Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien zwischen Euroskeptizismus und Populismus

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Südosteuropa 60 (2012), H . 2, S . 239-263

        pOpuLISMuS unD eurOSkeptIZISMuS In SüDOSteurOpA

                             ALEKSANDRA SALAMUROVIć

                  Der politische und mediale Diskurs
                       in Serbien und Kroatien
              zwischen Euroskeptizismus und Populismus

Abstract. This paper examines public communication in Serbia and Croatia in the frame of the
EUrope-discourse . Elements of both political communication (direct statements by politicians,
political slogans, etc .) as well as media coverage (in print media) were analyzed . The paper
attempts to elaborate linguistic resources that are particularly relevant for populist and/or
eurosceptic statements, such as active-passive transformation, the use of the personal pronoun
“we”, certain types of clauses, and especially lexical and stylistic figures . The findings confirm
the hypothesis that public communication in both countries has strong similarities to those
in the 1990s . Regardless of some lexical innovations in the eurosceptic and critical statements
about the European Union, no relevant linguistic and discourse changes could be determined
in the surveyed countries . The political and the media discourse in these Southeastern Euro-
pean countries continue to exist without a serious reflection on the notion “European Union” .

Aleksandra Salamurović ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Fachbereichen Südsla-
wistik und Südosteuropastudien der Friedrich-Schiller-Universität Jena .

                                           Einleitung
  Die öffentliche Kommunikation und der gesellschaftliche Diskurs der 1990er
Jahre in Kroatien und Serbien waren, ausgelöst und unterstützt durch die
Konflikte und Kriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, von einer
homogenen Kulturvorstellung geprägt . Diese wurde in Form einer nationalen
Auslegung positiver Selbstbilder und negativer Fremdbilder in aller Schärfe zum
Ausdruck gebracht . So wurde und wird in Kroatien die Abgrenzung von den
Serben und anderen „Feinden“ durch die Betonung der Zugehörigkeit Kroatiens
zu Europa konstruiert .1 In Serbien dagegen wurde das epische und bäuerliche

  1 Vgl . die Analysen von Ivan Čolović, Politika simbola . Ogledi o političkoj antropologiji .

Belgrad 1997, 43; ders . Sve je počelo u Srbiji? in: ders . (Hg .), Zid je mrtav, živeli zidovi! Belgrad
2009, 37-57, 53; ders ., The Balkans: The Terror of Culture . Essays in Political Anthroplogy .
Baden-Baden 2011, 121f .; Dubravko Škiljan, Govor nacije . Jezik, nacija, Hrvati . Zagreb 2002;
240                                 Aleksandra Salamurović

Erbe idealisiert, das auf das ursprüngliche Wesen der Serben verweisen sollte,
welches im Vergleich zum Westen moralisch überlegen sei .2
   Wie der kroatische Sprachwissenschaftler Dubravko Škiljan richtig feststellt,
manifestieren sich gesellschaftliche Krisen immer auch als Kommunikations-
krisen .3 Diese Kommunikationskrisen sind nicht zuletzt in den Medien und in
der Sprache, die in der Öffentlichkeit benutzt wird, festzustellen . Konstatieren
viele Wissenschaftler und Publizisten, der Krieg im ehemaligen Jugoslawien
sei durch Ideen und Worte entfacht worden,4 untermauern Untersuchungen
zur Rolle und zur Bedeutung des öffentlichen Sprachgebrauchs in den Ländern
des ehemaligen Jugoslawien diese These . Insbesondere gilt dies für Serbien
und Kroatien .5
   Die politische Wende nach dem Sturz Slobodan Miloševićs in Serbien im Ok-
tober 2000 sowie der Tod Franjo Tuđmans in Kroatien 1999 markierten das Ende
der autoritären Regime in diesen Staaten . Eine allmähliche Liberalisierung setzte
ein, so dass alternative kommunikative Muster im gesellschaftlichen Diskurs
eine immer größere Rolle einnehmen konnten . Der fortschreitende Annähe-
rungsprozess an die Europäische Union in beiden Ländern nach 2000 verur-
sachte aber auch neue identitäre Konflikte, nicht zuletzt wegen des seitens der
EU-Akteure vermittelten Eindrucks, dass kontinuierlich weitere Bedingungen
zu erfüllen seien .6 Ausgehend von den genannten politisch-gesellschaftlichen
Umständen basiert die Forschungsfrage dieses Beitrags auf der Annahme, dass
sich öffentliche Kommunikation in ihrer symbolhaften Orientierung und in
den konkreten sprachlichen Realisierungen nur sehr langsam verändert .7 Aus

Maple Razsa / Nicole Lindstrom, Balkan Is Beautiful: Balkanism in the Political Discourse of
Tudjmans Croatia, East European Politics and Societies 18 (2004), H . 4, 628-650 .
   2 Vgl . Čolović, Politika simbola (wie Anm . 1), 40-48 .
   3 Dubravko Škiljan, Protiv retorike rata, in: Božidar Jakšić (Hg .), Ka jeziku mira . Belgrad

1996, 15-25, 19 .
   4 Ivan Čolović, Retorika mira? in: Jakšić (Hg .), Ka jeziku mira (wie Anm . 3), 51-62, 51 .
   5 Vgl . u . a . Ranko Bugarski, Jezik od mira do rata . Belgrad 1997; ders ., Jezik u društvenoj

krizi . Belgrad 1997; Dubravko Škiljan, Javni jezik . Pristup lingvistici javne komunikacije .
Belgrad 1998 .
   6 Miloš Knežević, Evroskepticizam: 111 evroskeptičnih fragmenata . Belgrad 2008, 20;

Razsa / Lindstrom, Balkan Is Beautiful (wie Anm . 1), 639f . Aleksandar Štulhofer, Euroskepti-
cizam u Hrvatskoj: S onu stranu racionalnosti, in: Katarina Ott (Hg .), Pridruživanje Hrvatske
Europskoj uniji, 4: Izazovi sudjelovanja . Zagreb 2006, 135-154, 141 .
   7 Zorica Tomić, Komunikacija i javnost . Belgrad 2004, 15f .; Zagorka Golubović, Kulture u

tranziciji u Istočnoj Evropi i Jugoslaviji: raskorak izmedju kulturnog i nacionalnog obrasca, in:
Mirjana Prošić-Dvornić (Hg .), Kulture u tranziciji . Belgrad 1994, 35-45; Andreas Vlašić, Die
Integrationsfunktion der Massenmedien . Begriffsgeschichte, Modelle, Operationalisierungen .
Wiesbaden 2004, 40 . Jelena Vukotić / Mirjana Mirosavljević / Zoran Savić, Ko stvara javno
mnenje u Srbiji . Uticaj bez autoriteta, Vreme, 01 .08 .2002, 32-37; Sonja Biserko (Hg .), Mediji
kao deo antievropskog fronta . Štampa: nepromenjena matrica . Helsinški odbor za ljudska
prava . Belgrad 2004 .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                   241

diesem Grund scheint die Annahme gerechtfertigt zu sein, dass sich sprachlich-
diskursive Elemente, die typisch für den politischen und medialen Diskurs
der 1990er Jahre waren, wiederholt finden lassen . Allerdings nehmen an der
öffentlichen Kommunikation, die hier untersucht wird, nicht lediglich interne
Akteure teil, sondern auch externe, EUropäische Akteure, die im Zuge des
EU-Beitrittsprozesses wesentlich den politischen und medialen Diskurs in den
betreffenden Ländern beeinflussen . Von ihnen geprägte sprachlich-diskursive
Elemente sollen in diesem Beitrag dargestellt und im Gesamtkontext erläutert
werden .

