Der steuerliche Umgang mit Verlusten: Reformoptionen für die Corona-Krise
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DOI: 10.1007/s10273-020-2657-8 Analysen und Berichte Corona-Krise Reinald Koch, Dominika Langenmayr Der steuerliche Umgang mit Verlusten: Reformoptionen für die Corona-Krise Im Jahr 2020 werden viele Unternehmen durch die Corona-Pandemie Verluste erleiden. Das deutsche Steuersystem behandelt Gewinne und Verluste asymmetrisch: Während Gewinne sofort versteuert werden müssen, führen Verluste oft nicht zu direkten Steuererstattungen. Dieser Beitrag diskutiert verschiedene Möglichkeiten, wie die steuerliche Behandlung von Unternehmen in Verlustsituationen verbessert werden kann. Eine Mikrosimulation der Reformoptionen zeigt, dass eine betragsmäßige Ausweitung der Verlustrücktragsmöglichkeiten eine deutlich größere Wirkung entfaltet als ein längerer Rücktragszeitraum. Bessere Verlustrücktragsmöglichkeiten setzen zudem starke Investitionsanreize. Unternehmen sind durch die Corona-Pandemie mit in dieser Bei Personengesellschaften wird die Steuerbelastung we- Form bisher nicht gekannten Einschränkungen konfrontiert. sentlich durch den persönlichen Einkommensteuersatz der 725.000 der insgesamt gut 3 Mio. Unternehmen in Deutsch- Gesellschafter und durch Thesaurierungsentscheidungen land haben bis Mitte April 2020 Kurzarbeit beantragt. Viele bestimmt. Sie lässt sich aus diesem Grund weniger gut Unternehmer befürchten im Jahr 2020 hohe Verluste. Bei der standardisieren. Unterliegen die Gesellschafter dem Spit- geltenden Rechtslage ist das Steuersystem aber nur bedingt zensteuersatz (wie für große, ertragsstarke Personenge- geeignet, zur Überwindung kurzfristiger Liquiditätsengpässe sellschaften angenommen werden kann), beträgt die Ge- beizutragen sowie Investitionsimpulse zu setzen. samtsteuerbelastung einer Personengesellschaft allerdings regelmäßig nahezu 50 % und ist damit im internationalen Geltendes Steuersystem: Steuersätze Vergleich ebenfalls hoch. Die Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen hängt in Geltendes Steuersystem: Verlustverrechnung Deutschland von der Rechtsform ab. Bei Kapitalgesell- schaften summiert sich die Steuerbelastung auf Gewinne In Krisen machen Unternehmen oft keine Gewinne, son- auf Gesellschaftsebene (durch Körperschaftsteuer, Ge- dern Verluste. Somit entscheiden die Vorschriften zum werbesteuer und Solidaritätszuschlag) auf durchschnitt- Umgang mit Verlusten, wie stark Unternehmen in Krisen- lich 31,6 % im Jahr 2018 (vgl. CTR 2018 in Abbildung 1). situationen durch Steuern belastet werden.2 Wie interna- Deutschland liegt damit annähernd 10 Prozentpunkte ober- tional üblich zeichnet sich die deutsche Unternehmens- halb des EU-Durchschnitts von 22,2 %. Ein vergleichbares besteuerung durch eine asymmetrische Behandlung von Bild zeigt sich bei der effektiven Durchschnittssteuerbe- Gewinnen und Verlusten aus. Während Unternehmensge- lastung (vgl. EATR 2018 in Abbildung 1).1 Bei ausgeschüt- teten Gewinnen werden zudem die Kapitaleinkünfte der 2 Auch weitere steuerrechtliche Regelungen, wie z. B. die Zinsschranke Anteilseigner besteuert. Deutschland zählt somit zu den oder Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer, belasten Unterneh- Hochsteuerländern in Europa, weshalb sich in einer kurz men in Verlustsituationen besonders. vor Krisenbeginn durchgeführten Befragung deutscher Wirtschaftswissenschaftler die Mehrheit für eine Steuer- satzsenkung ausgesprochen hat (Ökonomenpanel, 2020). Prof. Dr. Reinald Koch und Prof. Dr. Dominika Langen- mayr sind Lehrstuhlinhaber an der Katholischen Universi- © Der/die Autor(en) 2020. Open Access: Dieser Artikel wird unter der tät (KU) Eichstätt-Ingolstadt und Institutssprecher des KU Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https:// Research Institute for Taxation. Dominika Langenmayr creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht. ist zudem Research Fellow bei CESifo und der Research Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert. School of International Taxation der Universität Tübingen. 1 Die Zahlen entstammen einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, vgl. Spengel et al. (2018). ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 367
