Epidemiologisches Bulletin 29 2021 - RKI

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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN
                ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  29 Epidemiologisches
2021 Bulletin
22. Juli 2021

                Welt-Hepatitis-Tag:
                Virushepatitis B und D im Jahr 2020
Epidemiologisches Bulletin          29 | 2021       22. Juli 2021                                                          2

  Inhalt

  Virushepatitis B und D im Jahr 2020                                                                                          3
  Infektionen mit Hepatitis-B-Viren (HBV) gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Hepa-
  titis  D ist ebenfalls weltweit verbreitet, auch wenn Deutschland zu den Niedrigprävalenzländern gehört. So-
  wohl die WHO als auch das Bundesministerium für Gesundheit haben Strategien zur Eindämmung von
  Hepatitis  B veröffentlicht – die COVID-19-Pandemie stellt jedoch eine große Herausforderung beim
  ­Erreichen der Eliminierungsziele bis 2030 dar. In Deutschland wurden im Jahr 2020 24 % weniger HBV-
   Infektionen übermittelt als im Vorjahr. Die Gründe für die Reduktion übermittelter Fallzahlen sind vielfäl-
   tig. Die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitsversorgung, den öffentlichen Gesundheitsdienst aber auch
   das Kontaktverhalten der Bevölkerung drastisch verändert. Die Reduktion der Fallzahlen könnte aber auch
   durch die Änderungen im IfSG im Jahr 2017 begründet sein.

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 28. Woche 2021                                                    22

  Impressum
  Herausgeber                                                       Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                              Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                         www.rki.de/epidbull
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  Redaktion                                                         die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Dr. med. Maren Winkler (Vertretung)                               Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
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  E-Mail: SeedatJ@rki.de

  Nadja Harendt (Redaktionsassistenz)
  Telefon: 030 18754 – 24 55
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)                      ISSN 2569-5266
  E-Mail: EpiBull@rki.de

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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  Virushepatitis B und D im Jahr 2020

