Dezember 1974: Fraktionssitzung

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CDU/CSU – 07. WP                                             Fraktionssitzung: 03. 12. 1974

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                        3. Dezember 1974: Fraktionssitzung

ACDP, 08-001-1039/1. Überschrift: »Fraktionsprotokoll der Fraktionssitzung vom 3.
Dez. 1974«. Zeit: 15.07–18.41 Uhr. Vorsitz: Carstens (Fehmarn). Protokollform: Tran-
skription der Tonaufnahme in bearbeiteter Fassung.

Sitzungsverlauf:
A. TOP 1: Bericht des Vorsitzenden Carstens zur Lage mit Aussprache (Attentat auf den
    Abg. Kiep; wirtschaftliche Lage; Investitionen und Vermögensbildung; steuerliche
    Entlastungen; Europapolitik; Naher Oste; amerikanisch-sowjetische Beziehungen;
    berufliche Bildung).
B. TOP 2 und TOP 3: Bericht des Parlamentarischen Geschäftsführers Rawe aus dem
    Ältestenrat und über das Plenum der Woche mit Aussprache (deutschlandpolitische
    Debatte; keine Ausschusssitzungen während Plenarsitzungen; Lastenausgleich,
    Kriegsgefangenenentschädigung, Finanzierung ölpreisbedingter Defizite).
C. TOP 5: Berichte aus den Arbeitskreisen: AK VI (Inter Nationes). – AK I
    (Zwangsernährung von inhaftierten Untersuchungshäftlingen).
D. TOP 4: Berichte des Ministerialdirigenten von Loewenich (BMI) und des
    Kriminaldirektors der Sicherungsgruppe Bonn, Boeden (Personenschutz für
    Abgeordnete). – TOP 5: Fortsetzung der Aussprache (Zwangsernährung;
    Informationspolitik der Bundesregierung; Freiheit der Verteidigung; Interview des
    Publizisten Sartre; Pressefreiheit).
E. Bericht des Abg. Franke (Betriebliche Altersversorgung).

[A.]
Carstens (Fehmarn): Der frühere Kollege unserer Fraktion Prof. Dr. Adolf Süsterhenn
verstarb am 24. November dieses Jahres. Er gehörte der Bundestagsfraktion der
CDU/CSU acht Jahre von 1961 bis 1969 an. Als stellvertretender Vorsitzender der
CDU/CSU-Fraktion im Parlamentarischen Rat war er maßgeblich an der Gestaltung
des Grundgesetzes beteiligt. Als erster Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz war
er auch von 1949 bis ’51 Mitglied des Bundesrates. Zehn Jahre war er Präsident des
Oberverwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs in Rheinland-Pfalz. In
der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Bundestagsfraktion widmete er sich rechts- und ver-
teidigungspolitischen Fragen. Darüber hinaus war er als stellvertretendes Mitglied der
Beratenden Versammlung des Europarates unermüdlich für den Zusammenschluß
Europas tätig. Seit 1954 war er Mitglied der Europäischen Kommission für Menschen-
rechte in Straßburg, eine Tätigkeit, in der er sich gleichfalls ausgezeichnet hatte. Adolf
Süsterhenn war maßgeblich an dem demokratischen Wiederaufbau unseres sozialen
und freiheitlichen Rechtsstaates beteiligt. Die Christlich Demokratische Union und
darüber hinaus unser ganzes Land verdanken ihm viel.
Bei der Beisetzung haben mehrere Kollegen teilgenommen. Kollege Richard Jaeger hat
für die Fraktion gesprochen. Ich habe der Witwe das Beileid der Fraktion ausgespro-
chen. Sie haben sich zu Ehren des verstorbenen früheren Kollegen Süsterhenn von
Ihren Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, wie es zu gehen pflegt, nachdem wir den Tod eines früheren
Kollegen beklagt haben, freuen wir uns darüber, daß ein anderer Kollege, unser Kollege
und Freund Leisler Kiep soeben einem Attentat entgangen ist und lebend und gesund in

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unserer Mitte steht. Lieber Herr Kiep, herzlichen Glückwunsch und Ausdruck der
großen Freude der gesamten Fraktion. Übrigens auch Bewunderung für die Geistesge-
genwart, mit der Sie sich in dieser Lage verhalten haben!
(Starker Beifall.)
Eine 3. Vorbemerkung! Ich möchte unsere baden-württembergischen Kollegen sehr
herzlich zu dem großartigen Wahlerfolg des Oberbürgermeisterkandidaten der CDU
Rommel 1 beglückwünschen.
(Beifall.)
Das hört sich zwar jetzt in manchen Kommentaren so an, als ob die CDU mit diesem
Erfolg gar nichts zu tun hätte. Aber ich denke, diejenigen, die die Verhältnisse an Ort
und Stelle etwas genauer kennen, die werden zugeben, daß hier eine Reihe von günsti-
gen Momenten zusammengetroffen sind, aber daß sich in dieser Wahl, vor allen Dingen
in diesem außerordentlich hohen günstigen Ergebnis für Rommel auch ein günstiger
Trend für die CDU insgesamt abzeichnet. Unser Freund Filbinger 2 hat das ausdrück-
lich bestätigt.
Meine Damen und Herren, ich möchte dann zur Lage einige Bemerkungen machen und
beginnen mit einigen Anmerkungen zur wirtschaftspolitischen Lage. Wir hatten Gele-
genheit, uns im Bundesvorstand der Partei und in einem Gremium der Fraktion, in
einem ad hoc einberufenen Gremium der Fraktion, eingehend zu den wirtschaftspoliti-
schen Fragen, den aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen zu unterhalten und standen
übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß wir gut beraten wären, wenn wir dem Sach-
verständigengutachten, welches vor einigen Tagen publiziert worden ist, volle Unter-
stützung geben würden. Das Sachverständigengutachten analysiert die Lage und
kommt dabei zu einigen sehr negativen Urteilen über die Bundesregierung und deren
Politik in der Vergangenheit. Es stellt fest, daß eine Wiederbelebung der wirtschaftli-
chen Situation nur zu erwarten ist, wenn die private Investitionstätigkeit der Industrie
und der Wirtschaft angereizt wird, und es stellt dazu fest, daß die bevorstehende Lohn-
runde und der Ausfall der Tarifverhandlungen ein entscheidendes Element dafür sein
wird, ob die Unternehmen sich die Chance ausrechnen, in Zukunft wieder Gewinne in
größerem Umfange zu erzielen und deswegen zu investieren.
In der Zwischenzeit sind eine Reihe weiterer Fragen aufgetaucht, zu denen der Arbeits-
kreis II entweder heute oder in der nächsten Sitzung Stellung nehmen will, u. a. die
Frage, ob es zweckmäßig ist, der Wirtschaft eine 7,5%ige Investitionszulage, so wie sie
das Stabilitätsgesetz ich glaube im § 29 vorsieht, zu gewähren. Hierzu haben sich die
Gremien der Fraktion und der Partei noch nicht geäußert. Und ich würde dankbar sein,
wenn wir [uns] mit unseren Äußerungen dazu auch noch zurückhalten würden, bis
unsere Gremien sich offensichtlich schlüssig geworden sind, in welcher Richtung wir
votieren wollen. Auf alle Fälle kann schon jetzt gesagt werden, daß das Heil und die
Wendung, die wir alle wünschen, nicht von dieser 7,5%igen Zulage zu erwarten ist.
Was nicht unbedingt bedeuten muß, daß wir die ablehnen werden.
Es ist in diesem Zusammenhang sowohl in der Partei wie auch in unserer Fraktion die
Frage aufgeworfen worden, ob, wenn es zu dieser 7,5%igen Investitionszulage kom-
men sollte, man diesen Vorgang verbinden sollte mit unserem alten Plan der verstärkten
Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Mit anderen Worten, ob man einen Weg
finden könnte, an dieser ja dann vom Staat gewährten Zulage die Arbeitnehmer des

1 Manfred Rommel, Staatsekretär im baden-württembergischen Finanzministerium (CDU) und Kan-
  didat bei der Wahl zum Stuttgarter Oberbürgermeister am 1. Dezember 1974.
2 Hans Filbinger, MdL Baden-Württemberg (CDU) und Ministerpräsident.