Analysen und Berichte Corona-Krise Abbildung 1 Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften % 40 35 30 25 20 15 10 5 0 AT BE BG CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IT LT LU LV MT NL PL PT RO SE SI SK CTR 2018 Durchschnitt CTR EATR 2018 Durchschnitt EATR Anmerkungen: CTR = gesetzliche Steuerbelastung auf Gewinne, EATR = effektive Durchschnittssteuerbelastung. AT = Österreich, BE = Belgien, BG = Bulgarien, CY = Zypern, CZ = Tschechische Republik, DE = Deutschland, DK = Dänemark, EE = Estland, ES = Spanien, FI = Finnland, FR = Frankreich, GB = Großbritannien, GR = Griechenland, HR = Kroatien, HU = Ungarn, IE = Irland, IT = Italien, LT = Litauen, LU = Luxemburg, LV = Lettland, MT = Malta, NL = Niederlande, PL = Polen, PT = Portugal, RO = Rumänien, SE = Schweden, SI = Slowenien, SK = Slowakei. Quelle: eigene Darstellung auf Basis der Ergebnisse in Spengel et al. (2018). winne sofort besteuert werden, führen Verluste nicht zu das Vorliegen zukünftiger Gewinne geknüpft ist und somit einer unmittelbaren Steuererstattung im Sinne einer Ne- nur zeitlich verzögert und unter Unsicherheit einkalkuliert gativsteuer. Verluste können vielmehr lediglich mit vergan- werden kann. Die Mindestbesteuerung führt zudem dazu, genen oder zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Bei dass die entlastende Wirkung der Verlustverrechnung zu einem Verlustrücktrag wird der Verlust dabei mit Gewinnen einem späteren Zeitpunkt eintritt. aus der Vergangenheit verrechnet und die auf diese Ge- winne gezahlte Steuer zurückerstattet. Dies geschieht im Diese Regelungen sind im internationalen Vergleich Rahmen der Steuererklärung des Verlustjahres, sodass die durchschnittlich restriktiv.5 So sahen im Jahr 2018 au- Steuererstattung erst im Jahr nach dem Verlust liquiditäts- ßer Deutschland nur vier weitere EU-Staaten (Frankreich, wirksam wird.3 Der Verlustrücktrag in Deutschland ist auf Großbritannien, Irland und die Niederlande) die Möglichkeit ein Jahr und den Betrag von 1 Mio. Euro beschränkt.4 zum Verlustrücktrag vor, davon allerdings mit Großbritan- nien, Irland und den Niederlanden drei Länder ohne be- Wenn Verluste nicht oder nicht vollständig zurückgetragen tragsmäßige Begrenzung.6 Beim Verlustvortrag verwenden werden können – weil es keinen Gewinn im Vorjahr gibt auch die meisten anderen EU-Länder eine betragsmäßige bzw. der Verlust diesen oder die Obergrenze von 1 Mio. Begrenzung und/oder einen limitierenden Verlustvortrags- Euro übersteigt –, wird der Verlust zeitlich unbeschränkt in zeitraum. Lediglich vier Länder (Belgien, Irland, Malta und Folgejahre vorgetragen und nach Maßgabe der Mindestbe- Schweden) erlauben einen unbegrenzten Verlustvortrag. steuerungsregelung mit zukünftigen Gewinnen verrechnet. Die Mindestbesteuerung besagt, dass Verlustvorträge nur Die Angaben aus der letzten verfügbaren Körperschaft- bis zum Betrag von 1 Mio. Euro uneingeschränkt mit zu- steuerstatistik (für 2015 vgl. Statistisches Bundesamt, 2020) künftigen positiven Einkünften verrechnet werden können; verdeutlichen, dass die deutschen Regelungen die Verlust- darüber hinausgehende Verlustvorträge dürfen die posi- verrechnung substanziell einschränken. Für 2015 sind in tiven Einkünfte der Folgeperiode(n) nur zu 60 % mindern. der Körperschaftsteuerstatistik insgesamt 1.175.306 unbe- In Krisensituationen weist der Verlustvortrag konzeptionell schränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften ausgewie- den Nachteil auf, dass der steuerentlastende Effekt an sen, von denen ein Drittel (388.999) im Jahr 2015 negative Einkünfte hat, die sich insgesamt auf knapp 60 Mrd. Euro belaufen. Drei Viertel dieser steuerlichen Verluste wurde 3 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaft- lichen Entwicklung (SVR für Wirtschaft) weist in seinem Sondergut- achten richtigerweise daraufhin, dass die Entlastung somit allerdings 5 Die Angaben zum Steuerrecht der anderen EU-Staaten entstammen nicht unmittelbar, sondern erst nach Abgabe der Steuererklärung zu- der Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen (2019). fließt. Vgl. SVR für Wirtschaft (2020, 77). 6 In zeitlicher Hinsicht beschränken auch die anderen Länder den Ver- 4 Die Möglichkeit zum Verlustrücktrag besteht bei der Einkommensteu- lustrücktrag auf ein Jahr; Großbritannien und Irland erweitern den er und Körperschaftsteuer, nicht aber bei der Gewerbesteuer. Zeitraum im Fall der Betriebsaufgabe auf drei Jahre. Wirtschaftsdienst 2020 | 5 368