  Infektionen mit Hepatitis-B-Viren (HBV) gehören             wiegend sexuell und durch Kontakt mit kontami-
  zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit.           niertem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten (z. B.
  Im Fall eines chronischen Verlaufs zählen sie zu            Sperma und Vaginalsekret). Eine HBV-Infektion ver-
  den bedeutendsten Ursachen von Leberzirrhose                läuft bei Erwachsenen häufig asymptomatisch oder
  und Leberzellkarzinom. Der Tod infolge eines Le-            mit unspezifischen Beschwerden. Nur in etwa ei-
  berzellkarzinoms rangiert weltweit auf Platz zwei           nem Drittel der Fälle entsteht das klinische Bild ei-
  der krebsbedingten Todesursachen. Nach Schätzun-            ner akuten ikterischen Hepatitis. In 0,5 – 1% der Fäl-
  gen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ster-             le verläuft die Infektion fulminant mit akutem Le-
  ben weltweit jährlich 820.000 Menschen an Hepa-             berversagen. Über 90 % der akuten Hepatitis-B-
  titis B.1 Deutschland zählt in Bezug auf die Allge-         Erkrankungen bei Erwachsenen heilen aus und füh-
  meinbevölkerung zu den Niedrigprävalenzregio-               ren zu einer lebenslangen Immunität. Jedoch kann
  nen, dennoch sind vulnerable Gruppen besonders              das Virus auch bei Personen mit nachweisbaren An-
  betroffen. Das Bundesministerium für Gesundheit             tikörpern gegen das Hepatitis-B-Surface-Antigen
  (BMG) hat sich mit der „Strategie zur Eindämmung            (anti-HBs) lebenslang als covalently closed circular
  von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell              DNA (cccDNA) persistieren und zu einer Reaktivie-
  übertragbaren Infektionen (STI) bis 2030“ die nach-         rung des Virus (z. B. bei Immunsuppression) füh-
  haltige Eindämmung dieser Infektionskrankheiten             ren.4 Bei 5 – 10% der HBV-infizierten Erwachsenen
  zum Ziel gesetzt.2 Auch die WHO hat durch ihren             entwickelt sich eine chronische Verlaufsform. Im
  Aktionsplan gegen Virushepatitis die Aufmerksam-            frühen Kindesalter verläuft die Infektion hingegen
  keit für Hepatitis B erhöht.3 Ziel des Plans ist die        in ca. 90% chronisch, bei immunkompromittierten
  Eliminierung der Virushepatitis als eine Bedrohung          Personen in 30 – 90% der Fälle. Unter den chronisch
  der öffentlichen Gesundheit bis 2030. Aktuell ent-          HBV-Infizierten entwickeln 20 – 30% eine Leberzir­
  wickelt die WHO einen neuen Strategieplan für die           rhose oder ein Leberzellkarzinom.5
  Jahre 2022 – 2030.
                                                              Zur Diagnostik und Therapie der HBV-Infektion
  Am 28. Juli 2021 findet der diesjährige Welt-Hepa-          verweisen wir auf die neu veröffentlichte S3-Leit­
  titis-Tag unter dem Motto „Hepatitis kann nicht             linie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der
  warten!“ statt, welches sich an das Motto der World         Hepatitis-B-Virusinfektion.6
  Hepatitis Alliance (WHA) anlehnt und als politische
  Forderung gemeint ist, dass mehr Anstrengungen              Seit 1982 stehen zum Schutz vor Hepatitis B Impf-
  zur Eindämmung dieser Infektionen unternommen               stoffe mit hoher Wirksamkeit und guter Verträglich-
  werden müssen.                                              keit zur Verfügung. Internationalen Studien zufolge
                                                              kann nach erfolgreicher Grundimmunisierung von
                                                              einem langjährigen, möglicherweise sogar lebens-
  1. Hintergründe zu Infektionen mit                          langen Schutz vor einer Hepatitis-B-Erkrankung
  Hepatitis B und D                                           ausgegangen werden. Die Ständige Impfkommis­
                                                              sion (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) emp-
  1.1 Hepatitis B                                             fiehlt seit 1995 eine generelle Schutzimpfung gegen
  Hepatitis B ist eine durch HBV ausgelöste Leberent-         Hepatitis B im Säuglingsalter, mit Nachholung ver-
  zündung. Das HBV ist ein DNA-Virus aus der Fami-            säumter Impfungen bis zum 18. Lebensjahr. Darü-
  lie der Hepadnaviridae. Die Übertragung erfolgt vor-        ber hinaus empfiehlt die STIKO eine Hepatitis-B-
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  Impfung Angehörigen bestimmter Risikogruppen,                 2. Epidemiologische Situation weltweit
  wie Patientinnen und Patienten mit Immunsup-
  pression oder Personen mit erhöhtem Expositions-              2.1 Hepatitis B
  risiko (unter anderem intravenös (i.v.) Drogenge-             Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrank-
  brauchenden, Gefängnisinsassen, Personen mit                  heiten. Weltweit lebten im Jahr 2019 nach Angaben
  ­Sexualverhalten mit hohem Infektionsrisiko sowie             der WHO 296 Millionen Menschen mit einer chro-
   expositionsgefährdetes Personal in medizinischen             nischen Hepatitis B.1 Die WHO geht davon aus,
   Einrichtungen), s. hierzu die aktuelle ­STIKO-               dass etwa 65 Millionen Frauen im reproduktiven Al-
   Empfehlung. In Deutschland stehen monovalente                ter chronisch mit HBV infiziert sind (Schätzung für
   Hepatitis-B-Impfstoffe, bivalente Kombinations-              das Jahr 2015) und damit das Risiko für eine Mutter-­
   impfstoffe gegen Hepatitis A und B und hexavalen-            Kind-Übertragung besteht.15 Trotz der Verfügbarkeit
   te Kombinationsimpfstoffe mit Hepatitis-B-Kompo-             einer wirksamen Schutzimpfung infizieren sich je-
   nente für Kinder zur Verfügung. In Abhängigkeit              des Jahr schätzungsweise 1,5 Million Menschen mit
   vom verwendeten Impfstoff und Impfschema be-                 Hepatitis B und im Jahr 2019 starben etwa 820.000
   steht eine vollständige Grundimmunisierung aus 3             Menschen weltweit an den Folgen einer HBV-Infek-
   bzw. 4 Impfdosen. Seit Juni 2020 wird bei Kombi-             tion.1 Die WHO geht davon aus, dass weltweit nur
   nationsimpfstoffen im Säuglingsalter statt des               10 % der chronisch mit Hepatitis B Infizierten diag-
   4-Impfdosen-Schemas nun ein 3-Dosen-Schema                   nostiziert sind und 22 % von ihnen eine Therapie
   empfohlen.7 Für weitere Informationen zur Präven-            erhalten.1
   tion von HBV-Infektionen verweisen wir auf den
   RKI-Ratgeber zu Hepatitis B und D.8                          Die Hepatitis-B-Prävalenz war im Jahr 2015 in der
                                                                West-Pazifik-Region und in Afrika mit etwa 6 %
  1.2 Hepatitis D                                               weltweit am höchsten. In der Mittelmeerregion,
  Das Hepatitis-D-Virus (HDV), ist ein RNA-Virus,               Südostasien und der Europäischen Region schätzte
  das HBV zur Replikation benötigt.                             die WHO eine Prävalenz von 3,3 %, 2,0 % und 1,6 %.
                                                                Demgegenüber sind weniger als 1 % der Bevölke-
  Die Übertragung des HDV erfolgt wie beim HBV                  rung in der amerikanischen Region infiziert.16,17 Die
  sexuell oder durch kontaminiertes Blut oder konta-            Transmission folgt zwei epidemiologischen Mus-
  minierte Blutprodukte. Eine HBV-Koinfektion mit               tern: Während die Übertragung in Niedrigpräva-
  HDV kann in 70 – 90 % der Fälle zu schweren chro-             lenzgebieten wie Westeuropa überwiegend über Ri-
  nischen Verläufen führen. Es wurde geschätzt, dass            sikoverhalten wie Sexualverkehr und i. v.-Drogen­
  HDV für 18 % der Leberzirrhosen und 20 % der                  gebrauch erfolgt, wird das Virus in Hochprävalenz-
  ­Leberzellkarzinome, die mit Hepatitis B assoziiert           gebieten wie Subsahara-Afrika häufig perinatal
   sind, verantwortlich ist.9,10 Die Infektion kann so-         übertragen.4
   wohl gleichzeitig mit einer Hepatitis B erfolgen
   ­(Simultaninfektion) als auch als Infektion einer be-        WHO-Schätzungen zufolge waren in der Europäi-
    reits bestehenden chronischen Hepatitis B auftreten         schen Region im Jahr 2015 etwa 15 Millionen Men-
    (Superinfektion). Das klinische Krankheitsbild und          schen mit HBV infiziert.15 Laut Schätzungen des
    der Krankheitsverlauf sind abhängig von der Art der         ­European Centre for Disease Prevention and Control
    Infektion (Simultan- oder Superinfektion). Im Falle          (ECDC) anhand Prävalenzstudien der Jahre 2005 –
    einer Superinfektion sind fulminante Verläufe häu-           2015 leben etwa 4,7 Millionen Menschen mit einer
    fig und die Progression zur Leberzirrhose wird be-           chronischen Hepatitis B in den Ländern der EU und
    schleunigt. Jahrzehntelang stand keine wirksame              des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Aller-
    antivirale Therapie gegen HDV zur Verfügung.9,11,12          dings existieren auch in Europa ausgeprägte Unter-
    Im Juli 2020 erhielt Bulevirtid eine bedingte Markt-         schiede in der regionalen Verbreitung.18 Die Präva-
    zulassung in der Europäischen Union (EU). Weitere            lenz der chronischen HBV-Infektion (HBs-Antigen
    Substanzen werden zur Zeit in klinischen Studien             nachweisbar) in der Allgemeinbevölkerung variiert
    der Phase II und III erforscht.13,14                         von 0,1% in Irland bis zu über 4% in Rumänien und
                                                                 ist höher in den östlichen und südlichen Ländern als
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  in den nördlichen und westlichen.18 Die Prävalenz ist        3.1 Situation auf Basis der Meldedaten nach
  höher in vulnerablen Gruppen, wie z. B. Migrantin-           Infektionsschutzgesetz
  nen und Migranten, Männer die Sex mit Männern
  haben (MSM) und injizierende Drogengebrauchen-               3.1.1 Anpassung des Infektionsschutzgesetzes
  de, was auf Impflücken und Notwendigkeit einer               und der Falldefinitionen
  zielgerichteten Prävention hindeutet.18,19                   In Deutschland bestehen für Hepatitis B und D ge-
                                                               mäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) namentliche
  2.2 Hepatitis D                                              ­Labor- und Arztmeldepflichten. Am 25. Juli 2017 ist
  Hepatitis D kommt weltweit vor. In einem im Jahr              das Gesetz zur Änderung der epidemiologischen
  2020 durchgeführtem systematischen Review wur-                Überwachung übertragbarer Krankheiten in Kraft
  de berechnet, dass 4,5 % (95 %-Konfidenzintervall             getreten. Seither besteht eine Meldepflicht nach § 6
  (95 %-KI) 3,6 – 5,7) der HBsAg-positiven Personen             IfSG für die feststellenden Ärztinnen und Ärzte bei
  eine Infektion mit HDV aufweisen.9 Insgesamt sind             Verdacht auf bzw. Erkrankung oder Tod durch eine
  circa 12 Millionen Personen weltweit mit HDV infi-            akute Virushepatitis. Nach § 7 IfSG besteht eine Mel-
  ziert.9 Zu den Hochprävalenzgebieten gehören unter            depflicht für Laborleiterinnen und -leiter bei allen
  anderem: Mongolei, Republik Moldau und West-                  Nachweisen einer Hepatitis B sowie Hepatitis D,
  und Zentralafrika.9 Aus vielen Ländern fehlen jedoch          unabhängig vom klinischen Bild (symptomatisch
  belastbare Daten. Die HDV-Prävalenz ist bei Men-              oder asymptomatisch) und Stadium der Erkrankung
  schen, die Drogen injizieren und mit Hepa­titis  C            (akut oder chronisch).24 Allerdings müssen hier die
  (HCV) oder mit dem Humanen Immundefizienz-                    Nachweise auf ein Vorhandensein des Erregers
  Virus (HIV) infiziert sind, höher.9                           ­gerichtet sein, also auf eine aktive (replikative) akute
                                                                 oder chronische HBV-Infektion der betroffenen
                                                                 ­Person hinweisen. Hierzu veröffentlichte das RKI
  3. Epidemiologische Situation in                                Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ).
  Deutschland
  Deutschland gehört zu den Niedrigprävalenzlän-               Die Anpassung der Falldefinition seit dem 1. Januar
  dern für Hepatitis B. Die „Studie zur Gesundheit             2015 wurde ausführlich im Jahresbericht 2016 er-
  Erwachsener in Deutschland“ ergab für den Zeit-              läutert.25 Seit 2015 erfüllen auch Fälle, die die Krite-
  raum 2008 – 2011 eine HBsAg-Prävalenz von 0,3 %              rien des klinischen Bildes nicht zeigen oder bei de-
  in der Allgemeinbevölkerung. 5,1 % der Erwachse-             nen diese nicht ermittelbar sind, die Referenzdefi-
  nen wiesen Marker für eine HBV-Infektion in der              nition.26
  Vergangenheit oder aktuell (Hepatitis B Core-Anti-
  körper, anti-HBc) auf.20 In der Kinder- und Jugend-          In den Meldedaten wurden folgende Datenkorrek-
  gesundheitsstudie, die von 2003 – 2006 durchge-              turen vollzogen: Ab dem Meldejahr 2019 erfüllen
  führt wurde, lag die HBsAg-Prävalenz bei Kindern             alle als „chronisch“ übermittelten Fälle die Refe-
  und Jugendlichen bei 0,2 %. 0,5 % wiesen anti-HBc            renzdefinition sowie ab dem Meldejahr 2015 alle Fäl-
  auf.21                                                       le in den Falldefinitionskategorien D und E, die bis-
                                                               her nicht die Referenzdefinition erfüllten.
  Die epidemiologische Datenlage zu Hepatitis B und
  C wurde durch das RKI in einem breit angelegten              3.1.2 Hepatitis B
  Scoping-Review von Publikationen der Jahre 2005 –            Für das Jahr 2020 wurden insgesamt 6.798 Hepa-
  2017 systematisch untersucht.22,23 Die Gesamtpräva-          titis-B-Fälle an das RKI gemäß Falldefinition und
  lenz von HBsAg in der Allgemeinbevölkerung lag               nach Referenzdefinition übermittelt. Dies entsprach
  zwischen 0,3 und 1,6 %. Unter vulnerablen Grup-              einer bundesweiten Inzidenz von 8,2 gemeldeten
  pen lag die Prävalenz zwischen 0,2 % (bei Personen           Infektionen pro 100.000 Einwohnern (Einw.). Von
  mit rheumatologischen Erkrankungen) und 4,5 %                den übermittelten Fällen waren 375 als akut (0,5 pro
  bei HIV-positiven Personen.23                                100.000), 3.071 als chronisch (3,7 pro 100.000) und
                                                               3.352 als Stadium unbekannt (4,0 pro 100.000)
                                                               übermittelt. Die akuten Fälle wurden am häufigsten
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                                                                Ingesamt        Akute Infektion     Chronische Infektion         Stadium unbekannt
   Kategorie                                                      Anzahl       Anzahl     Anteil     Anzahl      Anteil          Anzahl     Anteil
   klinisch-labordiagnostisch (C)                                  930          263        70 %       484        16 %             183        5%
   labordiagnostisch bei nicht erfülltem klinischen Bild (D)      3.160         110        29 %      2.581       84 %             469        14 %
   labordiagnostisch bei unbekanntem klinischen Bild (E)          2.708          2        0,5 %        6         0,2 %            2.700      81 %
   Referenzdefinition (C+D+E)                                     6.798         375       100 %      3.071       100 %            3.352     100 %