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Unternehmens zu beteiligen. Auch hier möchte ich die Kollegen zu einer gewissen
Zurückhaltung bitten. Es ist nicht so einfach, daß man in wenigen Sätzen ja oder nein
dazu sagen könnte. Eine Reihe von Kollegen hat sich dafür ausgesprochen. Andere
haben Bedenken dagegen geltend gemacht. Prof. Vogel, unser Mitarbeiter hat uns eine
Ausarbeitung dazu zur Verfügung gestellt. Alles in allem ist es ein Thema, über das wir
sicherlich noch etwas eingehender diskutieren müssen.
Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang darf ich ansprechen. Das ist die Frage des
überbetrieblichen Kostenausgleichs für die berufliche Bildung. Ein Thema, das auch in
der letzten Zeit wieder akut geworden ist. Einige Kollegen unserer Fraktion haben sich
dazu geäußert, haben einen solchen überbetrieblichen Kostenausgleich gefordert. Ich
möchte darauf hinweisen, daß in den bisher von der Fraktion beschlossenen Initiativen
zur beruflichen Bildung dieses Thema nicht behandelt worden ist, daß eine Beschluß-
fassung der Fraktion dazu nicht ergangen ist. Ich möchte Ihnen zugleich sagen, daß ich
in meinen eigenen Diskussionsbeiträgen zu diesem Thema, wenn davon die Rede ist,
daß die Zahl der Lehrlingsstellen in der Bundesrepublik so rapide zurückgegangen ist,
zu sagen pflege, daran trägt die Regierung und die Regierungskoalition in erster Linie
die Schuld und die Verantwortung, indem nämlich diejenigen, die Lehrlinge ausbeuten
– indem diejenigen, die Lehrlinge ausbilden – ,
(Lachen.)
ach, so erliegt man den Zwangsvorstellungen seiner Gegner. Diejenigen, die Lehrlinge
ausbilden, als Ausbeuter beschimpft wurden, und ganz sicher hat der Entwurf des
Herrn von Dohnanyi 3 zum Thema berufliche Bildung, den ein früher so weit links
stehender Mann wie der frühere Bundespräsident Heinemann 4 als Esel bezeichnet hat,
sicher hat dieser Entwurf des Herrn von Dohnanyi auch sehr wesentlich dazu beigetra-
gen, daß eine Reihe von Unternehmen und auch einzelne Handwerker sich überlegt
haben, ob sie in Zukunft Lehrlinge einstellen sollten.
Wir müssen, damit ich nicht mißverstanden werde, alles in unseren Kräften Stehende
tun, um zu erreichen, daß die Wirtschaft in stärkerem Umfange wieder Lehrlinge ein-
stellt. Ich glaube, das beste Mittel dazu würde sein ein Übergang der Regierung von der
SPD auf die CDU. Aber wir sollten nicht ohne weiteres den Gedanken dieses Aus-
gleichs – ich freue mich ja sehr über Ihre lebhafte Zustimmung, meine Damen und
Herren, aber ich wäre doch für etwas mehr Aufmerksamkeit dankbar. Wir sollten also
diese Frage des überbetrieblichen Kostenausgleichs für die berufliche Bildung noch
einmal sorgfältig prüfen, bevor wir dazu Stellung nehmen.
Ich möchte gern in diesem Zusammenhang noch etwas erwähnen, nämlich hervorhe-
ben, was auch an anderer Stelle schon mehrfach gesagt worden ist – ich glaube Antonius
sagt in seiner berühmten Leichenrede »es übermannt mich. Ich muß einige Momente
schweigen«. Ganz so gerührt bin ich nicht. Aber ich möchte doch wenigstens so lange
schweigen, meine Damen und Herren, bis Sie sich wieder beruhigt haben. Ich möchte
gerne in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnern dürfen, wie erfolgreich die
Fraktion in der Frage der steuerlichen Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen
operiert hat. Wir haben jetzt das Eingeständnis aus dem Munde des Herrn Staatssekre-
tärs Porzner 5, der in einer der letzten Nummern der Zeitschrift »Neue Gesellschaft«
das bestätigt hat, daß die Regierung durch uns, die Opposition, gezwungen worden ist,

3 Klaus von Dohnanyi, MdB (SPD) und 1972–Mai 1974 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
4 Gustav Heinemann, 1969–Juni 1974 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
5 Konrad Porzner, MdB (SPD) und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finan-
  zen.

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gegen ihre ursprünglichen Intentionen im jetzigen Zeitpunkt eine Senkung der Steuern
für die kleineren und mittleren Einkommen vorzunehmen, weil sie aus den Betrieben,
von den Gewerkschaften, von den Betriebsversammlungen unter solch einen Beschuß
gerieten, daß sie dieser auf sie zukommenden Welle keinen Widerstand mehr entgegen-
setzen konnten. Ich muß sagen: Es ist ein Beispiel. Wir sollten’s uns alle vielleicht im
Gedächtnis gut einprägen für eine erfolgreiche Strategie, aus der Rolle der Opposition
heraus die Regierung zu etwas Richtigem zu zwingen, was sie selbst nicht vorhatte,
denn Sie wissen alle, daß auf den Parteitagen der SPD in den zurückliegenden Jahren ja
eine ständige Erhöhung der Steuerquote vorgesehen war, um die großartigen Refor-
men, die man damals vorhatte, finanzieren zu können. Ich möchte allen denen in der
Fraktion, auch den Mitarbeitern, die daran beteiligt waren, bei dieser Gelegenheit noch
mal sehr dafür danken.
Meine Damen und Herren! Ich komme dann zu einem weiteren Thema, nämlich dem
der Inneren Sicherheit. Wie ich aus vielen Veranstaltungen, in denen ich in den letzten
Wochen aufgetreten bin, entnehme, ein Thema, welches die Bevölkerung unseres Lan-
des auf das stärkste beschäftigt und erregt. Und zugleich ist dies m. M. nach ein Thema,
in dem wir unter allen Umständen den Konfrontationskurs zur Regierung durchhalten
müssen.
(Beifall.)
Wir dürfen uns nicht von der Feststellung abdrängen lassen, daß die Regierung durch
jahrelange Versäumnisse eine schwere Mitverantwortung für die Ausbreitung der Ter-
ror-Aktivität der Baader 6-Meinhof7-Bande und anderer auf sich geladen hat. Ich
möchte nur an eines erinnern dürfen: Im Mai 1973 hat die CDU/CSU-Fraktion eine
Initiative ergriffen, die sich mit den Anwälten der Baader-Bande befaßte, weil schon
damals sichtbar wurde, daß diese Anwälte als Komplizen ihrer Mandanten sich an
strafbaren Handlungen beteiligten. Aus der Dokumentation, die der Innenminister
jetzt vorgelegt hat, geht hervor, daß der Innenminister seit Juli 1973 Beweise für diese
kriminelle Tätigkeit von Anwälten der Baader-Meinhof-Bande in Händen hat. Und
erst im November 1974 werden die ersten gesetzgeberischen Initiativen ergriffen –
nicht als Folge einer besseren Einsicht der Regierung, sondern als Folge der empörten
öffentlichen Meinung, die natürlich insbesondere durch die Ermordung von von
Drenkmann 8 noch mal in besonderer Weise erregt worden ist. Aber ich denke, es
kommt sehr darauf an, in der öffentlichen Diskussion diese Verantwortung der Regie-
rung bei jeder sich bietenden Gelegenheit klar herauszustellen.
Meine Damen und Herren, ich habe dann in diesem Zusammenhang selbst eine Frage
aufgeworfen in einer Fernsehsendung vom Sonntag vor acht Tagen, die einen Wirbel
auch in unsern eigenen Reihen hervorgerufen hat. Ich möchte dazu hier nur ganz wenig
sagen. Der Arbeitskreis I hat die Frage inzwischen aufgenommen, und [es] sollte viel-
leicht durch den Arbeitskreis I dazu etwas gesagt werden. Ich habe die Frage aufgewor-
fen, ob die gegenwärtige Praxis der zwangsweisen künstlichen Ernährung von Häftlin-
gen, die bei vollem Bewußtsein, im vollen geistigen Besitz ihrer Kräfte sind, ob diese
Praxis weiterhin richtig und vernünftig ist. Und ich bin zu dieser Frage veranlaßt wor-
den durch Eindrücke, die ich von meinem Besuch in Berlin mitgebracht habe, wo einer-
seits natürlich die Berliner Bevölkerung sehr stark unter dem Eindruck des Todes von
von Drenkmann stand, andererseits aber auch bekannt wurde in Berlin und inzwischen
6 Andreas Baader, Mitglied der Terrororganisation »Rote Armee Fraktion«.
7 Ulrike Meinhof, Journalistin und Publizistin sowie Mitglied der Terrororganisation »Rote Armee
  Fraktion«.
8 Günter von Drenkmann, Präsident des Kammergerichts Berlin, am 10. November 1974 ermordet.

