Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter am Beispiel österreichischer Innenpolitik
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Research Article Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter am Beispiel österreichischer Innenpolitik Stephan Schlögl1, *, Axel Maireder1 1 Global Social Media Intelligence Center der GfK, Wien, Austria * E-Mail: stephan.schloegl@univie.ac.at Zusammenfassung Der Beitrag nimmt die Struktur der österreichischen politischen Twittersphäre in einer Clusteranalyse der Accountver- knüpfungen zwischen den NutzerInnen in den Blick. Diese zeigt 13 größere Communities, die als (Teil-)Öffentlichkeiten im Sinne themenspezifischer verdichteter Kommunikationsräume verstanden werden können. Auf Basis netzwerkanaly tischer Merkmale und einer qualitativen Analyse der Nutzerbeschreibungen können acht politisch kategorisierbare und zwei regional verwurzelte Öffentlichkeiten identifiziert werden, die an der Peripherie des Netzwerks positioniert sind. Im Zentrum stehen dagegen ein Medien-Cluster und eine Community mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, die beide Vermitt- lungsfunktionen für die politischen Cluster einnehmen. Die Ergebnisse dieser Analyse werden vor dem Hintergrund der österreichischen Parteienlandschaft diskutiert und mit Blick auf die Frage nach der Veränderung politischer Kommunika tionsprozesse durch Soziale Onlinenetzwerke interpretiert. Schlüsselwörter Öffentlichkeit, Teilöffentlichkeit, Netzwerkanalyse, Twitter, Communities, Österreich Public spheres and Twitter: the case of Austrian domestic politics Abstract This paper focuses on the structure of the Austrian Political Twitter sphere by studying the follower relations between very active users. We find 13 communities, which we understand as ‚publics‘ in the sense of thematically distinguishable spheres of communication. Based on network characteristics and qualtitive analyses of profiles, we identify eight clusters with mo- re-or-less clear political tendencies and two clusters with nodes that share common localities, all of them in the periphery of the network. A media cluster and a community of civil society actors are at the network’s center, mediating between the other clusters. We interpret our findings in relation to Austria’s political constellation and discuss them with regard to the changes of political communication due to the increasing importance of social media. Keywords Public Sphere, publics, Network Analysis, Twitter, Community, Austria Danksagung Die Forschung, auf der der vorliegende Aufsatz basiert, wurde im Rahmen des Projektes „Towards an Analytics of Networked Publics“ in Kooperation mit dem GfK Social Media Intelligence Center (Wien) und finanziert vom GfK Verein (Nürnberg) durchgeführt. The authors have declared that no competing interests exist. March 10, 2015 I innsbruck university press, Innsbruck OZP – Austrian Journal of Political Science I ISSN 2313-5433 I http://oezp.at/ Vol. 44, issue 1 I DOI 10.15203/ozp.213.vol44iss1 I ORCID: 0000-000x-xxxx-xxxx OPEN ACCESS
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 17 1. Einleitung zen Überblick zu Twitter und Politik sowie Twitter in Österreich (2). Nach der Präsentation der Ergebnisse Der Einzug der neu gegründeten liberalen Partei NEOS ins (5) und ihrer Interpretation (6) schließt der Aufsatz Parlament war in den Augen vieler politischer Beobachter mit zusammenfassenden Betrachtungen vor dem die Überraschung der österreichischen Nationalratswahlen Hintergrund der österreichischen Parteien- und Me- 2013. Mangels bekannter Persönlichkeiten und mit an- dienlandschaft (7). deren Parteien vergleichbarer finanzieller Mittel setzten NEOS von Anfang an stark auf Soziale Onlinenetzwerke, um die Partei, die KandidatInnen und das politische Pro- 2. Forschungsstand gramm bekannt zu machen, und sich im innenpolitischen Diskurs zu positionieren. Aber auch andere wahlwerbende 2.1 Twitter und politische Kommunikation Parteien und Kandidaten setzten im vergangenen Wahl- kampf Facebook, Twitter und Youtube professionell und Die Struktur des Internets als potenziell hierarchie- mehr-oder-weniger erfolgreich ein. So prägten Tweets, freies und nicht-lineares Kommunikationssystem hat Facebook-Posts und Youtube-Videos den innenpolitischen seit den 1990er-Jahren Erwartungen an die verstärkte Diskurs intensiv mit. Insbesondere Twitter wurde dabei als Inklusion sozialer Akteure in das politische System wichtiger Kanal zur Diskussion aktueller Themen und zur geweckt (Anduiza et al. 2009; Farrell 2012), die sich Diffusion von Nachrichten weiter etabliert, wobei die Rele- in den letzten Jahren rund um den Web 2.0.-Diskurs vanz des Dienstes für den öffentlichen Diskurs weniger der wieder verstärkt haben. Gerade Twitter erscheint Breite der Nutzung als der gesellschaftlichen Position der auf Grund seines hochgradig offenen Zugangs und beteiligten Akteure geschuldet war: PolitikerInnen, Exper- der verteilten Kommunikationsstruktur den Erwar- tInnen, AktivistInnen und nicht zuletzt JournalistInnen tungen an ein „demokratisches“ Medium besonders nahmen an den vielfach sehr lebendig geführten Konver- nahe zu kommen. Entsprechend vielfältig ist auch die sationen teil, wobei letztere in ihren Medien vielfach über Forschung zu Twitter und Politik, wobei sich ein gro- Twitter-Konversationen berichteten und diese so in den ßer Teil der bisher zum Thema veröffentlichten Auf massenmedialen Diskurs einbrachten. sätze mit der Twitter-Nutzungspraxis von Politiker Der vorliegende Aufsatz nimmt die Twitter-Kommuni- Innen – insbesondere ihrer Interaktionsorientierung kation im Vorfeld der Nationalratswahl 2013 in den Blick – auseinandersetzt. Dabei zeigt sich vielfach, dass die und fragt nach jenen grundlegenden sozio-technischen Möglichkeiten zur niederschwelligen und direkten Strukturen, die der Nutzung von Twitter als Medium für Kommunikation mit potenziellen WählerInnen oft- den innenpolitischen Diskurs zu Grunde liegen: die über mals nicht wahrgenommen werden. Stattdessen do- die Praxis des gegenseitigen „Folgens“ hergestellten Ac- minieren traditionelle Kampagnenpraktiken: Tweets countnetzwerke. Diese Netzwerke, so argumentieren wir werden vielfach im Stil von Pressemeldungen veröf- im Folgenden, sind einerseits Ausdruck spezifischer In- fentlicht, garniert mit Alltagsanekdoten und persön- teressenskonstellationen, und prägen anderseits die Pra- lichen Fotos (Graham et al. 2013; Grant et al. 2010; xis der Beteiligung auf der Mikro- und die Dynamiken Goldbeck et al., 2010; Larsson/Moe 2011). der Kommunikation auf der Makroebene des politischen Studien, die politische Kommunikation in einem Diskurses wesentlich mit. Durch die in diesem Aufsatz weiteren Sinne verstehen (Henn et al. 2013) und politi- vorgestellte Analyse von Netzwerkstrukturen und ihrer sche Akteure aus Journalismus und Zivilgesellschaft Interpretation vor dem Hintergrund der Politik- und Me- in ihre Analysen mitaufnehmen, zeigen dagegen, dass dienlandschaft des Landes lassen sich einerseits Erkennt- Twitter durchaus intensiv zur politischen Diskussion nisse zur Relevanz bestimmter