  Tab. 1 | Übermittelte Hepatitis-B-Fälle nach Kategorie der Falldefinition und Infektionsstatus, Deutschland, 2020

  in der Falldefinitionskategorie C übermittelt (70 %,                          2019 sowie IfSG-Änderung im Jahr 2017 haben die
  263), die chronischen Fälle in der Falldefinitionska-                         Fallzahlen deutlich zugenommen. Im Jahr 2020
  tegorie D (84 %, 2.581) und die Fälle mit unbekann-                           wurden 2.148 (24 %) weniger Infektionen als im
  tem Infektionsstadium in Falldefinitionskategorie E                           Vorjahr übermittelt. Die Reduktion der Fallzahlen
  (81 %, 2.700). Ein Überblick über die übermittelten                           betraf alle drei Infektionsstadien (s. Abb. 1).
  Hepatitis-B-Fälle nach Kategorie der Falldefinition
  und Infektionsstatus ist in der Tabelle 1 dargestellt.                        Eine Differenzierung der Hepatitis-B-Fälle nach In-
                                                                                fektionsstatus zeigt, dass seit 2006 die Anzahl über-
  Zeitlicher Verlauf                                                            mittelter akuter Infektionen relativ konstant blieb. In
  Insgesamt wurde zwischen den Jahren 2001 und                                  den Jahren von 2015 – 2018 wurden die meisten Fälle
  2009 ein Rückgang der übermittelten HBV-Infek­                                nach Falldefinitionskategorie E übermittelt. Der An-
  tionen beobachtet. Dieser Trend stagnierte mit ge-                            stieg in Kategorie E in den Jahren ab 2015 kann
  ringen Schwankungen zwischen den Jahren 2009                                  durch vermehrte Testung (z. B. Screening von Asyl-
  und 2014. Mit Änderung der Falldefinition 2015 und                            suchenden) sowie mit der IfSG-Änderung erklärt

  Anzahl der Infektionen                                                                                                           Chronische Fälle
  10.000                                                                                                                               werden
                                                                                                                                    veröffentlicht
                 Referenzdefinition nicht erfüllt*
   9.000         chronisch
                 unbekannt
   8.000         akut

   7.000                                                                                                           Änderung
                                                                                                                   Meldepflicht

   6.000                                                                                                           Änderung der
                                                                                                                   Meldepflicht
   5.000
                                                                                                     FD-Änderung
   4.000

   3.000

   2.000

   1.000

       0
           2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011                       2012 2013   2014 2015 2016        2017    2018 2019 2020
                                                       Meldejahr

  Abb. 1 | Übermittelte Hepatitis-B-Virus-Infektionen nach Meldejahr und Infektionsstadium, Deutschland, 2001 – 2020
  * Fälle, die die Referenzdefinition nicht erfüllen, ohne chronische Fälle (FD = Falldefinition)
Epidemiologisches Bulletin           29 | 2021        22. Juli 2021                                                           7

  werden.27,28 Seit dem Jahr 2019 werden auch chroni-                     ergab sich ein Rückgang der übermittelten akuten
  sche Infektionen29 veröffentlicht, was zu einem wei-                    HBV-Infektionen von 31 % (95 %-KI: –42 %; –16 %).
  teren starken Anstieg der übermittelten Infektionen                     Bei übermittelten HBV-Infektionen mit chroni-
  führte. In den Vorjahren, insbesondere nach dem                         schem oder unbekanntem Stadium zeigten sich
  Jahr 2015, wurden die chronischen Fälle zwar zum                        Veränderungen von –24 % (95 %-KI: –29 %; –19 %)
  Teil übermittelt, können jedoch nicht interpretiert                     und –28 % (95 %-KI: –32 %; –23 %). Die COVID-19-
  werden, da die Vollständigkeit dieser Übermittlung                      Pandemie kann für das Jahr 2020 in drei Phasen
  unbekannt ist. In Abbildung 1 werden auch Fälle, die                    eingeteilt werden: Phase I (Kalenderwoche (KW)
  die Referenzdefinition nicht erfüllen, gezeigt. Diese                   10 – 20; erste COVID-19-Welle), Phase II (KW 21 – 39;
  Kategorie umfasst Fälle, die in den Falldefinitions­                    Sommer) und Phase III (ab KW 40; Herbst-Winter-
  kategorien D und E übermittelt wurden und nicht als                     Saison, zweite COVID-19-Welle).30 Der stärkste
  „chronisch“ gekennzeichnet waren.                                       Rückgang bei den übermittelten HBV-Infektionen
                                                                          mit akutem Stadium wurde in Phase III beobachtet
  Mittels einer Quasi-Poisson-Regression wurde der                        (–40 %, 95 %-KI: –55 %; –19 %) im Vergleich zu
  Einfluss der Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)-                       Phase I (–25 %, 95 %-KI: –25 %; –4 %) und Phase II
  Pandemie auf die Veränderung der Anzahl der über-                       (–31 %, 95 %-KI: –44 %; –13 %). Die Reduktion der
  mittelten, wöchentlich aggregierten Hepatitis-B-                        übermittelten Infektionen mit chronischem Stadium
  Fälle analysiert. In das Modell wurde zusätzlich zu                     unterschied sich zwischen den drei Phasen nur we-
  einer Variable, die das Vorliegen von Maßnahmen                         nig voneinander, war aber mit –21 % (95 %-KI:
  im Rahmen der Pandemiebekämpfung anzeigt, der                           –27 %; –14 %) in Phase II am geringsten. Auch die
  Trend einbezogen.29 Die relative Veränderung der                        Veränderungen der übermittelten HBV-Infektionen
  Fallzahlen im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vor-                        mit unbekanntem Stadium fielen in Phase II (–23 %,
  jahren ab 2018 konnte so berechnet werden. Im Ver-                      95 %-KI: –28 %; –17 %) weniger stark aus als in
  gleich zu den modellbasierten erwarteten Fallzahlen                     ­Phase I und Phase III.

               Bundesland
  Mecklenburg-Vorpommern                                                                        akut     chronisch     unbekannt

              Brandenburg
                 Thüringen
            Sachsen-Anhalt
                   Sachsen
                 Hamburg
            Niedersachsen
                  Saarland
         Schleswig-Holstein
       Nordrhein-Westfalen
            Rheinland-Pfalz
                   Hessen
                    Bayern
                     Berlin
        Baden-Württemberg
                   Bremen
                              0      2           4      6             8         10       12       14          16         18       20
                            Akut                              Gesamtinzidenz                           Infektionen/100.000 Einwohner
                        Bundesweit 0,5                        Bundesweit 8,2

  Abb. 2 | Übermittelte Hepatitis-B-Virus-Infektionen pro 100.000 Einwohner nach Bundesland und Infektionsstatus, 2020 (n = 6.798)
Epidemiologisches Bulletin                 29 | 2021      22. Juli 2021                                                        8

  Geografische Verteilung                                                 mittelten Fällen mit chronischem Infektionsstatus
  Die Meldeinzidenzen in den Bundesländern betru-                         lagen die Inzidenzen in den Bundesländern zwi-
  gen 2020 zwischen 2,1 Infektionen (akut, chronisch                      schen 0,8 in Sachsen und 12,2 pro 100.000 Einw. in
  und unbekannt) pro 100.000 Einw. in Mecklen-                            Bremen.
  burg-Vorpommern und 18,4 in Bremen. Für 2020
  waren die Bundesländer Mecklenburg-Vorpom-                              Infektionsland
  mern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt                            Bei 1.589 (23 %) der insgesamt 6.798 Infektionen
  und Sachsen mit unter 5 übermittelten Infektionen                       wurde das wahrscheinliche Infektionsland angege-
  pro 100.000 Einw. die Bundesländer mit den nied-                        ben (Mehrfachnennungen möglich). Auf Deutsch-
  rigsten Inzidenzen in Deutschland (s. Abb. 2). Bun-                     land entfielen 62 % der Nennungen (n = 1.007), ge-
  desländer mit einer Inzidenz über 9 Infektionen                         folgt von Rumänien (n = 74), Türkei (n = 51), Syrien
  pro 100.000 Einw. waren Bremen (18,4), Baden-                           (n = 33), Vietnam (n = 29) und der Russischen Föde-
  Württemberg (12,0), Berlin (10,6), Bayern (9,7) und                     ration (n = 27).
  Hessen (9,6).
                                                                          Seit der IfSG-Novellierung werden Angaben zu Ge-
  Nach Infektionsstadium differenziert betrugen in                        burtsland und Staatsangehörigkeit übermittelt. Für
  den Bundesländern die Inzidenzen akuter Infektio-                       3.761 (55 %) der Fälle wurden die Angaben zum Ge-
  nen zwischen 0 im Saarland und einer akuten In-                         burtsland und für 3.117 (46 %) zur Staatsangehörig-
  fektion pro 100.000 Einw. in Bremen.                                    keit übermittelt. Deutschland wurde bei 32 % (1.183)
                                                                          der Infektionen als Geburtsland angegeben. Häufig
  Die Inzidenzen für Infektionen mit unbekanntem                          wurden auch die Türkei (8,6 %; 324), Rumänien
  Infektionsstatus lagen zwischen 0,5 in Thüringen                        (6,9 %; 258), Vietnam (3,7 %; 138) und die Russische
  und 6,2 pro 100.000 Einw. in Bayern. Bei den über-                      Föderation (3,4 %; 126) genannt.