Analysen und Berichte Corona-Krise von Unternehmen (Zahl: 6.092) erlitten, deren negative Ein- 2015 sind lediglich 3,2 % der Körperschaftsteuerpflichtigen künfte in diesem Jahr 1 Mio. Euro übersteigen und somit – (41.488 von 1.264.717) als Mutter- oder Tochtergesellschaft selbst bei ausreichend positiven steuerlichen Einkünften im in eine körperschaftsteuerliche Organschaft einbezogen.8 Vorjahr – nicht vollständig rücktragfähig sind. Nach Abzug Allerdings sind diese Konzerne überdurchschnittlich groß, des Maximalrücktrags von 1 Mio. Euro betragen die nicht sodass etwas mehr als ein Drittel aller körperschaftsteuer- rücktragsfähigen Verluste mindestens 38,76 Mrd. Euro. pflichtigen Einkünfte (265 Mrd. Euro von 708 Mrd. Euro) bei Kapitalgesellschaften in einer Organschaft anfällt. Wie stark schränkt die Mindestbesteuerung die Möglich- keiten zum Verlustvortrag ein? Etwa 3 % der Gesellschaf- Reformvorschläge für die Unternehmensbesteuerung ten, die 2015 steuerliche Gewinne auswiesen (insgesamt: 786.307), haben Einkünfte, die den Sockelbetrag der Min- Im Verlauf der Corona-Krise wurde eine Reihe von Vor- destbesteuerung von 1 Mio. Euro übersteigen. Die Einkünf- schlägen zur Reform der Unternehmensbesteuerung ge- te dieser Unternehmen machen insgesamt (204 Mrd. Euro) macht, die das Ziel haben, den Unternehmen kurz- und mehr als 80 % der Einkünfte aller Kapitalgesellschaften mit mittelfristig Liquidität zuzuführen, die Unternehmen grund- positiven Einkünften aus. Von diesen Unternehmen weisen sätzlich zu entlasten oder die Finanzierung von anderweiti- mehr als 8 % zum 31.12.2015 einen verbleibenden Verlust- gen Hilfsmaßnahmen zu gewährleisten. vortrag auf. Aufgrund der Mindestbesteuerung konnten sie 2015 nur 18 Mrd. Euro von insgesamt 130 Mrd. Euro Zur Verbesserung der kurzfristigen Liquidität wurde bereits Verlustvorträgen nutzen. Das zu versteuernde Einkommen umgesetzt, dass Unternehmen unter gewissen Vorausset- (d. h. nach Verlustabzug) unterschritt daher den Gesamtbe- zungen Einkommen- und Körperschaftsteuervorauszahlun- trag der Einkünfte (vor Verlustabzug) um weniger als 9 %.7 gen (und gegebenenfalls auch Gewerbesteuervorauszah- lungen) herabsetzen können sowie Einkommen-, Körper- Für konzernverbundene Kapitalgesellschaften ergibt sich schaft- und Umsatzsteuerschulden gestundet werden kön- aus dem körperschaftsteuerlichen Trennungsprinzip eine nen.9 Weitergehende Vorschläge sehen übereinstimmend zusätzliche Einschränkung der Verlustnutzung. Fallen in vor, die Möglichkeiten zur steuerlichen Verlustverrechnung verschiedenen Tochtergesellschaften eines Konzerns zeit- auszuweiten. Dabei wird eine Ausweitung des Verlustrück- gleich Gewinne und Verluste an, so sind diese aufgrund trags in zeitlicher und/oder betragsmäßiger Hinsicht emp- der selbständigen Körperschaftsteuerpflicht der einzelnen fohlen (Bundesverband der Deutschen Industrie [BDI], 2020; Tochtergesellschaften grundsätzlich nicht verrechenbar. Et- Eberhartinger und Petutschnig, o. D.; Koch und Langen- was anderes gilt nur, wenn die Konzerngesellschaften ge- mayr, 2020; SVR für Wirtschaft, 2020; Gassen et al., 2020; meinsam eine körperschaftsteuerliche Organschaft bilden, Giese et al., 2020). Teilweise wird gefordert, die entlasten- für die eine derartige Verrechnung von Gewinnen und Ver- de Wirkung des Verlustrücktrags durch eine Erstattung der lusten zugelassen ist. Deutschland ermöglicht somit – wie im Vorjahr gezahlten Steuern unmittelbar, d. h. noch 2020, auch 16 weitere EU-Länder – grundsätzlich eine konzernin- herbeizuführen (Eberhartinger und Petutschnig, o. D.; Gas- terne Verlustverrechnung, begrenzt diese allerdings faktisch sen et al., 2020). Zudem könnten durch die Bildung einer in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist der Anwendungsbereich unversteuerten Rücklage zu erwartende Verluste bereits bei der Organschaft grundsätzlich auf inländische Tochterka- der Ermittlung des steuerlichen Gewinns für das Jahr 2019 pitalgesellschaften beschränkt, eine grenzüberschreitende gewinnmindernd berücksichtigt werden (Eberhartinger und Gruppenbesteuerung, wie beispielsweise in Österreich und Langenmayr, 2020; Eberhartinger und Petutschnig, o. D.). Italien möglich, existiert in Deutschland nicht. Andererseits ist der Einbezug in eine körperschaftsteuerliche Organ- Mit Blick auf den Verlustvortrag wird vorgeschlagen, die schaft für inländische Tochterkapitalgesellschaften an den Mindestbesteuerung für Verluste aus der Krise auszuset- Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags geknüpft, der zen bzw. die Grenzen der Mindestbesteuerung anzupassen faktisch die vollständige Übernahme der Haftung für Verlus- (BDI, 2020 bzw. SVR für Wirtschaft, 2020). Da auch die Zins- te der Tochterkapitalgesellschaft bedeutet. Oestreicher et schrankenregelung krisenverschärfend wirken kann, regen al. (2012, 23) zeigen auf Basis von Daten für 2007, dass auf- der BDI (2020) und Koch und Langenmayr (2020) ferner grund des Ergebnisabführungsvertrags die Organschaft nur ein temporäres Aussetzen der Zinsschrankenregelung an. für etwa 40 % der Tochtergesellschaften in Anspruch ge- Uneinheitlich wird eine Verbesserung der Abschreibungs- nommen wird, welche die sonstigen Beteiligungsvorausset- bedingungen gesehen. Während der BDI eine temporäre zungen erfüllen. Auch nach der Körperschaftsteuerstatistik 8 Im Vergleich zur Körperschaftsteuerstatistik 2007 (2,7 %) ist dieser 7 Insgesamt betrugen die bis dato ungenutzten Verlustvorträge aller Anteil nun zwar etwas gestiegen, die grundsätzliche Aussage aus Oe- Gewinn- und Verlustunternehmen, die unter die betragsmäßigen Be- streicher et al. (2012) sollte allerdings weiterhin Bestand haben. grenzungen des Verlustvortrags und -rücktrags fallen, 388 Mrd. Euro. 9 Vgl. BMF-Schreiben vom 19.3.2020, IV A 3 -S 0336/19/10007 :002. 