenen An-
terwetter) kaum noch zu erreichen sein,          Monitoring-Bericht der Bundesregierung                   nahmen lassen sich der tatsächlichen Preis-
obwohl die Bundesregierung in den letzten        ist die Expertenkommission dazu überge-                  situation gegenüberstellen (Tab. 3). Dabei
Jahren keineswegs untätig war und sich mit
vielen Initiativen und einer Fülle neuer Ins-     Tab. 3: Internationale Energiepreise versus Prognos/EWI/
trumente um den Klimaschutz bemüht hat.           GWS-Prognose aus 2011 (Quellen [4, 5])
                                                                                                       Ist-Wert    Prognose     Ist-Wert   Differenz
Diese Einschätzung der Expertenkommissi-                                                                 2008      für 2015       2015       2015
on unterscheidet sich von den Aussagen im         Ölpreis                              US$/Barrel         94          90          50        -44 %
jüngsten Monitoring-Bericht der Bundesre-         Rohöl                                    €/t           484         495         356        -28 %
gierung. Dort heißt es etwas verklausuliert       Erdgas-Grenz-übergangspreis           €/MWh             27          24          20        -17 %
(siehe [3], S. 61): „Die aktuelle Projektion
                                                  Kraftwerkskohle                        €/SKE           112          82          68        -17 %
weist damit eine Minderungsspanne in
Höhe von 37-40 % im Jahr 2020 auf“, womit         CO2-Preis                                €/t          17,40         15         7,45       -50 %

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4                                                                                       11
Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN

zeigt sich die Tendenz, die seit 2010/11        and-Trade-System fundamental von einem         fossilen Heizungen oder Fahrzeugen mit
rückläufigen Preisentwicklungen nicht            CO2-Steuermodell.                              Verbrennungsmotoren ankündigt.
angemessen reflektiert zu haben. Die tat-
sächlichen Preise des Jahres 2015 liegen        Allerdings sind die Folgen tiefer CO2-Preise   Dieses Problem korrespondiert mit einer
um bis zu 50 % unter den seinerzeitigen Er-     für die deutschen Treibhausgasziele nicht      Schieflage der politischen Energiewende-
wartungen. Es sei darauf hingewiesen, dass      zu übersehen: In Verbindung mit dem            Governance: Der Ausbau der erneuerbaren
die Problematik tiefer fossiler Energiepreise   ungünstigen Verhältnis der Erdgasprei-         Elektrizitätserzeugung stützt sich auf eine
sich mit dem Beschlüssen der Pariser Kli-       se gegenüber den Kohlepreisen sind kli-        Serie von Gesetzen, die in der Öffentlichkeit
makonferenz 2015 sowie deren Umsetzung          mafreundlichere Gaskraftwerke hierzulan-       breit diskutiert und in dem zuständigen Par-
in Zukunft noch akzentuieren könnte.            de nicht in der Lage, Kohlekraftwerke in der   lamenten intensiv beraten und beschlossen
                                                Merit Order zu verdrängen.                     wurden. Demgegenüber beruhen die meis-
Nichtsdestotrotz unterstellen jüngere Pro-                                                     ten anderen Ziele und Indikatoren der Ener-
jektionsberichte und Szenarien für das Bun-     Dies ist einer der exogenen Gründe für         giewende auf Beschlüssen der Bundesregie-
desumweltministerium bis zum Jahr 2030          die drohende Verfehlung des nationalen         rung, insbesondere auf dem Energiekonzept
einen Rohölpreis von 114 US$/Barrel sowie       2020-Treibhausgasziels. Zusätzlich kommt       aus dem Jahr 2010 [1]. Zwar wurden die
einen CO2-Preis von 35 bis 50 €/t (siehe [6]    noch der in den letzten Jahren gestiegene      vielfältigen Energiewendeziele mithilfe
und [7]). Sollten die Preise weniger stark      Netto-Elektrizitätsexport (52 Mrd. kWh         wissenschaftlicher Energieszenarien plau-
steigen, wären die mit dem Klimaschutz          in 2015) hinzu. Mit der für den Export er-     sibilisiert und auch unter Fachleuten und
verbundenen Herausforderungen in den            zeugten Elektrizität sind zusätzliche Treib-   Interessensvertretern diskutiert, doch eine
Szenarien erheblich unterschätzt.               hausgasemissionen verbunden, die nicht         parlamentarische Legitimität wurde bislang
                                                dem Importland, sondern dem Exportland         nicht gesucht.
Zu den Ursachen für die notorische Über-        Deutschland zugerechnet werden.
schätzung der CO2-Preise in den Szenari-                                                       Im Rahmen der Energiewende gab es zahl-
en gehört aus Sicht des Autors eine weit        Neben den exogenen Gründen gibt es eine        lose Gesetzesinitiativen zu vielen Detail-
verbreitete Fehleinschätzung der Funkti-        Reihe endogener Gründe für die drohende        aspekten der Energiewende, doch anders
onsweise dieses Marktes: Die CO2-Preise         Zielverfehlung. Dazu gehört das Fehlen von     als im europäischen Ausland gibt es kein
müssen zwangsläufig auf einem niedrigen          Instrumenten, mit denen die Treibhaus-         nationales Klimaschutz- und Energiewende-
Niveau liegen, wenn davon auszugehen ist,       gaswirkungen des im Jahr 2011 abrupt be-       gesetz. Hält man sich die zähe Entstehungs-
dass die angestrebten Treibhausgasziele in      schlossenen Kernenergieausstiegs hätten        geschichte des Kabinettsbeschlusses zum
der Handelsperiode bis 2020 eingehalten         kompensiert werden sollen. Außerdem spie-      Klimaschutzplan 2050 [8] vor Augen, dürfte
werden.                                         len die oben angesprochene unzureichen-        sich das vorerst auch nicht ändern.
                                                de Dimensionierung und Wirksamkeit von
Erst wenn die kumulierten Emissionen der        Instrumenten außerhalb der erneuerbaren        Perspektiven für 2030
betroffenen Anlagen die zur Verfügung            Elektrizität eine Rolle.
stehenden Emissionsrechte übersteigen                                                          In Abstimmung mit der EU-Kommission
bzw. dies bis zum Jahr 2020 oder 2030 zu        Im Blick auf die Zukunft ist jedoch wohl ein   steht jetzt die Konkretisierung der nationa-
erwarten ist, würden hohe Preise resultie-      anderer Aspekt entscheidender. Zwar findet      len Energiewende- und Klimaschutzziele für
ren, und zwar nach Maßgabe der von der          man bei öffentlichen Umfragen in der Be-        das Jahr 2030 an. Die Expertenkommission
EU-Richtlinie zum Emissionshandel vorge-        völkerung und unter Wirtschaftsvertretern      hat in ihrer letzten Stellungnahme eine Rei-
gebenen Strafzahlung von 100 €/t. Über-         meist eine beträchtliche Unterstützung der     he von Vorschlägen präsentiert. Das grund-
spitzt formuliert ist das CO2-Preisniveau       Energiewende, doch diese betrifft meist nur     legende Problem lässt sich anhand von
tief, wenn die mit dem Emissionshandel          den Ausbau der Erneuerbaren, nicht den         Tab. 4 erläutern. Für die Sektoren, die nicht
verbundenen Treibhausgas-Ziele erreicht         Klimaschutz insgesamt mit den hierzu er-       dem europäischen Emissionshandel (ETS)
werden, und hoch, wenn die Ziele verfehlt       forderlichen Instrumenten, Maßnahmen,          unterworfen sind, beruhen die hier für 2030
werden. Aus Sicht des Klimaschutzes sollte      Einschnitten und Nachteilen. Keine Partei      genannten Zahlenangaben auf einem Vor-
man also ein tiefes CO2-Preisniveau begrü-      hätte auf absehbare Zeit eine Machtoption,     schlag der EU-Kommission vom Juli 2016
ßen. Insofern unterscheidet sich ein Cap-       die der Bevölkerung ein baldiges Verbot von    [9]. Für die ETS-Sektoren beruhen sie auf
                                                                                               der Annahme, dass gebietsbezogene Emis-
 Tab. 4: Deutsche Treibhausgasziele für 2030 (Quelle [2])                                      sionen der entsprechenden Anlagen derje-
                          Gesamtemissionen        EU-ETS Sektoren      Nicht-ETS Sektoren      nigen Emissionsmenge entsprechen, die im
                               (Mio. t)               (Mio. t)               (Mio. t)          Emissionshandel rechnerisch auf Deutsch-
 1990                             1248                                                         land entfallen. Bei einer Realisierung der
 2005                              992                  521                   471
                                                                                               entsprechenden Annahmen würden die
                                                                                               Treibhausgasemissionen Deutschlands im
 2030                              589                  297                   292
                                                                                               Jahr 2030 um 53 % unter denen des Aus-
 (EU-Vorschlag)              (-53 % vs. 1990)
                                                                                               gangsjahres 1990 liegen.