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überall, wie die gewaltsame künstliche Ernährung vor sich geht. Und ich bin 3. veran-
laßt worden – das sage ich auch ganz offen – dadurch, daß, nachdem nun der Häftling
Holger Meins9 gestorben war, eine regelrechte Welle sich in Bewegung setzte, die den
Arzt, den verantwortlichen Anstaltsarzt, der ein Wochenende Urlaub genommen hatte,
unter Anklage stellte, daß er verantwortlich für den Tod sei und damit sich der fahrläs-
sigen Tötung oder sogar noch schlimmerer Delikte schuldig gemacht habe. Diese Art
von Darstellung hat in mir den Eindruck erweckt, und ich muß ganz offen sagen, dieser
Eindruck besteht fort, daß wir wieder einmal Gefahr laufen, Recht in Unrecht zu ver-
drehen,
(Starker Beifall.)
und ich möchte an dieser meiner Meinung für mich persönlich auch festhalten;
(Beifall.)
wenn ich auch einsehe, daß das ein sehr diffiziles Thema ist und, daß dazu vieles zu
bedenken ist. Deswegen bin ich sehr dankbar, daß der Arbeitskreis I sich dieser Frage
angenommen hat. Und, Herr Kollege Vogel, wenn Sie sich in der Lage sehen, heute
dazu zu berichten, wäre das vielleicht ganz nützlich. Jedenfalls würde ich vorschlagen,
daß wir eine Diskussion zu diesem Punkte hier führen, wenn der Arbeitskreis berichtet
hat.
Ich habe schließlich einige wenige Bemerkungen zur auswärtigen Politik zu machen.
Das erfreulichste Ereignis aus der auswärtigen Politik ist der überwältigende Wahlsieg
des Karamanlis 10 in Griechenland. Dies ist wirklich eines der sehr selten gewordenen
erfreulichen Ereignisse, erfreulichen Nachrichten. Ich glaube, daß, wenn es überhaupt
jemanden gibt, der in der Lage ist, Griechenland mit demokratischen Mitteln zu regie-
ren, daß das dann Karamanlis ist.
Zum Europagipfel darf ich Ihnen berichten, daß ich vor ungefähr 14 Tagen in Paris
teilgenommen habe an einem Gespräch, welches auf Einladung unseres Freundes Po-
her 11 stattfand, an dem Christdemokraten aus Frankreich, der Bundesrepublik
Deutschland, nicht aus Italien – die italienischen Freunde hatten im letzten Moment
wegen ihrer Regierungsneubildung abgesagt –, aber aus den Benelux-Ländern teilge-
nommen haben. Die eindrucksvollste Persönlichkeit in dem Kreise war mit Abstand
Tindemans 12, der belgische Ministerpräsident, den ich bei dieser Gelegenheit auch zum
ersten Mal kennengelernt habe. Es stellte sich heraus, daß unter den Christdemokraten
wohl eine Übereinstimmung in der Frage der direkten Wahl der Europäischen Parla-
mentarier besteht. Dabei ist festzustellen, daß die deutsche Bundesregierung sich wohl
nicht sperrt gegen diesen Gedanken, aber doch zu denjenigen gehört, die mit großem
Zögern und wenig Enthusiasmus vertreten. Die Schwierigkeit liegt hier bei den Eng-
ländern.
In der Frage der künftigen Regierungschefs-Konferenzen vertreten die christlich-
demokratischen Gruppen, mit denen ich dort sprach, die Meinung, die auch unsere
Meinung ist, daß, wenn die Regierungschefs in Fragen tätig werden, die in die Zustän-
digkeit der Europäischen Gemeinschaften fallen, sie sich als Rat der Europäischen Ge-

9 Holger Meins, Filmemacher und Mitglied der Terrororganisation »Rote Armee Fraktion«, am 9.
  November 1974 in Haft an den Folgen eines Hungerstreiks verstorben.
10 Konstantinos Karamanlis, seit 24. Juli 1974 Ministerpräsident der Republik Griechenland, zuvor
   1955–1963 Ministerpräsident des Königreichs Griechenland, dann bis Juli 1974 im französischen
   Exil.
11 Alain Poher, Präsident des französischen Senats.
12 Leo Tindemans, seit April 1974 Ministerpräsident des Königreichs Belgien.