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Analysen und Berichte Corona-Krise Wiedereinführung der degressiven Abschreibung wie auch Abbildung 2 bereits in der Finanzkrise befürwortet, weist der SVR für Entwicklung der kumulierten Gewinne und Verluste Wirtschaft (2020, 77) in seinem Gutachten darauf hin, dass (vor Steuern) von verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten „lediglich eine eingeschränkte und wenig zielgerichtete Wirkung“ aus- Mrd. Euro 250 ginge. 200 Gewinne 150 Kontrovers diskutiert wird die zukünftige Entwicklung der 100 Steuersätze mit Blick auf die Corona-Krise. Während der 50 BDI ebenso wie Vertreter von CDU/CSU und FDP sich für ei- 0 ne Senkung der Steuersätze zur Stärkung der Unternehmen -50 und als Investitionsanreiz aussprechen, wird dagegen ange- -100 Verluste führt, dass eine Anhebung der Steuersätze zur Finanzierung -150 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 diverser Hilfsmaßnahmen und zur Sicherung öffentlicher Finanzen notwendig sei. In diesem Sinne hat sich beispiels- Anmerkung: Die Gewinne und Verluste basieren in den Jahren 2013 bis weise der Städte- und Gemeindebund für die Einführung ei- 2019 auf den in ORBIS direkt berichteten Daten, während die Werte für nes „Corona-Soli“ ausgesprochen. 2020 bis 2022 simuliert sind. Soweit Angaben in ORBIS für die Jahre 2018 oder 2019 fehlen, sind auch diese simuliert. Quelle: eigene Berechnungen. Simulation der verschiedenen Reformvorschläge Welche Entlastungswirkungen für Unternehmen bzw. wel- che Aufkommenseinbußen wären voraussichtlich mit den oben genannten Reformvorschlägen verbunden? Und wel- dik die Krise sinnvoll abbildet: Die im simulierten Szenario che Unternehmen würden von welchen Maßnahmen beson- unterstellte Entwicklung des BIP (2020: Rückgang um 5,4 %; ders profitieren? Um für die Beantwortung dieser Fragen 2021: Anstieg um 4,9 %) führt zu einem deutlichen Anstieg erste Hinweise zu geben, ermitteln wir mithilfe einer Mikro- der Verluste 2020 und einer gegenläufigen Bewegung simulation die Auswirkungen verschiedener Reformmög- 2021.12 lichkeiten bei der Verlustverrechnung auf die Körperschaft- steuerzahlungen von Kapitalgesellschaften sowie die korre- Durch einen Vergleich mit den drei zuletzt veröffentlichten spondierenden Erstattungsansprüche aus Verlustrückträ- Körperschaftsteuerstatistiken (2013 bis 2015) lässt sich gen. Die Berechnungen basieren auf einem Paneldatensatz die Repräsentativität der verwendeten Daten beurteilen. In mit Finanzinformationen zu 30.913 deutschen Kapitalgesell- ORBIS sind durchschnittlich 52 % der Gewinne und 57 % schaften aus der ORBIS-Datenbank von Bureau van Dijk für der Verluste, die in der Körperschaftsteuerstatistik ausge- den Zeitraum von 2008 bis (maximal) 2019. Ausgangspunkt wiesen sind, abgebildet. Die Daten repräsentieren somit der Berechnungen bildet das Ergebnis vor Steuern, das auf mehr als die Hälfte der Gewinne und Verluste deutscher Basis eines AR(1)-Prognosemodells bis 2022 fortgeschrie- Kapitalgesellschaften und sind hinsichtlich der Verteilung ben wird.10 Wir bilden dabei den exogenen Schock der von positiven und negativen Ergebnissen weitgehend re- Corona-Krise ab, indem wir bei der Schätzung der AR(1)- präsentativ. Da die enthaltenen 30.913 Unternehmen ledig- Parameter eine Variable berücksichtigen, welche die Verän- lich etwa 2,7 % aller deutschen Körperschaftsteuerpflichti- derung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im laufenden Jahr gen entsprechen, sind große Unternehmen deutlich über- widerspiegelt. Für 2020 und 2021 verwenden wir hierzu die repräsentiert. Konjunkturprognose des SVR für Wirtschaft.11 Im Rahmen der Mikrosimulation ermitteln wir auf Basis der Abbildung 2 zeigt die kumulierten Ergebnisse der Unterneh- prognostizierten Ergebnisse die zu zahlende Körperschaft- men in unserem Datensatz. Die Werte für die Krisenjahre steuer und den Solidaritätszuschlag. Wir berücksichtigen 2020 und 2021 verdeutlichen, dass die verwendete Metho- dabei die Regelung zum Verlustrücktrag und -vortrag nach geltendem Recht und einer Reihe von Reformvorschlägen. Die zum 1.1.2020 bestehenden steuerlichen Verlustvorträ- 10 Die Methodik basiert auf der Vorgehensweise des von Graham und ge werden dabei unter Verwendung der gesamten verfüg- Kim entwickelten Modells zur Simulation marginaler Steuersätze, vgl. Graham (1996, 41-74) und Graham und Kim (2009). Eine vergleichba- baren Datenhistorie unternehmensindividuell simuliert. re Vorgehensweise wählt auch das an der Georg-August-Universität Göttingen entwickelte Mikrosimulationsmodell ASSERT, vgl. Oestrei- cher et al. (2013). 