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Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                      ZUKUNFTSFRAGEN

  Das Problem liegt in Folgendem: Bei den        Wirkungen auf die globalen Treibhausgas-                Energiewende. Berichtsjahr 2015. Berlin 2016 (www.
  ETS-Sektoren dominiert die Elektrizitäts-      emissionen durch den europäischen Emissi-               bmwi.de).
  wirtschaft, während die Nicht-ETS-Sektoren     onshandel neutralisiert, wenn Deutschland               [4] Prognos/EWI/GWS: Energieszenarien für ein
  vor allem vom Wärmemarkt und dem Trans-        nicht gleichzeitig zu einer äquivalenten                Energiekonzept der Bundesregierung. Im Auftrag des
  portbereich geprägt sind. Wenn die vor-    r   nationalen Verringerung der verfügbaren                 BMWi. Basel, Köln, Osnabrück 2010.
  stehenden Analysen der klimapolitischen        Emissionsberechtigungen beiträgt. Dies                  [5] Prognos/EWI/GWS: Energieszenarien 2011 für das
  Entwicklungen in Deutschland weiterhin         könnte bspw. dadurch geschehen, dass die                BMWi. Basel, Köln, Osnabrück 2011.
  relevant bleiben, werden Reduktionsfort-       Bundesregierung eine gewisse Menge an                   [6] Fraunhofer ISI/Öko-Institut: Endbericht zum Klima-
  schritte im Elektrizitätsbereich und damit     Emissionsrechten aufkauft und permanent                 schutzszenario 2050. Karlsruhe/Freiburg 2015 (www.
  in den ETS-Sektoren leichter erreichbar sein   stilllegt. Die Bundesregierung sollte jedoch            bmub.de).
  als in den Nicht-ETS-Sektoren. Dies beruht     keine unilateralen Vorstöße in diese Rich-              [7] Fraunhofer ISI/Öko-Institut: Projektionsbericht
  auch darauf, dass die Dekarbonisierung         tung unternehmen, sondern zuvor ein Ein-                der Bundesregierung 2015. Karlsruhe/Freiburg 2016
  der Elektrizitätswirtschaft preiswerter sein   vernehmen mit der EU-Kommission und                     (www.bmub.de).
  dürfte als die der Wärme- und Treibstoff-  ff    den EU-Mitgliedstaaten herbeiführen.                    [8] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
  märkte. Aus praktischer Sicht entscheidend                                                             und Reaktorsicherheit: Klimaschutzplan 2050. Kabi-
  sind jedoch die zuvor erläuterten unter-   r   Literatur                                               nettsbeschluss vom 14.11.2016. Berlin 2016 (www.
  schiedlichen gesellschaftlichen Einstellun-                                                            bmub.de).
  gen zugunsten der verschiedenen Energie-       [1] Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-      [9] EU-Kommission: Proposal for a Regulation on bin-
  wende-Ziele.                                   gie: Energiekonzept für eine umweltschonende, zu-       ding annual greenhouse gas emission reductions by
                                                 verlässige und bezahlbare Energieversorgung vom 28.     member states from 2021 to 2030. Brüssel 2016.
  Vor diesem Hintergrund sollte das Verhält-     September 2010. Berlin 2010 (www.bmwi.de).
  nis zwischen der nationalen Klimaschutz-       [2] Expertenkommission: Stellungnahme zum fünften       Prof. Dr. G. Erdmann, Fachgebiet Energiesys-
  politik und dem europäischen CO2-Emissi-       Monitoring-Bericht der Bundesregierung für das Be-      teme der TU Berlin; Mitglied der Experten-
  onshandel grundlegend überdacht werden.        richtsjahr 2015“. Berlin 2016 (www.bmwi.de).            kommission zum Monitoring-Prozess „Ener-  r
  Am Beispiel eines beschleunigten Kohle-        [3] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Die   gie der Zukunft“
  ausstiegs würden die damit verbundenen         Energie der Zukunft. Fünfter Monitoring-Bericht zur     georg.erdmann@tu-berlin.de