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meinschaften konstituieren sollen und müssen, was zur Folge hat, daß dann die Kom-
mission die ihr nach dem Vertrag zustehenden Rechte hat und eine Reihe anderer wich-
tiger Konsequenzen. Hier nun wieder sind die Franzosen leider zögernd, während die
Bundesregierung wohl in diesem Punkte ganz entschieden dieselbe Auffassung vertritt
wie wir. In dem sachlichen Bereich liegen die größten Probleme, soweit ich sehe, bei
der Energiepolitik. Frankreich ist nach wie vor nicht bereit, in den Kreis der übrigen
acht einzuschwenken, in die Linie der übrigen acht einzuschwenken, sondern verfolgt
eine eigene energiepolitische Konzeption – was damit zusammenhängt, daß Frankreich
eine eigene Konzeption in bezug auf den Nahost-Konflikt hat und sich aus dieser eige-
nen politischen Konzeption gewisse Vorteile im Hinblick auf seine Ölversorgung aus-
rechnet. Eine sehr schwierige Frage, in der vermutlich nicht viel zu erreichen sein wird.
Dagegen scheint es in der Frage des Europäischen Regionalfonds, wie ich jetzt gerade
heute gehört habe, zu einer Einigung zwischen allen Beteiligten zu kommen.
Ein Wort zum Nahen Osten: Es sah einige Tage so aus, als wenn der Konflikt dort
unmittelbar ausbrechen könnte. Diese Gefahr ist im Augenblick wieder geringer ge-
worden. Aber ich glaube, wir dürfen uns über die hohe Gefährlichkeit der Situation
dort keine Illusionen machen, und es wäre, glaub’ ich, gut, wenn wir uns alle zumindest
hypothetisch auf die Möglichkeit einstellen würden, daß es dort zu neuen Schwierigkei-
ten mit dann sehr weitreichenden Folgen sowohl politischer wie militärischer wie aber
auch wirtschaftlicher Natur – Stichwort: Energieversorgung – kommen würde. Ich
habe einen kleinen Kreis von Mitgliedern der Fraktion zu einem Gespräch in den näch-
sten Tagen eingeladen, weil ich dachte, daß es ganz gut wäre, wenn man sich im klein-
sten Kreise überlegen würde, wie man hier als CDU/CSU-Fraktion reagieren sollte,
wenn die Ereignisse sich plötzlich zum Schlechteren hin entwickeln sollten.
Ein abschließendes Wort, ebenfalls zur Außenpolitik, über Wladiwostok, das Treffen
von Ford 13 und Breschnew14. Das Weiße Haus hat dieses Treffen zunächst mit Super-
lativen belegt, hat von einem Triumph gesprochen des Präsidenten Ford, die nach mei-
nem Eindruck, auch nach den Informationen, die wir jetzt bekommen haben, dem
wirklichen Sachverhalt nicht gerecht wird. Es ist nicht auszuschließen, daß dort ein
wichtiger Schritt in Richtung auf eine Begrenzung der strategischen Waffen getan wor-
den ist. Ich möchte mich vielleicht sogar noch etwas positiver ausdrücken und sagen: Es
hat den Anschein, als wenn ein solcher Schritt dort getan worden ist. Aber es wird
sicherlich noch vieler langer mühevoller Verhandlungen bedürfen, bevor sichtbar wird,
ob dieser Schritt wirklich zu einem neuen Abkommen führen wird. Jedenfalls sollte
nach meiner Auffassung nicht ein solcher Enthusiasmus, wie ihn die amerikanische
Regierung in diesem Falle entfaltet hat, an den Tag gelegt werden. Es besteht dann
immer die Gefahr, daß die Bevölkerung unserer Länder dabei vergißt und übersieht,
wie bedrohlich nach wie vor die Situation ist und in welchem Maße die Sowjetunion
ungeachtet ihrer Bereitschaft zu SALT 15-Verhandlungen bemüht ist, konsequent be-
müht ist, die internationale Lage politisch und militärisch zu ihren Gunsten zu verän-
dern. Ich glaube, das ist notwendig, diesen Gegenpunkt zu setzen, wenn man über-
haupt eine realistische Politik machen will.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich meinen einleitenden Bericht zur Lage
beenden. Vielleicht darf ich vorschlagen, daß wir die Punkte, die Sie zu diskutieren
wünschen, diskutieren; mit Ausnahme jedoch des Punktes der künstlichen Zwangser-
nährung, zu dem wir später im Zusammenhang mit einem Bericht des Kollegen Vogel
13 Gerald R. Ford, seit 9. August 1974 US-Präsident.
14 Leonid Iljitsch Breschnew, Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU.
15 Strategic Arms Limitation Talks.

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kommen werden. Wird das Wort gewünscht? Herr Kollege Klein, dann Herr Kollege
Mick –
Klein (Stolberg): Herr Vorsitzender, Sie haben Ausführungen zur Frage der Finanzie-
rung der beruflichen Bildung gemacht. Wenn man sich unseren Antrag, den wir – ich
glaube – im Mai eingebracht haben, anschaut, so ist allerdings ohne konkrete Festle-
gung zu diesem Thema etwas gesagt, nämlich daß wir nicht grundsätzlich nein sagen zu
einem vernünftig gemachten Umlagesystem mit branchenspezifischen und regionalen
Gesichtspunkten. Auch das Stichwort der Selbstverwaltung ist hier angesprochen. Ich
begrüße es, daß Sie uns empfohlen haben, diese Frage noch einmal sehr genau zu prü-
fen. Die Arbeitsgruppe Berufliche Bildung wird dies schon mit Vertretern der Wirt-
schaft in den nächsten Tagen tun. Dort werden aber Leute zu uns sprechen, die auf
freiwilliger Basis im Augsburger Bereich ein solches Umlagesystem einmal erproben.
Denn man darf eines nicht außer acht lassen: Daß Umlage nicht gleich Umlage ist. Und
ich glaube, gerade die Union tut gut daran, an die knapp 20 % Betriebe zu denken, die
die Last auf sich nehmen, heute noch Lehrlinge, die sehr viele Kosten verursachen,
solche Lehrlinge auszubilden.
Die anderen 80 % tun dies nicht. Und ich habe die Befürchtung, daß wir dieses Pro-
blem nicht dadurch geregelt bekommen, daß wir CDU-Regierungen in Bund und Land
bekommen. Auch nicht die Beschimpfungen der Linken alleine sind schuld, sondern
vor allem der Kostendruck auf den einzelnen ausbildenden Betrieb ist doch erheblich
geworden. Und wenn nun von seiten der Bundesregierung von Umlagen gesprochen
ist, so muß man natürlich die Versuche sehen, hier die Wirtschaft zusätzlich zu bela-
sten. Es lassen sich aber auch Modelle denken, in denen es nicht um eine zusätzliche
Belastung der Wirtschaft geht, sondern um eine Umlagefinanzierung innerhalb der
Wirtschaft, die die knapp 20 % Betriebe, die heute noch ausbilden, echt entlasten. Tun
sie dies nämlich nicht, so besteht die Gefahr, daß wir im nächsten Jahr noch weniger
Lehrstellen angeboten bekommen, als das derzeit der Fall ist. Und ich glaube, davor
sollten wir uns alle hüten.
Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Klein! Ich danke Ihnen sehr für Ihren
Beitrag. Wir werden die Frage jetzt nicht in der Fraktion ausdiskutieren können. Es ist
in der Tat so, wie Sie sagen, daß der zuständige Arbeitskreis und die zuständige Gruppe
sich damit beschäftigen. Und ganz sicher wird das zu berücksichtigen sein, was Sie eben
gesagt haben. Ich wollte nur ein paar Argumente liefern, mit denen wir uns, glaub’ ich,
im Moment den Druck ganz gut vom Halse halten können in dieser Frage. Herr Kolle-
ge Mick –
Mick: Herr Vorsitzender, ich meine, daß es noch zwei Probleme gibt, zu denen sich die
Fraktion äußern sollte, obwohl einzelne Fraktionsmitglieder das schon getan haben. Ich
meine erstens einmal den Komplex der Kölner Herstatt-Bank. Ich bin dem Herrn v.
Bismarck für die Äußerung, die er getan hat, sehr dankbar. Aber hier sollte sich auch
die Fraktion mit aller Entschiedenheit hinter stellen. Zweitens bin ich der Meinung, daß
die Fraktion etwas zu der Transaktion Daimler-Benz sagen sollte; wenn auch diese
Frage so, wie sie gelaufen ist, nicht als besorgniserregend dargestellt wird, aber ge-
nausogut hätte ja auch etwas stattfinden können, was uns allen das Gruseln beigebracht
hätte.
Carstens (Fehmarn); Danke schön, Herr Kollege Mick! Vielleicht können Sie nachher,
Herr Kollege Müller-Hermann, etwas dazu sagen. Ich hab’ noch ein paar andere
Wortmeldungen. Herr Kollege Hauser (Krefeld).
Hauser (Krefeld): Herr Vorsitzender, ich möchte das nachdrücklich unterstreichen,
was Sie zu dem Verfahren im Thema Finanzierung berufliche Bildung gesagt haben.