11 Für 2022 wird das durchschnittliche BIP-Wachstum von 2008 bis 12 Dieses Szenario wird im Sondergutachten des SVR für Wirtschaft als 2019 unterstellt. erstes Risikoszenario (ausgeprägtes V) bezeichnet. Wirtschaftsdienst 2020 | 5 370
Analysen und Berichte Corona-Krise Die Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Mikrosimulation für Tabelle 1 die ORBIS-Stichprobe bei geltendem Recht und verschie- Auswirkungen der verschiedenen Reformoptionen denen Reformoptionen. Bezogen auf alle Unternehmen in 2020 2021 2022 Ge- Steuer- der Stichprobe zeigt die betragsmäßige Ausweitung des samt 2 satzän- Verlustrücktrags die größte Wirkung. Selbst wenn der Ver- derung3 lustrücktrag auf ein Jahr begrenzt bleibt und nur die Ober- Steuerbarer Gewinn in Mrd. Euro1 Änderung der grenze von 1 Mio. Euro aufgehoben wird, ist die Entlastungs- Verlustrücktrag in Mrd. Euro 1 Steuerzahlung in % wirkung (-4,2 %) größer als beispielsweise die Anhebung des Sockelbetrags bei der Mindestbesteuerung auf 5 Mio. Euro Geltendes 128,9 168,99 164,78 Recht -2,95 -0,61 -1,26 - -37,10 (-1,2 %).13 Demgegenüber entfaltet die zeitliche Ausdehnung des Verlustrücktrags ohne gleichzeitige Abschaffung der Verlustrücktrag 1 Jahr, Höhe 128,9 172,72 166,68 Obergrenze keine nennenswerte Wirkung. Insgesamt zeigt unbegrenzt -14,03 -3,28 -12,55 -4,20 -40,60 sich allerdings, dass auch bei sehr großzügiger Ausgestal- Verlustrücktrag 128,9 169,47 164,99 tung der Rücktragsregelung (Verlustrücktrag 5 Jahre, unbe- 3 Jahre -4,84 -1,10 -1,55 -0,40 -37,50 grenzt) lediglich 50,72 Mrd. Euro 2020 zurückgetragen wer- Verlustrücktrag den können. Dieses ist immer noch weniger als die Hälfte der 3 Jahre, Höhe 128,9 177,54 169,36 2020 eingetretenen Verluste. Diese Ergebnisse verdeutlichen unbegrenzt -38,05 -6,06 -14,46 -8,90 -45,50 ferner, dass eine sofortige Steuererstattung als vorwegge- Verlustrücktrag 128,9 169,56 165,04 nommener Verlustrücktrag nur sinnvoll ist, wenn gleichzeitig 5 Jahre -5,59 -1,37 -1,89 -0,70 -37,70 die Rücktragsmöglichkeiten verbessert werden.14 Die letzte Verlustrücktrag 5 Jahre, Höhe 128,9 180,36 170,14 Spalte in Tabelle 1 verdeutlicht, wie die Veränderungen bei unbegrenzt -50,72 -8,25 -16,79 -11,80 -48,40 der Verlustverrechnung bei gleichzeitiger Senkung der Steu- Verlustvortrag ersätze (hier: auf 10 %) ab 2020 wirken. Da die Verluste größ- maximal 128,02 165,09 163,79 tenteils noch zum höheren alten Steuersatz erstattet werden, 5 Mio. Euro -2,95 -0,53 -0,94 -1,20 -37,80 ist die Entlastung größer, als es die Steuersatzsenkung um Verlustvortrag ungefähr 33 % auf den ersten Blick vermuten lassen würde. ohne Mindest- 126,15 155,07 161,82 Aus diesem Grund ist insbesondere eine Ausweitung des besteuerung -2,96 -0,47 -0,68 -4,10 -39,70 Verlustrücktrags in diesem Szenario für die Unternehmen be- 1 Für 2020 bis 2022 sind die kumulierten steuerlichen Einkünfte (obere Zei- sonders vorteilhaft. le) sowie die kumulierten genutzten Verlustrückträge (untere Zeile) angege- ben. 2 Kumulierte Steuerzahlung beim geltenden Körperschaftsteuersatz von 15 % (plus 0,825 % Solidaritätszuschlag) sowie die Aufkommensver- Inwiefern hängt die Entlastungswirkung der verschiedenen änderung bei den verschiedenen Reformoptionen gegenüber den simu- Reformoptionen von der Unternehmensgröße ab? Zur Be- lierten Steuereinnahmen bei geltendem Recht (72,46 Mrd. Euro). 3 Aufkom- antwortung dieser Frage gliedern wir in Tabelle 2 die Aus- mensentwicklung bei einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 10 % und Abschaffung des Solidaritätszuschlags relativ zu den simulierten wirkungen der Reformszenarien in drei Größenklassen auf. Steuereinnahmen bei geltendem Recht (72,46 Mrd. Euro). Die Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der Mikrosimulation für Quelle: eigene Berechnungen. die ORBIS-Stichprobe bezüglich der Steuerzahlung nach Unternehmensgröße für die verschiedenen Reformoptio- nen. Wenn die betragsmäßigen Beschränkungen des Ver- lustrücktrags abgeschafft würden, hätte dies keine große nur eine geringe Entlastungswirkung hat. Zu beachten ist Wirkung bei kleinen Unternehmen, während größere Un- zudem, dass