                                                                                                                                                 Jetzt
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Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
ZUKUNFTSFRAGEN

Zahlungsbereitschaft für grünen Strom: Zunehmende
Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Mark Andor, Manuel Frondel und Stephan Sommer

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland sorgt unweigerlich für zunehmende Strompreise. Vor diesem Hinter-
grund hat das RWI die Zahlungsbereitschaft der privaten Haushalte für grünen Strom untersucht. Auf Basis der Ergebnisse
zweier Erhebungen aus den Jahren 2013 und 2015 unter jeweils mehr als 6.000 Haushalten des forsa-Haushaltspanels
zeigt sich, dass zwar die grundsätzliche Befürwortung der Förderung erneuerbarer Energien weiter gestiegen ist. Die Zah-
lungsbereitschaft für reinen Grünstrom hat sich gegenüber 2013 im Allgemeinen jedoch verringert. Angesichts dieser Ergeb-
nisse stellt sich die Frage nach der Akzeptanz der Bürger für die in Folge der Energiewende weiter wachsenden Belastungen.

Ausbau der alternativen Strom-                      Obwohl Windkraftanlagen eine der kosten-            Auf den PV-Zubau geht etwa die Hälfte des
erzeugung in Deutschland                            günstigsten alternativen Technologien dar-          Anstiegs der EEG-Umlage zwischen 2009
                                                    stellen, liegt diese Vergütung deutlich über        und 2015 zurück [3]. Da die Transforma-
Der Ausbau der Stromerzeugung auf Basis             den Strompreisen an der Börse, welche als           tion der Stromversorgung mit beinahe un-
erneuerbarer Energie-Technologien schrei-           Indikator für den Wert von Strom dienen.            vermindertem Tempo weitergeht und der
tet in Deutschland mit hohem Tempo vor-             Der Preis für Grundlaststrom betrug im Jahr         Ausbau der Windkraft mit der Novellierung
an. Der Anteil grünen Stroms an der Brut-           2015 durchschnittlich 3,2 Ct/kWh [2]. Die           des EEG im Jahr 2014 sogar forciert wurde,
tostromerzeugung stieg von etwa 6 % zur             Differenz zwischen der jeweiligen Einspei-           ist auch künftig mit einer Erhöhung der
Jahrtausendwende auf rund 30 % im Jahr              severgütung und dem Börsenstrompreis, die           EEG-Umlage und damit steigenden Strom-
2015 [1] . Zweifellos ist dieser weltweit wohl      im Fall von an Land erzeugtem Windstrom             preisen zu rechnen. Aller Voraussicht nach
unübertroffene Anstieg auf die Einführung            im Jahr 2015 bei durchschnittlich 5,7 Ct/           wird so das Erneuerbaren-Ziel eines Anteils
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)             kWh lag, wird auf die Stromrechnung aller           an grünem Strom von 35 % am Bruttostrom-
im Jahr 2000 zurückzuführen. Im Rahmen              (nicht-privilegierten) Stromverbraucher um-         verbrauch bis zum Jahr 2020 deutlich über-
des EEG bekommen die Betreiber von al-              gelegt.                                             troffen.
ternativen Stromerzeugungstechnologien
wie Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen            Diese sog. EEG-Umlage hat sich zwischen             Das EEG hat zu einem beachtlichen Ausbau
für jede produzierte Kilowattstunde (kWh)           2009 und 2017 mehr als verfünffacht und              der Leistung an alternativen Stromerzeu-
grünen Stroms, die in das öffentliche Netz           ist von 1,32 Ct/kWh auf 6,88 Ct gestiegen           gungs-Anlagen geführt. Diese stieg bis Ende
eingespeist wird, einen festen, meist 20 Jah-       (Abb. 1). Einen wesentlichen Anteil daran           des Jahres 2015 auf etwa das Achtfache
re lang in unveränderter Höhe gültigen Ver-         hatte der – häufig als Solarboom bezeich-            der im Jahr 2000 vorhandenen Kapazitäten
gütungssatz. So erhielten die Betreiber von         nete – exorbitante Ausbau der Kapazitäten           (Tab. 1). Die Kapazitäten von knapp 98 Giga-
an Land installierten Windkraft-Anlagen im          an Photovoltaik (PV). Diese erhöhten sich           watt (GW) erreichten im Jahr 2015 beinahe
Jahr 2015 eine Vergütung von 8,9 Ct/kWh             zwischen 2008 und 2015 um knapp 34 Gi-              das Niveau der konventionellen Stromerzeu-
Windstrom.                                          gawatt (GW), von 6 GW auf 39,8 GW (Tab. 1).         gungstechnologien. Grüner Strom hatte
                                                                                                        2015 jedoch nur einen Anteil von knapp
                                                                                                        einem Drittel an der Bruttostromerzeugung
                                                                                                        (Abb. 1).