                                                                           0,2 % · Länder der WHO-Region Amerika

                          Länder der WHO-Region Südostasien · 2 %            1 % · Ausland (Land unbekannt)

               Länder der WHO-Region West-Pazifik · 7 %
                     andere Länder der
        WHO-Region Östliches Mittelmeer · 4 %

                         Afghanistan · 3 %
                                                                                                          31 % · Deutschland
                            Syrien · 3 %

   Länder der WHO-Region Afrika · 10 %

                                                                                                      9 % · Türkei
    andere Länder der WHO-Region Europa · 23 %

                                                                                             7 % · Rumänien

  Abb. 3 | An das RKI übermittelte Hepatitis-B-Fälle mit Angaben zum Geburtsland bzw. WHO-Region (n = 3.761)
Epidemiologisches Bulletin           29 | 2021             22. Juli 2021                                                      9

  Infektionen/100.000 Einwohner
  18
                                                                                                                       unbekannt
  16                                                                                                                   chronisch
                                                                                                                       akut

   14

  12

  10

   8

   6

   4

   2

   0
         < 15         15 – 19     20 – 24        25 – 29       30 – 39        40 – 49   50 – 59   60 – 69    70 – 79        80 +
                                                                    Altersgruppe

  Abb. 4 | An das RKI übermittelte Hepatitis-B-Fälle pro 100.000 Einwohner nach Altersgruppe und Infektionsstadium bei Frauen,
  Deutschland 2020

  Betrachtet nach Regionen werden am häufigsten                            ten Infektionen als akute Infektion übermittelt.
  Länder der WHO-Region Europa als Geburtsland                             Hierbei wiesen 30 – 39-jährige (0,6), 40 – 49-jährige
  angegeben (69 %; 2.613), gefolgt von der WHO-­                           (0,5) Frauen sowie 30 – 39-jährige (1,0), 40 – 49-
  Region Afrika (10 %, 391) und der WHO-Region                             jährige (0,9) und 50 – 59-jährige (1,0) Männer die
  ­Östliches Mittelmehr (10 %; 376). Eine Darstellung                      höchsten Inzidenzen akuter Infektionen pro
   der an das RKI übermittelten Hepatitis-B-Fälle nach                     100.000 Einw. auf. Die Hepatitis-B-Fälle pro 100.000
   Geburtsland ist Abbildung 3 zu entnehmen.                               Einw. nach Altersgruppe und Infektionsstadium
                                                                           sind in den Abbildungen 4 (Frauen) und 5 (Männer)
  Demografische Verteilung: Die Meldeinzidenz für                          dargestellt.
  Hepatitis B lag bei Jungen und Männern mit 9,4 In-
  fektionen pro 100.000 Einw. höher als bei Mädchen                        Infektionsrisiken
  und Frauen (6,8 pro 100.000 Einw.). Bei beiden Ge-                       Nur bei 259 (4 %) der 6.798 übermittelten Infektio-
  schlechtern waren die Altersgruppen der 30- bis                          nen wurden Angaben zum wahrscheinlichen Über-
  39-Jährigen am stärksten betroffen. Hier lag die In-                     tragungsweg gemacht. Mehrfachnennungen wur-
  zidenz aller übermittelten Infektionen (akut, chro-                      den bei der Auswertung auf den wahrscheinlichsten
  nisch und unbekannt) für Frauen bei 16,7 pro                             Übertragungsweg reduziert.
  100.000 Einw. und für Männer bei 17,7 pro 100.000
  Einw. Die Inzidenz im Kindesalter (< 15 Jahre) war                       Der am häufigste übermittelte Übertragungsweg
  mit 0,3 pro 100.000 Einw. insgesamt niedrig. Drei                        war 2020 die Wohngemeinschaft mit einem HBV-
  von 31 Infektionen entfielen jedoch auf Kinder im                        Träger (95 Fälle, 37 %). Als zweithäufigster Übertra-
  ersten Lebensjahr (0,4 pro 100.000 Einw.).                               gungsweg wurde i. v.-Drogenkonsum bei 74 Infekti-
                                                                           onen (29 %) angegeben, darunter 8 Infektionen
  Sowohl bei Männern als auch bei Frauen wurde nur                         während eines Haftaufenthaltes. Als dritthäufigster
  ein kleiner Teil (6,6 % bzw. 4,1 %) aller übermittel-                    wahrscheinlicher Übertragungsweg wurde sexuelle
Epidemiologisches Bulletin           29 | 2021             22. Juli 2021                                                     10

  Infektionen/100.000 Einwohner
  20
                                                                                                                      unbekannt
   18                                                                                                                 chronisch
                                                                                                                      akut
   16

   14

   12

   10

   8

   6

    4

   2

   0
         < 15         15 – 19     20 – 24        25 – 29       30 – 39        40 – 49   50 – 59   60 – 69   70 – 79        80 +
                                                                    Altersgruppe

  Abb. 5 | An das RKI übermittelte Hepatitis-B-Fälle pro 100.000 Einwohner nach Altersgruppe und Infektionsstadium bei
  Männern, Deutschland 2020