Akteure und Akteursgrup- genutzt wird (Ausserhofer/Maireder 2013; Bruns/ pen für die konkreten innenpolitischen Diskussionen, Burgess 2011b; Bruns/Highfield 2013; Jürgens/Jung- als auch zur allgemeineren Frage nach der Veränderung herr 2011; Maireder/Schlögl 2014). In Netzwerkana- politischer Kommunikationsprozesse durch Soziale On- lysen auf Basis der Interaktionen zwischen Accounts linenetzwerke gewinnen. Mit der Analyse von Account- (@-mentions) erscheinen vereinzelt auch politische netzwerken rund um ein spezifisches Themenfeld gehen AmtsträgerInnen zentral – wobei Bruns und High- wir zudem einen neuen methodischen Weg in der Erfor- field (2013) darauf hinweisen, dass viele NutzerInnen schung von Netzöffentlichkeit(en). Dabei verstehen wir die dazu tendieren, sich stärker über PolitikerInnen und Strukturen kommunikativer Artefakte (digitaler Objekte deren Twitterauftritte auszutauschen als mit ihnen. und ihrer Verknüpfungen) als Ausdruck gesellschaftlicher In allen Studien zeigt sich eine starke Konzentration Kommunikationsstrukturen, die diese Strukturen gleich- auf einzelne Akteure, die mit Jürgens/Jungherr (2011) zeitig mitprägen. Die theoretische und methodologische als „neue Gatekeeper“ bezeichnet werden können. Begründung unseres Vorgehens (Abschnitt 3) sowie die Be- Ausserhofer und Maireder (2013) zeigen, dass es sich schreibung des Forschungsdesigns (4) folgt auf einen kur- hierbei neben bekannten Persönlichkeiten oftmals
18 S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 auch um NutzerInnen handelt, die keine herausragen- 2010 wurde die Zahl der österreichischen Twitter-Nut- den Rollen im politischen System einnehmen. Dies sind zerInnen auf nur 20.000 geschätzt,2 wobei sich damals beispielsweise junge JournalistInnen, parlamentarische wie heute besonders viele JournalistInnen am Informa- HinterbänklerInnen, LokalpolitikerInnen, politische tionsaustausch auf Twitter beteiligen und auch vielfach AktivistInnen oder Politik-ExpertInnen. Die Analysen journalistische Inhalte vermittelt werden (Maireder legen auch nahe, dass sich politische Kommunikations- 2010). Armin Wolf war dabei lange Zeit der Nutzer mit prozesse auf Twitter durch die Inklusion sozialer Ak- den meisten Followern3 und führt auch heute noch vie- teure von außerhalb des zentralen politischen Systems le einschlägige Twitter Charts an.4 Mit der Zeit wurden auszeichnen, wie dies Davis (2009) für Internetkommu- zunehmend auch PolitikerInnen und andere Akteure nikation im Allgemeinen feststellt. des politischen Systems auf Twitter aktiv, die sich un- So haben sich auf Twitter spezifische Kommunikati- tereinander, als auch mit BürgerInnen (also NutzerIn- onsräume entwickelt, in denen sich Individuen in ihren nen ohne spezifische politische Funktion in Österreich), Rollen als (im weitesten Sinne) politische Akteure (aus zu unterschiedlichen tagespolitischen Themen intensiv Politik, Journalismus und Zivilgesellschaft) über aktu- austauschen und so eine spezifische innenpolitische elle politische Ereignisse und Entwicklungen austau- „Twittersphäre“ schaffen, wie Ausserhofer/Maireder schen. Von zentraler Bedeutung für den Zugang in die- (2013) zeigen. ses Netzwerk sind die jeweiligen Kontakte (Followees) Die vorliegende Untersuchung schließt an diese Ar- der NutzerInnen, die ihre individuellen Beobachtungs- beit lose inhaltlich an, wobei zwischen den Untersu- felder, die „Newsfeeds“, strukturieren. Während @men- chungsperioden der beiden Studien 18 Monate liegen. In tion-Netzwerke Relevanzzuschreibungen in und durch diesem Zeitraum hat sich die Zahl der aktiven Twitter- Interaktionen repräsentieren, zeigen Followernetzwer- nutzerInnen in Österreich von geschätzten 50.000 auf ke Relevanz- und Interessensstrukturen für Twitters rund 100.0005 verdoppelt und zahlreiche zusätzliche Informationsfunktion und liegen den individuellen politische Akteure haben begonnen Twitter zu nutzen. Beobachtungs- und Handlungsfeldern für die Nutzung Der Untersuchungszeitraum im ersten Halbjahr 2013 des Dienstes zu Grunde. Die im vorliegenden Aufsatz fällt zudem auf eine innenpolitisch ereignisreiche Zeit, vorgestellte Studie nimmt diese Strukturen für eine spe- die vom Vorwahlkampf für die Nationalratswahlen im zifische Akteursgruppe in Österreichs innenpolitischer September, dem Auftreten neuer politische Parteien „Twittersphäre“ in den Blick. (Team Stronach, NEOS), einer Volksabstimmung und vier Landtagswahlen geprägt war. 2.2 Twitter und Politik in Österreich Der Beginn der wissenschaftlichen und breiteren öffent- 3. Forschungsperspektive lichen Auseinandersetzung mit Twitter und Politik in Österreich geht auf die „Unibrennt“-Proteste im Herbst 3.1 Öffentlichkeit(en) 2009 zurück. Von den Studierenden, die den größten Hörsaal der Universität Wien für über zwei Monate be- Unsere Perspektive auf Twitterkommunikation ist setzt hielten, wurde Twitter als zentraler Kanal zur Mo- öffentlichkeitstheoretisch, wobei wir nicht normativ bilisierung von UnterstützerInnen und Koordination sondern strukturtheoretisch argumentieren. Wir ver- von Protestmaßnahmen genutzt. Gleichzeitig wurde auf stehen Öffentlichkeit als hoch komplexes Netzwerk, das Twitter intensiv über die Besetzung diskutiert, sowohl sich in unzählige geographisch, kulturell, thematisch innerhalb der Protestgruppe als auch mit Kritikern der oder funktional differenzierbare Kommunikations- Proteste und JournalistInnen (Edelmann et al. 2011; Her- sphären verzweigt, die vielfach miteinander verknüpft wig et al. 2010; Maireder/Schwarzenegger 2012, Neu- und ineinander verschränkt sind (Habermas 1998). Diese mayer et al. 2011). Sphären können als Räume verdichteter Kommunikati- Zur öffentlichen Wahrnehmung von Twitter als on verstanden werden, die sich „über solche Verdich- Medium politischer Kommunikation in Österreich hat tungsprozesse sozialräumlich voneinander unterschei- in den Jahren danach vor allem der Fernsehjournalist den lassen“ (Hepp et al. 2012, 22). Solche Verdichtungen Armin Wolf beigetragen, der seit 2010 nicht nur regel- kommen insbesondere dann zu Stande, wenn soziale mäßig twittert, sondern zu Twitter als journalistisches Akteure zu geteilten Problemen und Interessen kommu- Medium auch vielfach prominent interviewt wurde.1 2 http://www.digirati.eu/bigideas/2010/04/01/twitter-reichweite-in- osterreich 1 http://www.thegap.at/rubriken/stories/artikel/im-zentrum-von- 3 http://digitalaffairs.at/2010/03/31/twitter-in-oesterreich-wer-hat- twitter-politik-und-medien/; http://www.format.at/articles/1226/ die-meisten-follower/ 585/ 332199/armin-wolf-ich-lady-gaga.; http://kurier.at/menschen/ 4 http://www.socialmediaradar.at/twitter_ranking; http://twitterlist. im-gespraech/armin-wolf-im-interview-ueber-twitter-mein-gott- ots.at/journalistinnen-und-journalisten/ dann-weiss-man-halt-dass-ich-mad-men-mag/13.728.412 5 http://socialmediaradar.at/
