Der neue US-Kongress und die europäische Sicherheit
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NR. 1 JANUAR 2023 Einleitung Der neue US-Kongress und die europäische Sicherheit Auch für die Nato bedeutet der Führungsstreit bei den Republikanern nichts Gutes Marco Overhaus Die Hängepartie bei der Wahl Kevin McCarthys zum neuen Sprecher des US-Repräsen- tantenhauses ist auch für Washingtons Sicherheits- und Verteidigungspolitik von Bedeutung. Sie verdeutlicht den Einfluss einer kleinen, aber doch zunehmend rele- vanten Gruppe republikanischer Politikerinnen und Politiker. Viele von ihnen lehnen nicht nur die Ukraine-Hilfen der USA ab, sondern blicken generell skeptisch auf das sicherheitspolitische und militärische Engagement Amerikas in Europa. Diese Vor- behalte zeigten sich bereits bei mehreren Abstimmungen in Senat und Repräsentan- tenhaus, als es nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 um Unterstützung für Kiew, um die Nato und um Sanktionen gegen Moskau ging. Lange Zeit konnten sich Amerikas Verbündete in der Allianz darauf verlassen, dass beide Häuser des US-Kongresses mit großen, überparteilichen Mehrheiten die sicherheits- politische Führungsrolle Washingtons in Europa unterstützen. Doch an dieser ein- helligen Position zum Bündnis sind zuletzt Zweifel aufgekommen. Am 3. Januar trat in Washington D. C. der men. Letztere haben im (Vor-)Wahlkampf neue US-Kongress zusammen. Bei den vor- nämlich keine nennenswerte Rolle gespielt. angegangenen Wahlen am 8. November Dass Ex-Präsident Donald Trump auf das 2022 konnten die Demokraten ihre knappe Kandidatenfeld der Republikaner starken Mehrheit im Senat verteidigen – und nach Einfluss nahm, befeuerte innerhalb und den Stichwahlen in Georgia am 6. Dezem- außerhalb der USA dennoch die Sorge, im ber sogar um eine Stimme erweitern. Wäh- amerikanischen Kongress könnte ein Neo- rend die Republikaner im Repräsentanten- isolationismus erstarken. Auch wenn haus eine ebenfalls knappe Mehrheit America First am Ende weniger Wählerin- zurückerlangten, schnitten die »Trumpis- nen und Wähler mobilisierte, als sich die ten« dort – ebenso wie bei wichtigen Wah- Republikaner erhofft hatten, wurde doch len auf Ebene der Bundesstaaten – deut- ein harter Kern an »Allianz-Skeptikern« lich schlechter ab als erwartet. Die Gründe wiedergewählt, die ganz überwiegend dem dafür sind vielschichtig und hängen nicht republikanischen Freedom Caucus angehö- mit außenpolitischen Positionen zusam- ren. Diese Gruppe dürfte angesichts knap-
per Mehrheitsverhältnisse im neuen Kon- Nach der russischen Krim-Annexion gress deutlich an (Veto-)Macht und Mit- 2014 leisteten die USA im Rahmen der Euro- sprache gewinnen. Darauf deutet die län- pean Deterrence Initiative (EDI) militärische gere Blockade bei der Wahl McCarthys hin, Beiträge zur Rückversicherung der Nato der zahlreiche Zugeständnisse an seine (vgl. SWP-Studie 15/2019). Diese erschienen innerparteilichen Gegner machen musste, den europäischen Verbündeten auch des- um Sprecher des Repräsentantenhauses halb glaubwürdig, weil große Mehrheiten werden zu können. im Kongress die finanzielle Unterfütterung der Initiative unter Präsident Barack Obama wie unter seinem Nachfolger Donald Trump Bedeutung des US-Kongresses sicherstellten. Außerdem griff der Kongress für die europäische Sicherheit auf das Instrument von (rechtlich nicht bindenden) Resolutionen zurück, um der Die Möglichkeiten des Kongresses zur Mit- Nato politisch den Rücken zu stärken. wirkung in der Außen- und Sicherheits- Dies alles bedeutet nicht, dass die Allianz politik sind begrenzt und haben sich im in Senat und Repräsentantenhaus gänzlich Laufe der letzten Dekaden weiter in Rich- unkritisch gesehen wurde – insbesondere tung der Exekutive verschoben. Bestimmte die aus amerikanischer Sicht unzureichen- formale Kompetenzen der Legislative, wie de transatlantische Lastenteilung wurde das alleinige Recht, Streitkräfte aufzustellen immer wieder thematisiert. Dabei gab es und zu unterhalten oder Kriege zu erklären, aber nur vereinzelt Stimmen, die Washing- haben in der Praxis weitgehend an Bedeu- tons Bündnisse bzw. den bündnispoliti- tung verloren. Auf das operative Manage- schen Kurs des Landes grundsätzlich in ment amerikanischer Bündnisse – etwa Zweifel zogen. mit Blick auf die Größe und Anzahl von Zu diesen Ausnahmen zählten die Militärübungen, die Stationierung bzw. den republikanischen Senatoren Mike Lee und Abzug von US-Truppen und die Umsetzung Rand Paul. Sie wandten sich offen dagegen, von Bündnisverträgen – hat der Kongress weitere Staaten in das Bündnis aufzuneh- nur eingeschränkt Einfluss. men. Solange die USA den Löwenanteil der Dennoch sollte seine Relevanz für die Verteidigungslasten in der Nato trügen, amerikanische Sicherheitspolitik im Allge- äußerte etwa Lee, »können und sollten wir meinen und für die europäische Sicherheit keine Ausweitung unserer Verpflichtun- im Besonderen nicht unterschätzt werden. gen« ins Auge fassen. Die USA dürften sich Mit der Haushaltsgesetzgebung besitzt der nicht im Vorhinein darauf festlegen, die Kongress einen langen Hebel, über den er »Kriege der anderen« zu führen. auch bündnispolitische Maßnahmen oder etwa die militärische Unterstützung von Partnern wie der Ukraine forcieren oder Der Kongress und Russlands blockieren kann – zumindest dann, wenn Angriffskrieg gegen die Ukraine es dafür jeweils eine breite, überparteiliche Mehrheit gibt. Zudem nutzt der Kongress Mit Joe Biden zog im Januar 2021 ein Mann auch das Instrument von Wirtschaftssank- ins Weiße Haus, dessen atlantische Orien- tionen ausgiebig, um außen- und sicher- tierung – zumindest in der Sicherheits- heitspolitische Positionen zu untermauern. politik – und dessen Unterstützung für Während der Amtszeit Donald Trumps Amerikas Militärbündnisse kaum in Frage blickten die europäischen Verbündeten stehen. Damit änderte sich auch der schließlich auch aufmerksam in Richtung externe Blick auf die Rolle von Repräsen- Kapitol, weil sie von dort Schützenhilfe tantenhaus und Senat. Nunmehr lautete gegen Versuche des Präsidenten erhofften, die zentrale Frage aus Sicht von Alliierten, die Allianz zu schwächen oder gar grund- ob der Kongress den europa- und bündnis- legend in Frage zu stellen. politischen Kurs des Präsidenten vollum- SWP-Aktuell 1 Januar 2023 2
fänglich unterstützen würde. Dies galt zu- europäischer Sicherheit ging. Im April 2022 mal, nachdem die Republikaner bei den stimmten 63 Abgeordnete – allesamt von Zwischenwahlen von 2022 wieder die Mehr- republikanischer Seite – gegen eine Reso- heit im Repräsentantenhaus errungen lution zur politischen Unterstützung der hatten. Atlantischen Allianz. Im Juli des Jahres Seit Beginn des russischen Krieges gegen votierten 18 Republikaner im Repräsentan- die Ukraine steht dabei vor allem die huma- tenhaus gegen eine Resolution, mit der die nitäre, wirtschaftliche und militärische Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finn- Hilfe der USA für das angegriffene Land im lands begrüßt wurde. Bei der entscheiden- Fokus der internationalen Aufmerksamkeit. den Abstimmung im Senat waren im Darüber hinaus geht es direkt oder indirekt August dann allerdings nahezu alle Sena- aber häufig auch generell um die sicher- torinnen und Senatoren für den Beitritt der heitspolitische Rolle Amerikas in Europa. beiden nordeuropäischen Länder. Die ein- Tatsächlich hat das Abstimmungsverhalten zige Gegenstimme kam von