                                   Sprache und Politik
   Das Verhältnis zwischen Sprache und Politik ist seit langer Zeit ein Schwer-
punkt interdisziplinärer Forschung, wenn auch zunächst einzelne Konzepte
in der (Sprach-)Philosophie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft
teilweise unabhängig voneinander erarbeitet wurden .8 Die Komplexität dieses
Verhältnisses und der gegenseitigen Beeinflussung ergibt sich in erster Linie aus
der spezifischen Funktionalisierung der Sprache in der politischen Kommuni-
kation . Die sprach- und kommunikationswissenschaftliche Herangehensweise
geht von der Prämisse aus, dass politisches Handeln
     „durch (mit) Sprache entworfen, vorbereitet, ausgelöst, von Sprache begleitet,
     beeinflusst, gesteuert, geregelt, durch Sprache beschrieben, erläutert, motiviert,
     gerechtfertigt, verantwortet, kontrolliert, kritisiert, be- und verurteilt [wird]“ .9

Um die in dieser Definition genannten Funktionen der Sprache im politischen
Handeln und in der politischen Kommunikation genauer zu beleuchten, hat sich
seit den 1990er Jahren in der deutschsprachigen Forschung die Politolinguistik
als eine neue Teildisziplin etabliert .10 Im englischsprachigen Raum werden
sprach- und kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen des Sprach-
gebrauchs in der Politik im Rahmen der Diskursanalyse mit breitgefächertem
theoretischem und methodischem Ansatz durchgeführt .11 Beide Herangehens-
weisen machen es sich zur Aufgabe, kommunikative Vorgänge im politischen
Diskurs zu analysieren, da sich das politische Handeln in diesen kommunika-

   8 Vgl . Mădălina Botan, New Perspectives on the Study of Political Communication .

Romanian Journal of Communication and Public Relations 12 (2010), H . 3, 9-21, 9f .
   9 Armin Burkhardt, Vom Schlagwort über die Tropen zum Sprechakt . Begriffe und

Methoden der Analyse politischer Sprache und ihres geschichtlichen Wandels, Der Deutsch-
unterricht 55 (2003), H . 2, 10-23, 11 .
  10 Vgl . ebd ., 10 .
  11 Vgl . u . a . Paul Chilton / Christina Schäffner (Hgg .), Politics as Text and Talk . Analytic

Approaches to Political Discourse . Amsterdam, Philadelphia/PA 2002 .
242                                 Aleksandra Salamurović

tiven Vorgängen widerspiegele .12 Da die Sprache das wichtigste semiotische
Mittel in der Kommunikation darstellt, gehen auch Politikwissenschaftler von
einem Einfluss der Sprache auf die Politik und vice versa aus .13 Dieser Einfluss
erfolgt grundsätzlich auf zwei Ebenen: Auf der einen werden Informationen
und Meinungen vermittelt, auf der anderen emotional-manipulative Ziele mehr
oder weniger klar zum Ausdruck gebracht .14 Aus diesem Grund betrachten
Diskursanalytiker die Persuasion als eine zentrale Funktion der Sprache in der
politischen Kommunikation . In diesem Beitrag wird die Persuasion als eine auf
Emotionalität und Symbolhaftigkeit beruhende sprachliche Strategie definiert,
selbst wenn sie in Form von informativ-argumentativen Aussagen ausgedrückt
wird .15 Das vorrangige Ziel der Persuasion ist es, politisches Handeln zu sichern
und zu legitimieren, d . h . Macht in der öffentlichen Sphäre aufrechtzuerhalten .16
   Persuasion kann, linguistisch betrachtet, mittels einer unendlich breiten
Skala von morphologischen, syntaktischen und semantischen Elementen rea-
lisiert werden . Die Auswahl bestimmter Elemente und das Auslassen anderer
hängen in jeglicher Art von Kommunikation von einem außersprachlichen
Kontext ab, der gemeinsam mit der sprachlichen Realisierung einen komplexen
informativen und sinngebenden Bereich produziert . In diesem Rahmen finden
Kommunikation, d . h . der Austausch von Ideen, Meinungen und Informationen
sowie das Verstehen derselben statt . Dieser komplexe informative und sinnge-
bende Bereich kann als Diskurs bezeichnet werden .17 Der Diskurs wird in der
Sprachwissenschaft als ein synchron und diachron konstituiertes Bezugsnetz
miteinander verbundener Texte verstanden, wobei der Text hier als ein Aussa-
gegeflecht und nicht als ein physisch eingegrenzter, fixierter Inhalt verstanden

   12 Burkhardt, Vom Schlagwort über die Tropen zum Sprechakt (wie Anm . 9), 10; Ruth

Wodak, The Power of Language in Political Discourse, Journal of Language and Politics 3 (2004),
H . 3, 381-383, 381 .
   13 Anton Pelinka, Language as a Political Category, Journal of Language and Politics 6 (2007),

H . 1, 129-143, 130 .
   14 Wodak, The Power of Language (wie Anm . 12), 381 .
   15 Burkhardt, Vom Schlagwort über die Tropen zum Sprechakt (wie Anm . 9), 12 . Burk-

hardt unterscheidet zwischen dem argumentativ-rationalen Überzeugen und dem emotional-
rhetorischen Überreden . In diesem Beitrag wird jedoch der Ansatz der Diskursanalytiker
Ruth Wodak und Martin Reisigl übernommen, die in Argumentationsmustern bestimmte,
auch symbolhafte Topoi erkennen und diese kritisch analysieren, vgl . u . a . Martin Reisigl,
Nationale Rhetorik in Fest- und Gedenkreden . Tübingen 2007, 41f.
   16 Ruth Wodak, What CDA Is about – a Summary of Its History, Important Concepts and

its Developments, in: dies . / Michael Meyer (Hgg .), Methods of Critical Discourse Analysis .
London, New Delhi 2001, 1-13, 2 . Die Macht im politischen Diskurs stellt eines der zentralen
Konzepte der kritischen Diskursanalyse dar und wird definiert als das Verhältnis, das sich
zwischen und zu den sozialen Unterschieden von Individuen und Gruppen herausbildet . Der
Gebrauch und Missbrauch von Medien und Sprache während der Jugoslawienkriege ist ein
naheliegendes konkretes Beispiel des sprachlich-diskursiven Verständnisses politischer Macht .
   17 Ebd ., 9 .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                   243

wird, also nicht als das, was im alltäglichen Sprachgebrauch meist als Text
bezeichnet wird .18 Daraus lässt sich schließen, dass einzelne Elemente sowohl
der politischen Kommunikation (Aussagen von Politikern, politische Slogans
u . Ä .) als auch der medialen Kommunikation (in den Print- und elektronischen
Medien vermittelte Inhalte) einen gemeinsamen inhaltsbezogenen Diskurs
bilden, im konkreten Fall den EUropa-Diskurs,19 den es zu untersuchen gilt .
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei bestimmte sprachliche (gram-
matikalische) Elemente dieses Diskurses, mit Hilfe derer sich Euroskeptizismus
und Populismus in der Öffentlichkeit kommunizieren lassen .

                          Der EUropa-Diskurs zwischen
                        Euroskeptizismus und Populismus
   Im Rahmen des EUropa-Diskurses lassen sich unterschiedliche informativ-
mentale und symbolisch-emotionale Bezugsnetze um dessen zwei Merkmale bil-
den: zum einen um den Euroskeptizismus, definiert als „ein Zusammenschluss
von Misstrauen gegenüber der EU und der Senkung der Beitrittsneigung“,20
zum anderen um den Populismus . Wie theoretisch wichtig und für die gesell-
schaftliche Praxis relevant diese zwei Merkmale sind, lässt sich nicht zuletzt an
der Fülle von Definitionsversuchen zu beiden Begriffen erkennen . Während eine
knappe und operative Bestimmung des Euroskeptizismus ohne größere Probleme
gelingt, erweist sich der Begriff Populismus nach Meinung vieler Diskursanaly-
tiker, Sprach- und Politikwissenschaftler als „[…] zu komplex, kontextabhängig
und veränderlich […], um in knappen Definitionen erfasst werden zu können“ .21