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 19 nizieren und dabei aufeinander Bezug nehmen. Wenn der Auswahl spielt. Die Struktur der Followernetzwer- wir hier und im Folgenden also von Öffentlichkeiten oder ke von Nutzergruppen aus Makroperspektive spiegelt einer spezifischen Öffentlichkeit schreiben, meinen wir so die vorherrschenden Interessenskonstellationen in- nicht Öffentlichkeit als theoretisches Gesamtkonstrukt, nerhalb einer Nutzergruppe wider. Mit der Struktur von sondern konkrete Kommunikationssphären im Sinne Followernetzwerken ist dabei einerseits die Gewichtung von „Teilöffentlichkeiten“ („publics“). Die Akteure in sol- einzelner Accounts gemeint, andererseits die Verdich- chen Öffentlichkeiten sind im Hinblick auf das Interesse tungen innerhalb des Netzwerks. In diesen finden sich an einem bestimmten Thema oder Problem homogen NutzerInnen wieder, die ähnlicheren anderen folgen als (Gruning/Hunt 1984). Dabei können Öffentlichkeiten der Rest des Netzwerks (Homophilie). Diese Verdich- Kommunikationszusammenhänge umfassen, an denen tungen können als Öffentlichkeiten verstanden werden, jeweils ganz unterschiedlich viele Menschen beteiligt da sie sich aus der Artikulation von Interessen über die sind, die also jeweils spezifische Größen oder Reichwei- Auswahl von Followees ergeben, und da sie die Beobach- ten aufweisen (Emirbayer/Sheller 1999). Die vielschich- tungs- und Handlungspotenziale für die Bezugnahmen tige Verknüpfung der vielfältigen Öffentlichkeiten zeigt der sozialen Akteure langfristig strukturieren. sich unter anderem darin, dass Themen in unterschied- Dabei ist zu beachten, dass die Beobachtung von Ver- lichen Sphären verhandelt werden und von einer Sphäre dichtungen innerhalb bestimmter Nutzergruppen nur zur nächsten wandern können (Benkler 2007; Anderson sehr begrenzte Ausschnitte der kommunikativen Ver- 2010). bindungen der jeweiligen NutzerInnen repräsentiert, Jedes Individuum ist in unterschiedlichste kleine und zwar jeweils jene, die zu anderen Accounts eben und größere Öffentlichkeiten eingebunden und fungiert dieser Gruppe bestehen. Wie oben angemerkt, ist jede/r als Schnittstelle, indem es Informationen zwischen un- NutzerIn Teil verschiedenster Öffentlichkeiten, und dies terschiedlichen Kommunikationszusammenhängen gilt auch für Kommunikationsstrukturen auf Twitter. weitergibt. Dies passiert vor allem in persönlichen Ge- Den Blick auf bestimmte Nutzergruppen zu richten be- sprächen, die als ‚Encounter’-Situationen der Öffent- deutet also, das Interessensumfeld jedes/r Nutzers/in lichkeit (Gerhards/Neidhardt 1990), oder „episodischen innerhalb eines spezifischen Netzwerkteils zu bestim- Kneipen-, Kaffeehaus- oder Straßenöffentlichkeit[en]“ men, ihn/sie also einem Segment dieses Ausschnitts (Habermas 1998, 452) beschrieben wurden und von sehr zuzuordnen. Dies ist nur dann theoretisch begründbar begrenzter ‚Reichweite’ sind. Internetkommunikation, und praktisch sinnvoll, wenn es sich bei den jeweiligen insbesondere Soziale Onlinenetzwerke, erweitern die NutzerInnen tatsächlich um Gruppen mit gemeinsamen Potenziale für Einzelne sich öffentlich zu äußern, und Merkmalen handelt – beispielsweise den Beteiligten an stellen kommunikative Verknüpfungen zwischen Indi- einem bestimmten Diskurs. viduen auf Dauer. Die strukturelle Basis für diese Ver- Eine gute Möglichkeit zur Bestimmung themenzent- knüpfungen sind die technischen Relationen zwischen rierter Öffentlichkeiten bieten Hashtags, da NutzerInnen Nutzeraccounts, die auf Twitter aus Accountperspektive durch den Gebrauch dieser als Schlagwörter ausgezeich- als „Follower“ (NutzerInnen, die Tweets eines Accounts neten Begriffe ihre Beteiligung an einem bestimmten „abonniert“ haben) und „Followees“ (NutzerInnen, deren Diskurs artikulieren und ihre Mitteilungen gleichzeitig Tweets ein Account „abonniert“ hat) bezeichnet werden. einem breiteren Publikum zugänglich machen (Bruns/ Burgess 2011a). Die Bestimmung von Themenöffent- 3.2 Followernetzwerke lichkeiten mittels Hashtags stößt jedoch überall dort an ihre Grenzen, wo sich NutzerInnen zwar zu geteilten Die Zusammenstellung der individuellen Followees Interessen austauschen, die entsprechenden Mittei- – der „persönlichen Öffentlichkeit“ der NutzerInnen lungen aber nicht mit Hashtags markieren. In diesen (Schmidt 2009) – obliegt allein den Individuen, die je- Fällen können geteilte Interessen gegebenenfalls auch weils entscheiden, welchen der anderen NutzerInnen über die gemeinsame Verwendung spezifischer und un- sie sich zuwenden, indem sie diesen ‚folgen‘. Dabei verwechselbarer Begriffe bestimmt werden, die einen werden die Mitteilungen eines anderen Accounts zur Themenkomplex möglichst eindeutig repräsentieren. rückwärts-chronologisch und ständig aktualisierten Dabei wird davon ausgegangen, dass alle NutzerInnen, Liste aller Mitteilungen der Kontakte – dem Newsfeed die regelmäßig Mitteilungen zu einem Thema absetzen, – hinzugefügt. Wiewohl diesem Folgen im Detail unter- diese Begriffe verwenden, und dadurch auf ihr Interesse schiedliche und facettenreiche Praktiken zugrundelie- an dem Themengebiet geschlossen werden kann. gen können (Schmidt, 2009, spricht von „Informations-, Einschränkend ist anzumerken, dass keineswegs Beziehungs- und Identitätsmanagement“), können wir für jedes über Begriffe repräsentierte Thema eine spe- davon ausgehen, dass ein wie auch immer geartetes zifische Öffentlichkeit existiert. Wir können aber davon grundsätzliches Interesse an den jeweiligen NutzerInnen ausgehen, dass eine hohe Dichte der informationellen und deren Mitteilungen eine entscheidende Rolle bei Verknüpfungen zwischen solcherlei identifizierten Nut-
20 S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 zerInnen ein guter Indikator dafür ist, dass es sich unse- 4. Forschungsdesign rer Definition gemäß um Öffentlichkeiten handelt. Die vorliegende Untersuchung basiert auf der Annahme, Unser explorativer Forschungsansatz ist methodo- dass Tweets mit Nennungen österreichischer Parteien logisch in den „Digital Methods“ (Rogers, 2009) zu durch die terminologische Eindeutigkeit der Bezeich- verorten, einer Forschungsperspektive, bei der die nungen (mit Ausnahme der Grünen, siehe Forschungs- computergestützte Analyse der Manifestation von Kom- design) dem Thema „österreichische Innenpolitik“ munikationsprozessen in der sozio-technischen Struk- zugeordnet werden können. Damit nehmen alle Nut- tur des Internet im Zentrum steht. Dabei werden keine zerInnen, die einen solchen Tweet absetzen, am innen- neuen Daten erhoben, sondern es werden bestehende politischen Diskurs des Landes teil und sind so Teil der Daten ausgehoben und einer Analyse zugeführt. Twitter österreichischen innenpolitischen Öffentlichkeit (auf ist für solche Studien besonders gut geeignet, da es über Twitter). eine Programmierschnittstelle („Application Program- ming Interface“, API) verfügt, über die mittels Anfragen 3.3 Forschungsfragen umfangreiche Datenbestände abgerufen werden kön- nen. So können nicht nur einzelne Tweets ausgehoben Wir verstehen Twitter als Kommunikationssystem, in werden, sondern auch detaillierte Metainformationen dem Informationen und Meinungen zu mehr oder we- zu den Nutzern und ihren Verbindungen. Für die vor- niger abgrenzbaren Themengebieten vermittelt wer- liegende Studie haben wir unterschiedliche Funktiona- den. Die strukturelle Basis dieser Vermittlung