dem Republi- insbesondere in den Reihen der Republika- kaner Josh Hawley aus Missouri. ner seit der russischen Invasion im Februar Dabei variieren die Motive derjenigen, 2022 Fragen aufgeworfen. die gegen eine Unterstützung der Ukraine Der Kongress bewilligte seither insgesamt oder die Nato-Politik von Bidens Adminis- vier Hilfspakete für die Ukraine. Die beiden tration gestimmt haben. Solche Voten sind Pakete von März und September waren nicht automatisch gleichzusetzen mit einer jeweils an ein umfassendes Ausgabengesetz isolationistischen Grundhaltung bzw. mit für die US-Regierung gekoppelt. Das Paket der Ablehnung von Amerikas Führungs- von Mai dagegen wurde als einzelnes Ge- rolle in der Allianz. Selbst bei der relativ setz speziell zur Ukraine beschlossen, homogenen Gruppe jener Republikanerin- weshalb das Abstimmungsverhalten hier nen und Republikaner, die sich selbst zum aussagekräftiger ist. Damals votierten im America First-Flügel der Partei zählen, ist Repräsentantenhaus 57 republikanische nicht immer klar, wofür sie außen- und Abgeordnete bei 368 Ja-Stimmen gegen das sicherheitspolitisch stehen – zumal dann, 40 Milliarden US-Dollar schwere Paket, im wenn sie im November 2022 neu in den Senat stimmten 11 republikanische Sena- Kongress gewählt wurden. toren dagegen. Alle Gegenstimmen kamen Einig sind sie sich in erster Linie bei dabei jeweils aus der Republikanischen innen-, wirtschafts- und gesellschaftspoliti- Partei. Ende Dezember schließlich verab- schen Themen. Sie sind gegen »Big Govern- schiedete der Kongress das vierte Ukraine- ment«, »Big Tech« und das Recht auf Ab- Hilfspaket. Es hatte ein Volumen von treibung; unterstützt werden »Energie- 45 Milliarden US-Dollar und war Teil eines unabhängigkeit« und das Recht, Waffen zu 1,7 Billionen US-Dollar umfassenden tragen. Die Forderung, tough on China zu Ausgabengesetzes. Dabei fielen die Hilfen sein, gehört mittlerweile zum Mainstream für Kiew sogar höher aus, als die Biden- beider Parteien im Kongress. Viele America Administration ursprünglich beantragt First-Republikaner plädieren zudem für ein hatte. Während im Senat zahlreiche Repub- starkes US-Militär. Einige dieser Politiker likaner für das Gesetz stimmten, votierte treten auch explizit für Bündnisse der die republikanische Fraktion im Repräsen- Vereinigten Staaten ein, wobei dann eher tantenhaus fast geschlossen dagegen. Be- auf Israel als auf die Nato verwiesen wird. reits im Vorfeld hatten einige Republikaner Dessen ungeachtet hat sich im Kongress Vorbehalte gegenüber der Unterstützung ein harter Kern republikanischer Politike- für Kiew angemeldet. rinnen und Politiker herausgebildet, deren Besonders erhellend sind jedoch die Abstimmungsverhalten seit Beginn des Abstimmungen im Kongress, bei denen es Ukraine-Krieges darauf schließen lässt, dass nicht um die Ukraine im engeren Sinne, sie die sicherheitspolitische Rolle der USA sondern um darüber hinausgehende Fragen in Europa und der Nato grundsätzlich SWP-Aktuell 1 Januar 2023 3
ablehnen. Diese Gruppe umfasst im Reprä- Äußerungen zur Ukraine vollzog. Einerseits sentantenhaus etwa 25 bis 30 Abgeordnete wandte er sich gegen einen »Blankoscheck« und deckt sich weitgehend, wenn auch für das Land, andererseits plädierte er für nicht vollständig, mit dem rechtskonserva- die Fortführung der Hilfen. tiven Freedom Caucus der Republikaner. Bis Ob sich auch im Senat eine Gruppe von auf wenige Ausnahmen wurden alle Mit- Bündnisskeptikern etablieren kann, ist bis- glieder der Gruppe im Vorwahlkampf von lang nicht klar ersichtlich. Dies wird auch Donald Trump unterstützt. Die wohl pro- davon abhängen, wie sich neu gewählte minenteste und umstrittenste Vertreterin Senatorinnen und Senatoren außen- und