  Transmission bei 51 Infektionen (20 %) genannt, da-                      Für 70 (38%) der 184 geimpften Fälle lagen ausrei-
  runter 32 Infektionen durch heterosexuellen Kon-                         chende Angaben zur Anzahl der Impfstoffdosen,
  takt mit einem mit HBV infizierten Partner und                           zum Datum der letzten Impfung sowie zum verab-
  19  Infektionen durch gleichgeschlechtliche Kontak-                      reichten Impfstoff für eine Bewertung vor. Bei ins-
  te unter Männern. Des Weiteren wurde bei 34 Infek-                       gesamt 50 Personen wird angenommen, dass sie
  tionen (13 %) der Erhalt von Blutprodukten, bei 3 In-                    zum Zeitpunkt der Infektion unvollständig geimpft
  fektionen (1 %) Dialyse und bei 2 Infektionen (1 %)                      waren: Bei 40 dieser Infektionen waren lediglich
  perinatale Übertragung als wahrscheinlichster                            eine oder 2 Impfdosen angegeben; bei 3 Infektionen
  Übertragungsweg genannt.                                                 fehlte die 4. Impfdosis bei Impfung mit einem
                                                                           ­hexavalenten Kombinationsimpfstoff. Weitere 7  Per-
  Impfstatus                                                                sonen wurden nicht zeitgerecht geimpft, ihr Erkran-
  Bei 2.791 (41 %) der 6.798 übermittelten HBV-Infek-                       kungsbeginn war < 14 Tage nach der letzten Imp-
  tionen lagen Angaben zum Impfstatus vor. Von die-                         fung. Insgesamt 20 Infizierte hatten einen als aus-
  sen 2.791 Infektionen wurden 2.607 (93 %) als un-                         reichend anzunehmenden Impfschutz mit mindes-
  geimpft übermittelt. Bei 184 Infektionen mit Anga-                        tens 3 Impfungen erhalten und infizierten sich
  ben zum Impfstatus wurde eine HBV-Infektion                               zwischen 3 Monaten und 30 Jahren nach der letzten
  trotz Impfung angegeben. Von diesen 184 fehlten                           Impfung. Die vorliegenden Informationen könnten
  bei 114 Infektionen ausreichende Angaben zur Be-                          bei diesen Fällen für einen Impfdurchbruch spre-
  wertung des anzunehmenden Impfschutzes: So la-                            chen, wobei beachtet werden muss, dass die über-
  gen von 71 Infektionen keine Angaben zur Anzahl                           mittelten Angaben für eine solche Einschätzung nur
  der erhaltenen Impfdosen vor; bei 29 Infektionen                          unzureichend sind. So werden in der Regel keine
  fehlten Angaben zum Abstand der letzten Impfung                           Angaben zu einem Ausschluss einer bereits beste-
  zum Erkrankungsbeginn und bei 14 Infektionen                              henden HBV-Infektion vor Impfung, keine Angaben
  fehlten Angaben zum verabreichten Impfstoff bei                           zur Kontrolle des Impferfolges nach 4 bis 8 Wochen
  3-maliger Impfung.                                                        und keine Angaben zum Abstand zwischen den ein-
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  zelnen Impfungen übermittelt. Des Weiteren wer-              Die 41 Infektionen wurden aus 11 Bundesländern (je
  den nur Angaben zum zuletzt verwendeten Impf-                ein bis 13 Infektionen) übermittelt. Bei 7 Infektionen
  stoff übermittelt. Vorherige Impfungen mit einem             wurden Angaben zum wahrscheinlichen Infek­
  abweichenden Impfstoff werden nicht erhoben.                 tionsland gemacht. Als Infektionsland wurde sechs-
                                                               mal Deutschland und einmal Georgien genannt.
  Datenqualität                                                Von den 41 HDV-Infektionen betrafen 26 (63 %)
  Seit Änderung des IfSG im Juli 2017 sind alle labor-         Männer und 15 (37 %) Frauen. Die meisten Infektio-
  diagnostischen Nachweise einer Hepatitis B melde-            nen (63 %) wurden bei 30- bis 49-Jährigen übermit-
  pflichtig, wodurch alle aktiven (akuten oder chroni-         telt. Der kontinuierliche Anstieg in den Jahren
  schen) Infektionen erfasst werden. Zusätzlich konn-          2015 – 2017 ist durch die Änderung der Falldefinition
  ten Angaben über das Infektions­stadium werden.              zu erklären. Es ist nicht auszuschließen, dass es
  Seit 2019 erfüllen übermittelte Fälle mit chroni-            sich auch um nachgemeldete Fälle handelt, die seit
  schem Infektionsstadium die Referenzdefinition.              längerer Zeit eine chronische HDV-Infektion auf-
  Dadurch wurden im Jahr 2020 2.290 Fälle mehr                 weisen. Dies betrifft insbesondere die Falldefiniti-
  übermittelt als 2018. 3.071 der im Jahr 2020 über-           onskategorien D und E. Hierbei ist zu beachten,
  mittelten Fälle waren chronische Fälle. Nicht er-            dass sich bei niedrigen Fallzahlen bereits leichte
  kannte chronische Fälle könnten sich auch weiter-            Schwankungen stärker auswirken. Der Anstieg seit
  hin in dem hohen Anteil der übermittelten Fälle mit          den letzten 2 Quartalen 2017 ist vermutlich vor al-
  unbekanntem Infektionsstadium verbergen. Dop-                lem durch die Änderung der Meldepflicht gemäß
  pelmeldungen bereits bekannter Hepatitis-B-Fälle             IfSG im Juli 2017 bedingt. Im Vergleich zum Vor-
  können nicht komplett ausgeschlossen werden und              jahr wurden im Jahr 2020 24 HDV-Infektionen we-
  könnten ebenfalls einen Einfluss auf die Anzahl              niger übermittelt (Reduktion um 37 %). Mögliche
  neu übermittelter Infektionen haben.                         Ursachen der im Jahr 2020 niedrigeren Zahlen
                                                               können u. a. eine veränderte Inanspruchnahme von
  Die Verbesserung der Datenqualität spielt hinsicht-          Gesundheitsleistungen und ein verändertes Kon-
  lich des Infektionsstadiums eine wichtige Rolle.             taktverhalten während der COVID-19-Pandemie
  Aufgrund der Änderung der Falldefinition 2015, der           sein.
  IfSG-Novellierung 2017 und dem Einschluss chro-
  nischer Fälle in die Referenzdefinition 2019 sind die        3.2 Epidemiologische Situation und Impfquo-
  übermittelten Fallzahlen nur bedingt mit den Fall-           ten auf der Basis von Projekten und Studien
  zahlen der Vorjahre vergleichbar. Trendauswertun-
  gen aller übermittelten Infektion ohne Berücksich-           3.2.1 Allgemeinbevölkerung
  tigung des Infektionsstadiums sind noch nicht                Die DEGS1-Studie (DEGS – Studie zur Gesundheit
  möglich.                                                     Erwachsener in Deutschland) ergab für den Zeit-
                                                               raum 2008 – 2011 eine HBsAg-Prävalenz in der All-
  Zusätzlich zu den Angaben zum wahrscheinlichen               gemeinbevölkerung von 0,3 %.20 Die gern-Studie
  Infektionsland werden seit der IfSG-Novellierung             (gern – Gesundheits- und Ernährungsstudie in
  im Juli 2017 bei Hepatitis B Angaben zum Geburts-            Deutschland), ein Survey zur Gesundheit von Er-
  land erfasst. Damit wird es zukünftig möglich sein,          wachsenen in Deutschland, war für 2020 geplant
  aus den Meldedaten bessere Hinweise auf die                  und ist aber aufgrund der COVID-19-Pandemie auf
  Krankheitslast bei verschiedenen Migrationspopu-             unbekannte Zeit verschoben. Die 2. Welle des Kin-
  lationen zu erhalten. Der Anteil von Fällen mit In-          der- und Jugendgesundheitssurveys KiGGS wurde
  formationen zum Geburtsland (55 %) ist im Ver-               2017 abgeschlossen und wird derzeit ausgewertet.
  gleich zum Vorjahr (59 %) leicht gesunken.                   In der 1. Welle von 2003–2006 zeigte sich bei 3- bis
                                                               17-Jährigen eine HBsAg-Prävalenz von 0,2 %. 66 %
  3.1.3 Hepatitis D                                            der Kinder im Alter über 2 Jahre waren vollständig
  Im Jahr 2020 wurden in Deutschland insgesamt                 gegen Hepatitis B geimpft.21,31 Die ersten Ergebnisse
  41  Infektionen mit HDV übermittelt, 24 Fälle weni-          der KiGGS Welle  2 zeigten für die vollständige
  ger als im Vorjahr (s. Abb. 6).                              Grundimmunisierung gegen Hepatitis B eine zur
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  Anzahl der übermittelten HDV-Infektionen
  80      Referenzdefinition nicht erfüllt                                                                   -
  70        Referenzdefinition erfüllt                                                                  FD-Änderung

  60

  50                                                                                           36

  40                                                                                                                     6      1
                                                                                                      42
                                                                                        27                       26
                                                                                                                                       61    65
  30
                                                                                   19
                                         14     6
  20                                                  21      24            20                                                 39                  41
                11             18                                                                                       36
       14               9                                             16                        31
  10                                            21                                      20                       22
                                         15                                        17                  17
        8       12     10                                 9   8             10
                                7                                     7
   0
       2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011                           2012   2013   2014       2015   2016   2017   2018   2019 2020
                                                     Meldejahr

  Abb. 6 | An das RKI übermittelte Hepatitis-D-Fälle nach Meldejahr, Deutschland, 2001 – 2020 (FD = Falldefinition)