ist ein litäten der API genutzt, um Tweets zu identifizieren, die Netzwerk miteinander verknüpfter Accounts, das die dem Thema österreichische Innenpolitik zugeschlagen primären themenspezifischen Beobachtungs- und werden können (siehe Abschnitt 4.1.), sowie um an In- Beteiligungsfelder für die NutzerInnen strukturiert. formationen zu und Verknüpfungen zwischen den Nut- Gleichzeitig repräsentiert das Accountnetzwerk die ag- zeraccounts zu gelangen, die d iese Tweets geschrieben gregierten Interessenskonstellationen innerhalb der an haben (4.2.), um sie anschließend als Netzwerk analy- den Themenöffentlichkeiten beteiligten Nutzergruppen. sieren zu können (4.3.). Das Ziel dieser Studie ist, die innere Struktur des Netz- werks zum Thema österreichische Innenpolitik zu iden- 4.1 Identifikation der Tweets zum Thema tifizieren, wobei wir insbesondere Netzwerkverdichtun- gen als Teilöffentlichkeiten in den Blick nehmen: In den Kalenderwochen 3 bis 31 des Jahres 2013, also vom 14. Jänner bis zum 4. August, haben wir alle Tweets FF1: Wie ist die Öffentlichkeit zu österreichischer Innen- gesammelt, die den Namen einer österreichischen Par- politik auf Twitter strukturiert, welche Teilöffentlichkeiten lamentspartei (BZÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, SPÖ, Team Stro- lassen sich identifizieren? nach) oder deren jeweiligen Vorsitzenden enthielten. Dieser lange Zeitraum war notwendig, um möglichst alle FF2: Wie sind diese Teilöffentlichkeiten miteinander ver- relevanten NutzerInnen zu identifizieren. Dabei gingen knüpft? wir davon aus, dass Personen, die sich auf Twitter inten- siv über österreichische Innenpolitik austauschen, diese Im Anschluss an diese Strukturanalysen stellen sich un- Parteibezeichnungen oder Namen der Vorsitzenden zu- ter Einbeziehung netzwerkexogener Kategorien Fragen mindest gelegentlich verwenden. Die Kontrolle der Da- zur Einordnung der Ergebnisse in den Gesamtzusam- ten in einer Stichprobe (n=500 je Datensatz) zeigte, dass menhang politischer Kommunikation in Österreich: sich die Tweets zu unseren Begriffen tatsächlich alle auf österreichische Innenpolitik bezogen. Lediglich bei den FF3: Wo sind die traditionell wichtigsten Akteure der po- Daten zur Partei „Die Grünen“ mussten wir die Daten litischen Öffentlichkeit, PolitikerInnen und JournalistIn- semi-automatisch nachbearbeiten, da hier eine termi- nen, in dieser Twitter-Öffentlichkeit verortet? nologische Gleichheit zur deutschen Partei besteht. Die gesamte Datenbank zu Tweets enthielt 185.818 FF4: Wie ist das Verhältnis dieser Struktur zur österreichi- Nennungen von 11.776 verschiedenen Accounts in schen Parteien- und Medienlandschaft zu bewerten? 149.691 verschiedenen Tweets. Tabelle 1 zeigt die Vertei- lung von Nennungen im Untersuchungsmaterial.
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 21 Tabelle 1: Anzahl der Nennungen nach Partei und SpitzenkandidatIn ÖVP FPÖ SPÖ Team Stronach BZÖ Die Grünen Gesamt Parteiname 40.150 31.079 26.984 10.978 12.802 7.821 129.814 SpitzenkandidatIn 6.697 12.107 8.844 24.434 1.286 2.636 56.004 Gesamt 46.847 43.186 35.828 35.412 14.088 10.457 185.818 4.2 Identifikation von Accounts und Verknüpfungen 4.3 Clusteranalyse Im nächsten Schritt haben wir die im Themenbereich Öffentlichkeiten als Räumeverdichteter Kommunikation österreichische Innenpolitik aktivsten Nutzeraccounts lassen sich mit Methoden der sozialen Netzwerkanalyse identifiziert. Dabei haben wir jede/n NutzerIn einbe- definitionsgetreu als Communities bzw. Cluster zogen, von dem/der zumindest zehn der in der Grund- operationalisieren: Sie sind dadurch beschrieben, dass gesamtheit gesammelten Tweets stammten. Unser die Anzahl der Verbindungen innerhalb einer Com- Forschungsinteresse ist die Analyse einer themenspezi- munity proportional höher ist als die Anzahl der Ver- fischen Community, deren Mitglieder sich durch die ak- bindungen zu Knoten, die außerhalb liegen (Newman tive Beteiligung an dem Thema qualifizieren, bei denen 2006, 8577). Für die Berechnung von Communities ste- also eine anhaltende mehrfache Beteiligung vorliegt. Die hen zahlreiche Vorgehensweisen zur Verfügung, wobei Grenzziehung bei mindestens zehn Tweets ist dabei als die Auswahl eines bestimmten Algorithmus auf Basis forschungspragmatische Entscheidung vor dem Hin- der Operationalisierung und der Rechenperformance tergrund technischer Restriktionen einzustufen: Zum erfolgt (Leskovec 2010). Für diese Studie wurde der von einen legt die Twitter-API bestimmte zeitliche Limits Pons und Latapy vorgeschlagene „Walktrap“-Algorith- für die Abfrage von Nutzerinformationen fest, die die mus auf das Netzwerk der Followerbeziehungen ange- Erhebung größerer Datenmengen massiv beeinträchti- wandt. Dieser Algorithmus beruht auf der Annahme, gen. Zweitens stoßen die angewandten netzwerkanaly- dass zufällige gewählte Pfade in einem Netzwerk („ran- tischen Verfahren und Visualisierungstechniken bei be- dom walks“) mit höherer Wahrscheinlichkeit zwischen sonders dichten Netzwerken schnell an die Grenzen des Knoten der gleichen Community verlaufen. Daraus er- Machbaren, zumindest mit der uns zum Forschungs- gibt sich ein Maß struktureller Ähnlichkeit, mithilfe zeitpunkt zur Verfügung stehenden Rechenleistung. Da dessen der Algorithmus einzelne Knoten zu Communi- sich unsere Fragestellung auf netzwerkglobale Struk- ties aggregiert (Pons/Latapy 2005). turphänomene und nicht auf einzelne Accounts und Die Auswahl dieses Algorithmus erfolgte aufgrund ihre Verknüpfungen bezieht, halten wir diese Reduktion verschiedener Kriterien. Neben der allgemein gut für vertretbar. eingestuften Performance des Algorithmus (Oman/ Für die so identifizierten insgesamt 1.952 NutzerIn- Labatut 2009, 249) verlangt unser explorativer Zugang nen wurden am 07. August 2013 mit einem leicht modi- nach einer Methode der strukturellen Identifikation fizierten open-source Python Skript (Russel 2011, 380) ohne vorherige Festlegung auf Anzahl oder Größe der über die API Profildaten erhoben. Für 1.852 NutzerIn- Cluster. Zudem war ein Algorithmus nötig, der auch mit nen, also in knapp 95% der Fälle, war diese Erhebung beschränkten Rechenkapazitäten vergleichsweise große erfolgreich. Die fehlgeschlagenen Anfragen sind auf und dichte Netzwerke bewältigen kann. Schließlich war Namensänderungen oder gelöschte Accounts zurückzu- die Verfügbarkeit des Algorithmus bzw. die Möglichkeit führen. Anschließend wurden für alle Accounts die Fol- für seine Implementierung in die von uns genutzte Ana- lowees abgefragt, wobei all jene Verbindungen, die nicht lysesoftware6 mitausschlaggebend für die Auswahl. zu bereits in der Datenbank vorhandenen NutzerInnen Zusätzlich zur Identifikation der Cluster und der Be- führten, entfernt wurden. Auf dieser Basis konnten wir rechnung der lokalen Clusterkoeffizienten selbst haben das Netzwerk der Verknüpfungen der 1.852 NutzerInnen wir die Verknüpfungen der Cluster untereinander ana- berechnen und eine Clusteranalyse durchführen. lysiert. Dabei haben wir die gemeinsamen Verbindun- gen zwischen den Knoten der unterschiedlichen Cluster berechnet. 6 igraph (Csardi/Nepusz 2006) für R.