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Gerade das, was der Kollege Klein soeben vorgetragen hat, zeigt ja, wie differenziert
man dieses Thema betrachten muß. Und es kann im Augenblick überhaupt nicht unser
Interesse sein, daß wir in die Auseinandersetzungen Rohde 16 – Friderichs17 in irgendei-
ner Form eingreifen, sondern wir sollten jetzt wirklich die selbst einmal sich austoben
lassen. Und der Arbeitskreis sollte in aller Ruhe und mit allem Bedacht die verschieden-
sten Gesichtspunkte analysieren, die bei der Lösung dieses Problems eine Rolle spielen
und dann erst der Fraktion eine Stellungnahme empfehlen. Und bis dahin sollten wir
uns alle darauf verständigen, den Mund zu halten über dieses Thema, um nicht unnötig
Porzellan zu zerschlagen. Denn damit würden wir auch einen Beitrag leisten zum Re-
duzieren der angebotenen Lehrstellen.
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Hauser! Kollege Dreyer –
Dreyer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich glaube, zu diesem Thema
fühle ich mich verpflichtet, eine Information der Fraktion zu geben, die mir gerade am
Wochenende bekannt geworden ist. Die Schulabgänger-Jahrgänge werden also stärker
werden für ’75. Die Zahl der in Berufsausbildung gehenden. Zum anderen ist festzustel-
len, daß nicht nur der Rückgang in der privaten Wirtschaft gegeben ist, sondern: nach
vorliegenden Informationen will die Oberpostdirektion Hamburg und auch die Bun-
desbahndirektion Hamburg die Zahl der Lehrstellen für ’75 auf 25 % reduzieren. Das
heißt, auf ein Viertel der bisherigen Lehrstellen. Ich habe mir vorgenommen, diese
Informationen für die Fragestunde der nächsten Woche oder aber auch, wenn die Kol-
legen, die dafür eine besondere Verwendungsmöglichkeit sehen, das zu einer Kleinen
Anfrage zu erheben. Ich glaube, daß wir mit großer Besorgnis zur Kenntnis nehmen
müssen insbesondere im Interesse der Schulabgänger – weil für die letzten Endes doch
ein bedeutender Punkt in ihrem Leben erreicht ist, und ich glaube, eine Situation ein-
tritt, die sie Zeit ihres Lebens schwer wieder vergessen werden sonst.
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Dreyer! Herr Kollege Schedl –
Schedl: Herr Vorsitzender, ich habe hier einen Hinweis zur Frage der Finanzierung der
beruflichen Bildung eigentlich nur so verstanden, daß wir für die nächste Zukunft ver-
meiden sollten, daß aus den verschiedensten Arbeitskreisen und Arbeitsbereichen der
Fraktion heraus Sondervorstellungen zu diesem Thema an die Öffentlichkeit kommen.
Ich glaube, daß es auch nicht richtig ist, Kollege Klein, etwa Vorstellungen nach drau-
ßen kommen zu lassen unter dem besonderen Gesichtspunkt einer Entlastung derer,
die ausbilden, in der gleichen Zeit, in der wir beispielsweise auch nicht von der Gesamt-
fraktion, sondern von einigen Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen Vermögensbil-
dungsmodelle draußen schon mitdiskutieren, die nicht etwa Entlastung, sondern
durchaus neue spürbare Belastung bedeuten können. Ich bin deshalb der Meinung, wir
sollen die anderen jetzt erst einmal an der Frage sich auseinanderdividieren lassen, in-
tern ruhig die Überlegungen anstellen, aber nach draußen diesen Punkt einmal sehr
offenhalten von unserer Seite!
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Schedl! Herr Kollege Müller-
Hermann – vielleicht auch zu den beiden Fragen, die Kollege Mick aufgeworfen hat.
Müller-Hermann: Wir haben in dieser Woche auf der Tagesordnung unsere eigene
Vorlage zur Einlagensicherung. Das wird der Anlaß sein, auch zum Thema Herstatt
und der Person von Herrn Gerling18 und seinem Verhalten etwas zu sagen. Herr Kol-
lege Sprung hat hier gewisse Auflagen und Bitten des Arbeitskreises II, und wir sollen

16 Helmut Rohde, MdB (SPD) und Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
17 Hans Friderichs, Bundesminister für Wirtschaft (FDP).
18 Hans Gerling, Versicherungsunternehmer (Gerling Konzern).

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bei der Gelegenheit, glaub’ ich, auch hinweisen auf die besonders ungünstige Haltung,
die das sozialdemokratisch regierte Köln in dieser Frage eingenommen hat.
Punkt 2, die Sache mit dem Aktien-Paket Quandt-Kuweit. Auch das hat uns heute im
Arbeitskreis beschäftigt. Herr Vorsitzender, ich habe am Sonnabend mittag auf eine
Anfrage der »Welt am Sonntag« so ziemlich aus der Hüfte eine Reaktion abgeben müs-
sen, aber ich glaube, sie lag auf der richtigen Linie. Daß wir uns nicht grundsätzlich
gegen solche Beteiligungen wenden. Wir sprechen ja von dem Recycling, von dem
sinnvollen Anlegen der Kapitalien, die sich in den arabischen Ländern ansammeln. Daß
wir aber doch die nötige Transparenz für unerläßlich halten. Die Sache hat natürlich
auch eine grundsätzliche Bedeutung. Denn wir wissen, was dort für Kapitalkraft sich in
den ölfördernden Ländern ansammelt und was von der Seite her an Einflußnahme auf
die Wirtschaft der westlichen Staaten erfolgt, ist im Augenblick erst in den Anfängen.
Hier könnten sich aber Entwicklungen einstellen, die dann auch an die Grenze unserer
legitimen Interessen stoßen. Und das, was die arabischen Staaten können, können prak-
tisch auch Staatshandelsländer, sprich die Sowjetunion, in ähnlicher Weise tun. Bei der
Liberalität, die wir in dieser Frage an den Tag legen.
Wir haben heute im Arbeitskreis die Kollegen Narjes, Schmidhuber und mich beauf-
tragt, möglichst bis zur nächsten Woche eine Kleine Anfrage zu formulieren, weil wir,
glaub’ ich, diese Thematik der Regierung präsentieren müssen. Weil hier Fragen doch
gesehen werden müssen, deren explosive Wirkung wir jedenfalls als möglich nicht au-
ßer acht lassen dürfen.
Das dritte, Herr Vorsitzender, Sie haben den Sachverständigenbericht und die Kon-
junkturlage angesprochen. Der Sachverständigenbericht ist sicherlich sehr deutlich in
seiner Kritik an der Regierung. Er enthält aber in den Schlußfolgerungen natürlich auch
einiges, was wir nicht ohne weiteres übernehmen können. Das gilt beispielsweise auch
für das, was im Blick auf die Landwirtschaft und die europäische Agrarpolitik gesagt
wird, daß praktisch uns empfohlen wird, so eine Art gespaltenen Agrarmarkt hinzu-
nehmen mit einem Verzicht auf den Grenzausgleich, auf den unsere Landwirtschaft,
wie ich meine, mit Recht besonderen Wert legt.
Wir werden in der nächsten Woche uns in der Fraktion eine Marschroute abschließend
festlegen müssen, wie wir uns verhalten, wenn die Regierung wahrscheinlich am Mitt-
woch der nächsten Woche ihr Konjunkturbelebungsprogramm vorlegt. Im Augenblick
halten wir uns, wie ich meine, klug zurück. Und mit Recht, denn innerhalb der Koaliti-
on gibt es noch außerordentlich große Meinungsverschiedenheiten. Und der Kanzler
selbst zirkelt jetzt zwischen Scylla und Charybdis, will also die nordrhein-
westfälischen Wahlen gewinnen, muß also versuchen mit, wenn auch zweifelhaftem
Erfolg, noch etwas für die nordrhein-westfälischen Wahlen zu tun. Aber, wenn er dort
zuviel tut, dann läuft er Gefahr, 1976 wieder einen Preisauftrieb in die Wege geleitet zu
haben, der ihm dann wieder Schaden zufügt. Und ihm diese Sorgen und Schwierigkei-
ten abzunehmen, ist ja nicht unser Bier. Im »Spiegel« von gestern waren zwei sehr nette
Auslassungen. Die eine hieß »im Grunde brauchen wir gar nichts zu tun, was wir er-
gänzen müßten, wenn nur eine ordnungspolitisch richtige Weichenstellung erfolgte«,
d. h. wenn die Wirtschaft wieder von dem nötigen Vertrauen ausgehen könnte, das ihr
heute fehlt in die Regierungspolitik und die Koalition. Und das zweite war, daß im
Grunde völlig gleichgültig ist, was man tut, Hauptsache, es wird etwas getan! D. h. man
will im Blick auf Nordrhein-Westfalen den Eindruck erwecken, als ob man was täte,
obwohl man sich sicherlich unter denen, die nüchtern denken, darüber im klaren ist:
eine große Wirkung kann das für Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit nicht mehr aus-
lösen.