  Schuleingangsuntersuchung vergleichbare gesamte                                  chend.29 Die Spannweite der Hepatitis-B-Impfquo-
  Impfquote von 84,4 %.32 Bei den 3- bis 17-Jährigen                               ten zwischen den Bundesländern ist groß (78,4 –
  in Deutschland zeigte sich kein Unterschied in der                               94,1 %).35 Die Impfquoten für Hepatitis B bei Schul­
  Impfquote zwischen Kindern mit oder ohne Migra-                                  eingangsuntersuchungen lagen in den neuen Bun-
  tionshintergrund. Zudem zeigten die Ergebnisse                                   desländern mit 88,2 % höher als in den alten Bun-
  aus KiGGS Welle 2, dass Kinder und Jugendliche in                                desländern (87,1 %).35
  Ostdeutschland (88,8 %) häufiger gegen Hepatitis B
  geimpft sind als in Westdeutschland (83,4 %) und                                 Das Projekt RKI-Impfsurveillance (vormals: KV-
  dass die Hepatitis-B-Impfquote für alle Altersgrup-                              Impfsurveillance) wertet Abrechnungsdaten der
  pen niedriger war als die Impfquoten gegen Diph­                                 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zur Abschät-
  therie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis und Hämo-                              zung von Impfquoten auch von jüngeren Kindern
  philus influenzae Typ b. Eine besonders niedrige                                 vor Schuleintritt auf Kreisebene aus.29 Die STIKO
  Impfquote von 77,9 % wurde bei Jugendlichen im                                   empfiehlt, dass die Grundimmunisierung gegen
  Alter von 14 – 17 Jahren festgestellt.32 Etwa die Hälfte                         Hepatitis B vor Beendigung des 15. Lebensmonats
  der in KiGGS Welle 2 eingeschlossenen 3- bis 17-Jäh-                             abgeschlossen sein sollte (s. hierzu die aktuelle
  rigen erhielt die 1.  Dosis der Hepatitis B Impfung                              STIKO-Empfehlung). Die RKI-Impfsurveillance für
  wie von der STIKO empfohlen (s. hierzu die aktuelle                              das Jahr 2018 hat gezeigt, dass 75,5 % der 2-Jährigen
  STIKO-Empfehlung) zeitgerecht im Alter von zwei                                  vollständig geimpft sind (Spannweite zwischen den
  Monaten.33                                                                       Bundesländern 68,1 – 81,0 %). Die Impfquote steigt
                                                                                   bis zum Alter von 36 Monaten auf 82,2 %.29
   In den Schuleingangsuntersuchungen des Jahres
   2018 hatten bundesweit, ähnlich wie in den Vorjah-                              Eine Zusammenschau der Ergebnisse der Schulein-
   ren, 87,2 % der Kinder mit vorliegendem Impfpass                                gangsuntersuchungen und der RKI-Impfsurveillance
   eine vollständige Grundimmunisierung gegen                                      2018 zeigt, dass die Hepatitis-B-Impfung nicht im-
  ­Hepatitis B.29 Eine Studie ergab, dass Kinder mit                               mer zeitgerecht erfolgt. Bis zum Alter der Schulein-
   Migrationshintergrund vergleichbar gut geimpft                                  gangsuntersuchung werden Impfungen zwar nach-
   sind (84,5 % im Jahr 2008) wie Kinder ohne Migra-                               geholt, jedoch zeigen sich auch bei Kindern in die-
   tionshintergrund.34 Basierend auf den Schulein-                                 sem Alter noch Impflücken. Es besteht weiterer
   gangsuntersuchungen sind die Impfquoten für He-                                 Handlungsbedarf bei der Verbesserung des Impf-
   patitis B ähnlich wie in KiGGS Welle 2 unzurei-                                 schutzes.
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  3.2.2 Besonders betroffene Gruppen                          latenter tuberkulöser Infektion und Tuberkulose bei
                                                              wohnungslosen Menschen in Berlin. Pilotstudie“
  Injizierende Drogengebrauchende                             (POINT) vom RKI in Zusammenarbeit mit Fix-
  In der DRUCK-Studie (Drogen und chronische In-              punkt e. V. und Berliner Sozialprojekte gGmbH eine
  fektionskrankheiten in Deutschland) zeigte sich bei         Querschnittsstudie zu Infektionskrankheiten bei
  injizierenden Drogengebrauchenden eine Präva-               wohnungslosen Menschen in Berlin gestartet.
  lenz von 1,1 % für eine aktive Hepatitis B (Datener-        200  Studienteilnehmende wurden durch Studien-
  hebung 2011 – 2014). Eine durchgemachte Infektion           teams in niedrigschwelligen medizinischen Ein-
  wurde bei 25 % der Studienteilnehmenden gefun-              richtungen der Wohnungslosenhilfe auf HIV, HBV,
  den. Einen Impfschutz wiesen 32 % auf. Der Infek-           HCV, Syphilis, Chlamydien, Gonorrhoe, Tuberkulo-
  tionsstatus war bekannt bei 71 % der Teilnehmen-            se und COVID-19 getestet. Zusätzlich wurden durch
  den, der Impfstatus bei 45 %.36                             einen Interview-assistierten Fragebogen soziodemo-
                                                              graphische, Verhaltens- und Gesundheitsdaten er-
  Seit dem 1. April 2020 fördert das BMG das DRUCK            hoben. Anschließend an die Datenerhebung wur-
  2.0-Pilotprojekt des RKI. Ziel ist es, zunächst in          den durch Diskussionsgruppen mit den Studienteil-
  zwei Bundesländern (Bayern und Berlin) eine wie-            nehmenden, den Studienteams und den teilneh-
  derkehrende Datenerhebung zu Blut- und STI und              menden Einrichtungen die Akzeptanz und
  assoziierten Verhaltensdaten bei Drogengebrau-              Machbarkeit des Studiendesigns beurteilt. Im Som-
  chenden zu etablieren. Die gewonnenen epidemio-             mer 2021 wird das Studiendesign für eine bundes-
  logischen Daten auf regionaler und nationaler Ebe-          weite Ausrollung der Studie angepasst.
  ne sind wichtige Entscheidungskriterien zur Anpas-
  sung von Präventionsstrategien. Zum Abschluss               Männer, die Sex mit Männern haben (MSM)
  des Pilotprojektes soll eine bundesweite Ausrollung         In einer prospektiven Kohortenstudie, die von
  des Monitorings mit einer Minimierung der Ar-               1996 – 2012 in Deutschland durchgeführt wurde,
  beitslast für rekrutierende Einrichtungen vorberei-         waren trotz umfangreicher Impfkampagnen weni-
  tet werden.                                                 ger als die Hälfte der untersuchten MSM mit HIV
                                                              gegen Hepatitis B geimpft. So erklärt sich auch die
  Um die Übertragung von Infektionskrankheiten                vergleichsweise hohe Rate an Koinfektionen mit
  wie Hepatitis B zu minimieren, spielt die Vergabe           HBV.39
  von Konsumutensilien (Spritzen, Nadeln, Filter,
  Löffel) eine wichtige Rolle. Die Deutsche Beobach-          Basierend auf Fragebogenangaben und den Ergeb-
  tungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD)               nissen der serologischen Proben in der HIV-1-Sero-
  hat in Kooperation mit dem RKI und der Deutschen            konverterstudie zeigte sich bei HIV-koinfizierten
  AIDS-Hilfe (DAH) für das Jahr 2018 erstmals                 MSM ein Rückgang der Hepatitis-B-Inzidenz von
  deutschlandweit die Vergabe von Konsumutensilien            6,9/100 Personenjahre für den Zeitraum 2004 –
  über Spritzenautomaten oder in Einrichtungen der            2007 auf 0,58/100 Personenjahre für den Zeitraum
  Suchthilfe erfasst. Die Ergebnisse sind im Reitox-          2016 – 2019. Damit einher geht ein Rückgang der
  Bericht, dem Jahresbericht der DBDD für Deutsch-            Prävalenz ausgeheilter HBV-Infektionen von 43% im
  land 2020, veröffentlicht37 und im Bericht Virus­           Zeitraum 1996 – 1999 auf 19% im Zeitraum 2016 –
  hepatitis C im Jahr 202038 kurz dargestellt.                2019. Außerdem ist ein Anstieg des Anteils der
                                                              HBV-geimpften MSM in der Studie von 21 % für den
  Wohnungslose Menschen                                       Zeitraum 1996 – 1999 auf 65 % für den Zeitraum
  Wohnungslose Menschen gelten aufgrund ihrer                 2016 – 2019 zu sehen (unveröffentlichte Daten).
  prekären Lebensverhältnisse als besonders häufig
  von Infektionskrankheiten betroffen. Nichtsdesto-           In der 2017 durchgeführten EMIS Studie (European
  trotz sind belastbare Daten aus Deutschland dazu            MSM Internet Survey) mit 23.107 Teilnehmenden
  nicht vorhanden. Im Frühjahr 2021 wurde daher im            aus Deutschland gaben 56,1 % an, vollständig gegen
  Rahmen des Pilotprojektes „Prävalenz von sexuell            Hepatitis B geimpft zu sein. Der selbst berichtete
  und durch Blut übertragene Infektionen sowie von
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  Impfschutz hat sich im Vergleich zu der EMIS-                Patienten mit Migrationshintergrund (Patient/Pati-
  Studie von 2010 mit 52,5 % nur leicht erhöht.40 – 42         entin selbst oder deren/dessen Eltern) untersuchte,
                                                               wurde eine HBsAg-Prävalenz von 3,6 % und eine
  Personen mit Migrationshintergrund                           anti-HBc-Prävalenz von 32,5 % beobachtet. Die
  In einer Studie zu Präventionsbedürfnissen und               ­Ergebnisse zeigen, dass insgesamt 87,3 % der Pati-
  -bedarfe bezüglich Virushepatitiden, HIV und ande-            entinnen und Patienten aus der östlichen Mittel-
  ren STI bei Migrantinnen und Migranten aus Sub-               meerregion stammen, 12% aus Osteuropa und
  sahara-Afrika (MiSSA) von 2014 – 2016 zeigten sich            0,7 % aus anderen Ländern.45 Die Autorinnen und