22 S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 4.4 Quantitative und qualitative Beschreibung der 5. Ergebnisse Cluster Die Ergebnisse der Untersuchung werden nachstehend Die Anwendung dieses Algorithmus stellt uns vor eine in Reihenfolge der Forschungsfragen dargestellt. Zu- methodische Herausforderung für eine quantitative erst werden die identifizierten Communities vorgestellt Untersuchung: Wir finden Gruppen, die zueinander und inhaltlich beschrieben (Abschnitt 5.1. zu FF1), wo- stärker verknüpft sind als mit anderen Knoten. Diese bei hier noch einmal darauf hingewiesen werden soll, sind gemäß unserer Kantendefinition als Interessens- dass Benennung und Beschreibung der Cluster aus der gemeinschaften zu interpretieren, wobei die geteilten Aggregatanalyse der gruppierten Nutzerprofile hervor- Interessen erst in einem zweiten Interpretationsschritt gingen und nicht auf jeden einzelnen Fall zurückgeführt sichtbar wurden, indem wir in einer qualitativen und werden können. In einem nächsten Schritt werden die- quantitativen Analyse der Accountgruppen Schlüsse zur se Communities auf ihr Naheverhältnis innerhalb des inhaltlichen Ausrichtung der Communities ziehen (vgl. Netzwerkes überprüft (5.2. zu FF2). Danach werden die zu diesem Vorgehen auch Jürgens 2012, 195). Akteursgruppen der JournalistInnen und politischen So haben wir in einem induktiven Verfahren an Hand MandatsträgerInnen innerhalb des Netzwerkes verortet der Beschreibungen der Nutzeraccounts die Gemein- (5.3. zu FF3). Anschließend folgt eine Interpretation vor samkeiten der jeweiligen Communities identifiziert. dem Hintergrund der österreichischen Parteienland- Bei diesem Verfahren kommt jenen Accounts mehr Re- schaft (6. zu FF4). levanz zu, die innerhalb des jeweiligen Clusters zent- ral7 sind, weil die Zentralität eines Accounts innerhalb 5.1 Öffentlichkeiten / Communities des Clusters als Grad der Übereinstimmung darüber zu verstehen ist, wie interessant dessen Inhalte für die an- Das Gesamtnetzwerk der Followerbeziehungen weist deren Mitglieder sind. Um weitere Anhaltspunkte zur eine Dichte von 0,071, eine durchschnittliche Pfadlän- Interpretation der Cluster zu erhalten, haben wir zudem ge von 2,13 sowie einen globalen Clusterkoeffizient von grundsätzliche Merkmale der Accounts in den Clustern 0,33 auf. Die durchschnittliche Anzahl der Verbindun- im Durchschnitt berechnet (Followerzahl, Alter der Ac- gen beträgt 116,6. counts) sowie die zentralsten Accounts und die in den Für das Netzwerk der Followerbeziehungen ergeben Tweets der NutzerInnen jeweils verlinkten Domains sich insgesamt 13 größere8 Communities. Abbildung 1 identifiziert. All diese Daten dienten als Grundlage für zeigt die Cluster im Gesamtnetzwerk. Die Anordnung die Benennung, Beschreibung und Interpretation der der Knoten basiert auf dem Algorithmus „Force Atlas Communities, wie wir sie in Abschnitt 5.1. vornehmen. 2“, der versucht, strukturelle Verdichtungen in visuelle Verdichtungen zu übersetzen (Jacomy et al. 2014). Des- 4.5 Kodierung nach Akteursgruppen halb erscheinen die Communities in der Abbildung „re- gional“ geordnet. In Tabelle 2 finden sich ausgewählte Mit Blick auf Forschungsfrage 3 und parallel zur Clus- Merkmale der Communities, die zusätzlich zur quali- teranalyse haben zwei KodiererInnen die NutzerInnen tativen Analyse der Nutzerprofile für die nachfolgende auf Basis der Profilinformationen den Akteursgrup- Beschreibung herangezogen wurden. pen „Politik“, „Journalismus“ und „andere“ zugeschla- gen, wobei volle Übereinstimmung erreicht wurde. Zu Medien Politik-Accounts wurden MandatsträgerInnen in Bund, Ländern und Vorfeldorganisationen sowie Kandidat Der größte Cluster (497 Accounts) ist überaus stark an Innen zum Nationalrat gerechnet und sie wurden ein- traditionellen Massenmedien orientiert. Unter den zen- schließlich einer Parteizuordnung kodiert. Als Journa- tralsten NutzerInnen finden sich vor allem Journalis- lismus-Accounts wurden all jene Akteure identifiziert, tInnen sowie NutzerInnen, die primär JournalistInnen die eine entsprechende Angabe in der Profilinformation folgen. Die NutzerInnen gehören mit durchschnittlich getätigt oder ein bestimmtes Medium als Arbeitsplatz über 33.000 Tweets zu den produktivsten des Netz- genannt hatten. werkes, die durchschnittliche Followerzahl ist mit 1.192 vergleichsweise sehr hoch. Da JournalistInnen in Ös- terreich früh damit begonnen haben Twitter zu nutzen (vgl. Abschnitt 2.2.), gehören diese Accounts mit einem durchschnittlichen Alter von 3 Jahren zu den ältesten im Netzwerk. Der zentralste Account dieses Clusters, 7 Das hier verwendete Zentralitätsmaß ist der Indegree. Dieser misst die Anzahl der eingehenden Verbindungen eines Knotens und da- mit in unserem Anwendungsfall die Anzahl der Follower innerhalb 8 Es handelt sich dabei um jene Cluster, die zusammen zumindest 1% unseres Netzwerkes. der NutzerInnen im Ausgangssample ausmachen.