ist Marjorie Taylor Greene, die seit 2021 für sicherheitspolitisch positionieren werden. ihren Wahlkreis in Georgia im Repräsen- So übernimmt beispielsweise der Republi- tantenhaus sitzt. Der Abgeordnete Thomas kaner Markwayne Mullin im neuen Kon- Massie aus Kentucky sticht mit der Klarheit gress den Senatssitz von James Inhofe für hervor, in der er die Nato ablehnt. So den Bundesstaat Oklahoma. Inhofe gehörte äußerte er plakativ, Amerika könne es sich dem Senat bereits seit 1994 an und war nicht leisten, »die Verteidigung eines sozia- zuletzt der ranghöchste Republikaner im listischen Europas zu subventionieren«. Streitkräfteausschuss. Mullin, der seinen Etwas weniger kontrovers und damit Bundesstaat zuvor schon im Repräsentan- anschlussfähiger für gedankliche Strömun- tenhaus vertreten hatte, warb im Wahl- gen jenseits von America First ist beispiels- kampf damit, die »liberale Agenda Bidens« weise der Abgeordnete Tom McClintock aus zu bekämpfen, und verortete sich klar als Kalifornien. Er betrachtet die einstigen Make America Great Again-Republikaner. Ein Nato-Osterweiterungen als Fehler, weil sie außen- und sicherheitspolitisches Profil hat destabilisierend auf die europäische Sicher- er bislang nicht. heit gewirkt hätten. Daher lehnt er auch einen Beitritt Schwedens und Finnlands zu dem Bündnis ab. Zwar ist eine Ablehnung Parteipolitische Polarisierung der Erweiterungspolitik nicht automatisch kommt der Nato zugute gleichzusetzen mit einer Ablehnung der Nato per se. Die »Politik der offenen Tür« ist Auch auf der anderen Seite des politischen jedoch ein konstitutives Element sowohl Spektrums, nämlich beim progressiven der bisherigen amerikanischen Sicherheits- (also linken) Flügel der Demokraten, gibt es politik als auch des Selbstverständnisses der Kritik am sicherheitspolitischen Kurs der Allianz. Biden-Administration. Sie rührt allerdings Die allermeisten aus dem Kreis der repub- nicht aus einer grundsätzlichen Ablehnung likanischen Bündnisskeptiker wurden bei der amerikanischen Bündnispolitik, son- den Midterms am 8. November 2022 wieder- dern eher aus der Opposition gegen eine als gewählt, so dass dieser harte Kern auch im solche empfundene »Militarisierung« der neuen Kongress vertreten ist. Eine Gruppe US-Außenpolitik. In der Vergangenheit ent- von 25 bis 30 Abgeordneten mag in einem zündete sich der Widerspruch der »Progres- Gremium mit 435 Sitzen als klein und un- siven« dementsprechend vor allem an der bedeutend erscheinen. Angesichts der knap- Höhe des Verteidigungsetats oder an kon- pen Mehrheitsverhältnisse im Repräsentan- kreten Rüstungsentscheidungen etwa im tenhaus – 222 Sitze für die Republikaner, Bereich des nuklearen Arsenals. 213 Sitze für die Demokraten – kommt Im Zusammenhang mit dem Ukraine- einer ideologisch homogenen Gruppe je- Krieg lancierten 30 demokratische Abgeord- doch ein überproportional großes Gewicht nete des progressiven Flügels im Oktober zu. Das spiegelte sich nicht zuletzt in dem 2022 einen offenen Brief, in dem sie einen rhetorischen Balanceakt wider, den Kevin Kurswechsel der Biden-Administration ver- McCarthy im Bestreben, Sprecher des Reprä- langten. Das Schreiben löste in den eigenen sentantenhauses zu werden, mit seinen Reihen derartige Empörung aus, dass die SWP-Aktuell 1 Januar 2023 4