   18 Claudia Bluhm u . a . (Hgg .), Linguistische Diskursanalyse: Überblick, Probleme, Perspek-

tiven, Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 88 (2000), 3-19, 4 . Hierbei handelt es
sich um eine linguistische Abgrenzung des Begriffes Text, der bekanntlich auch in anderen
geisteswissenschaftlichen Disziplinen mit stark variierter Bedeutung verwendet wird, wie
etwa in der Anthropologie, wo Rituale oder Bräuche ebenfalls als Texte gedeutet werden .
   19 Um eine ausführliche Diskussion um die Begriffe EU und Europa und ihre jeweiligen

Deckungsgrenzen, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, zu vermeiden, wurde
die Sonderbezeichnung EUropa des dänischen Kommunikationswissenschaftlers Sine Nør-
holm Just übernommen . Damit wird für analytische Zwecke das metonymische Verhältnis
zweier Termini betont . Allerdings werden die Begriffe in Fällen, in denen es für die Befunde
relevant ist, unterschieden . Vgl . Sine Nørholm Just, No Place Like Home? The Role of the
Media in the Framing of Europe, Journal of Language and Politics 8 (2009), H . 2, 244-268, 265 .
   20 Štulhofer, Euroskepticizam u Hrvatskoj (wie Anm . 6), 135 .
   21 Thomas Meyer, Populismus und Medien, in: Frank Decker (Hg .), Populismus . Gefahr

für die Demokratie oder nützliches Korrektiv? Wiesbaden 2006, 81-99, 81 . Vgl . auch Martin
Reisigl, „Dem Volk aufs Maul schauen, nach dem Mund reden und Angst und Bange machen“ .
Von populistischen Anrufungen, Anbiederungen und Agitationsweisen in der Sprache öster-
reichischer PolitikerInnen, in: Wolfgang Eismann (Hg .), Rechtspopulismus . Österreichische
Krankheit oder europäische Normalität? Wien 2002, 149-198, 149f .
244                               Aleksandra Salamurović

In der vorliegenden Studie wird Populismus zunächst als „politischer Stil“,22
als eine bestimmte politisch-sprachliche Strategie zur Vermittlung von poli-
tischen Ideen und Meinungen definiert .23 Als politisch-sprachliche Strategie
kann Populismus auch in der Rhetorik „etablierter Politiker“24 und in unter-
schiedlichen Diskursen festgestellt werden . Er zeichnet sich grundsätzlich durch
„Instrumentalisierung von Einfachschablonen und Schwarz-Weiß-Bildern des
Politischen und groben Schemata der emotionalen Entdifferenzierung“ aus .25
Dies bezieht sich vor allem auf die Form populistischer Aussagen . Inhaltlich
können durch diese sowohl positive als auch negative Botschaften zum Aus-
druck gebracht werden .
   Nun gilt es, grammatische Formen herauszuarbeiten, mit Hilfe derer Popu-
lismus in Inhalt und Form analytisch festgelegt werden kann . Sprachlich kann
der Populismus, wie bereits für den Fall der Persuasion festgestellt, durch eine
fast unendliche Bandbreite an grammatikalisch-stilistischen Mitteln realisiert
werden . In einigen deutschsprachigen empirischen Studien zum Rechtspopulis-
mus wurden vor allem folgende sprachlichen Mittel als für populistische Inhalte
relevant herausgearbeitet: abwertende Personenbezeichnungen für die an der
Kommunikation teilnehmenden Akteure, Zuschreibungen von Eigenschaften
in Form von Adjektiven, Partizipialkonstruktionen bis hin zu Relativsätzen
und rhetorischen Figuren wie Metapher, Metonymie (Ersetzung des eigentlich
gemeinten Wortes durch ein anderes, das mit diesem in einer geistigen oder
sachlichen Beziehung steht), Synekdoche (nach dem Prinzip pars pro toto), Hy-
perbel, Paraphrase, sprachliche Perspektivierung bzw . Aktiv-Passiv-Diathese,
Abtönungs- und Modalpartikel (Füllwörter, die die subjektive Einstellung des
Sprechers in einer Aussage betonen), Konjunktivgebrauch und Gebrauch von
Konditionalsätzen, die eine Aussage über Abschwächungs- und Verstärkungs-
strategien treffen .26 Einige der genannten grammatikalischen Mittel tauchen
auch in der vorliegenden Analyse auf .
   Vor dem Hintergrund der genannten Merkmale erscheinen folgende Frage-
stellungen relevant:
– Welche Botschaften werden in Bezug auf die Phänomene des Euroskeptizis-
   mus und Populismus vermittelt, und welche Formen der Versprachlichung
   kommen dabei zustande?

   22 Nenad Zakošek, Zauzdani populizam: fenomen Milana Bandića, Političke analize. Tro-

mjesečnik za analizu hrvatske i međunarodne politike 1 (2010), H . 1, 6-11, 7 .
   23 Hans-Jürgen Puhle, Was ist Populismus?, in: Helmut Dubiel (Hg .), Populismus und

Aufklärung . Frankfurt/M . 1986, 12-32, 12; vgl . Reisigl, „Dem Volk aufs Maul schauen“ (wie
Anm . 21), 152 .
   24 Zakošek, Zauzdani populizam (wie Anm . 22), 7; vgl . Reisigl, „Dem Volk aufs Maul

schauen“ (wie Anm . 21), 160 .
   25 Meyer, Populismus und Medien (wie Anm . 21), 82 .
   26 Reisigl, „Dem Volk aufs Maul schauen“ (wie Anm . 21), 174f.
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                245

– Welche Akteure nehmen am Kommunikationsprozess teil, und welche sprach-
  lichen Mittel benutzen sie? Dabei sollen sowohl interne Akteure, d . h . solche
  aus Kroatien und Serbien, aber auch externe Akteure, d . h . solche aus der EU
  und dem übrigen Europa, berücksichtigt werden .
– Welche Reichweite und welches Erklärungspotential haben diese Ausdrucks-
  formen in den zwei untersuchten Ländern, insbesondere in Bezug auf die
  Verbindung zwischen aktuellen (nach 2000) und in den 1990er Jahren aus-
  getragenen Diskursen?

                    Der politische und der mediale Diskurs
  Wie bereits erwähnt, wird im vorliegenden Beitrag ein Teil des gesellschaftli-
chen Diskurses analysiert, der sich durch die Äußerungen politischer Akteure
in den Medien herausbildete . Diese Bestimmung der untersuchten Korpora
weist zunächst auf eine starke Verflechtung zwischen politischem und media-
lem Diskurs hin:
     „The media have historically had this role in the emergence of democratic institu-
     tions, and the relationship between original talk and text on the one hand and
     reports of that talk and text on the other can be assumed to be a crucial link in the
     production of a public sphere in which citizens participate in the political process .“27

Die politische Kommunikation wird in der Öffentlichkeit meist in den und
durch die Medien ausgetragen, so dass eine klare Trennung zwischen politi-
schem und medialem Diskurs fast unmöglich ist, zumal sie sich gegenseitig
stark beeinflussen .28 Manche Autoren sind sich einig, dass die Verflechtung
zwischen Medien und politischer Kommunikation in modernen Gesellschaften
drastisch zunimmt, was vor allem populistische Strategien begünstige .29 Diese
theoriebasierte Ausgangslage erschwert aber die analytische Vorgehensweise
insofern, als es unmöglich ist, in einem bestimmten Korpus die Elemente des
politischen und des medialen Diskurses eindeutig zu differenzieren . Dennoch
wurde in der hier durchgeführten Analyse versucht, methodologische und
diskursspezifische Unterschiede zu berücksichtigen, die in den Befunden ge-
kennzeichnet sind . Das bedeutet, dass zum politischen Diskurs nur direkte Zitate
sowie Aussagen, die unmittelbar politischen Akteuren zugeschrieben werden
können (in Form von Objektsätzen nach dem Muster „X sagte / erläuterte / fügte
hinzu, dass …“), untersucht wurden . Als Elemente des medialen Diskurses
wurden vordergründig Überschriften bzw . Schlagzeilen sowie Elemente der
Texteinleitung und -ausleitung und ihr gegenseitiges Verhältnis analysiert, das
   27 Paul Chilton / Christina Schäffner, Introduction . Themes and Principles in the Analysis