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Der Schwerpunkt der Regierungsmaßnahmen scheint zu liegen in Investitionszulagen
in einer Größenordnung von 7 bis 8 Milliarden D-Mark. Damit ist der größte Teil
dieser sog. »eingekellerten[«] 10 Mrd. DM im Grunde schon verfrühstückt, obwohl
Herr Apel 19 diese Summe z.T. auch zur Füllung seiner Haushaltslöcher verwenden
will, und obendrein will die Regierung noch Programme zur Konjunkturbelebung
starten! Und unsere eigenen Länder sind auch noch daran interessiert, etwas Finanz-
masse für eigene Investitionsbelebung zur Verfügung zu haben. Das haben wir ihnen
im Grunde auch zugestanden, als wir vor 3 Wochen hier sagten, wir wären auch bereit,
gewisse Stützungsprogramme zu unterstützen für solche Regionen, in denen die Ar-
beitslosigkeit heute schon besonders hoch ist.
Wir haben uns heute im Arbeitskreis natürlich auch mit der Frage beschäftigt: Was ist
von diesem Investitionsbelebungsprogramm über diese zusätzlichen Abschreibungs-
möglichkeiten, über die Investitionszulagen – sagen wir so lieber – in Größenordnung
von 7,5 % zu erwarten? Wir sind hier sehr vorsichtig in der Beurteilung. Wir glauben,
daß hier wahrscheinlich viel zu viel des Guten in Anführungszeichen geschieht, wenn
man mit der Gießkanne hier alle Investitionen fördert, die wahrscheinlich nur diejeni-
gen Unternehmen treffen, die ohnehin in der Lage sind oder auch bereit sind, zu inve-
stieren; denn das, was ihnen von steuerlicher Seite zugute kommen soll, das soll ja erst
’76 geschehen. Aber die müssen schon aus eigener Kraft ’75 in der Lage sein, das zu
investieren. Nicht getroffen oder nicht erreicht werden aber wahrscheinlich diejenigen
Betriebe, die wirklich Anlaß hätten, unterstützt zu werden, vor allem der mittelständi-
sche Bereich. Im Gegenteil, wenn der Staat mit der Gießkanne zu viel tut, ist wieder die
Bundesbank genötigt, in ihrer Hochzinspolitik einen strafferen Kurs zu steuern, was
bedeutet: Die Hochzinspolitik kann nicht im nötigen Umfange abgebaut werden. Das
trifft wiederum die mittelständischen Betriebe.
Also, hier das richtige auch von uns zu tun, muß noch sehr wohl durchdacht werden,
wobei wir sowohl das Vernünftige als auch das politisch Richtige tun müssen. Und was
wir mit Sicherheit nicht tun sollen, meine Freunde, ist: Die Verantwortung für etwas
übernehmen, was Sache der Regierung und der Koalition ist. Ich wiederhole: Das Ent-
scheidende ist, daß wieder ein anderes Vertrauensklima geschaffen wird, was praktisch
darauf hinausläuft, diese Regierung müßte abtreten. Dann lassen sich viele Probleme
sicherlich nicht leicht, aber doch leichter lösen, als das so der Fall ist.
(Beifall.)
Das übrige muß in der nächsten Woche besprochen werden oder übernächsten. Ich lege
bloß Wert darauf, darf das auch im Namen des Arbeitskreises sagen, daß wir auch uns
mit den von uns geführten Landesregierungen abstimmen, damit nicht da nachher an-
dere Töne zu der Konjunkturbelebung gesagt werden als von der Fraktion. Das müßte
möglichst Montagabend der nächsten Woche vor sich gehen.
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Müller-Hermann! Ich hab’ jetzt noch
6 Wortmeldungen. Können wir damit die allgemeine Debatte beenden? Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ruf’ ich als nächsten den Kollegen Kraske auf –
Kraske: Herr Vorsitzender, ich stimme Ihnen absolut zu, daß wir nicht den mindesten
Anlaß haben, in der Frage der Inneren Sicherheit etwa die Konfrontation der Regierung
gegenüber aufzugeben. Und ich bin sicher, daß das unabhängig von der sehr schwieri-
gen Frage der Zwangsernährung für uns alle gilt. Ich bin Ihnen in diesem Zusammen-
hang besonders dankbar für den Hinweis über den zeitlichen Ablauf der Entdeckung
dieser ersten »Zellen-Zirkulare«, wie man das wohl nennt, im Mai, im Juli ’73 und dem

19 Hans Apel, MdB (SPD) und Bundesminister der Finanzen.

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Tätigwerden der Regierung erst jetzt. Wenn ich die Presse der letzten Tage richtig ver-
folgt habe, dann, glaube ich, müssen wir diesen Punkt der Sache noch stärker in die
Öffentlichkeit bringen, um die Auseinandersetzung noch konkreter werden zu lassen.
Durch die sehr verdienstvolle Auseinandersetzung unseres Freundes Schwarz 20 aus
Rheinland-Pfalz mit Herrn Maihofer21 ist ein bißchen die Sache überdeckt durch einen
Streit um die Informationspolitik der Regierung. Auch über die muß man streiten.
Aber der eigentliche Angriffspunkt ist ja ihre skandalöse Untätigkeit in den letzten
anderthalb Jahren und die erneute Erfahrung, daß die Regierung immer erst dann etwas
tut, wenn es zu spät ist und das Kind im Brunnen liegt. Deswegen wäre ich dankbar,
wenn unsere Sachverständigen überlegten, wie wir eventuell auch hier im Parlament die
Regierung stellen könnten, warum sie auf diese ersten Erkenntnisse im Sommer des
vorigen Jahres offensichtlich überhaupt nichts getan hat. Es wäre sicher auch gar kein
Schade, daß das gar nicht nur den jetzigen Innenminister trifft, sondern die Regierung
im ganzen und in ihrer ganzen Breite. Denn im ganzen hat sie es verdient, in dieser
Frage aufs schärfste angegriffen zu werden.
Carstens (Fehmarn): Danke vielmals für Ihre Anregung, Herr Kollege Kraske! Herr
Kollege Köster –
Köster: Herr Vorsitzender, ich komme aus einem Wahlkreis, in dem viele Städte und
größere Gemeinden Arbeitslosenzahlen über 5 % aufzuweisen haben. Die Unterneh-
mer in meinem Wahlkreis sind außerordentlich daran interessiert, die Aussichten auf
Gewinne zu erhöhen, um investieren zu können. Jede Stellungnahme der CDU in der
Öffentlichkeit, daß sie diese Dinge [beabsichtige], die Investitionsaussichten durch
Verringerung der Gewinnaussichten zu verkleinern, für uns und die Sicherheit unserer
Arbeitsplätze sich katastrophal auswirken würde. Ich halte es daher für eine extrem
politische wichtige Aussage, wenn wir, ohne darüber beraten zu haben, in der Presse
veröffentlichen, daß wir diese Investitionszuschüsse durch irgendwelche Vorschläge
verringern wollen – oder die Aussichten auf eine Wirksamkeit verkleinern. Ich wäre
daher sehr, sehr dankbar, wenn [wir] das hier nicht in einem Ausschuß irgendwo bera-
ten, bevor der Fraktionsvorstand und das Parteipräsidium über diese Dinge beraten
haben.
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Köster! Herr Kollege Pfeifer –
Pfeifer: Ja, meine Damen und Herren, ich will zur Frage der Finanzierung der berufli-
chen Bildung drei Bemerkungen machen, nachdem das gestern im Bundeskulturaus-
schuß der CDU und heute im Arbeitskreis VI besprochen worden ist. Die 1. Bemer-
kung, Herr Kollege Dreyer, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Hinweis. Ich möchte
vorschlagen, daß wir daraus eine Fraktionsinitiative machen. Das ist wichtig genug. Ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf mich zukommen könnten, damit wir das miteinan-
der in die Wege leiten.
2. Bemerkung! Die Arbeitsgruppe berufliche Bildung arbeitet z. Z. daran, der Fraktion
ein Konzept zu entwickeln für die Finanzierungsproblematik. Diese Arbeit ist bisher
geräuschlos verlaufen aus guten Gründen. Und ich meine, daß wir allen Anlaß haben,
hier auch weiter geräuschlos zu arbeiten. Ich wäre deswegen auch dankbar, wenn in der
Öffentlichkeit jetzt nicht irgendwelche Stellungnahme vorweggenommen werden.
3. Bemerkung! Ich möchte nachdrücklich unterstreichen, was Herr Hauser gesagt hat.
Wir haben im Moment überhaupt kein Interesse daran, in dem Streit Friderichs-Rohde
Stellung zu nehmen, denn jede Stellungnahme zu dem Streit Friderichs-Rohde führt