  Wissensdefizite in Bezug auf Virushepatitiden. Nur            Autoren kamen zu dem Schluss, dass unter Perso-
  23 – 57 % gaben an, von diesen Infektionen gewusst            nen mit Migrationshintergrund eine deutlich höhe-
  zu haben. Mehrheitlich wurde der Wunsch nach                  re Hepatitis-B-Prävalenz zu finden ist und gezielte
  mehr Informationen zu den Übertragungsrisiken                 Screeningmaßnahmen in dieser vulnerablen Grup-
  von Hepatitis B und C geäußert (www.rki.de/                   pe zu empfehlen sind.
  missa).43,44 40 % der Befragten gaben an, geimpft
  und 35 % nicht geimpft zu sein. Die restlichen 25 %          Berufsbedingte HBV-Infektionen
  konnten diese Frage nicht beantworten.                       Obwohl seit mehreren Jahrzehnten eine Impfemp-
                                                               fehlung für medizinisches Personal besteht, gehört
  Aktuelle Studien aus Deutschland zeigen für Perso-           Hepatitis B, wie auch Tuberkulose oder Hepatitis A
  nen mit Migrationshintergrund Prävalenzen einer              und C, zu den weiterhin berufsbedingt vorkommen-
  aktiven Hepatitis B von 2,3 – 3,6 %.45 – 48 Laut ECDC        den Infektionskrankheiten im Gesundheitswesen.
  variiert in Europa die Prävalenz der aktiven Hepati-         Insgesamt kommen Verdachtsmeldungen und An-
  tis B bei Migrantinnen und Migranten von 0 – 17,4 %.         erkennungen von berufsbedingten HBV-Infektio-
  Die höchste Prävalenz zeigte sich bei Migrantinnen           nen in Deutschland heute nur noch selten vor. Die
  und Migranten aus Südostasien.18                             Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
                                                               weist in ihrer deutschlandweiten Statistik hinsicht-
  Zwei Studien haben die Screenings auf HBV-Infek-             lich Hepatitis B für das Jahr 2019 25 und für das
  tionen von Asylantragsstellenden im Jahr 2015 in             Jahr 2020 20 Entscheidungen zu Verdachtsmel-
  Bayern ausgewertet.49,50 Hier zeigte eine Analyse            dungen aus, wovon 9 für das Jahr 2019 und 15 für
  von Krankenakten chronische HBV-Infektionen bei              das Jahr 2020 als Berufskrankheit anerkannt wur-
  3,9 % der gescreenten Personen. Höchste Raten                den. Dies bezieht sich nach BK-Nr. 3101 der Berufs-
  wurden bei Menschen aus Ost-Afrika (5,5 %),                  krankheiten-Verordnung auf „Infektionskrankhei-
  West-Afrika (6,5 %) und Südosteuropa (6,8 %) ge-             ten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in
  funden, was die bestehenden Prävalenzen in den               der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium
  Herkunftsländern widerspiegelt.49 Eine weitere Stu-          tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infek­
  die untersuchte Daten des Screenings bei Asyl­               tionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausge-
  antragsstellenden aus dem Meldesystem und fand               setzt war.“ In diesen Zahlen sind die Einrichtungen
  eine HBsAg-Positivrate getesteter Proben von 3,3 %.          der gewerblichen Wirtschaft als auch des öffent­
  Die höchsten Positivraten wurden bei Geflüchteten            lichen Dienstes erfasst.
  aus Sierra Leone, Senegal und Mali gefunden
  (17,6 %, 16,2 % und 15,4 %) – Länder, in denen               Mehrere Studien haben gezeigt, dass 64 – 90 % des
  ­Hepatitis B hoch endemisch vorkommt.50                      Personals im Gesundheitswesen eine vollständige
                                                               Grundimmunisierung vorweisen.51 – 53 Das RKI er-
  Nach Geburtsland stratifizierte Daten zur Hepa­              hebt anhand einer Online-Befragung von Kranken-
  titis-B-Prävalenz sind kaum verfügbar. Beispiels-            hauspersonal zur Influenza-Impfung (OKaPII-­
  weise wurde in einer Studie zu Geflüchteten, die             Projekt) regelmäßig den Impfstatus zu beruflich in-
  nach Screening in einer Notaufnahme eine Präva-              dizierten Impfungen bei Krankenhauspersonal.54 In
  lenz von HBsAg und anti-HBC von 2,3% bzw. 14%                der Studie 2019 gaben 96,5 % des medizinischen
  aufwiesen, das Geburtsland nicht näher erläutert.48          Personals (nur Ärzteschaft und Pflegepersonal,
  In einer anderen Studie, die Patientinnen und                nicht jedoch Verwaltungspersonal etc.) an, gegen
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  Hepatitis B geimpft zu sein. Von ihnen waren                2008 bis 2019 ausgewertet.57 Es wurde ein Anstieg
  94,2 % vollständig und 1,6 % nicht vollständig grun-        der Anzahl der Therapierten im gesamten Zeitraum
  dimmunisiert. Es gaben zwar 4,2 % an, geimpft zu            von 14.453 pro Monat im Jahr 2008 auf 24.868 pro
  sein, wussten aber nicht, ob sie vollständig grund­         Monat im Jahr 2019 (im Durchschnitt 4,9 % pro
  immunisiert sind.55                                         Jahr) mit relativ stabiler Auswahl an Medikation be-
                                                              obachtet.57 Die Verordnungen pro 100.000 Einw.
  Im Jahr 2020 sind die aktualisierten Empfehlungen           stiegen in fast allen Bundesländern über den Beob-
  der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der                achtungszeitraum an, verhielten sich allerdings sta-
  Viruskrankheiten (DVV) e. V. zur Prävention der             bil in Berlin.57 Die Kosten der Therapie bis zur Ein-
  ­nosokomialen Übertragung von HBV und HCV                   führung der Generika zu Tenofovir und Entecavir
   durch im Gesundheitswesen Tätige erschienen.56             im Jahr 2017 nahmen zu (6,7 % pro Jahr).57 Ab 2017
                                                              reduzierten die Kosten sich um 31 % pro Jahr.57 Vor-
                                                              läufige Ergebnisse aus dem Jahr 2020 ergaben eine
  4. Hochrechnung zur Anzahl                                  weitere Zunahme der Anzahl der Therapierten pro
  von mit Hepatitis B und C                                   Monat, die dem Trend der Vorjahre folgt. Im Jahr
  infizierten Personen in Deutschland                         2020 wurden pro Monat durchschnittlich 26.035
  Für das Monitoring der Eliminierung von Virus­              Personen therapiert (unveröffentlichte Daten).
  hepatitiden ist eine Schätzung der Gesamtanzahl
  von infizierten Personen notwendig. Das RKI hat für
  das Jahr 2013 die Gesamtzahl der mit Hepatitis B            6. Hepatitis-Eliminierungsstrategie
  und C infizierten Personen geschätzt, um eine               der WHO
  Grundlage für das Monitoring zu erstellen und Prä-           Im Mai 2016 verabschiedete die WHO die erste
  ventionsmaßnahmen besser planen zu können. Da-               Strategie zur Eliminierung der Virushepatitis als
  bei wurden die Populationsgrößen und Seropräva-              Bedrohung der öffentlichen Gesundheit bis zum
  lenzdaten der Allgemeinbevölkerung, von Migran-              Jahr 2030.3 Diese ist an die nachhaltigen Entwick-
  tinnen und Migranten, injizierenden Opioidgebrau-            lungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable
  chenden und HIV-positiven Personen in Betracht              ­Development Goals) angelehnt.58 Die Länder der
  gezogen. Für 2013 schätzen wir 252.000 (190.000 –            ­europäischen WHO-Region haben im September
  334.000) HBsAg-seropositive Personen. Ein Manu-               2016 einen entsprechenden Aktionsplan mit einer
  skript ist in Vorbereitung.                                   Strategie für die Jahre 2016 – 2021 verabschiedet.59
                                                                Mit der „Strategie zur Eindämmung von HIV,
                                                                ­Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragba-
  5. Therapie der Hepatitis B                                    ren Infektionen BIS 2030“ zielt das BMG auf die
  Eine Therapieindikation besteht für Patientinnen               nachhaltige Eindämmung dieser Infektionskrank-
  und Patienten mit chronischer Hepatitis B sowie                heiten in Deutschland ab.2 Die globalen Eliminie-
  mit schwerer akuter oder fulminanter Erkrankung.               rungsziele bis 2030 beinhalten unter anderem eine
  Gemäß den deutschen Leitlinien kommen Inter­                   Reduktion der Inzidenz von HBV-Infektionen um
  feron α bzw. pegyliertes Interferon α (PEG-Inter­              90% (oder eine sehr niedrige Prävalenz der Infek-
  feron α) sowie die Nukleos(t)id-Analoga (NUKs) La-             tion) und eine Reduktion der Todesfälle durch Spät-
  mivudin, Entecavir, Telbivudin und Tenofovir bei               folgen von chronischer HBV-Infektion um 65%.3
  der Therapie der Hepatitis B zur Anwendung.7 Ade-              Dies soll durch einen ausreichend guten Zugang zu
  fovir wird aufgrund seiner Toxizität nicht mehr                Prävention, Testung und Therapie erreicht werden.
  empfohlen. Generika für Lamivudin, Entecavir und               Es sollen 95% der Kinder vollständig gegen Hepa-
  Tenofovir stehen jeweils seit März 2012, Mai 2017              titis B geimpft sein, 90% der schwangeren Frauen
  und August 2017 zur Verfügung. In einer Studie zur             sollen während der Schwangerschaft auf HBsAg
  Abschätzung der Anzahl der mit NUKs therapierten               gescreent werden und 95% der Kinder, die von
  Personen in Deutschland und Darstellung der The-               HBV-positiven Müttern geboren werden, sollen
  rapiekosten wurden Apothekenverkaufsdaten von                  eine Post-Expositions-Prophylaxe bekommen.3 Es
  NUKs unter gesetzlich Krankenversicherten von                  sollen 90% der mit HBV chronisch infizierten Per-
Epidemiologisches Bulletin      29 | 2021      22. Juli 2021                                                  16