of Political Discourse, in: diess . (Hgg .), Politics as Text and Talk (wie Anm . 11), 1-41, 8 .
   28 Botan, New Perspectives on the Study of Political Communication (wie Anm . 8), 10 .
   29 Meyer, Populismus und Medien (wie Anm . 21), 82f .
246                                Aleksandra Salamurović

heißt, es wurde untersucht, ob die Überschrift die Hauptbotschaft des Textes
wiedergibt oder nicht . Als besonderes Merkmal des medialen Diskurses werden
abschließend Beiträge sogenannter Experten (Intellektuelle, Journalisten) und
politischer Kommentatoren näher erläutert . Zudem wird auf die redaktionelle
Ausrichtung des jeweiligen Presseorgans eingegangen, sofern dies den Befund
beeinflusst . Dies steht aber nicht im Vordergrund, da die Analyse nicht die
Frage beantworten soll, wie sich der EUropa-Diskurs in bestimmten Medien-
typen (regierungsnahen vs . „unabhängigen“30 Medien) konstituiert . Vielmehr
soll geklärt werden, welche sprachlichen Mittel insgesamt im EUropa-Diskurs
benutzt werden .
  Für die Analyse wurde ein Korpus zusammengestellt, der für beide Länder
jeweils etwa 40 Artikel umfasst . In Serbien wurden Presseartikel von Anfang
2008 untersucht, also aus der Zeit unmittelbar vor der Unabhängigkeitserklärung
Kosovos im Februar . Letztere führte, zusammen mit der Unterzeichnung des
Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommens (SAA) mit der EU im April, in
Serbien zu einem Regierungswechsel im Sommer 2008 .31 Für Kroatien wurden
Pressetexte aus wichtigen Zeitungen zwischen März und Juni 2011 ausgewählt .32
Da es sich bei dieser Untersuchung um einen exemplarischen Einblick in die
sprachliche Konstituierung zweier Merkmale des EUropa-Diskurses in Serbien
und Kroatien handelt, war eine quantitative Erhebung über einen längeren
Zeitraum methodologisch nicht erforderlich .
  Für die Analyse wurde ein induktives Verfahren gewählt . Die Artikel wur-
den stichprobenartig nach dem weitgefassten Kriterium ausgesucht, dass sie

   30 Der Begriff „unabhängige Medien“ wird von vielen Politik- und Medienwissenschaft-

lern als analytisch unpassend angesehen, da die Zuordnungen der Medien als abhängig
bzw . unabhängig keinen einheitlichen definitorischen Merkmalen unterliege; vgl . Miroljub
Radojković, Prilog raspravi o nezavisnim medijima, Zbornik Matice srpske za društvene nauke
100 (1996), 255-273, 255 . Darüber hinaus ist die Idee des freien Informationsflusses, der von
jeglichem Einfluss befreit und daher objektiv und unabhängig ist, in Anbetracht der finanziel-
len Einflussnahme auf die privaten Medien eher eine irreale Hoffnung als eine analytisch
belegbare Tatsache; vgl . Hans Nicklas / Änne Ostermann, Die Rolle von Images in der Politik .
Die Ideologie und ihre Bedeutung für die Imagebildung am Beispiel des Ost-West-Konflikts,
in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg .), Völker und Nationen im Spiegel der Medien .
Bonn 1989, 22-35, 33; Jürgen Wilke, Imagebildung durch Massenmedien, in: ebd ., 11-21, 12 .
Aus diesem Grund wird die Bezeichnung „unabhängig“ mit Anführungszeichen verwendet .
   31 Die analysierten Texte wurden der Datenbank des Medienarchivs EBART entnommen,

unter  . Sie wurden nach inhaltlichem Bezug zum Thema „EU(-Integ-
ration)“ ausgewählt und weniger nach einem zeitlichen Kriterium . Auf alle Internetquellen
wurde am 07 .06 .2012 zuletzt zugegriffen .
   32 Vgl . die Zeitungen Večerni list, Vjesnik und Dnevnik, unter ,

,  . Zur Medienlandschaft in Kroatien und zur
Rolle ausgewählter Pressezeugnisse vgl . Christina Christova / Dirk Förger, Medien in
Kroatien: Zwischen nationaler Vergangenheit und europäischer Zukunft . Berlin 2009, unter:
 .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                   247

entweder in einen Zeitraum intensiver Diskussionen um die EU fallen sollten,
wie dies für die kroatischen Pressetexte der Fall ist, oder dass sie ein konkretes
Ereignis mit EU-Bezug widerspiegeln, wie es der serbische Korpus tut .

             Die Sprache im politischen und medialen Diskurs
                     in Serbien und Kroatien vor 2000
   Über die Sprache im gesellschaftlichen Diskurs33 in Serbien und Kroatien
seit 1990 haben sich zahlreiche Linguisten, aber auch Ethnologen, Soziologen,
Medien- und Kulturwissenschaftler geäußert .34 Besonders im Fokus stand der
sogenannte Kriegsdiskurs, der die öffentliche Kommunikation in den beiden
Ländern lange entscheidend prägte . In Serbien setzte sich vor allem Ranko
Bugarski mit den in den 1990er Jahren in Serbien herrschenden Diskursen und
ihren sprachlichen Realisierungen auseinander, wobei er eine strukturelle und
teilweise diskursanalytische Vorgehensweise anwandte .35 Auf der kroatischen
Seite ist der Sprachwissenschaftler Dubravko Škiljan schon genannt worden, der
sich mit dem Verhältnis zwischen Krise und Kommunikation beschäftigt hat .36
   Die diskursiven Merkmale des außersprachlichen Kontexts wurden auf der
sprachlichen Ebene unterschiedlich realisiert . Einige der wichtigsten sprachli-
chen Merkmale des herrschenden gesellschaftlichen und vor allem des Kriegs-
diskurses waren:37
– Auf der morphologischen Ebene zeichnet sich die Sprache durch die Verwen-
   dung von Pluralformen und Kollektiva („wir“ anstatt „ich“; „Volk“) aus, des
   Weiteren durch eine häufige Verwendung von Perfekt und Imperfekt anstatt
   des Präsens . Dies signalisiert eine temporale Verflechtung von Vergangenheit
   und Gegenwart, wenn über aktuelle Ereignisse berichtet wird .

   33 Der politische und der mediale Diskurs werden als gesellschaftlicher Diskurs zusam-

mengefasst, wenn damit allgemeine Merkmale der öffentlichen Kommunikation bezeichnet
werden .
   34 Vgl . u . a . Mira Beham, Kriegstrommeln . Medien, Krieg und Politik . München 1996; Ildiko

Erdei, Medijska konstrukcija realnosti korišćenjem različinih vremenskih modela i perspek-
tiva, in: Prošić-Dvornić (Hg .), Kulture u tranziciji (wie Anm . 7), 129-135; Ivan Čolović, Kad
kažem novine . Belgrad 22004; Jakšić (Hg .), Ka jeziku mira (wie Anm . 3); Svetlana Slapšak
(Hg .), Rat je počeo na Maksimiru . Govor mržnje u medijima (Analiza pisanja „Politike“ i
„Borbe“ 1987-1991) . Belgrad 1997; Irina Šlosar (Hg .), Verschwiegenes Serbien . Stimmen für
die Zukunft? Klagenfurt 1997; Snježana Žuljević: Welches Jugoslawien? Eine Diskursanalyse
journalistischer Texte aus den Jahren 1988/89 . Frankfurt/M . 2004 .
   35 Vgl . u . a . Bugarski, Jezik od mira do rata (wie Anm . 5); ders ., Jezik u društvenoj krizi

(wie Anm . 5) .
   36 Vgl . u . a . Škiljan, Javni jezik (wie Anm . 5) .
   37 Die Auflistung vorherrschender sprachlicher Merkmale erfolgte auf der Grundlage zahl-

reicher wissenschaftlicher Publikationen, u . a . der in den Fußnoten 36-43 genannten Werke .
248                               Aleksandra Salamurović