Verlustvorträge erst später liquiditätswirksam ternehmen deutlich profitieren. Möchte der Gesetzgeber werden und somit weniger Investitionsimpulse direkt nach Unternehmen aus unterschiedlichen Größenklassen mög- der Corona-Krise geben können. lichst gleichmäßig entlasten, ist eine Erhöhung des Sockel- betrags der Mindestbesteuerung auf 5 Mio. Euro eine mög- Anreizwirkungen der verschiedenen Reformvorschläge liche Reformoption, die allerdings bei allen Unternehmen Bei der Berechnung der Aufkommenseffekte haben wir an- 13 Die Kosten für den Staat sind dabei geringer als die prozentualen genommen, dass die steuerlichen Änderungen keine Aus- Mindereinnahmen suggerieren, da die entsprechenden Verluste nach wirkungen auf das Verhalten von Unternehmen haben. Dies geltendem Recht zumindest teilweise zukünftig (nach dem Simulati- ist unrealistisch: Es wäre ja gerade der Sinn solcher Refor- onszeitraum) im Rahmen des Verlustvortrags genutzt werden würden. 14 Die Berechnungen beziehen sich auf die Stichprobe aus ORBIS, die men, Unternehmen zu mehr Investitionen anzuregen und überproportional viele große Unternehmen enthält. Eine Hochrech- einen schnelleren Neustart der Wirtschaft zu fördern. Eine nung anhand der Größenklassen in der Körperschaftsteuerstatistik Vielzahl von Studien hat analysiert, wie sich Steuersätze auf zeigt, dass sich die Ergebnisse dadurch nur geringfügig (um maximal 1 Prozentpunkt) verändern, d. h. gesamtwirtschaftlich sind ähnliche Unternehmensaktivitäten, insbesondere Investitionen, aus- prozentuale Änderungen des Steueraufkommens zu erwarten. wirken. Der Grundgedanke ist, dass Steuern Gewinne verrin- ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 371
Analysen und Berichte Corona-Krise Tabelle 2 erwarteten Erträge geringer als der Sockelbetrag der Min- Auswirkungen der Reformen auf die Steuerzahlung destbesteuerung, werden die Erträge quasi nicht besteuert nach Unternehmensgröße – das Investitionsverhalten ist dann unabhängig vom Steu- ersatz. Für größere Unternehmen, bei denen die Mindestbe- Größenklasse 1 Größenklasse 2 Größenklasse 3 Bilanzsumme Bilanzsumme > Bilanzsumme steuerung greift, verringern die vorgetragenen Verluste die < 6 Mio. Euro 6 Mio. < 20 Mio. > 20 Mio. Euro effektive Steuerbelastung noch zu 60 %. Möchte man Inves- in % Euro in % in % titionen anregen, wäre es zielführend, die Mindestbesteue- Verlustrücktrag rung zumindest temporär auszusetzen oder den Sockelbe- 1 Jahr, unbegrenzt -0,30 -0,60 -4,70 trag zu erhöhen. Steuersatzsenkungen sind insbesondere Verlustrücktrag dann hilfreich, wenn Unternehmen die Verluste bereits durch 3 Jahre -2,10 -1,30 -0,30 Verlustrückträge nutzen konnten oder um der Wirtschaft Verlustrücktrag nach der Krise einen zusätzlichen Impuls für langfristige In- 3 Jahre, unbegrenzt -3,30 -3,00 -9,70 vestitionen zu geben. Verlustrücktrag 5 Jahre -3,70 -2,30 -0,50 Die Möglichkeit, Verluste zu verrechnen, regt also Investi- Verlustrücktrag 5 Jahre, unbegrenzt -5,30 -4,70 -12,80 tionen an, wenn die Unternehmen bereits Verluste haben, da sie die negative Wirkung des Steuersatzes abschwächt Verlustvortrag 5 Mio. Euro -0,20 -0,40 -0,50 bzw. aufhebt. Zudem setzt die Existenz von Verlustverrech- Verlustvortrag nungsregelungen auch einen Anreiz, insbesondere risiko- ohne Mindestbe- reiche Investitionen (beispielsweise in Forschung und Ent- steuerung -0,20 -0,50 -4,20 wicklung) zu tätigen. Durch die Möglichkeit der Verlustver- Anmerkung: Die Prozentwerte beziehen sich auf die kumulierte Steuer- rechnung trägt der Staat einen Teil des Investitionsrisikos, zahlung für die Jahre 2020 bis 2022 relativ zum geltenden Recht. er beteiligt sich über das Steuersystem an Gewinnen und Quelle: eigene Berechnungen. Verlusten. Langenmayr und Lester (2018) belegen diesen Ef- fekt empirisch. Sie zeigen, dass Unternehmen 11,6 % mehr riskante Investitionen tätigen, wenn der Zeitraum, in dem gern, und sich daher Investitionen bei höheren Steuersätzen ein Verlustrücktrag möglich ist, um ein Jahr erweitert wird. weniger lohnen.15 Empirisch ist dies gut belegt: Djankov et al. Dieser Effekt ist dabei in Ländern mit höheren Steuersätzen (2010) vergleichen die Steuerbelastung für ein standardisier- größer, da hier die „Versicherungsfunktion“, die der Staat tes Unternehmen zwischen Ländern und zeigen, dass eine durch die steuerliche Beteiligung an Verlusten übernimmt, um 10 Prozentpunkte niedrigere effektive Gewinnsteuerbe- eine größere Rolle spielt. Ein ähnlicher Effekt ist auch bei ei- lastung zu einem 2 Prozentpunkte höheren gesamtwirtschaft- ner Aufhebung der Obergrenze von 1 Mio. Euro zu erwarten, lichen Investitionsniveau relativ zum BIP führt (durchschnitt- auch