                                                                                                        Der mit Abstand größte Zubau war für
                                                                                                        Photovoltaik und die Windkraft an Land
                                                                                                        (Onshore-Windkraft) zu verzeichnen. Wäh-
                                                                                                        rend der Ausbau der Onshore-Windkraft
                                                                                                        jedoch einigermaßen gleichmäßig verlief,
                                                                                                        erfolgte der PV-Zubau in den Jahren 2008
                                                                                                        bis 2013 explosionsartig. Erst nach 2013
                                                                                                        schritt der PV-Ausbau deutlich langsamer
                                                                                                        voran, die Onshore-Windkraft legte hinge-
                                                                                                        gen erheblich zu. Allein im Jahr 2014 wur-
                                                                                                        den 5,6 GW an Windkraft-Leistung an Land
                                                                                                        zugebaut (Tab. 1), mehr als doppelt so viel,
Abb. 1   EEG-Umlage in Ct/kWh (kWh) in den Jahren 2000-2017           Quellen: [1] und [9], S. 25)      als es der im EEG-2014 festgelegte Zubau-
                                                                                                        Korridor für Onshore-Windkraft von 2,4 bis

   14                                                                                         ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4
Der Klimaschutzbeitrag der deutschen Energiewende - ZUKUNFTSFRAGEN
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                                                                                                                              ZUKUNFTSFRAGEN

2,6 GW vorsieht. Auch die Zubau-Leistung
                                                  Tab.1: Konventionelle und alternative Stromerzeugungskapazitäten in
des Jahres 2015 von 3,7 GW übertraf diesen
                                                  Deutschland in Gigawatt (GW)
Korridor deutlich.
                                                  Jahr       Wasser-        Wind        Wind Off-      Photo-          Bio-        Summe alterna-     Konventionelle
                                                              kraft        Onshore       shore         voltaik        masse        tive Kapazitäten    Kapazitäten
Bemerkenswert ist, dass die Mitte des
                                                  2000          4,8           6,1           0,0           0,1          0,7              11,7               109,9
Zubau-Korridors von 2,5 GW um etwa ein
Viertel höher liegt als die durchschnittliche     2001          4,8           8,7           0,0           0,2          0,8              14,6               107,9
Zubau-Leistung vor der EEG-Novelle 2014:          2002          4,9          12,0           0,0           0,3          1,0              18,2               106,5
In den Jahren 2000 bis 2013 lag der Zubau         2003          5,0          14,4           0,0           0,4          1,4              21,2               105,6
im Mittel bei knapp 2 GW. Somit sieht das         2004          5,2          16,4           0,0           1,1          1,7              24,4               106,0
novellierte EEG einen deutlich stärkeren
                                                  2005          5,2          18,2           0,0           2,1          2,4              27,9               107,0
Windkraft-Zubau vor, als in früheren Jah-
                                                  2006          5,2          20,5           0,0           2,9          3,0              31,6               107,6
ren. Das widerspricht dem Ziel der Novelle,
den künftigen Kostenanstieg zu dämpfen.           2007          5,1          22,1           0,0           4,2          3,4              34,8              110,2
Für die Stromrechnung der Verbraucher             2008          5,2          22,8           0,0           6,1          3,7              37,8              110,4
kommt erschwerend hinzu, dass im Jahr             2009          5,3          25,7           0,0         10,6           4,9              46,5              111,4
2015 auch der Ausbau von Windparks vor            2010          5,4          26,8           0,1         17,9           5,5              55,7              111,6
den deutschen Küsten an Fahrt aufnahm.
                                                  2011          5,6          28,5           0,2         25,4           6,4              66,2              103,2
                                                  2012          5,6          30,7           0,3         33,0           6,8              76,4              102,1
Die Leistung der sog. Offshore-Windkraft
erhöhte sich 2015 um circa 1,8 GW und er-         2013          5,6          33,0           0,5         36,3           7,0              82,5              103,9
reichte insgesamt eine Kapazität von knapp        2014          5,6          37,6           1,0         38,3           7,3              89,8              104,3
2,8 GW. Wenngleich der Ausbau der – ne-           2015          5,6          41,2           3,4         39,8           7,4              97,4              104,1
ben der PV bislang ebenfalls sehr teuren –        Quellen: [9], S. 12 und [10], S. 13. Mit einer installierten Kapazität von 0,033 GW in 2015 sind geothermische Sys-
                                                  teme von vernachlässigbarer Relevanz und somit nicht Teil der Tabelle.
Stromerzeugung auf Biomasse-Basis mit der
Novellierung des EEG im Jahr 2014 massiv
eingeschränkt wurde, stellt sich die Frage,      circa 10.000 Haushalte umfasst und für die                      zweite Befragung beendet. Bei der ersten
ob vor dem Hintergrund des forcierten Aus-       deutschsprachige Wohnbevölkerung ab dem                         (zweiten) Befragung waren 65,6 % (66,0 %)
baus der Windkraft das mit der EEG-Novel-        Alter von 14 Jahren repräsentativ ist [4]. Bei-                 der Teilnehmer männlich, 34,4 % (34,0 %)
lierung bezweckte Ziel der Kostendämpfung        de Erhebungen waren insbesondere reprä-                         weiblich. Diese Ungleichverteilung ist da-
für die Verbraucher tatsächlich erreicht wer-    sentativ im Hinblick auf die regionale Vertei-                  durch bedingt, dass der Fragebogen vom
den kann.                                        lung nach Bundesländern [5].                                    „Haushaltsvorstand“ beantwortet werden
                                                                                                                 sollte, d. h. definitionsgemäß von derjenigen
Mittlerweile haben die Strompreise für           Die erste Befragung haben 6.522 Haushalts-                      Person, die typischerweise die finanziellen
private Haushalte, bemessen in Kaufkraft-        vorstände abgeschlossen. 5.276 Teilneh-                         Entscheidungen für den Haushalt trifft.
paritäten, die europäische Spitze erreicht       mer der zweiten Erhebung aus dem Jahr
(Tab. 2). Mit mehr als 28 Ct/kWh lagen die-      2015 haben auch an der ersten Befragung                         Von den Teilnehmern der zweiten Befragung
se Preise im 1. Halbjahr 2016 deutlich über      aus dem Jahr 2013 teilgenommen. Insge-                          haben 36,1 % die Realschule als höchsten
dem Durchschnitt der EU-28-Länder und            samt haben 6.389 Haushaltsvorstände die                         Schulabschluss angegeben. Zum Vergleich:
fielen für deutsche Haushalte fast doppelt
so hoch aus wie für französische Haushalte.       Tab.2: Strompreise in Kaufkraftparitäten (Ct/kWh) im europäischen
                                                  Vergleich im 1. Halbjahr 2016
Datenerhebung und                                                      Haushaltspreise                 Industrieller Verbrauch in Megawattstunden
Stichprobenbeschreibung
ZUKUNFTSFRAGEN