– Auf der syntaktischen Ebene tritt besonders oft die Diathese auf: Aktiv-
  Passiv-Transformationen sollen vor allem zeigen, dass die eigene Seite eine
  Handlung „duldet“ und die Gegnerseite die Handlung vollzieht, wodurch
  das semantische Täter-Opfer-Schema sprachlich konstituiert wird . Es wer-
  den feste syntaktische Strukturen mit Negation zwischen zwei Elementen
  verwendet, wie etwa „Die Freiheit hat keinen Preis“ oder „Der Frieden hat
  keine Alternative“ . Sehr oft sind disjunktive Satzverbindungen („entweder
  x oder y“) festzustellen .
– Auf der Ebene der Lexik und Semantik wird eine ganze Reihe rhetorischer
  Figuren eingesetzt: Metapher, Metonymie, Hyperbel, mythische Topoi . Die
  Sprache zeichnet sich durch eine Wortwahl mit starkem emotionalen Wert
  aus: Es werden Totemismen wie ognjište (offene Feuerstelle im traditionellen
  Haushalt)38 sowie Tabuwörter wie Gebeine, Gräber, Knochen gebraucht .39 Neben
  für den Kriegsdiskurs typischen semantischen Strategien wie Euphemismus
  (Verhüllung) und Evasion (absichtliche Unklarheit) tritt in beiden Ländern
  eine semantische Dispersion auf, d . h . die Bedeutung einer bestimmten Grup-
  pe wird auf eine andere übertragen, die mit dieser nicht verbunden ist (z . B .
  ustaša für alle Feindgruppen) .40
Wie eingangs erwähnt, führten die gesellschaftlichen Veränderungen in beiden
Ländern nach 2000 zu einem wachsenden Einfluss heterogener kommunikativer
Muster auf die öffentliche Kommunikation . Im Rahmen des EU-Beitrittspro-
zesses mussten sich beide Länder mit zahlreichen europäischen Vorgaben im
rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich auseinandersetzen, die
teilweise als identitäts- und existenzbedrohend interpretiert wurden .41 Dies hat
nicht nur Reform-, sondern auch bestimmte Krisenprozesse in Gang gesetzt, die
eine inhaltliche und formale Rückbesinnung auf nationale Werte und gefestigte
symbolische Ordnungen zur Folge hatten, was auch in der öffentlichen Kom-
munikation sichtbar wird . Im Folgenden wird ein Ausschnitt aus der aktuellen
politischen Kommunikation untersucht werden .

                         Der EUropa-Diskurs in Serbien
  In serbischen Presseartikeln besteht die metathematische Zusammensetzung
aus den folgenden drei Elementen: EU bzw . Europa, Kosovo und der Interna-
   38 Svetlana Slapšak, Rat savešću, in: dies . (Hg .), Rat je počeo na Maksimiru (wie Anm .

34), 17-33, 31 .
   39 Zum Stellenwert dieser Tabus in der serbischen öffentlichen (politisch-mythischen)

Kommunikation Čolović, Politika simbola (wie Anm . 1), 38 .
   40 Ranko Bugarski, Lica jezika . Sociolingvističke teme . Belgrad 22002, 124 .
   41 Beispielhaft können für beide Länder die Aufforderungen zur regionalen Zusammen-

arbeit und zur vollen Kooperation mit dem Internationalen Gerichtshof für das ehemalige
Jugoslawien (ICTY) genannt werden .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                   249

tionale Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag (ICTY) . Diese
Elemente werden unterschiedlichen Akteuren zugeschrieben bzw . die Akteure
vertreten unterschiedliche Positionen in Bezug auf die drei genannten Metathe-
men . Diejenigen Akteure, die am häufigsten zitiert werden oder deren Aussagen
direkt übernommen werden, sind Angehörige der regierenden Parteien . Die
genannten inhaltlichen Elemente kommen in allen analysierten Beispielen zwar
unterschiedlich variiert, aber immer gemeinsam vor . In den Überschriften wird
in den meisten Artikeln nur das Thema EU verbalisiert:
     „Wir suchen nach einer Möglichkeit, möglichst bald der EU beizutreten.“42
     „Brüssel möchte sich nicht in die Wahlen einmischen .“43
     „Erpressungen der EU nehmen kein Ende!“44
     „Die Europäische Union kehrt Serbien wieder den Rücken .“45
     „Koštunica: Die Bürger sind nicht über das SAA informiert .“46

Die beiden anderen Komplexe lassen sich anhand folgender Beispiele veran-
schaulichen:
     „Abkommen mit der EU im April – Haag bleibt die Bedingung .“47
     „Koštunica: Das Leben des SAA ist der Tod Serbiens.“48
     „Falle für das Entreißen von Kosovo und Metochien!?“49

Die redaktionelle und politische Ausrichtung der jeweiligen Zeitung ist das
ausschlaggebende Merkmal, das die qualitative Sinngebung zwischen den drei
genannten Metathemen beeinflusst . Dies zeigt sich am deutlichsten an den Bei-
spielen 5 und 7, bei denen es sich um die Berichterstattung über dasselbe Ereignis
bzw . über dieselbe Aussage von Premierminister Vojislav Koštunica handelt .
Die in beiden Zeitungen im Haupttext wiedergegebenen Aussagen enthalten
jeweils die in den Überschriften verwendeten Zitate . Allerdings versucht die

   42 Tražimo način da što pre udjemo u EU, Blic, 03 .09 .2008, 2, unter  .
   43 Brisel ne želi da se meša u izbore, Blic, 10 .04 .2008, 2, unter  .
   44 Ucenama EU nikad kraja!, Glas javnosti, 17 .11 .2008, 3, unter  .
   45 Evropska Unija opet okrenula ledja Srbiji, Press, 16 .09 .2008, 2, unter  .
   46 Koštunica: Gradjani neobavešteni o SSP, Danas, 02 .07 .2008, 2, unter  .
   47 Sporazum sa EU u aprilu – Hag ostaje uslov, Blic, 12 .04 .2008, 2, unter  .
   48 Koštunica: Život SSP-a je smrt Srbije, Blic, 02 .07 .2008, 2, unter  .
   49 Zamka za otimanje Kosova i Metohije!?, Glas javnosti, 04 .07 .2008, 4, unter  .
250                                Aleksandra Salamurović

Tageszeitung Danas objektiv zu berichten, indem sie eine Aussage Koštunicas
für die Überschrift übernimmt, die keinerlei symbolische Konnotationen bein-
haltet . Demgegenüber wählt Blic eine äußerst emotionsgeladene, metaphorische
Aussage des Premierministers, die zwar ebenfalls ein direktes Zitat darstellt,
hier aber dennoch als Ausdruck redaktioneller Absicht und Ausrichtung zu
deuten ist . Dabei spielt die Unterscheidung zwischen regierungsnahen und
„unabhängigen“ (im Sinne: von der Regierung finanzierten vs . aus privaten
Quellen finanzierten) Medien hier gar keine Rolle, da beide Presseorgane aus
privaten Quellen finanziert werden .
  Am analysierten medialen und politischen Diskurs nehmen wie gesagt sowohl
interne als auch externe Akteure, d . h . EU-Akteure, teil . Durch syntaktische
und semantische Analysen konnte festgestellt werden, dass interne Akteure
oft miteinander kommunizieren, indem sie das Agens50 auslassen, wenn sie
über die Akteure der „Gegnerseite“ sprechen . Das Auslassen des Agens durch
Aktiv-Passiv-Transformation sowie die Verwendung unpersönlicher Sätze
deuten auf das Kaschieren der handelnden, d . h . der Verantwortung tragen-
den Personen hin: Durch diese Konstruktionen werden politische Akteure so
dargestellt, als ob sie ohne jegliche Handlungsmacht oder Verantwortung für
politische Geschehnisse wären:
      „Premierminister Vojislav Koštunica sagte gestern, die serbischen Bürger seien nicht
      ausreichend informiert über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen .“51