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 23 Abbildung 1: Follower Netzwerk der Accounts der 13 größten Cluster Nodes = 1.638 (von 1.852), Edges = 191.045, C.-Algorithmus: Walk-Trap (Steps=2), Visualisierung: Gephi, Force Atlas 2, Node Size= InDegree der TV-Journalist Armin Wolf, wird von 86,7 Prozent fällt auf, dass im Twitteria-Cluster zahlreiche Politiker der anderen Accounts des Clusters gefolgt und ist auch Innen der Grünen und einige KandidatInnen der NEOS gleichzeitig der zentralste des Gesamtnetzwerks. Ande- vertreten sind. re zentrale Accounts sind jener der Onlinetageszeitung derstandard.at sowie Journalist Florian Klenk von der Sozialdemokratie Wiener Stadtzeitung Falter. Der drittgrößte Cluster mit 137 Accounts besteht zum „Twitteria“ Großteil aus deklarierten Mitgliedern oder Anhängern der SPÖ inklusive zweier Vorfeldorganisationen, dem Die NutzerInnen in diesem Cluster (461 Accounts) ar- Verein sozialistischer Studentinnen und Studenten Ös- beiten vielfach in Berufsfeldern rund um Marketing/ terreichs (VSStÖ) und der Sozialistischen Jugend (SJ). PR und Medientechnologie und zählen zu den „Early Der SJ-Vorsitzende Wolfgang Moitzi ist der zentralste Adopters“ von Twitter in Österreich. Die Accounts die- Nutzer innerhalb des Clusters (gefolgt von 74,5 Prozent ses Cluster sind mit 3,7 Jahren die durchschnittlich äl- der Accounts) und reiht sich damit noch vor die ehema- testen des Netzwerkes und verfügen über die höchste lige Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger und den durchschnittliche Zahl an Followern (1.265). Der hier offiziellen Account der Bundespartei @spoe_at. Inte- gewählte Name „Twitteria“ setzt sich dabei aus „Twit- ressant ist, dass der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann ter“ und dem Wiener Ausdruck für die gehobene Ge- Peter Kaiser nicht Teil dieses Clusters ist, sondern sich in sellschaft, „Schickeria“, zusammen. Dieser Begriff wird einem regionalen Kärnten-Cluster wiederfindet (siehe von den Akteuren selbst häufig zur Bezeichnung der Ak- unten). teursgruppe genutzt9 (vgl. auch Maireder 2014). Zentra- le NutzerInnen, wie der Kommunikationsberater Rudi Konservative Fußi, die Journalistin Corinna Milborn und der Poli- tikwissenschafter Hubert Sickinger, waren schon in der In diesem Cluster mit 121 Accounts finden sich zu einem Studie zur politischen Twittersphäre im Erhebungszeit- großen Teil Funktionäre der Österreichischen Volkspar- raum 2011 zentral (Ausserhofer/Maireder 2013). Zudem tei und ihrer Vorfeldorganisationen sowie Personen, die sich in ihren Beschreibungen als „ÖVPler“ oder „Schwar- 9 http://futurezone.at/netzpolitik/so-zwitschert-oesterreichs-polit- ze“ deklarieren. Unter den zentralsten NutzerInnen in- twitteria/24.578.740. nerhalb des Clusters finden sich auffällig viele inner-
24 S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 Tabelle 2: Überblickstabelle für die 13 größten Cluster Benennung Anzahl Tweets im Ø Follower Ø Alter der Zentralster % Follower Ø Lokaler Accounts Sample ges. und St.abw. Accounts & Account Topaccount [3] Clustering- [1] St.abw. [2] Koeffizient Medien 497 33117 1.192 3,0 ArminWolf 86.7 0,51 σ=4.834 σ=1,5 σ=0,14 Twitteria 461 42714 1.265 3,7 HubertSickinger 69.2 0,44 σ=2.029 σ=1,5 σ=0,12 Soz.dem. 137 6532 353 2,8 Wmoitzi 74.5 0,52 σ=501 σ=1,5 σ=0,11 Kons. 121 7822 338 2,9 Svejk 85.1 0,51 σ=410 σ=1,4 σ =0,11 Linke 1 95 4503 530 3,6 Porrporr 63.2 0,45 σ=586 σ=1,5 σ=0,10 Unbest. 76 4726 309 2,7 Tschanschpange 67.1 0,48 σ=502 σ=1,4 σ=0,11 Tirol 61 2702 365 2,9 IbkTwit 83.6 0,49 σ=791 σ=1,6 σ=0,10 Kärnten 40 1146 423 3,2 Kleinezeitung 72.5 0,51 σ=1.001 σ=1,4 σ=0,11 Linke 2 33 1025 518 3,3 anarchismus_at 81.8 0,51 σ=422 σ=1,4 σ=0,10 Liberale 33 1133 162 3,0 Veitdengler 87.9 0,52 σ=167 σ=1,4 σ=0,09 Piraten 32 1868 282 2,8 Fisima_ 78.1 0,48 σ=671 σ=1,7 σ=0,10 Freih. 1 31 3517 420 2,5 HCStracheFP 77.4 0,46 σ=682 σ=1,1 σ=0,09 Freih. 2 21 1834 126 1,4 FPOE_TV 76.2 0,57 σ=131 σ=0,9 σ=0,11 Anmerkungen: [1] Durschnittliche Gesamt-Followerzahl (nicht nur im Sample!) und Standardabweichung. Die Standardabweichung ist zum Teil deutlich höher als die durchschnittlichen Follower. Dies deutet auf einige wenige NutzerInnen mit besonders hohen Followerzahlen hin; [2] Durchschnittliches Alter der Accounts in Jahren und Standardabweichung; Stichtag: 1.1.2014; [3] Prozent der Accounts im Cluster, die dem Top-Account folgen. institutionelle Accounts, also solche, die nicht mit dem zerInnen des Clusters verlinken in ihren Tweets beson- Namen einer Einzelperson, sondern einer bestimmten ders häufig auf stopptdierechten.at. Auch wenn sich einige Teilorganisation der Partei auftreten. Der zentralste wenige NutzerInnen als „kommunistisch“ bezeichnen Nutzer – Svejk – ist laut seinem Profil selbst kein Funk- und sehr vereinzelt auch die KPÖ genannt wird, kann tionär, sondern Parteimitarbeiter. Aus den Profildaten der Cluster insgesamt nicht der KPÖ zugeschlagen wer- geht außerdem hervor, dass viele der NutzerInnen aus den. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass Niederösterreich stammen oder zumindest dort arbei- die Suchbegriffe für die Datensammlung nur die Parla- ten. Darauf deutet auch der Umstand hin, dass gut 7% mentsparteien enthielten. Es ist möglich, wenn auch aller Links aus diesem Cluster auf die Homepage der Nie- nicht wahrscheinlich, dass dadurch weitere KPÖ-Partei- derösterreichischen Nachrichten (noen.at) verweisen. accounts nicht enthalten sind. Häufiger als die Nennung dieser Partei ist die Selbst- Linke 1 und 2 zuordnung der Akteure zur Österrreichischen Hoch- schülerInnenschaft (ÖH) oder zu Studierendenvertre- Jene beiden Cluster, die wir „Linke“ bzw. „Linksaktivis- tungen und studentischen Basisgruppen. Es fällt auf, mus“ nennen, können dem österreichischen Parteien- dass die Accounts in Linke 1 zu den ältesten gehören, es spektrum nicht eindeutig zugeordnet werden. In den ist also auch anzunehmen, dass viele dieser Accounts Profilbeschreibungen dominieren Begriffe wie „Antifa- schon zur Zeit der Proteste an den österreichischen Uni- schismus“, „Antirassismus“ und „Feminismus“. Die Nut- versitäten im Herbst 2009 aktiv waren, bei denen Twit-