20 Hein Schwarz, MdL Rheinland-Pfalz (CDU) und rheinland-pfälzischer Innenminister.
21 Werner Maihofer, MdB (FDP) und Bundesminister des Innern.

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doch letztlich dazu, daß wir die zwingen, in irgendeiner Form zusammenzufinden.
Und ich meine, es ist durchaus unser Interesse und auch das Interesse der beruflichen
Bildung in diesem Land, daß diese Koalition in dieser Frage jetzt nicht von uns zuein-
ander- oder zusammengeprügelt wird, sondern daß dieser Streit in der Koalition ausge-
tragen wird. Er ist nicht beigelegt bisher. Ich möchte also deswegen empfehlen, zu
dieser Sache in der Öffentlichkeit keine Stellungnahme abzugeben.
Carstens (Fehmarn): Danke vielmals, Herr Kollege Pfeifer! Ich möchte mich Ihren sehr
beherzigenswerten Worten anschließen. Ich glaube, Sie haben eine sehr richtige Positi-
on da bezogen. Kollege Birrenbach –
Birrenbach: Herr Vorsitzender! Ich möchte mir ein vorsichtiges Wort zum Fall Ku-
weit gestatten. Ich bin an sich natürlich ein Anhänger des freien Kapitalmarkts, wie Sie
sich vorstellen können. Auf der anderen Seite, wenn Sie bedenken, daß im Jahr prak-
tisch 60 Milliarden Dollar an freien Petro-Dollars aus den Ölverkäufen –
Carstens (Fehmarn): Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerk-
samkeit. Können Sie etwas näher rangehen an das Mikrophon, Herr Kollege Birren-
bach? –
Birrenbach: Wenn Sie sich vorstellen, daß bei Gleichheit der Ölpreise jedes Jahr ca. 60
Milliarden Dollar auf Jahre hinaus an freien Petro-Dollars auf den Weltmarkt kommen,
wenn Sie sich vorstellen würden auf der anderen Seite, daß die Anlagenmöglichkeiten
in den Ländern selbst begrenzt sind, da die Infrastrukturen z.T. fehlen. Zum Teil auch
die Bevölkerungen; so daß nur ein relativ geringer Teil in Form von Re-Investitionen in
diese Länder gebracht werden können, dann werden Sie sich vorstellen können, was es
bedeuten würde, eine so gewaltige finanzielle Masse auf den internationalen Kapital-
märkten zu haben.
Da nun die Bundesrepublik, abgesehen von dem einen oder anderen Land noch im-
merhin zu den währungsmäßig stabilsten Ländern gehört, wäre die Bundesrepublik
eines der gesuchtesten Ziele dieser Kapitalanlagen dieser Welt. Wenn Sie also einen Weg
begehen, dann müssen Sie immer wissen, wo er endet. Die haben angefangen mit 2
Anlagen. Wo endet das? Ich könnte mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren,
das sage ich mit aller Offenheit, daß in den Schlüsselindustrien praktisch beherrschende
Positionen entstehen aus Ländern, die mit der Frage der freien Wirtschaft in dem Sinne,
wie wir es verstehen, und insbesondere auch der sozialgebundenen Wirtschaft nicht die
Erfahrungen haben, die wir voraussetzen. Das heißt, wenn Sie diesen Weg zu Ende
gehen, müssen Sie sich überlegen, was geschieht dann.
In den Vereinigten Staaten ist es denkbar, daß die United States Steel oder die General
Motors praktisch oder deren Anteilseigner einen erheblichen Teil ihrer Kapitalien ver-
kaufen an Länder dieser Art. Das ist gar keine Diskriminierung. Nur, wer Erfahrungen
mit Ländern dieser Art hat, sei es hier oder auch z. B. in Amerika, wo jeder Unterneh-
mer mehr ein Händler ist und kein echter Unternehmer, wird sich vorstellen können,
vor welche Probleme die Unternehmensleitungen dann gestellt werden. Darum würde
ich dringend zu folgendem raten – ich will noch eine Bemerkung hinzufügen. Das ist
kein Kunststück für Kuweit, im freien Markt Aktien zuzukaufen, zu einer Schachtel zu
kommen und schließlich auch zu einer kontrollierenden Mehrheit. Das ist vielleicht im
Falle von Mercedes etwas schwierig, weil zwei Großaktionäre da sind. Aber in den
meisten der großen Schlüsselindustrien gibt es diese Großaktionäre nicht. Und was
dann? Können Sie sich dafür Frankreich vorstellen? Darum möchte ich auf folgendes
aufmerksam machen. Die Amerikaner haben immer und immer wieder betont im Laufe
des letzten Jahres, daß man versuchen sollte, dieses Recycling dieser Petro-Dollars über
internationale Institutionen zu machen, die dann eventuell über die Ausgabe von De-