                                                                                                             für Strom zu zahlen, der ausschließlich aus
                                                                                                             erneuerbaren Energien erzeugt wird?“. Zur
                                                                                                             Beantwortung dieser hypothetischen Frage,
                                                                                                             die mit keinerlei finanziellen Konsequenzen
                                                                                                             für die Befragten verbunden war, sollten die-
                                                                                                             se annehmen, dass Strom, der zu 100 % auf
                                                                                                             Basis fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas
                                                                                                             und Erdöl) erzeugt wird, 100 € pro Monat
                                                                                                             kostet. Dieser Referenzwert ist rein fiktiv
                                                                                                             und als Normierung zu verstehen. Damit
                                                                                                             sollte den Befragten die Antwort erleichtert
                                                                                                             werden. Gleichzeitig erlaubt diese Normie-
                                                                                                             rung, die Antworten als relative Werte zu
                                                                                                             interpretieren.

                                                                                                             Der Vergleich der Antworten der 1.407
                                                                                                             Haushaltsvorstände, die diese Frage in bei-
                                                                                                             den Erhebungen beantworteten, zeigt, dass
                                                                                                             die Zahlungsbereitschaft für grünen Strom
                                                                                                             im Durchschnitt gesunken ist (Tab. 3). Wa-
                                                                                                             ren die Haushaltsvorstände im Jahr 2013
Abb. 2    Zahlungsbereitschaft für 100 % grünen Strom in den Jahren 2013 und 2015, wenn zu 100 % auf
          Basis fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas und Erdöl) erzeugter Strom annahmegemäß 100 € pro      bereit, für 100 % grünen Strom im Schnitt
          Monat kostet                                                                                       noch 10 % mehr zu bezahlen als für den
                                                                                                             fossilen Vergleichsmix, wie aus dem Medi-
In der Bevölkerung beläuft sich dieser An-             Stichprobe stärker repräsentiert sind als in          an von 110 € hervorgeht, wollten dieselben
teil nach den jüngsten Mikrozensus-Er-                 der Grundgesamtheit, ist für Erhebungen ty-           Haushaltsvorstände im Jahr 2015 im Durch-
gebnissen aus dem Jahr 2014 auf lediglich              pisch und unter dem Begriff Bildungs-Bias              schnitt keine höheren Kosten mehr in Kauf
27,2 %. Ebenfalls in der Stichprobe deutlich           bekannt. Dieser könnte zur Konsequenz                 nehmen (Median: 100 €). Das arithmetische
überrepräsentiert sind hohe Bildungsab-                haben, dass die im Folgenden dargestell-              Mittel von 93,6 € befindet sich sogar un-
schlüsse: 42,1 % der Antwortenden haben                te Zahlungsbereitschaft für grünen Strom              terhalb des Referenzwertes von 100 € für
die Fachhochschul- oder Hochschulreife,                tendenziell höher ausfällt als dies für die           den fossilen Vergleichsmix. Im Jahr 2013
während diese laut Mikrozensus nur einen               Bevölkerung generell der Fall sein könnte,            wollten dieselben Haushaltsvorstände im
Anteil von 31,9 % ausmachten (Statistisches            da aufgrund unserer früheren Analysen zu              Mittel hingegen noch 111,1 € für reinen
Bundesamt 2015). Antwortende mit Haupt-                erwarten ist, dass besser Gebildete eine hö-          Grünstrom bezahlen.
und Volksschulabschluss sind hingegen mit              here Zahlungsbereitschaft haben [6].
einem Anteil von 21,6 % in der Stichprobe                                                                    Noch deutlicher zu Tage tritt das Sinken der
unterrepräsentiert (Mikrozensus: 37,6 %).              Hypothetische Zahlungsbereit-                         Zahlungsbereitschaft in Abb. 2. Mit 58,2 %
                                                       schaft für 100 % grünen Strom                         haben fast drei Fünftel jener Haushaltsvor-
Somit lässt sich feststellen, dass die Stich-                                                                stände, die in beiden Jahren die entsprechen-
probe im Hinblick auf Merkmale wie Ge-                 Um die Zahlungsbereitschaft für grünen                de Frage beantworteten, ihre Zahlungsbereit-
schlecht und vor allem Bildung nicht re-               Strom empirisch zu ermitteln, wurde den               schaft gegenüber dem Jahr 2013 verringert.
präsentativ für die Bevölkerung ist. Die               Teilnehmern die folgende Frage gestellt:              Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn jeweils
Tatsache, dass die besser Gebildeten in der            „Wie viel wären Sie privat maximal bereit,            sämtliche Antworten auf diese Frage betrach-
                                                                                                             tet werden (Tab. 3), nicht nur die derselben
 Tab.3: Zahlungsbereitschaft für 100 % grünen Strom in den Jahren                                            Haushaltsvorstände. Auch bei diesem Ver-
 2013 und 2015, wenn Strom, der zu 100 % auf Basis fossiler Energie-                                         gleich sinkt die durchschnittliche Zahlungs-
 träger (Kohle, Erdgas und Erdöl) erzeugt wird, annahmegemäß 100 €                                           bereitschaft für reinen Grünstrom, gemessen
 pro Monat kostet                                                                                            anhand des Medians, um 10 €.
                             Vergleich der Antworten derselben Probanden Jeweils alle Antworten
                                      2013                      2015                2013         2015        Bei beiden Vergleichen, dem derselben Haus-
 Median                             110,0 €                   100,0 €              110,0 €      100,0 €      haltsvorstände und dem sämtlicher Antwor-
 Arithmetisches Mittel              111,1 €                     93,6 €             112,6 €       94,1 €      ten, fällt auf, dass die unteren Quartile sich
 25 % Quantil                       100,0 €                     67,0 €             100,0 €       65,0 €      am stärksten verringert haben: diese sanken
                                                                                                             von jeweils 100 € im Jahr 2013 auf 67 € bzw.
 75 % Quantil                       125,0 €                   120,0 €              125,0 €      120,0 €
                                                                                                             65 € im Jahr 2015. D. h.: Bezogen auf die Zah-
 Zahl an Beobachtungen                1.407                     1.407                2.303        5.676
                                                                                                             lungsbereitschaft im Jahr 2013 möchten die