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 25 ter eine wichtige Rolle gespielt hat (vgl. Abschnitt 2.2). Tirol Immerhin 37% aller NutzerInnen dieser Cluster haben ihr Profil 2009 erstellt. Auch wenn die Clusteranalyse Neben politisch zuordenbaren Communities konnten zwei Communities identifiziert hat, konnte auf Grund wir zwei Cluster identifizieren, die primär Akteure aus der Nutzerprofile keine eindeutige inhaltliche Differen- einem bestimmten Bundesland umfassen. Einer dieser zierung zwischen den beiden Linksaktivismus Clustern beiden Cluster ist „Tirol“ (61 Accounts), wobei die meis- ausgemacht werden, wobei die Verknüpfung zwischen ten NutzerInnen im Feld „Location“ der Profildaten ei- den beiden Clustern außerordentlich stark ist (siehe 5.2). nen Ort in Tirol oder das Bundesland angeben. Der zen- Netzwerkanalytisch sind die beiden Cluster mit der un- tralste Account nennt sich @Ibktwit und veröffentlicht terschiedlich ausgeprägten Verknüpfung der Accounts Nachrichten zur Hauptstadt Innsbruck. Vor diesem Hin- mit den zentralen Clustern „Medien“ und „Twitteria“ zu tergrund überrascht es nicht, dass fast 8% aller Links, erklären. So scheinen NutzerInnen in „Linke 2“ primär die die NutzerInnen dieses Clusters geteilt haben, auf einander zu folgen, während „Linke 1“-Accounts auch die Webseite der Tiroler Tageszeitung (tt.com) verwiesen. anderen NutzerInnen im Netzwerk folgen (siehe Tabelle 3). Kärnten Unbestimmt Dieser Cluster setzt sich aus 40 Accounts zusammen, die zum allergrößten Teil Kärnten oder Orte in diesem Der Algorithmus identifizierte auch einen Cluster, des- Bundesland als Standortinformation anführen oder in sen inhaltlicher Zusammenhang selbst nach ausführ anderer Weise innerhalb der Profilbeschreibung auf licher Analyse der Profilinformationen nicht restlos Kärnten Bezug nehmen. Besonders auffällig ist in die- geklärt werden konnte. Viele NutzerInnen verwenden in sem Fall, dass einige der zentralen Akteure die Kleine ihren Beschreibungen Begriffe wie „Literatur“ und „Mu- Zeitung als Arbeitgeber erwähnen. Dies erklärt, warum sik“. Ob und in welcher Form diese Verweise auf das ge- kleinezeitung.at der Topaccount des Clusters ist und war- meinsame Thema „Kultur“ schließen lassen, ist aber un- um beinahe 30% der Links aus dieser Nutzergruppe auf klar, denn im Gegensatz zu den anderen Communities die Homepage der Zeitung führen. Auch der Kärntner sind die Indikatoren für die thematische Zuschreibung Landeshauptmann Peter Kaiser ist in diesem Cluster zu deutlich schwächer ausgeprägt. finden. Tabelle 3: Verknüpfungen der zusammengeführten Communities Medien Twitteria Soz.d. Kons. Linke1 Unb. Tirol Kärnten Liberale Linke2 Piraten Freih.1 Freih.2 Medien 44,1 39,5 4,5 4,5 1,9 1,4 0,6 1 0,6 0,2 0,3 1,3 0,2 Twitteria 31,6 47,2 4,5 3,3 4,7 3,4 1,4 0,9 0,8 0,8 0,7 0,6 0 Soz.dem. 30,9 32,3 24,9 3,2 4,6 0,5 0,7 0,8 0,2 0,8 0,2 0,6 0,1 Kons. 36,1 25,9 3,8 27,9 0,7 0,6 1,2 1,1 0,7 0,1 0,2 1,5 0,2 Linke1 19,5 44,3 6,7 0,8 17,4 0,9 1,3 1 0,2 7,3 0,5 0,2 0 Unb. 25,8 45,5 1,8 1,6 2,2 19,4 1,4 0,5 0,3 0,5 0,5 0,5 0 Tirol 26,2 33,9 4,9 5,5 3,1 2 21 1 0,4 0,5 0,3 0,9 0,1 Kärnten 35,7 34,5 3,3 3,6 3,1 0,7 1,2 16 0,2 0,1 0,5 1,1 0 Liberale 31 37,4 2,2 3,8 1,1 0,9 0,2 0,3 21,4 0,3 0,9 0,4 0 Linke2 7,4 27,5 5,3 0,1 33,4 1 0,6 0 0,1 24,3 0,2 0,1 0 Piraten 24,7 42,7 2,7 1,8 4,1 1,2 0,7 1,2 1,1 0,2 19,1 0,4 0,1 Freih.1 44 24,4 2,8 5,4 0,7 1,4 0,9 0,8 0,1 0,1 0,1 12,2 7 Freih.2 29,8 5,8 1,2 2,9 0,5 0,2 0,2 0 0 0,2 0 36,6 22,8 Anm.: Followerbeziehungen zwischen den Clustern in Prozent der Gesamtverknüpfungen des jeweiligen Clusters
26 S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 Liberale beziehungen eines Clusters auf den jeweiligen anderen wider. Die zweite Zelle der ersten Spalte bedeutet bei- Der Cluster setzt sich hauptsächlich aus NutzerInnen spielsweise, dass 31,6% aller ausgehenden Verbindun- zusammen, die sich als liberal beschreiben oder ihre Zu- gen der NutzerInnen aus dem Cluster „Twitteria“ auf gehörigkeit zu einer politischen Organisation ausdrü- NutzerInnen des Clusters „Medien“ gerichtet sind. cken, die als liberal verstanden werden kann. Mehr als Die Cluster „Twitteria“ und „Medien“ sind das Zen- zwei Drittel der 33 NutzerInnen nennen in ihrer Profil- trum des Netzwerkes. Insgesamt sind fast zwei Drittel beschreibung NEOS, JuLis, das LiF oder deklarieren sich aller Kontakte der verbleibenden Cluster sind auf diese politisch als liberal. Obwohl sich für diesen Cluster sehr beiden Nutzergruppen gerichtet, wobei bedacht werden einfach eine politische Tendenz identifizieren lässt, fällt sollte, dass die beiden Cluster gleichzeitig die größten auf, dass zentrale Akteure der NEOS wie Matthias Strolz des Netzwerkes darstellen. Hierbei fällt auf, dass sich und Niko Alm nicht diesem Cluster zugeordnet sind, alle anderen Cluster auch auf Basis ihrer Beziehung sondern sich in den zentralen Communities „Twitteria“ zu diesen beiden Hauptclustern unterscheiden lassen. und „Medien“ finden. Während die Cluster „Konservative“ und „Freiheitliche“ stärker dem Mediencluster folgen, sind alle anderen Piraten Nutzergruppen stärker auf die „Twitteria“ ausgerichtet. Letzteres gilt in besonderem Maße für die beiden Sub- Die zentralsten der 32 NutzerInnen in diesem Cluster cluster „Freiheitliche 2“ und „Linke 2“. „Freiheitliche 2“ beschreiben sich als Mitglieder der Piratenpartei oder folgen nur zu 5,8% dem Cluster „Twitteria“ und „Linke 2“ einfach als „Piraten“. Wenig überraschend spielt in den nur zu 7,4% dem Cluster Medien. Der unterschiedliche Profilinformationen auch Technik und insbesondere In- Verknüpfungsgrad mit den zentralen Clustern ist auch formationstechnologie eine wichtige Rolle. Der Account ein Grund für die netzwerktopologische Zersplitterung von Philip Pacanda, Pirat im Gemeinderat Graz, ist der der Linken und Freiheitlichen in jeweils zwei Commu- zentralste Knoten innerhalb der Gruppe. nities. Wirft man einen genaueren Blick auf jene Cluster, Freiheitliche 1 und 2 deren Profilanalyse politische Übereinstimmungen er- geben haben, zeigt sich folgendes Bild: Wenig überra- Der Algorithmus identifizierte zwei verschiedene Clus- schend bestehen die stärksten Beziehungen zwischen ter, deren NutzerInnen mehrheitlich an der Freiheit jenen Clustern, die auch inhaltlich anhand der