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bentures und ähnlicher Formen zu einem Placement kämen, zu einer Investition, die,
wie George Ball 22 es meint, ruhig die Hälfte der Beteiligung bei den OPEC-Ölländern
haben kann. Nur, wenn die Investition als solche nicht ein Land [betrifft[, das nicht
übersehbar ist. Denn, ob Herr Feisal23 noch in 2 Jahren da ist oder ähnliche Persön-
lichkeiten in einer Reihe dieser Länder weiß kein Mensch. Das heißt, es kommt hier ein
irrationales Element in die deutschen Schlüsselindustrien herein, das ich gern von ihr
abgewendet sehen möchte.
Aus diesem Grunde würde ich dringend raten, die Anstrengungen der Amerikaner auf
eine institutionelle Regelung des Recycling zu unterstützen. Und in dieser Form, sagen
wir mal, abzusetzen von der französischen Methode, es bilateral zu machen. Nur auf
einer globalen Plattform ist es möglich a) zu einer Senkung der Preise, die entscheidend
ist, und b) zu einem vernünftigen Placement zu kommen. Danke schön!
Carstens (Fehmarn): Vielen Dank, Herr Kollege Birrenbach! Ich nehme an, daß diese
Gedanken im Arbeitskreis II aufgenommen werden. Ich möchte vor allen Dingen den
einen Gedanken unterstreichen, daß man überhaupt nicht wissen kann, wie das in die-
sen Ländern in Zukunft weitergehen wird. Ich kann mich noch sehr gut an eine Zeit
erinnern, als Uganda als eines der stabilsten Länder in Afrika galt. Ich bin s. Z. mit ei-
nem der Teilkönige von Uganda eine ganze Woche in Deutschland herumgereist, und
wir hatten das Gefühl: hier sind Bindungen für Generationen hergestellt. Und Sie brau-
chen sich nur die Zustände von Uganda heute anzusehen. Also, das Risiko ist außerge-
wöhnlich groß. Jetzt hat Kollege Mikat –
Mikat: Meine Damen und Herren! Der Kollege Birrenbach hat schon über die schwie-
rige Frage des Recycling und der Kontrollmöglichkeiten gesprochen. Ich glaube, daß
unter den Eingeweihten gar keine Frage ist, daß das amerikanische Modell, das anvisiert
wird, besser ist als die französisch-bilaterale Lösung. Nur taucht im vorliegenden Fall
ein Zusatzproblem auf, das wir vielleicht doch in absehbarer Zeit auch mal versuchen
müssen, in Angriff zu nehmen, nämlich das der Information. Wir werden ja gar nicht
verhindern können, daß etwa durch Kauf auf dem freien Börsenmarkt solche Schach-
teln bei anderen Gruppen entstehen. Hier aber ist die Frage, wo tatsächlich – Herr
Birrenbach, Sie haben’s angesprochen – wir bestimmte Gruppen etwa im Besitze von
jeweils über 15 % haben, drei, vier Gruppen und der Rest ist Streubesitz. Das Ärgerli-
che bei dieser Sache war doch, daß hier anders als bei der ersten Veräußerung in den
Nahen Osten weder Vorstand noch Belegschaft noch Aufsichtsrat irgend etwas wußte,
sondern daß hier der Aktionär hingegangen war und selber zunächst auch noch mal
über den mutmaßlichen Käufer im unklaren blieb, und […] 24 solche Situationen be-
schwören dann im System der freien Marktwirtschaft die Gefahr herauf, daß dann
wiederum eine Gesetzgebung initiiert wird, die über folgende Stationen läuft, nämlich,
zunächst mal Anmeldepflicht bei Veräußerungen von Aktien ins Ausland, in solche
Länder – das ist ganz klar. Darüber müssen wir, Herr Müller-Hermann, sprechen.
Dieser Fall ist nämlich überhaupt nicht interessant wegen der 14 oder 15 %. Der wäre
noch nicht einmal interessant im Hinblick auf die Mehrheitsbeteiligungsfrage, denn
man kann sich gegenüber einem Drittland auch anders schützen. Da gibt man dann
nicht wichtige Teile des Systems der Marktwirtschaft auf. Er ist aber wegen des Klimas,
das in den Betrieben sowohl bei den Vorständen wie auch bei der Belegschaft und den
Aufsichtsräten – das ist ja interessant, daß die drei Faktoren hier nicht orientiert wer-

22 George Ball, 1961–1966 Staatssekretär im US-Außenministerium.
23 Feisal ibn Abdul-Aziz al Sa’ud, König des Königreichs Saudi-Arabien,
24 Vom Bearbeiter gestrichen: »daß«.

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den, ist er insofern eigentlich mehr stimmungsmachend. Und aus diesem Grunde, mei-
ne ich, Herr [Müller-]Hermann, müßten wir uns und müßte vielleicht der Arbeitskreis
auch die Frage vorbeugend prüfen, ob nicht hier vielleicht doch auch mal in absehbarer
Zeit eine Initiative – und ich würde mal als Arbeitstitel sagen »Unterrichtungs-
Initiative« – bestehen muß.
Denn sonst bekommen wir natürlich die Situation, daß der an sich am Unternehmen
nur durch Aktienbesitz Beteiligte, der aber überhaupt keine näheren Verbindungen
zuvor zu dem Unternehmen hat, im Grunde genommen »blind« verkauft über eine
Bank. Die Vorwürfe, die gegenüber der Dresdner Bank in diesem Zusammenhang er-
hoben worden sind, sind ja z. T. berechtigt. Die die Einlassung heute der Dresdner
Bank kennen, die natürlich sagt »Wir haben uns hier an das Bankgeheimnis gehalten.«
Aber das ist letzten Endes bei solchen Fragen nun nicht die Ultima ratio, zu sagen:
»Wir dürfen nichts sagen«, denn hier stehen ganz wichtige, glaube ich, marktwirtschaft-
liche Probleme im Vordergrund. Aus diesem Grunde meine Bitte, Herr Müller-
Hermann, an den Arbeitskreis, doch das Problem Kapitalanmeldung nicht jetzt im
Sinne einer Initiative der Gesetzgebung, aber daß wir wenigstens mal prüfen, zu behan-
deln.
Carstens (Fehmarn): Danke schön, Herr Kollege Mikat! Meine Damen und Herren,
damit können wir die allgemeine Debatte beenden. Ich möchte noch einen Punkt nach-
tragen zum Thema Innere Sicherheit. Der Innenminister Maihofer hat mich gestern
oder vorgestern unterrichtet – gestern –, davon unterrichtet, daß der Personenschutz
nunmehr ausgedehnt werden soll auf alle Regierungsmitglieder, auf die Mitglieder des
Präsidiums des Bundestages, auf die Fraktionsvorsitzenden und auf eine Reihe von
Mitgliedern des Bundestages, die nach Auffassung der Sicherungsgruppe des Bundes-
kriminalamts als besonders gefährdet gelten. Die Namen hat er mir genannt. Ich sollte
vielleicht hier nicht die Namen verlesen, sondern wir werden den jeweils Beteiligten das
mitteilen. Er hat weiter vorgeschlagen, daß der leitende Kriminaldirektor, der Leiter der
Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts, Herr Boeden, der Fraktion einen kurzen
Überblick über die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen gibt und vielleicht damit einige
Hinweise verbindet, wie sich jeder nach Meinung des Bundeskriminalamts auch selber
schützen kann. Wir haben vereinbart, daß Herr Boeden um 17 Uhr hierherkommt. Ich
würde vorschlagen, daß wir dann die Tagesordnung einen Moment unterbrechen, ihm
Gelegenheit zu einem Vortrag von 10 Minuten geben und dann mit unserer Tagesord-
nung fortfahren. Ich dachte, diese Sache sollte ohne Verzug abgewickelt werden. Ich
höre keinen Widerspruch dagegen, dann können wir so verfahren.
Bericht aus dem Ältestenrat, Herr Kollege Rawe –
[B.]
Rawe: Zunächst zum Ablauf des Plenums dieser Woche! Meine Damen und Herren,
Sie haben sicherlich schon gehört, daß morgen der Tagesordnungspunkt 9, der sich mit
den besoldungsrechtlichen Fragen befaßt, vorgezogen werden soll, und zwar ohne
Aussprache. Dann für den Ablauf des Plenums am Donnerstag wird der Tagesord-
nungspunkt 12, das ist die Finanzierung ölpreisbedingter Zahlungsbilanzdefizite, um 15
Uhr aufgerufen […]25 und danach die energiepolitischen Fragen. Im übrigen darf ich
dann noch sagen, daß der Antrag des Kollegen Josten betreffend den Punkt 1+ Ergän-
zung des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes noch mit auf die Tagesordnung
kommt. Es wird möglicherweise ein Antrag der Fraktion werden. Die SPD hat ihm
soweit zugestimmt.

25 Vom Bearbeiter gestrichen: »wird«.

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