wenn dies in der Studie nicht explizit untersucht wird. liche Investitionen/BIP: 21 %). Dies gilt auch in Deutschland: Dobbins und Jacob (2016) untersuchen die Unternehmen- Zusammenfassend zeigt sich somit, dass – gerade in der steuerreform 2008. Demnach führte die um 10 Prozentpunkte Krise, aber auch langfristig – die steuerlichen Regelungen niedrigere Steuerbelastung zu 5,9 % mehr Investitionen. Dies zur Verlustverrechnung von enormer Bedeutung für die In- entspricht einem Anstieg des Anlagevermögens von ca. 3 vestitionstätigkeit sind.16 Mio. Euro bei einem durchschnittlichen Unternehmen. Die zu- sätzlichen Investitionen entsprechen ungefähr dem Umfang der Mindereinnahmen bei der Körperschaftsteuer, d. h. 1 Euro 16 Dies bestätigen auch Analysen zu steuerlichen Maßnahmen in Krisen Aufkommensverlust führte zu 1 Euro zusätzlichen Investitio- in der Vergangenheit: Zwick und Mahon (2017) analysieren die Aus- nen. Studien aus anderen Ländern kommen zu sehr ähnlichen wirkungen von Sonderabschreibungen, die in den USA in den letzten beiden Wirtschaftskrisen temporär eingeführt wurden (2001 bis 2004 Ergebnissen (vgl. beispielsweise Ohrn, 2018). und 2008 bis 2010). In der letzten Krise erlaubten die USA degressive Abschreibungen mit Abschreibungssätzen von 50 % und mehr, was Ergebnisse für Unternehmen in Verlustsituationen zu 17 % höheren Investitionen in Wirtschaftsgüter, für die diese Ab- schreibungen möglich waren, führte. Kleinere Unternehmen reagier- ten dabei deutlich stärker auf diese Anreize als größere Unternehmen. Wenn Unternehmen ungenutzte Verlustvorträge haben, Somit können auch in Deutschland, wo die Wirtschaft deutlich mehr mindern diese die zu erwartende Steuerbelastung. Sind die durch mittelständische Unternehmen geprägt ist, substanzielle In- vestitionsanreize erwartet werden. Zwick und Mahon zeigen dabei al- lerdings auch, dass Unternehmen nur dann zusätzliche Investitionen durchführen, wenn die Sonderabschreibungen zeitnahe Liquiditäts- 15 Theoretisch ist der Effekt von Steuern auf Investitionen nicht so ein- effekte haben. Direkt nach der Krise wird dies für viele Unternehmen deutig: Werden Investitionsentscheidungen durch die Bildung von nur der Fall sein, wenn sie Verlustrückträge nutzen können. Damit ist Kapitalwerten getroffen, beeinflussen Steuern nicht nur die Erträge, auch diese Maßnahme nur zielführend, wenn gleichzeitig die Möglich- sondern auch den Diskontierungszins. keiten zum Verlustrücktrag verbessert werden. Wirtschaftsdienst 2020 | 5 372
Analysen und Berichte Corona-Krise Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) (2020), Acht-Punkte-Steuer- Empfehlungen plan zur Bewältigung der Corona-Krise, Stellungnahme, 26. März, htt- ps://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/acht-punkte-steu- So, wie Unternehmen mit einem Teil ihrer Gewinne durch erplan-zur-bewaeltigung-der-corona-krise/ (23. April 2020). Djankov, S., T. Ganser, C. McLiesh, R. Ramalho und A. Shleifer (2010), The ihre Steuerzahlung zur Finanzierung des Staats beitragen, Effect of Corporate Taxes on Investment and Entrepreneurship, Ameri- sollten auch Verluste die Steuerzahlungen der Unterneh- can Economic Journal: Macroeconomics, 2(3), 31-64. men mindern. Die Regelungen im geltenden Recht sind da- Dobbins, L. und M. Jacob (2016), Do corporate tax cuts increase invest- ments?, Accounting and Business Research, 46(7), 731-759. für unzureichend: Nur gut 10 % der simulierten Verluste im Eberhartinger, E. und D. Langenmayr (2020), Coronakrise: Der steuerpoliti- Jahr 2020 werden nach geltendem Recht durch einen Ver- sche Handlungsbedarf groß, Die Presse, 20. April, https://www.diepres- lustrücktrag zeitnah zu Steuererstattungen führen. Erholt se.com/5801555/coronakrise-der-steuerpolitische-handlungsbedarf- gross (23. April 2020). sich die Wirtschaft langsam, werden viele Unternehmen Eberhartinger, E. und M. Petutschnig (o. D.), Steuerliche Maßnahmen zur die jetzt entstehenden Verluste erst in vielen Jahren nutzen Verbesserung der Liquidität der Unternehmen in der Corona Krise: Drei können – wenn das Unternehmen dann noch existiert. Vorschläge, https://www.wu.ac.at/fileadmin/wu/d/i/steuerlehre/Aktuel- les/Corona_3Vorschläge.pdf (23. April 2020). Gassen, J., M. Jacob, R. Maiterth, J. Müller, K. Nicolay, R. Ortmann, D. Unsere Analysen zeigen, dass insbesondere die betrags- Schanz, C. Sureth-Sloane und J. Voget (2020), Verlustrücktrag zur Be- mäßigen Begrenzungen eine effektive Verlustverrechnung kämpfung von Liquiditätsengpässen, https://accounting-for-transpa- rency.de/wp-content/uploads/2020/03/trr266_verlustrücktrag_corona- verhindern. Selbst wenn der Verlustrücktrag auf