Profilbe- lichen Partei Österreichs orientiert sind. Im Großteil der schreibungen nur minimal voneinander unterschieden Beschreibungen der Accounts finden sich Verweise auf werden konnten, namentlich „Linke 1“ und „Linke 2“ die Partei oder die Vorfeldorganisation Ring Freiheitli- bzw. „Freiheitliche 1“ und „Freiheitliche 2“. Zudem fällt cher Jugend (RFJ), häufig werden auch Positionen inner- auf, dass die NutzerInnen des Clusters „Linke 1“ relativ halb der Partei bzw. des RFJ angegeben. Unterschiede stark (6.7%) dem Cluster „Sozialdemokratie“ folgen und zwischen den beiden Clustern sind kaum zu identifizie- diese Beziehung ebenso erwidert wird (4.6%). Letzteres ren, es fällt lediglich auf, dass die politischen Accounts in trifft auf die Followerbeziehungen zwischen „Freiheit- „Freiheitliche 1“ (31 Accounts) eher in der Bundespolitik lichen“ und „Konservativen“ nur in sehr beschränktem tätig sind, während die professionellen politischen Profi- Maße zu. Während zumindest 5.4% der Followerbezie- le in „Freiheitliche 2“ (21 Accounts) tendenziell in der Re- hungen von Seiten „Freiheitliche 1“ auf NutzerInnen im gional- oder Landespolitik verortet werden können. Ins- konservativen Cluster verweisen, sind insgesamt nur gesamt handelt es sich um junge Accounts (zwischen 1,5 1.7% der Followerbeziehungen aus diesem Cluster auf und 2,5 Jahre alt) und sehr kleine Cluster. Der Twitterauf- „Freiheitliche 1“ und „Freiheitliche 2“ gerichtet. Asym- tritt von Heinz Christian Strache ist zwar der zentralste metrische Kanten dieser Art finden wir auch zwischen innerhalb des Clusters „Freiheitliche 1“, es handelt sich den Clustern „Liberale“ und „Konservative“ bzw. zwi- dabei jedoch um einen Account, der nur automatisiert schen „Piraten“ und „Linke 1“. Wenig überraschend zeigt Meldungen aus Straches Facebook-Profil weiterleitet. sich zudem, dass die Verbindungen zwischen den Clus- Auffällig ist zudem, dass die NutzerInnen dieses Clusters tern „Linke“ und „Freiheitliche“ zu den Schwächsten des die einzigen sind, die häufig auf kronenzeitung.at verlinken Netzwerkes gehören. (9,07% aller Tweets mit Hyperlinks). 5.3 Politik und Journalismus im Netzwerk 5.2 Verknüpfung der Öffentlichkeiten Auf Basis der Kodierung nach Akteursgruppen (siehe Tabelle 2 schlüsselt die Verbindungen der aggregierten 4.5) können wir des Weiteren Aussagen über die Position Cluster zueinander auf. Die Zahlen spiegeln dabei den von Journalismus- und Politik-Accounts machen: Wie Prozentanteil der kumulierten ausgehenden Follower- bereits aus den Clusterbeschreibungen deutlich wurde,
S. Schlögl, A. Maireder: Struktur politischer Öffentlichkeiten auf Twitter I OZP Vol. 44, Issue 1 27 finden sich Journalismus-Accounts vornehmlich in dem Auch für die beiden Kleinparteien Piraten und das eigenen Cluster „Medien“ (zu ca. 60%) und „Twitteria“ Wahlbündnis NEOS/LiF/JuLis lassen sich Cluster iden- (zu knapp 30%) wieder. Nur 12 von 219 JournalistInnen tifizieren, wobei auffällt, dass nur 6 von 11 dezidierten beziehungsweise Medienaccounts sind in politisch zu- NEOS Accounts innerhalb des Clusters verortet sind und ordenbaren Clustern verortet. Es handelt sich dabei um zentrale Akteure der NEOS wie Spitzenkandidat Matthi- fünf solcher Accounts im Cluster „Linke 1“, vier im Clus- as Strolz, JuLis-Vorsitzender Niki Scherak und Kandidat ter „Konservative“ und drei im Cluster „Sozialdemo Niko Alm der „Twitteria“ zuzuordnen sind. Dies bedeu- kratie“. tet, dass ihnen NutzerInnen des „Twitteria“ Clusters In Abbildung 1 wurde bereits deutlich, dass die Clus- verhältnismäßig stärker folgen, und sie so in ein weit- ter „Medien“ und „Twitteria“ das Zentrum des Netz- läufigeres und zentraleres Kommunikationsnetzwerk werkes bilden. Dieses Ergebnis lässt sich auch auf jene eingebettet sind. Dies gilt auch und ganz besonders für Accounts erweitern, die wir anhand ihrer Twitter-Pro- die Grünen, für deren FunktionärInnen und Mandata- filbeschreibungen als journalistische Accounts identi- rInnen sich kein eigener Cluster ausmachen lässt. Zwei fizieren konnten. Der durchschnittliche Indegree dieser Drittel der Accounts finden sich im Cluster „Twitteria“ Accounts sagt aus, dass im Schnitt 268 NutzerInnen aus (z.B. Michel Reimon, Marco Schreuder, Harald Walser, dem in Abbildung 1 gezeigten Netzwerk Journalismus- Sigi Maurer, u.a.), 16% in „Tirol“ und 11% in „Medien“. Accounts folgen. Für PolitikerInnen beträgt dieser Wert Nur zwei der 32 grünen Accounts sind in einem politisch 156 und für alle verbleibenden NutzerInnen liegt er bei zuordenbaren Cluster zu finden, nämlich „Linke 1“. Die nur 86. Journalistische Accounts haben also eine zent- zentralen Akteure des BZÖ (Stefan Petzner, Heimo Le- rale Position im Netzwerk und sind für die Vermittlung puschitz, Josef Bucher) finden sich im Cluster „Medien“. von Fakten und Meinungen von besonderer Bedeutung. Das Team Stronach ist mit seinem Parteiaccount eben- Politik-Accounts finden sich beinahe ausnahmslos falls in diesem Cluster vertreten. an der Peripherie des Netzwerkes. Zudem (und wenig überraschend) lässt sich feststellen, dass diese Accounts in hohem Maße in jenen Clustern zu finden sind, die wir 6. Interpretation und Diskussion schon in einem ersten Schritt politischen Strömungen zuordnen konnten. So befinden sich beispielsweise alle Das auffälligste Ergebnis der Netzwerkanalyse sind die Accounts der Freiheitlichen Partei in einem der beiden Parallelen zwischen den Clustern und der Struktur der dieser Partei zugeordneten Cluster. Ähnliches gilt für die österreichischen Parteienlandschaft. So sind zumindest beiden Großparteien, so finden sich 31 von 32 Accounts drei Communities eindeutig österreichischen Parla- der ÖVP im Cluster „Konservative“ und 32 von 37 SPÖ- mentsparteien zuzuordnen: Sozialdemokraten (SPÖ), Accounts im Cluster „Sozialdemokratie“. Accounts der Konservative (ÖVP) und Freiheitliche (FPÖ), auch wenn Partei NEOS stellen in diesem Zusammenhang einen letztere durch die unterschiedlich ausgeprägten Fol- Sonderfall dar. lowerbeziehungen zu anderen Teilen des Netzwerks (v.a. dem Cluster „Medien“) eher zersplittert sind. Für Abbildung 2: Zugehörigkeit der Politik-Accounts zu den jeweiligen Clustern
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