Unterzeichner es umgehend zurückzogen ben und Resolutionsentwürfe überhaupt und sich teils davon distanzierten. Dabei zur Abstimmung gelangen. Entsprechend spiegelte der Brief wohl ein tieferes Un- einflussreich sind die von der jeweiligen behagen der Parteilinken wider. Im Kern Mehrheitspartei gestellten Vorsitzenden der forderten sie einen direkten Austausch mit Ausschüsse sowie die ranghöchsten Vertre- Russland, um zu einem Waffenstillstand terinnen und Vertreter der Minderheits- in der Ukraine zu gelangen. Es ging ihnen partei, die sogenannten Ranking Members. um einen politischen Ansatz, der die Dip- Bei der Personalauswahl für diese Posi- lomatie stärker in den Vordergrund rückt tionen spielt das Senioritätsprinzip, also und sich nicht auf Waffenlieferungen be- die bisherige Dienstzeit im Kongress, zwar schränkt. Die Kritik richtete sich nicht keine allein ausschlaggebende, aber doch gegen Waffenlieferungen per se, noch nach wie vor wichtige Rolle. Dieser Um- weniger gegen die militärische Rückversi- stand trug maßgeblich dazu bei, dass Ver- cherung der Nato in Osteuropa oder die treterinnen und Vertreter der extremen Aufnahme neuer Staaten in die Allianz. Parteiflügel bislang kaum Führungsposi- Doch je länger der Ukraine-Krieg dauert tionen im US-Kongress erlangt haben. So und je mehr menschliches Leid und mate- nimmt beispielsweise der besagte Mark- rielle Schäden er verursacht, desto lauter wayne Mullin künftig zwar den Senatssitz könnten Zweifel an den Rüstungslieferun- von Inhofe ein, keineswegs jedoch auch gen und desto expliziter könnten Forde- dessen Führungsrolle im Streitkräfteaus- rungen nach Gesprächen der US-Adminis- schuss. Dafür ist aufgrund des Senioritäts- tration mit Moskau werden. prinzips vielmehr der Republikaner Roger Die Aussichten für weitere Ukraine-Hilfs- Wicker vorgesehen, der den Bundesstaat pakete und eine Unterstützung der Nato im Mississippi bereits seit 2007 im Senat neuen Kongress dürften davon abhängig vertritt. Auch der Führungswechsel im sein, dass die »Militarisierungskritiker« mächtigen Bewilligungsausschuss (Approp- vom linken Flügel der Demokraten keine riations Committee) folgt dem Kriterium der gemeinsame Agenda mit den America First- Dienstzeit. Vertretern der Republikaner verfolgen. Im Repräsentantenhaus, wo nunmehr Überparteiliche Abstimmungen gegen die die Republikaner statt wie bisher die Allianz und den Beistand für Kiew sind auf- Demokraten die Mehrheitsfraktion stellen, grund der ideologischen Gräben allerdings erfolgt der Führungswechsel im Wesent- so gut wie ausgeschlossen. Es mag paradox lichen durch einen Rollentausch: In den klingen, doch sowohl die Ukraine als auch Fachausschüssen für Auswärtiges, Streit- die Nato profitieren in dieser Hinsicht kräfte sowie Bewilligung rücken die Ranking von der parteipolitischen Polarisierung in Members in die jeweiligen Vorsitze auf, Washington. während die bisherigen Vorsitzenden zu Zum einen spielt die Größe bestimmter Ranking Members werden. Anders als im Gruppen, wie des Freedom Caucus bei den Repräsentantenhaus verlief die Wahl der Republikanern oder des Progressive Caucus Führung im Senat nach Plan. Dort wurden bei den Demokraten, eine wichtige Rolle der Demokrat Chuck Schumer als Mehr- für die politischen Kräfteverhältnisse im heitsführer und der Republikaner Mitch Kongress. Bedeutsam ist zum anderen aber McConnell als Minderheitsführer wieder- auch, mit wem die Führungspositionen in gewählt. den beiden Parteien sowie in den für Außen- und Sicherheitspolitik relevanten Ausschüssen von Senat und Repräsentan- Den Blick auf 2024 gerichtet tenhaus besetzt werden. Im parlamentari- schen Betrieb nehmen die Fachausschüsse Echte Isolationisten, welche die sicherheits- eine zentrale Stellung ein. Von ihnen hängt politischen Bündnisse der USA in Europa ab, welche der zahlreichen Gesetzesvorha- oder anderen Weltregionen grundlegend in SWP-Aktuell 1 Januar 2023 5