Der Vorwurf Koštunicas, die serbischen Bürger seien über das Abkommen
unzureichend informiert, ist an seine politischen Opponenten gerichtet, denen
dadurch verantwortungsloses Handeln unterstellt wird . Negative Einstellun-
gen gegenüber der EU werden so zum Gegenstand des (partei)politischen
Wettbewerbs . Dieses Phänomen ist in zahlreichen soziologischen und politik-
wissenschaftlichen Analysen über den Euroskeptizismus in den Ländern Ost-,
Mittel- und Südosteuropas ausführlich beleuchtet worden .52 Bei der Analyse
der Kommunikation zwischen internen serbischen Akteuren und externen EU-
Akteuren wurde festgestellt, dass die EU-Akteure auf der semantischen Ebene

   50 Das Agens bezeichnet die semantische Rolle des Agierenden, also denjenigen, der die

Handlung vollzieht .
   51 Premijer Srbije Vojislav Koštunica ocenio je juče da gradjani Srbije nisu dovoljno infor-

misani o Sporazumu o stabilizaciji i pridruživanju, Danas, 02 .07 .2008, 2, unter  .
   52 Štulhofer, Euroskepticizam u Hrvatskoj (wie Anm . 6), 138; Paul Taggart / Aleks Szczer-

biak, Europeanisation, Euroscepticism and Party Systems: Party-based Euroscepticism in the
Candidate States of Central and Eastern Europe, Perspectives on European Politics and Society 3
(2002), H . 1, 23-41; diess ., Contemporary Euroscepticism in the Party System of the EU Can-
didate States of Central and Eastern Europe, European Journal of Political Research 43 (2004),
1-27; Nick Sitter, The Politics of Opposition and European Integration in Scandinavia: Is Eu-
roscepticism a Government-Opposition Dynamic? West European Politics 24 (2001), H . 4, 22-39 .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                  251

immer in handelnder Funktion, d . h . als Agens auftreten, während serbische
Akteure bzw . Serbien selbst als duldendes Patiens dargestellt werden .
  In Serbien wird, besonders in den stark EU-kritischen Diskursen, den europäi-
schen Akteuren vorgeworfen, Serbien stets neue Bedingungen für den Beitritt
zu stellen . Die syntaktische Analyse aus dem Jahr 2008 ergab, dass die Aussagen
der EU-Vertreter in Serbien tatsächlich vorwiegend durch Konditionalsätze und
verschiedene einschränkende Modalpartikel vermittelt werden:
     „Falls Serbien bis März das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der
     Europäischen Union unterschreibt und falls es neue Reisedokumente bereitstellt und
     alle technischen Vorbedingungen erfüllt, könnten seine Bürger den vollständigen
     Beitritt zum visafreien Schengen-Raum im gesamten EU-Gebiet erwarten, sagte
     Jelko Kacin, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Serbien, zu ‘Blic’ .“53

In demselben Text formulierte Kacin seine Aussagen noch weitere sechs Male
mit Konditionalsätzen, indem er die Unterzeichung des SAA mit unterschied-
lichen Vergünstigungen politischer und wirtschaftlicher Natur verband . Solche
Formulierungen seitens eines EU-Akteurs bekräftigen die Äußerungen serbi-
scher Akteure, die EU stelle Serbien ständig neue Bedingungen, und damit
auch generell die euroskeptischen Äußerungen im politischen und medialen
Diskurs Serbiens .
   Seine proeuropäische Position vertrat der damalige Präsident Tadić durch
Konsekutivsätze, indem er das Unterschreiben des Abkommens als Haupthand-
lung mit unterschiedlichen, jedoch immer positiven Folgen verband . Morpholo-
gisch sind die Sätze im Plural formuliert – es wird von einem kollektiven „Wir“
ausgegangen: „Wir können nicht ohne Europa […], sagte Tadić .“54
   Funktionen von Personalpronomina in der ersten Person Plural sind für
zahlreiche Kontexte untersucht worden .55 Das analytische Interesse für diese
grammatikalische Form leitet sich nicht nur daraus ab, dass dieses Personal-
pronomen am häufigsten in den Aussagen politischer Akteure zu finden ist .
Darüber hinaus liegt in der Form des „Wir“ ein enormes semantisches Poten-
zial, das erst bei den Empfängern der politischen Botschaften konkret realisiert

   53 „Prvo sporazum sa EU, pa ukidanje viza . Ukoliko Srbija do marta potpiše sporazum o

stabilizaciji i pridruživanju sa Evropskom unijom, i ukoliko pripremi nove putne isprave i
obezbedi sve tehničke preduslove, njeni gradjani bi uskoro mogli da očekuju potpuno pristu-
panje šengenskom viznom režimu koji će važiti za sve državljane zemalja članica EU, kaže
za ‚Blic‘ Jelko Kacin, izvestilac Evropskog parlamenta za Srbiju .“ Prvo sporazum sa EU pa
ukidanje viza, Blic, 11 .01 .2008, 2, unter  .
   54 „Bez Evrope ne možemo […], rekao je Tadić“ (wie Anm . 42) .
   55 Isabel Inigo-Mora, On the Use of the Personal Pronoun „We“ in Communities, Journal

of Language and Politics 3 (2004), H . 1, 27-52; Pille Petersoo, What Does „We“ Mean?, Journal
of Language and Politics 6 (2007), H . 3, 419-436; Burkhardt, Vom Schlagwort über die Tropen
zum Sprechakt (wie Anm . 9) .
252                                Aleksandra Salamurović

wird, was den Sendern einen großen Spielraum für Persuasion bietet .56 Neben
zwei grundsätzlichen Funktionen, die das „Wir“ erfüllt – nämlich die exklusive
und die inklusive Funktion, wurden in empirischen Untersuchungen bis zu 16
potentielle semantische Referenzfelder dieses Personalpronomens festgestellt .57
Bei allen diesen Referenzfeldern kann ein hoher Korrelationsgrad zwischen
dem Gebrauch des „Wir“ und der Herausbildung eines Gemeinschaftsgefühls
festgestellt werden, sodass diese Form des Personalpronomens auch als „na-
tional deictic expression“ bezeichnet worden ist .58 Bezogen auf die Aussagen im
Korpus kann festgestellt werden, dass Präsident Tadić das „Wir“ am häufigsten
benutzte, wenn er auf die eigene Partei und dementsprechend auf die proeuro-
päische Haltung als eigene ideologische Gruppenmeinung rekurrierte . Auf diese
Weise vollzog er gleichzeitig eine Abgrenzung zum politischen Gegner . Dieses
sprachliche Merkmal bestätigt also die These, dass die Pro- und Gegenpositionen
im EUropa-Diskurs immer auch Teil interner politischer Kämpfe sind, die das
eigentliche Referenzobjekt, die Europäische Union, ausblenden . Zudem wird
das „Wir“ in den Aussagen von Tadić benutzt, um an die Nation zu appellieren
und die proeuropäische Richtung als nationales Projekt darzustellen .
   Auf der Ebene der Wortsemantik ist zu beobachten, dass Tadić bei der Dar-
stellung seiner proeuropäischen Positionen emotionalisierende Wörter wie
Kollektiva und aus den 1990er Jahren bekannte Kollokationen verwendete .
Dies zielt in erster Linie auf die Mobilisierung und Akzeptanz der Botschaften
bei der breiten Bevölkerung ab und kann somit als populistisches Argumenta-
tionsmuster gedeutet werden:
       „Das Volk hat Angst, dass mit der Unterzeichnung des SAA die Unabhängigkeit
       Kosovos anerkannt wird .“59
        „Jeder, der sich dieses Abkommen durchliest, wird sehen, dass es keine Grundlage
       für solch eine Auffassung gibt .“60