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ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                     ZUKUNFTSFRAGEN

Haushaltsvorstände des unteren Quartils im       dies sich negativ auf die Zahlungsbereit-               würde von 42,5 % der entsprechend Befrag-
Jahr 2015 für reinen Grünstrom 33 bzw. 35 %      schaft der Bürger für grünen Strom ausge-               ten akzeptiert, eine Erhöhung um 4 Ct wür-
weniger bezahlen. Mit 5 € sind die oberen        wirkt haben könnte. Andererseits könnten                den noch 31,3 % der jeweiligen Haushalts-
Quartile hingegen weit weniger stark zurück-     die Bürger in der Förderung der Erneuerba-              vorstände hinnehmen.
gegangen. Diejenigen Haushaltsvorstände,         ren ein Mittel sehen, um dem Klimawandel
die im Jahr 2013 bereit waren, mindestens        zu begegnen. Dieser wird, so zeigen die em-             Die 2.880 Befragten, die einen selbstgewähl-
25 % mehr pro Monat für 100 % grünen Strom       pirischen Ergebnisse der beiden Erhebun-                ten Betrag für die von ihnen tolerierte Er-
zu bezahlen, waren 2015 noch immer bereit,       gen, von den Befragten als wachsende Be-                höhung der EEG-Umlage angeben durften,
mindestens 20 % mehr als für den fossilen        drohung wahrgenommen. So gab eine große                 sind im Mittel bereit, 4,3 Ct/kWh mehr zu
Vergleichsmix zu zahlen.                         Mehrheit von 78,3 % der Haushaltsvorstän-               bezahlen. Der Median liegt mit 2 Ct/kWh
                                                 de im Jahr 2015 an, dass bereits heute ein              jedoch deutlich darunter (Die dieser Grup-
Abschließend ist anzumerken, dass grund-         globaler Klimawandel stattfindet. Dieser                 pe gestellte Frage lautet: „Um dieses Ziel
sätzlich davon ausgegangen werden muss,          Meinung waren in der Befragung von 2013                 [35 % Strom aus erneuerbaren Energien an
dass in einer hypothetischen Befragungssi-       lediglich 72,5 %.                                       der Stromproduktion] zu erreichen: Wie vie-
tuation wie der vorliegenden die Probanden                                                               le Ct/kWh dürfte die EEG-Umlage maximal
ihre tatsächliche Zahlungsbereitschaft für       Akzeptanz künftiger                                     erhöht werden, so dass Sie noch bereit wä-
reinen Grünstrom tendenziell überschätzen,       Erhöhungen der EEG-Umlage                               ren, dies zu zahlen?“).
da die Angaben mit keinerlei finanziellen
Konsequenzen für die Befragten verbun-           Angesichts der Aussicht auf weiter stei-                Kein Rückgang der EEG-
den sind und diese möglicherweise nicht          gende Kosten der Energiewende wurden                    Umlage vor dem Jahr 2023
berücksichtigen, dass ihnen in einer realen      in der Erhebung aus dem Jahr 2015 auch
Entscheidungssituation das für die Erneu-        Fragen zur Toleranz künftiger Erhöhungen                Eine Studie des Öko-Instituts [8] prognos-
erbaren ausgegebene Geld nicht mehr für          der EEG-Umlage gestellt. Dazu wurden die                tiziert, dass bei weiterhin ehrgeizigem
andere Konsumzwecke zur Verfügung steht.         Befragten zufällig einer von zwei Gruppen               Erneuerbaren-Ausbau kein Rückgang der
                                                 zugeteilt. Die Befragten der einen Gruppe               EEG-Umlage vor dem Jahr 2023 erwartet
Diese potenzielle Verzerrung der hypotheti-      erhielten die Möglichkeit, einen selbstge-              werden kann. Vielmehr würden die Strom-
schen Zahlungsbereitschaft ist in der Lite-      wählten Betrag zwischen 0 und 9.999 Ct                  kosten für die Verbraucher bis dahin noch
ratur unter dem Begriff „hypothetical bias“       anzugeben, den sie als maximale Erhöhung                um 1-2 Ct/kWh ansteigen. Weiter steigende
bekannt [7]. Unter der Annahme, dass die-        der EEG-Umlage tolerieren würden, damit                 Strompreise für die Verbraucher dürften so-
ser Bias für die einzelnen Befragten über        das für das Jahr 2020 avisierte Ziel eines              mit unvermeidbar sein. Vor diesem Hinter-
die Zeit hinweg konstant ist, kann jedoch        Grünstrom-Anteils von 35 % am Stromver-                 grund sollten die Ergebnisse unserer Studie
geschlussfolgert werden, dass die Differenz       brauch erreicht werden kann.                            nachdenklich stimmen. So zeigte sich, dass
der Zahlungsbereitschaften für die Jahre                                                                 zwar die grundsätzliche Befürwortung für
2013 und 2015 die zeitliche Änderung der         Den Befragten einer zweiten Gruppe wurde                die Förderung erneuerbarer Energien wei-
Zahlungsbereitschaft für reinen Grünstrom        zufällig einer von drei Erhöhungsbeträgen               ter gestiegen ist, die Zahlungsbereitschaft
unverzerrt wiedergibt.                           der EEG-Umlage von 1, 2 oder 4 Ct/kWh                   für reinen Grünstrom sich gegenüber 2013
                                                 genannt, den sie im Wesentlichen akzep-                 im Allgemeinen jedoch verringert hat.
Konträr zur sinkenden Zahlungsbereit-            tieren oder ablehnen konnten. Die zufällige
schaft für 100 % grünen Strom hat sich die       Zuteilung erfolgte so gesteuert, dass die-              Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die
Einstellung zur Förderung von erneuer-           se Gruppe in drei etwa gleich große Teile               Frage nach der Akzeptanz der Bürger für
baren Energien zum Positiven verändert.          aufgeteilt wurde (Abb. 3). Von den Teilneh-             die im Zuge der Energiewende weiter wach-
Unter den 5.004 Haushaltsvorständen, die         mern, die einen Erhöhungsbetrag von 1 Ct/               senden Belastungen. Diese Frage stellt sich
sowohl 2013 als auch 2015 auf die Frage ge-      kWh genannt bekamen, wäre mit 50,8 % der                umso mehr, als die hier dargestellten Zah-
antwortet haben, ob es grundsätzlich rich-       entsprechend Befragten etwas mehr als die               lungsbereitschaften auf rein hypothetischen
tig sei, erneuerbare Energien zu fördern,        Hälfte bereit, diese Erhöhung zu bezahlen.              Entscheidungssituationen beruhen und da-
nahm der Anteil der Befürworter von 84,4 %       Eine Erhöhung der EEG-Umlage um 2 Ct                    her überschätzt sein könnten, da die angege-
im Jahr 2013 auf 88,0 % im Jahr 2015 zu.
(Diese Frage wurde jeweils vor Abfrage der
Zahlungsbereitschaften gestellt.)