  sonen diagnostiziert werden und 80% der Thera-               durch die Pandemie beeinträchtigt, auch die Prä-
  piebedürftigen eine Therapie bekommen.3 Von der              vention und Versorgung von Infektionskrankhei-
  WHO wurden Kern- und Zusatzindikatoren defi-                 ten.64,65 So berichteten in einer von der WHO durch-
  niert, die für die Beschreibung der Ausgangssitua­           geführten Befragung 43% der teilnehmenden Län-
  tion und die Überwachung im zeitlichen Verlauf zu            der, dass sowohl die Diagnose als auch die Behand-
  erheben sind.60                                              lung von Hepatitis B und C durch die Pandemie
                                                               eingeschränkt wurden. Als Gründe für die Beein-
  Aktuell entwickelt die WHO eine neue Strategie für           trächtigung der Gesundheitsdienste wurden am
  die Eliminierung von HIV, Hepatitis und STI für die          häufigsten eine Personalknappheit und Ängste in
  Jahre 2022 – 2030. Die Beratungen sollen bis Herbst          Zusammenhang mit dem Aufsuchen gesundheit­
  2021 abgeschlossen werden.                                   licher Versorgungsleistungen genannt.65

  Für die Erhebung der Indikatoren für Deutschland             Die COVID-19-Pandemie stellt auch die Präven­
  können epidemiologische Daten aus verschiedenen              tionsangebote in vulnerablen Gruppen vor große
  Datenquellen genutzt werden, die dem RKI bereits             Herausforderungen. So hat die COVID-19-Pandemie
  vorliegen, z. B. aus Prävalenzstudien, den Meldeda-          in Deutschland zu einer Einschränkung der niedrig-
  ten und den Schuleingangsuntersuchungen. Zu-                 schwelligen Einrichtungen der Drogenhilfe hin-
  sätzlich kann der publizierte Scoping-Review zur             sichtlich Präventionsangeboten für durch Blut und
  Datenlage von Hepatitis B und C in Deutschland22             sexuell übertragene Infektionskrankheiten geführt.66
  herangezogen werden. Um zu eruieren, welche Da-              Im Jahr 2020 wurde nach Wohngemeinschaft mit
  tenquellen für die Konstruktion der Indikatoren re-          einem HBV-Träger der i. v.-Drogenkonsum als zweit-
  levant sind und um Ansätze für die Schließung der            häufigster Übertragungsweg angegeben.
  Datenlücken zu erarbeiten, wurde im November
  2019 ein Arbeitstreffen am RKI mit Akteuren aus              Studien, Sekundärdaten, sowie Surveillancedaten
  verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversor-               sind wichtig zur Überwachung der Eliminierungs-
  gung und -berichterstattung durchgeführt.61                  ziele. Die Surveillance der HBV-Infektionen nimmt
                                                               hier eine entscheidende Rolle ein.28,67 Zwischen
  Die erste Berichterstattung zu den Indikatoren aus           2001 und 2009 wurde ein Rückgang der übermit-
  Deutschland erfolgte 2018 (für die WHO) und 2019             telten HBV-Infektionen beobachtet, der vermutlich
  (für das ECDC). Die WHO und das ECDC haben                   vorwiegend auf einen verbesserten Impfschutz
  2019 ihre erste Datenerhebung in den Mitglieds-              durch die Einführung der generellen Impfempfeh-
  staaten durchgeführt. Ein ausführlicher Bericht des          lung für Säuglinge im Jahr 1995 zurückzuführen ist.
  ECDC zur ersten Datenerhebung bei den Mitglieds-             Dieser Trend stagnierte mit geringen Schwankun-
  staaten sowie der „Progress report on HIV, viral             gen von 2009 – 2014. Seit 2015 ist eine starke Zu-
  ­hepatitis and sexually transmitted infections“ der          nahme der gemeldeten Fallzahlen zu verzeichnen,
   WHO sind publiziert.62,63 Aktuell erhebt das ECDC           was mit den oben beschriebenen Änderungen im
   erneut die Daten zu den vordefinierten Indikatoren.         Meldewesen (siehe 3.1.1.) zusammenhängt.

                                                               In Deutschland wurden im Jahr 2020 2.148 weniger
  7. Zusammenfassende Einschätzung                             HBV-Infektionen übermittelt als im Vorjahr (Re-
  Die internationale und nationale Bedeutung von               duktion um 24 %). Gründe für die Reduktion über-
  ­viralen Hepatitiden ist weiterhin hoch. So haben so-        mittelter Fallzahlen sind vielfältig. Die COVID-19-
   wohl die WHO als auch das BMG Strategien zur                Pandemie hat die Gesundheitsversorgung, den öf-
   Eindämmung von Hepatitis          B veröffentlicht.         fentlichen Gesundheitsdienst aber auch das Kon-
   Deutschland hat sich den Eliminierungszielen vira-          taktverhalten der Bevölkerung drastisch verändert.
   ler Hepatitiden der WHO bis 2030 verschrieben.2             Die Reduktion der Fallzahlen 2020 im Vergleich
   Die COVID-19-Pandemie stellt eine große Heraus-             zum Vorjahr könnte neben oben genannten Grün-
   forderung beim Erreichen dieser Eliminierungs­              den auch durch die Änderungen im IfSG im Jahr
   ziele dar. Gesundheitsdienste weltweit wurden               2017 begründet sein. Nachmeldungen alter chroni-
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  scher Infektionen, ggf. auch Mehrfachmeldungen,              HBsAg-seropositiven Personen in Deutschland
  die in den ersten Jahren erfolgten, könnten im Be-           (s.  4.) und trotz bestehender Limitationen bei der
  richtsjahr 2020 nun nicht mehr ins Gewicht fallen,           Ermittlung der Anzahl der Therapierten eine Ver-
  sodass die Fallzahlen sich normalisieren.                    sorgungslücke in Deutschland zu geben. Es müssen
                                                               weitere Anstrengungen unternommen werden, um
  Anhand modellbasierter erwartbarer Fallzahlen                Personen mit einer HBV-Infektion, die für eine Be-
  wurde für alle drei Stadien der übermittelten HBV-           handlung in Frage kommen, zu identifizieren sowie
  Infektionen im Jahr 2020 eine Reduktion der Fall-            die Adhärenz von Therapierten sicherzustellen.
  zahlen ermittelt. Der stärkste Rückgang wurde beim           Eine besondere Herausforderung besteht bei beson-
  akuten Stadium berechnet. Der Rückgang der Fall-             ders gefährdeten oder schwer zu erreichenden
  zahlen scheint also nicht alleine auf eine veränderte        Gruppen.
  Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und
  einer Reduktion der Meldungen zurückzugehen,                 Die Prävalenzdaten in unterschiedlichen Bevölke-
  die vermutlich bei als chronisch und unbekannt               rungsgruppen deuten darauf hin, dass vulnerable
  übermittelten Infektionsstadien eine stärkere Rolle          Gruppen stärker betroffen sind. Zielgerichtete Maß-
  spielen, sondern auch auf eine Reduktion der Über-           nahmen zur Prävention sind daher essentiell. Dar-
  tragungen durch verändertes Kontaktverhalten. Da-            über hinaus wurden in einem systematischen Re-
  für spricht auch, dass der Rückgang von akuten In-           view Datenlücken in bestimmten Bevölkerungs-
  fektionen am Anfang der Pandemie in Phase I we-              gruppen, wie z. B. Personen in Haft, identifiziert so-
  niger stark ausgeprägt war als während der zweiten           wie die Datenlage als veraltet eingeschätzt, z. B.
  COVID-19-Welle in Phase III. Zwischen der ersten             repräsentative Daten in der Allgemeinbevölkerung
  und der zweiten COVID-19-Welle in Phase II fielen            betreffend.22 Daher ist es von großer Bedeutung,
  die Veränderungen der chronischen Infektionen                neue Studien zu konzipieren, um die identifizierten
  und Infektionen mit unbekanntem Infektionssta­               Datenlücken zu schließen.
  dium geringer aus als während der ersten und zwei-
  ten COVID-19-Welle. Die Entlastung des öffent­               Die aktuellen Surveillance- und Forschungsdaten
  lichen Gesundheitsdienstes sowie eine höhere Inan-           deuten darauf hin, dass immer noch neue Infektio-
  spruchnahme von Gesundheitsleistungen während                nen auftreten und dass die Krankheitslast erheblich
  Phase II könnten hierfür ursächlich sein.                    größer in vulnerablen Gruppen ist. Die Hepatitis-B-
                                                               Impfquoten sind weiterhin unzureichend. Um die
  Die Hepatitis-B-Impfquoten sind nicht nur in der             Anzahl der Neuinfektionen zu senken, sind zielge-
  Allgemeinbevölkerung, sondern auch in den Risiko-            richtete Präventionsmaßnahmen sowie die Identifi-
  gruppen unzureichend. Strategien zur Erhöhung                zierung von akuten und chronischen Infektionen
  der Impfquoten sollten für die Allgemeinbevölke-             von großer Bedeutung.
  rung und die unterschiedlichen Risikogruppen eva-
  luiert werden. Es wird dringend empfohlen, alle
  Säuglinge, Kinder und Jugendliche konsequent zu
  impfen. Zudem sollten die Impfquoten in definier-
  ten Risikogruppen, insbesondere bei solchen mit
  Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung
  oder injizierendem Drogengebrauch, gesteigert
  werden.

  Die Anzahl der mit NUK Therapierten stieg seit
  2008 stetig an, wohingegen sich die Behandlungs-
  kosten reduzierten.57 Trotz des stetigen Anstiegs der
  Anzahl der mit NUK Therapierten (26.035 pro Mo-
  nat im Jahr 2020) scheint es weiterhin unter Be-
  rücksichtigung einer geschätzten Zahl von 252.000
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