Besonders interessant und analytisch aussagekräftig hinsichtlich des Zusam-
menhangs zwischen dem gesellschaftlichen Diskurs der 1990er und dem ge-
genwärtigen politischen Diskurs um den EU-Beitrittsprozess Serbiens ist der
Hauptslogan der Demokratischen Partei unter Tadićs Führung bei den au-
ßerordentlichen Parlaments- und Präsidentenwahlen im Jahr 2008: „Europa
hat keine Alternative“ . Der serbische Sprachwissenschaftler Ranko Bugarski
hat in seinen Analysen der öffentlichen Sprache in den 1990er Jahren festge-

  56  Burkhardt, Vom Schlagwort über die Tropen zum Sprechakt (wie Anm . 9) .
  57  Ebd .
  58 Petersoo, What Does “We” Mean? (wie Anm . 55), 419 .
  59 „Narod se plaši da se potpisivanjem SSP priznaje nezavisnost Kosova .“ Marija Maleš,

Danas moguće potpisivanje sporazuma sa EU, Blic, 29 .04 .2008, 4, unter  .
  60 „Svako ko vidi taj sporazum, videće da nema nikakvog osnova za takav stav .“ Ebd .
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien                   253

stellt, dass die syntaktische Struktur „N hat nicht/kein N“ (serb . „N nema N“)
als „geschlossene Aussageform auf eine aggressive Art und Weise mehrfach
instrumentalisiert“61 worden ist . Dieser Satz ist auf der Ebene der Satzseman-
tik ein Existenzsatz mit Negation, da er mit „Es gibt keine Alternative zum
EU-Beitritt“ (serb . „Nema alternative ulasku u Evropsku uniju“) paraphrasiert
werden kann . Existenzsätze mit Negation, in denen eine Nominalphrase für
die Nichtexistenz einer Sache/Person im Genitiv verwendet wird, können im
Serbischen nicht mit einer positiven Gegenüberstellung ergänzt werden („Nema
alternative *nego …“) .62 Aus diesem Grund gilt diese Satzform als geschlossen .
Bugarski nennt prominente Beispiele aus dem sprachlichen Inventar Slobodan
Miloševićs, welche die gleiche syntaktische und semantische Struktur auf-
weisen, zum Beispiel „Die Freiheit hat keinen Preis“ aus der Zeit der Kriege
in Kroatien und Bosnien und Herzegowina, sowie „Der Frieden hat keine
Alternative“ aus der Zeit nach 1994 und erneut nach der Nato-Bombardierung
1999 .63 Dass die absolute Existenzsemantik in einer personalisierten Satzform
(„Evropa nema alternativu“ hat die Struktur Subjekt-Verb-Objekt) durch die
metonymische Subjektivierung des lokalen Adverbs zum Ausdruck gebracht
wird, kann als ein Merkmal des medialen Diskurses betrachtet werden, der in
die politischen Wahl- und Werbeslogans eingegangen ist . Auf der Ebene der
symbolischen Bedeutung und Wirkung solcher Wahlslogans wird aus diesem
Beispiel ersichtlich, wie sich Populismus als politisch-sprachliche Strategie für
unterschiedliche ideologische Referenzsysteme gestalten lässt: bei Milošević
als Begründung einer zerstörerischen politischen Ideologie, bei Tadić für eine
in der öffentlichen Wahrnehmung eher positiv besetzte politische Handlung .
Dieser Befund weist darauf hin, dass der 5 . Oktober 2000 zwar offiziell den
Übergang zu einer demokratisch und marktwirtschaftlich orientierten Gesell-
schaft markierte, im kulturell-kommunikativen Bereich jedoch tiefgreifende
Kontinuitäten bestehen geblieben sind .
   Eine Sonderstellung kommt im medialen Diskurs der journalistischen Form
des Kommentars zu . Der Kommentar weist in der Regel den höchsten Grad
an Emotionalisierung und Persuasion auf, da er auf thematischer, sprachlicher
und diskursiver Ebene durchgehend eine personalisierte Äußerung darstellt .64

  61  Bugarski, Jezik u društvenoj krizi (wie Anm . 5), 112 .
  62  Snježana Kordić, Riječi na granici punoznačnosti . Zagreb 2002, 164 . Das Asterisk (*)
steht in der Sprachwissenschaft für eine rekonstruierte Form, wenn es um Sprachgeschichte
geht, bzw . ansonsten für einen ungrammatikalischen Ausdruck, wie dies hier der Fall ist .
   63 Bugarski, Jezik u društvenoj krizi (wie Anm . 5), 109; Marko Živković, Too Much Cha-

racter, Too Little Kultur: Serbian Jeremiads 1994-1995, Balkanologie 2 (1998), H . 2, unter  .
   64 Kurt Reumann, Journalistische Darstellungsformen, in: Elisabeth Noelle-Neumann / Win-

fried Schulz / Jürgen Wilke (Hgg .), Fischer Lexikon Publizistik . Massenkommunikation .
Frankfurt/M . 32004, 126-152, 129 .
254                                   Aleksandra Salamurović

Die Autorin oder der Autor versucht persönliche Einstellungen und Meinungen
durch das Hervorrufen allgemeingültiger Symbolik in einem relativ komplexen
Argumentationsmuster zu vermitteln . Einen spezifischen Typ des politischen
Kommentars stellen in jüngerer Zeit zunehmend Beiträge von sogenannten
Experten dar, die sich in mehr oder weniger fest definierten Rubriken zu
bestimmten politischen Themen äußern .65 Diese Autoren, meist Journalisten,
Schriftsteller und Wirtschaftswissenschaftler, werden als Experten bezeichnet,
weil ihnen durch die Medienmacher ein spezifisches Wissen in einer (politi-
schen) Angelegenheit zugeschrieben wird .66 Durch diese Professionalisierung
der Behandlung von Politik und der politischen Kommunikation wird versucht,
bei den Lesern den Eindruck eines seriösen Niveaus der Berichterstattung zu
erwecken .67 Einige empirische Studien über die gegenseitige Beeinflussung
von Medien und politischen Akteuren zeigen, dass letztere dieselben Experten
nutzen, um Einfluss auf die strategische politische Kommunikation auszuüben .
Das bedeutet, dass die „Experten“ über die täglichen politischen Themen hinaus
eine bestimmte politische und ideologische Orientierung zu steuern suchen .68
Daraus erklären sich die Wirkungsmacht und die Reichweite dieser Kommen-
tare . Bereits die Analyse der Überschriften dieser Kommentare lässt darauf
schließen, dass hier insgesamt ein ausgeprägter symbolischer Sprachgebrauch
bevorzugt wird:
      „Twilight zone“69
      „Mission impossible“70
      „Aufregung im Schokoladen-Reich“71

    65 Vgl . beispielsweise die Rubriken „Pogledi“ und „Šta da se radi“ der Tageszeitung

Politika, unter , wo fast immer dieselben Autoren veröffentlichen,
die sich selbst als pro- (z . B . Boško Jakšić) oder antieuropäisch (z . B . Djordje Vukadinović,
Slobodan Antonić) sehen bzw . von der Leserschaft so wahrgenommen werden . Zu den zwei
letztgenannten Autoren ist zudem die Online-Ausgabe der Zeitschrift Nova srpska politička
misao zu nennen, wo ihre sämtlichen Beiträge erscheinen, unabhängig davon, in welchem
Presseorgan sie ursprünglich veröffentlicht wurden .
    66 Anders Horsbol, Experts in Political Communication . The Construal of Communication

Expertise in Prime Time Television News, Journal of Language and Politics 9 (2010), H . 1, 29-49, 34 .
    67 Ebd ., 29f .
    68 Ebd ., 39 . Die genauen Modalitäten der „Nutzung“ von Experten seitens der Politiker sind

in jedem Land unterschiedlich, grundsätzlich aber reichen sie in demokratisch-pluralistischen
Gesellschaften vom bezahlten Engagement als Kommunikationsberater, sogenannten „spin-
doctors“, bis hin zum freiwilligen Einsatz von Intellektuellen, die Parteimitglieder sind und /
oder die Sichtweisen der jeweiligen Partei privat teilen und ihren beruflichen und gesellschaft-
lichen Status dafür benutzen, um diese parteinahen Sichtweisen zum Ausdruck zu bringen .
    69 Mirjana Bobić-Mojsilović, Zona sumraka, Politika, 01 .10 .2008, 10, unter  .
    70 Dies ., Nemoguća misija, Politika, 10 .12 .2008, 14, unter  .
    71 Đorđe Vukadinović, Pometnja u čokoladnom carstvu, Politika, 03 .03 .2008, 15, unter
Der politische und mediale Diskurs in Serbien und Kroatien               255