ein Jahr soforthilfe.pdf (23. April 2020). begrenzt bleibt und nur die Obergrenze von 1 Mio. Euro auf- Giese, H., B. Graßl, S. Holtmann und P. Krug (2020), Steuerliche Entlastungs- gehoben wird, werden Unternehmen mit Verlusten deutlich möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen wegen der COVID- 19-Pandemie – Kann das Steuersystem Solidarität in der Gesellschaft entlastet (Steuermindereinnahmen von 4,2 % im Vergleich fördern?, Das deutsche Steuerrecht (DStR), 58, 752-760. zum geltenden Recht). Ein weiterer Vorteil einer solchen Graham, J. (1996), Debt and the Marginal Tax Rate, Journal of Financial Eco- Reform wäre, dass sie relativ zielgenau Unternehmen hilft, nomics, 41(1), 41-74. Graham, J. und H. Kim (2009), Sulating Corporate Marginal In-come Tax die in der jüngsten Vergangenheit profitabel waren, aber von Rates and Implications for Corporate Debt Policy, Working Paper: Duke der Krise stark betroffen sind. University and NBER. Koch, R. und D. Langenmayr (2020), Corona-Krise: Steuerliche Belastungen für Unternehmen in Verlustsituationen reduzieren, https://www.ku.de/ Allerdings würde eine reine Aufhebung der Obergrenze wwf/forschung/forschungsinstitute/ku-research-institute-for-taxation/ kleinere Unternehmen nicht nennenswert entlasten. Diese oeffentlichkeitsarbeit/wortmeldungen/corona-krise/ (23. April 2020). könnten durch eine Verlängerung des Rücktragszeitraums Langenmayr, D. und R. Lester (2018), Taxation and Corporate Risk-Taking, The Accounting Review, 93(3), 237-266. auf drei Jahre entlastet werden. Eine solche Reform wä- Ökonomenpanel von ifo und FAZ (2020), Belastung durch Unternehmen- re aber auch mit höheren Kosten für den Staat verbunden steuern in Deutschland senken – ist das der richtige Weg?, 17. März, htt- (Steuermindereinnahmen von 8,9 %). Auch eine Kombinati- ps://www.ifo.de/node/53691 (23. April 2020). Oestreicher, A., R. Koch, D. Vorndamme und S. Hohls (2012), Aufkommens- on (unbegrenzter Rücktrag in das Vorjahr, Rücktrag in die wirkungen einer Abschaffung des Ergebnisabführungsvertrags bei der zwei Jahre zuvor begrenzt auf z. B. 1 Mio. Euro) wäre denk- ertragsteuerlichen Organschaft, IFSt-Schrift, 482. bar. Unabhängig davon, wie die Verbesserung der Verlust- Oestreicher, A., R. Koch, D. Vorndamme und S. Hohls (2013), ASSERT – As- sessing the effects of reforms in taxation – a microsimulation approach, verrechnung ausgestaltet wird: Eine Reform in diese Rich- FAT Working Paper, 14-001. tung würde den Unternehmen den Neustart nach der Krise Ohrn, E. (2018), The Effect of Corporate Taxation on Investment and Finan- erleichtern und zeitnah Investitionsanreize setzen. cial Policy: Evidence from the DPAD, American Economic Journal: Econo- mic Policy, 10(2), 272-301. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick- lung (SVR für Wirtschaft) (2020), Sondergutachten 2020: Die gesamtwirt- schaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie, https://www.sachver- staendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html (23. April 2020). Spengel, C., F. Schmidt, J. Heckemeyer und K. Nicolay (2018), Effective Tax Literatur Levels Using The Devereux/Griffith Methodology, https://ec.europa.eu/ta- xation_customs/sites/taxation/files/final_report_2018_effective_tax_le- Bundesministerium der Finanzen (2019), Die wichtigsten Steuern im inter- vels_revised_en.pdf (23. April 2020). nationalen Vergleich 2018, https://www.bundesfinanzministerium.de/ Statistisches Bundesamt (2020), Körperschaftsteuerstatistik 2015, Fachse- Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2019-08-08-die- rie 14, Reihe 7.2, 28. Februar. wichtigsten-steuern-im-internationalen-vergleich-2018-ausgabe-2019. Zwick, E. und J. Mahon (2017), Tax Policy and Heterogeneous Investment pdf?__blob=publicationFile&v=9 (23. April 2020). Behavior, American Economic Review, 107(1), 217-248. Title: The Tax Treatment of Losses: Options for Reforms During the Corona Crisis Abstract: Due to the corona pandemic, many companies will suffer losses in 2020. The German tax system treats profits and losses asymmetri- cally: Whereas profits are taxed immediately, losses do not generate immediate tax refunds. This article discusses different options to improve the tax treatment of companies in loss situations. A microsimulation of these reforms reveals that extending the maximum amount for loss carry-back has a larger impact than extending the loss carry-back period. Enhancing loss carry-back opportunities also creates strong investment incentives. JEL Classification: H12, H25, E37 ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 373
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