Diese scheinbar widersprüchlichen Ergeb-
nisse mögen einerseits der Tatsache ge-
schuldet sein, dass die gerade in den Jahren
2013 und 2014 besonders stark gestiegene
                                                  Abb. 3   Toleranz möglicher Erhöhungen der EEG-Umlagen (Frage: „Sind Sie bereit, eine Erhöhung der EEG-
EEG-Umlage zunehmend Gegenstand der                        Umlage um 1/2/4 Ct/kWh (auf dann 7,24/8,24/10,24 Ct/kWh) zu zahlen, um dieses Ziel (35 %
Medienberichterstattung geworden ist und                   Strom aus erneuerbaren Energien an der Stromproduktion) zu erreichen?“)

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 67. Jg. (2017) Heft 4                                                                                              17
ZUKUNFTSFRAGEN

benen Geldbeträge in der Realität nicht von               [5] Andor, M., Frondel, M., Guseva, M., Sommer, S.:        [9] BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und
den Befragten entrichtet werden mussten.                  Zahlungsbereitschaft für grünen Strom: Zunehmende          Energie: Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren
                                                          Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zeitschrift        Energien in Deutschland. Berlin 2016. URL:
Literatur                                                 für Energiewirtschaft 40 (4)/2016, S. 199-209.             http://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/
                                                          [6] Andor, M., Frondel, M. und Vance, C.: Hypothetische    DE/Downloads/zeitreihen-zur-entwicklung-der-erneu-
[1] AGEB – Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen:           Zahlungsbereitschaft für grünen Strom: Bekundete           erbaren-energien-in-deutschland-1990-2015.pdf;jses
Bruttostromerzeugung in Deutschland ab 1990 nach          Präferenzen privater Haushalte für das Jahr 2013. Per-     sionid=1CC4523D1A53107BC0E7BA4166E549CB?__
Energieträgern. URL:www.ag-energiebilanzen.de. Zu-        spektiven der Wirtschaftspolitik 15 (4)/2014, S. 1-12.     blob=publicationFile&v=6. Zugegriffen: 27.9.2016.
gegriffen: 18.1.2017.                                      [7] Bishop, R. C., Heberlein, T. A.: Measuring Valu-       [10] BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasser-
[2] EEX – European Energy Exchange AG: Durchschnitt-      es of Extramarket Goods: Are Indirect Measures Bi-         wirtschaft e.V.: Erneuerbare Energien und das EEG:
licher Preis für Baseload-Strom an der EPEX Spot je       ased? American Journal of Agricultural Economics           Zahlen, Fakten, Grafiken, Berlin 2016.
Quartal. URL: http://cdn.eex.com/document/52446/          61(5)/1979, S. 926-930; Harrison, G. W.: Experimen-        [11] Eurostat: Energiepreisstatistik. URL:
Phelix_Quarterly.xls. Zugegriffen: 27.9.2016.              tal Evidence on Alternative Environmental Valuation        http://ec.europa.eu/eurostat/web/energy/data/data-
[3] Frondel, M., Schmidt, C. M., Vance, C. Revisiting     Methods. Environmental and Resource Economics 34           base. Zugegriffen: 17.1.2017.
Germany‘s Solar Cell Promotion: An Unfolding Disas-       (1)/2006, S. 125-162; Loomis, J.: What‘s to know about
ter. Economic Analysis and Policy 44 (1)/2014, S. 3-13.   the hypothetical bias in preference valuation studies,     M. Andor und S. Sommer, RWI Leibniz-Ins-
[4] Andor, M., Frondel, M. und Sommer, S.: Klimawan-      Journal of Economic Surveys 25 (2)/2011, S. 363-370.       titut für Wirtschaftsforschung; M. Frondel,
del: Wahrnehmung und Einschätzungen der deutschen         [8] Öko-Institut: Die Entwicklung der EEG-Kosten bis       RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsfor-
Haushalte im Herbst 2012. Zeitschrift für Energiewirt-    2035. Studie im Auftrag von Agora Energiewende. Frei-      schung und Ruhr-Universität Bochum
schaft 38 (1)/2014; S. 1-12.                              burg 2015.                                                 frondel@rwi-essen.de

 Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Förderung dieser Studie im Rahmen des Förder-
 schwerpunkts „Ökonomie des Klimawandels“ (http://www.ptdlr-klimaundumwelt.de/de/773.php) und Maja Guseva für wertvolle
 Vorarbeiten. Dieser Beitrag stellt eine aktualisierte und gekürzte Fassung unseres in der Zeitschrift für Energiewirtschaft erschie-
 nen Artikels dar (siehe [5]).

 IG BCE: Langfristige Perspektiven unserer Energieversorgung in den Blick nehmen
 In diesem Jahr hatte es die Jahrespressekonferenz der Industriegewerk-                 den gut 500 Mrd. € an Förderung und Verbindlichkeiten angefallen. Das
 schaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) im idyllischen Haltern am See                 ist jetzt schon weit mehr als die Kohlesubventionen der vergangenen 60
 besonders in sich. „Wir schrecken nicht davor zurück, den Finger in die                Jahre! Zur Behebung der Engpässe in den Netzen, so schätzt die Bun-
 Wunden zu legen“, stimmte der Vorsitzende Michael Vassiliadis die Jour-                desnetzagentur, sind bis zum Jahr 2023 4 Mrd. € aufzubringen. Der IG
 nalisten ein. Wer erinnert sich noch daran, was er am 24.1.2017 getan                  BCE-Vorsitzende: „Wir können nicht ungerührt zusehen, dass die Energie-
 hat? An diesem Tag war die Stromversorgung im ganzen Land nur mit                      versorgung immer unsicherer wird.“
 allergrößter Mühe aufrecht zu erhalten. Weil es bewölkt war und sich
 kein Lüftchen regte, konnten die erneuerbaren Energien lediglich 5 % des               Dringend gebraucht werden Alternativen zu den Alternativen. Anders for-
 benötigten Stroms ins Netz speisen. Es herrschte „Dunkelflaute“. Über                   muliert: „Eine ökonomisch und sozial vernünftige Energiewende, wie sie in
 Wochen sorgte das Wetter dafür, dass die meisten der 27 000 Windkraft-                 Haltern schon immer gefordert wurde.“ So sollte die Braunkohle als Garant
 und 1,2 Mio. Solaranlagen ausfielen. Vom drohenden Blackout hat aller-                  der Grundlast nicht vorschnell aufgegeben werden, sollten der Netzausbau
 dings niemand etwas bemerkt.                                                           forciert sowie mehr und bessere Stromspeicher installiert werden. Sich im
                                                                                        Notfall auf Lieferungen aus dem Ausland zu verlassen, ist gewagt, wenn
 Die deutschen Energieversorger konnten darauf reagieren und haben die                  nicht gar leichtsinnig. Diese Mängel münden in eine klare Forderung, be-
 Lücke geschlossen, „indem sie auch noch das letzte Reservekraftwerk                    tont Vassiliadis: „Die Regierenden sollten sich endlich Gedanken über die
 ans Netz nahmen“. Kohle, Gas und Kernkraft hielten das Land quasi im                   langfristigen Perspektiven unserer Energieversorgung machen.“
 Alleingang unter Strom. Diese von den Protagonisten der Energiewen-
 de offenbar klaglos in Kauf genommene Situation könnte sich jederzeit                   Was es an weiterführenden Alternativen zur derzeit blockierenden Va-
 wiederholen. Wenn, wie geplant, zwischen 2016 und 2019 der Rückbau                     riante „Energiewende“ gibt, liegt schon seit langem auf dem Tisch: re-
 von 30 konventionellen Kraftwerken durchgezogen wird, ist ein flächen-                  volutionäre Hochtechnologie für den Strommix der Zukunft, künstliche
 deckender Stromausfall demnächst so gut wie sicher. Das Resultat sind                  Fotosynthese, Power-to-X und – man höre und staune – die Kernfusion.
 dann unkalkulierbare Folgen für Unternehmen und Verbraucher. Den be-                   In letztere stecken Länder außerhalb Europas derzeit Milliardensummen.
 schleunigten Ausstieg aus der Kohle zu fordern, mutet bei solchen Aus-                 Hier gilt es mitzuhalten oder man wird abgehängt. Ohne eine belast- und
 sichten jedenfalls grob fahrlässig an.                                                 bezahlbare Energieversorgung drohen Deutschland und Europa als Inves-
                                                                                        titionsstandorte für energieintensive Unternehmen ins Hintertreffen zu
 „Die Qualität des Produkts sinkt, gleichzeitig steigt sein Preis.“ Micha-              geraten. Mit einem Plädoyer für die „Innovationsfähigkeit von Schlüssel-
 el Vassiliadis legt Zahlen vor, die eine neue Bundesregierung im Herbst                industrien“ schließt Michael Vassiliadis die Pressekonferenz.
 zum Gegensteuern veranlassen sollten: Allein die EEG-Umlage verschlingt
 jährlich 25 Mrd. €. Seit Beginn der Energiewende sind für die Stromkun-                                                Klaus Niehörster, Fachjournalist, Düsseldorf

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