Die letztgenannte Überschrift weist einen so hohen Metaphorisierungs- und
Intertextualitätsgrad auf, dass sie als Schlagzeile unverständlich ist . Sie stellt
eine Anspielung auf das Bild der Europäischen Union als Haus dar und bezieht
sich auf die Titelmelodie einer serbischen Kindersendung aus den 1980er Jahren,
deren erste Verse der Autor Đorđe Vukadinović am Anfang zitiert und erst am
Ende seines Artikels in den Kontext seiner Überlegungen einbettet .72 Die meisten
der analysierten Überschriften sowie der dazugehörigen Texte weisen eine hohe
Intertextualität und Interdiskursivität auf, wodurch auf der diskursiven Ebene
eine komplexe Argumentation entsteht . Die im Text verwendeten sprachlichen
Mittel beruhen meist auf einer ausgeprägten emotionalisierenden Semantik, auf
neu gebildeten Kollokationen, die aus dem EUropa-Diskurs abgeleitet sind wie
etwa Euroenthusiast (evroentuzijasta) vs . Europessimist (evropesimista), Euroser-
ben (Evrosrbi) vs . Serben, aber auch auf der Verwendung rhetorischer Fragen:
     „Haben wir etwa dafür gekämpft – mit Töpfen, Pfannen und Trillerpfeifen –, dass
     wir nach dem Kommunismus, nach Milošević und nach 20 Jahren Agonie an den
     Punkt kommen, an dem jeder von uns zum Rechtsradikalen und serbischen Nati-
     onalisten erklärt werden kann, wenn er nicht mit Begeisterung Teil der mit gelben
     Sternchen markierten Herde werden möchte, die von den selbst proklamierten
     Hütern europäischer Werte gehütet und geführt wird?“73

In den Kommentaren kommt es auch zur Reproduktion traditioneller kollektiver
Selbst- und Fremdbilder, durch welche die Angst um die Aufrechterhaltung nati-
onaler Identität als Grund für die Ablehnung des EU-Beitritts ausgedrückt wird:
     „Ich frage mich, ob und wann auch die Serben begreifen werden, dass ihnen das
     serbische grobe Hemd doch näher ist als der europäische Mantel?“74

Die Auszüge reflektieren Tendenzen in der öffentlichen Kommunikation in
Serbien hinsichtlich des EUropa-Diskurses . Anhand dieses Materials kann
festgestellt werden, dass der EUropa-Diskurs von proeuropäisch ausgerichte-
ten populistischen Aussagen in sprachlich-diskursiven Formen geprägt ist, die

CARSTVU .lt .html> .
   72 „U svetu postoji jedno carstvo, u njemu caruje drugarstvo, u njemu je sve lepo, u njemu

je sve nežno, u njemu se sve raduje . Tamo su kuće od čokolade, prozori su od marmelade,
tamo svako radi ono sto hoće, tamo raste svako voće .“ Übers .: „In der Welt gibt es ein Reich,
in dem Freundschaft herrscht, in dem alles schön, alles zart ist und in dem sich alles freut .
Dort sind die Häuser aus Schokolade, die Fenster aus Marmelade, dort macht jeder, was er
will, dort wächst allerlei Obst .“
   73 „Zar smo se za to borili – šerpama, loncima, pištaljkama, zar posle komunizma, pa onda

Miloševića i dvadeset godina agonije stižemo u tačku u kojoj svako od nas može biti proglašen
desničarem i srpskim nacionalistom ako sa oduševljenjem ne pristane da bude u stadu koje
je žigosano žutim zvezdicama i koje čuvaju i vode samozvani tumači evropskih vrednosti?“
Bobić-Mojsilović, Zona sumraka (wie Anm . 69) .
   74 „Pitam se samo da li će i kada jednom i Srbi shvatiti da im je gruba srpska košulja ipak

bliža od evropskog kaputa?“ Vukadinović, Pometnja u čokoladnom carstvu (wie Anm . 71) .
256                                 Aleksandra Salamurović

bereits für die öffentliche Kommunikation in den 1990er Jahren typisch waren .
Diesen können noch sprachliche Formen, wie etwa das Auslassen des Agens,
hinzugerechnet werden, deren Gebrauch auch in den politisch-symbolischen
Kämpfen anderer Beitrittsländer herausgearbeitet worden ist . Sie können somit
als länderübergreifende sprachlich-diskursive Merkmale im EUropa-Diskurs
gelten . Euroskeptische Diskurse werden entweder als Reaktion auf negativ
wahrgenommene und restriktive Botschaften der externen Akteure oder als
symbolisch formulierte Dialektik zwischen dem Selbst- und Fremdbild gestaltet .

                         Der EUropa-Diskurs in Kroatien
  Den kroatischen medialen Diskurs bestimmen die Metathemen EUropa, kul-
turelle Zugehörigkeit zum Westen und wirtschaftliche Vorteile . Im politischen
Diskurs wird Euroskeptizismus als Zustand verbalisiert und als Misstrauen
vor allem der jüngeren Bevölkerung gegenüber der EU definiert . Auf der Ebene
der lexikalischen Semantik wird aber ersichtlich, dass Euroskeptizismus und
Misstrauen mit der Angst vor dem Verlust der nationalen Identität einhergehen:
      „Europa schreit nach dem Bewahren von Sprache und Identität . Ich hoffe, den
      Kroaten werden in Europa von all dem nicht nur Käse und Sauerrahm übrigbleiben,
      schlussfolgerte Kovačec .“75
      „Zum Schluss sagte er [Josipović], dass man sich nicht davor fürchten solle, dass
      wir mit dem Beitritt in die EU die nationale Identität verlieren […]“76
      „Falls wir geschlossen bleiben, bleiben wir auch isoliert, Kroatien war aber immer
      offen, schon im Mittelalter, sogar in der SFRJ – aus diesem Grund hatten wir auch
      bessere Lebensbedingungen als die anderen sozialistischen Staaten .“77

Der befürchtete Verlust der nationalen Identität wird in proeuropäischen Diskur-
sen in die These umgewandelt, Kroatien und die Kroaten gehörten seit eh und
je zu Europa . Wenn die kroatische kulturelle Identität bereits „seit dem frühen
Mittelalter“ in die europäische integriert sei, schreibt ein Akademiker in seiner

   75 „Europa stalno bruji o njegovanju jezika i identiteta . Nadam se da od toga Hrvatima neće

u Europi biti ostavljeni samo sir i vrhnje, zaključio je Kovačec .“ Sandra Viktorija Katunarić,
Hrvatska ima razloga za povijesni ponos . Okrugli sto posvećen najvećem projektu u povijesti
Akademije, ediciji `Hrvatska i Europa´, Vjesnik, 05 .05 .2011, unter  .
   76 „Na kraju je poručio (Josipović) kako se ne treba pribojavati da ćemo članstvom u EU

izgubiti nacionalni identitet […] .“ Maja Sajler Garmaz, Josipović uvjeren da će pregovori biti
gotovi do lipnja, Vjesnik, 06 .05 .2011, unter  .
   77 „Ako budemo zatvoreni, biti ćemo izolirani, a Hrvatska je od uvijek bila otvorena i u

srednjem vijeku pa čak i u SFRJ – zato smo bolje živjeli od drugih socijalističkih zemalja .“
Goran Šimac, Zoran Milanović u Kninu: Euroskepticizam ne vodi nikamo, Večernji list,
07 .05 .2011, unter  .
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