Frage stellen, sind auch im neuen Kongress Gespräch zu kommen – etwa im Rahmen zahlenmäßig eine kleine Minderheit. Die des Parlamentarieraustauschs zwischen kritischen Stimmen insbesondere bei den Bundestag und US-Kongress sowie der Republikanern werden jedoch vernehm- Aktivitäten des Transatlantikkoordinators barer. Bei einigen wiederum, die den Wert im Auswärtigen Amt. Denn nicht alle, die der US-Bündnisse durchaus anerkennen, sich bei den letzten Vorwahlen von Donald stehen eher der indopazifische Raum und Trump haben unterstützen lassen, teilen damit die Eindämmung Chinas im Fokus. auch dessen Verachtung für EU und Nato. Im Repräsentantenhaus wurde der harte So oder so wird der Einfluss des America Kern republikanischer Politikerinnen und First-Flügels im Kongress tendenziell wach- © Stiftung Wissenschaft Politiker wiedergewählt, die das sicherheits- sen. Dies wäre aus deutscher und europäi- und Politik, 2023 politische Engagement der USA in Europa scher Sicht umso folgenschwerer, wenn Alle Rechte vorbehalten generell skeptisch betrachten. Vor allem 2024 erneut ein Präsident ins Weiße Haus mit Blick auf die parlamentarischen Neu- gewählt wird, der deutlich weniger klar für Das Aktuell gibt die Auf- zugänge aus dem America First-Flügel bleibt Amerikas Bündnisse einsteht als Joe Biden. fassung des Autors wieder. abzuwarten, ob diese Sichtweise weiteren Dies könnte wieder Donald Trump sein In der Online-Version dieser Zulauf finden wird. oder – was derzeit als wahrscheinlicher Publikation sind Verweise Im Laufe der Zeit ist zudem mit einem gilt – ein anderer Kandidat aus dem rech- auf SWP-Schriften und »Marsch durch die Institutionen« zu rech- ten Spektrum der Republikaner. In diesem wichtige Quellen anklickbar. nen, der entsprechende Protagonisten von Fall hätte die America First-Fraktion nicht SWP-Aktuells werden intern der Basis in Spitzenämter des Kongresses nur einen Fürsprecher im Weißen Haus. einem Begutachtungsverfah- führen wird. Bereits jetzt versuchten Ver- Darüber hinaus wäre der Kongress auch ein ren, einem Faktencheck und treterinnen und Vertreter des republikani- weniger kraftvolles Korrektiv gegen sicher- einem Lektorat unterzogen. schen Rechtsaußen-Flügels wie Marjorie heitspolitische Entscheidungen der künf- Weitere Informationen Taylor Greene, die Wahl des neuen Spre- tigen US-Administration, die den Interessen zur Qualitätssicherung der chers im Repräsentantenhaus zu nutzen, von EU und europäischen Nato-Partnern SWP finden Sie auf der SWP- Website unter https://www. um sich als Mehrheitsbeschaffer einfluss- zuwiderliefen. swp-berlin.org/ueber-uns/ reiche Posten zu sichern. Unabhängig qualitaetssicherung/ davon dürfte der Widerstand gegen ameri- kanische Unterstützung für die Ukraine SWP sowohl bei Republikanern als auch bei Stiftung Wissenschaft und Politik Demokraten künftig eher zu- als abnehmen Deutsches Institut für – und das umso mehr, je länger der Krieg Internationale Politik und andauert. Gut möglich ist, dass es in Zu- Sicherheit kunft zwar weiterhin entsprechende Hilfs- pakete gibt, diese dann jedoch deutlich Ludwigkirchplatz 3–4 kleiner ausfallen als bisher. 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht Fax +49 30 880 07-100 deutscher und europäischer Politik wichtig, www.swp-berlin.org eigene Zusagen einzuhalten, was die wirt- swp@swp-berlin.org schaftliche, humanitäre und militärische Unterstützung der Ukraine und die Vertei- ISSN (Print) 1611-6364 ISSN (Online) 2747-5018 digungsanstrengungen der Nato betrifft. DOI: 10.18449/2023A01 Solche Beiträge gilt es gegenüber der amerikanischen Seite auch immer wieder herauszustellen. Darüber hinaus ist ebenso wichtig, gerade mit schwierigen Kontakt- partnern aus dem Freedom Caucus bzw. der America First-Fraktion der Republikaner ins Dr. Marco Overhaus ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika. SWP-Aktuell 1 Januar 2023 6
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