Die Alltagsmobilität von Familien in Baden-Württemberg: Eltern

 
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Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021   Bevölkerung,
                                                                                                             Familie

Die Alltagsmobilität von Familien
in Baden-Württemberg: Eltern

Romy Escher

In Baden-Württemberg sind Alleinerziehende       und Flexibilitätsdruck beeinflusst auch die
sowie Eltern in Paarfamilien in ihrem Alltag     Verkehrsmittelwahl von Familien.5 Steigende
hochmobil. Dies resultiert aus den komplexen     Mobilitätskosten können zudem dazu führen,
Mobilitätsmustern ihres Alltags. Ihre regel­     dass Familien sich in anderen Bereichen
mäßigen Wege umfassen neben dem Pen-             stärker einschränken müssen. Die Haus­
deln zu Arbeitsplatz, Nahversorgungsein­         haltsausgaben für Mobilität entsprechen im
richtungen und Dienstleistern, Freizeitaktivi-   Schnitt in etwa den Ausgaben für Nahrungs­
täten und ehrenamtlichen Tätigkeiten auch        mittel.6 Die Beschäftigung mit der Familien­
die Begleitung ihrer Kinder zu Kindertages-      mobilität hat auch vor dem Hintergrund der
                                                                                                             Dr. Romy Escher ist
einrichtungen und Schulen sowie zu deren         globalen Umweltveränderungen an Bedeu-                      Referentin im Referat
Hobbys.1 Gleichzeitig gehören sie zu der         tung gewonnen. Der Klimaschutz erfordert                    „Sozialwissenschaftliche
                                                                                                             Analysen, FamilienForschung
Bevölkerungsgruppe, die in ihrer Alltagsmo­      eine erhebliche Reduktion der Treibhaus­                    Baden-Württemberg,
                                                                                                             Forschungsdatenzentrum“
bilität am häufigsten das Auto verwendet.        gasemissionen im Verkehrssektor. Aufgrund                   des Statistischen Landes-
Aufgrund ihres Zeit- und Flexibilitätsdrucks     ihres hohen Verkehrsaufkommens kommt                        amtes Baden-Württemberg.
verzichten Alleinerziehende sowie Paarfami-      der Beschäftigung mit der Alltagsmobilität
lien seltener als Personen ohne Kinder auf       von Familien eine hohe Bedeutung zu.7 Gleich-
das Auto. Allgemein sind das Mobilitäts­         zeitig ist in den letzten Jahren das Angebot
                                                                                                             1 Bundesministerium für
verhalten und die Verkehrsmittelwahl von         an alternativen Verkehrsmitteln in Städten                    Verkehr und digitale
Eltern abhängig von dem Betreuungsbedarf         gestiegen wie zum Beispiel Carsharing so-                     Infrastruktur (BMVI)
                                                                                                               (2015): Familienmobili-
ihrer Kinder, dem Umfang ihrer Erwerbstä­        wie der Verleih von Elektrofahrrädern.8 Da-                   tät im Alltag. Herausfor-
tigkeit und ihren finanziellen Möglichkeiten.    mit ist von Interesse, unter welchen Bedin-                   derungen und Hand-
                                                                                                               lungsempfehlungen.
Die Alltagsmobilität von Eltern wird aller-      gungen Familien nachhaltiger im Alltag unter-                 Berlin. Schneider, Uta/
dings auch von den Erreichbarkeiten ihrer        wegs sind.9                                                   Hilgert, Tim (2017):
                                                                                                               Urbane Familienmobili-
Ziele bestimmt. Mütter und Väter in länd-                                                                      tät im Wandel: Wie sind
                                                                                                               Familien im Alltag mobil
lichen Regionen weisen auch aufgrund eines       Im Folgenden werden das Mobilitätsver-
                                                                                                               und wie bewerten sie
Mangels an Alternativen zum Auto eine hö-        halten und die Verkehrsmittelwahl von El-                     neue Mobilitätskon-
                                                                                                               zepte? in: Working Paper
here Pkw-Abhängigkeit in ihrer Alltagsmobi-      tern in Baden-Württemberg zusammenfas-                        Sustainability and Inno-
lität auf als Eltern in urbanen Regionen. All-   send dargestellt. Das Mobilitätsverhalten                     vation, Nr. S08/2017.
                                                                                                               Karlsruhe: Frauenhofer
gemein sind geringe Entfernungen zu Nah-         von Kindern und Jugendlichen wird in der                      ISI.
versorgungseinrichtungen und Dienstleistern      nächsten Monatsheft-Ausgabe näher betrach­
                                                                                                             2 Giesel, Flemming/
sowie eine gute Anbindung an öffentliche         tet. Die Daten der Erhebung Mobilität in                      Köhler, Katja (2015):
                                                                                                               Mobilität armutsgefähr-
Verkehrsmittel damit verbunden, dass Fami-       Deutschland (MID) 2017 erlauben es zu                         deter älterer Menschen
lien in ihrem Alltag mehr nachhaltige Ver-       be­trachten, inwiefern die Mobilität und                      in deutschen Großstäd-
                                                                                                               ten, in: Europa Regional
kehrsmittel nutzen.                              Verkehrsmittelwahl von Eltern in Familien-                    21. 2013, 3, S. 94–106.
                                                 haushalten von ihrer sozio-ökonomischen
                                                                                                             3 Daubitz, Stephan (2014):
                                                 Situation sowie den Rahmenbedingungen                         Mobilitätsarmut: Die
                                                                                                               Bedeutung der sozialen
                                                 an ihrem Wohnsitz abhängig ist (i-Punkt                       Frage im Forschungs-
(Räumliche) Mobilität bezeichnet die konkre-     „Mobilitätsdaten in der amtlichen Statistik“).                und Politikfeld Verkehr,
                                                                                                               in: Schwedes, Oliver/
ten Ortsveränderungen von Personen sowie         Mobilität in Deutschland (MiD) ist eine                       Canzler, Weert/Knie,
auch ihr Potenzial für Ortsveränderungen (bei-   bundesweite Befragung von Haushalten zu                       Andreas (Hrsg.): Hand-
                                                                                                               buch Verkehrspolitik.
spielsweise ihr Zugang zu Verkehrsmitteln).2     ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten im                       2. Auflage. Wiesbaden:
Sie ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe     Auftrag des Bundesministeriums für Ver-                       Springer VS, S. 433–449;
                                                                                                               Stark, Kerstin (2017):
in allen Gesellschaftsbereichen.3 Die Mobi­      kehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Sie                   Mobilitätsarmut in der
litätsanforderungen an Familien haben durch      wurde bereits in den Jahren 2002 und 2008                     sozialwissenschaftlichen
                                                                                                               Debatte, in: Großmann,
die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen,      erhoben. Die letzte Studie wurde 2017 durch-                  Katrin/Schaffrin, André/
die Forderung nach Flexibilität auf dem Ar­      geführt. Familien werden hier definiert als                   Smigiel, Christian
                                                                                                               (Hrsg.): Energie und
beitsmarkt, die Zentralisierung des Einzel-      Haushalte mit zwei Erwachsenen und min-                       soziale Ungleichheit.
handels und die Mobilitätserwartungen der        destens einem minderjährigen Kind (= Paar­                    Zur gesellschaftlichen
                                                                                                               Dimensionen der Ener-
Gesellschaft bezüglich der Erziehung und         familien) sowie Haushalte mit einem Er-                       giewende in Deutsch-
                                                                                                               land und Europa. Wies-
Freizeitgestaltung von Kindern im Laufe der      wachsenen und mindestens einem minder­                        baden: Springer VS,
Zeit zugenommen.4 Der resultierende Zeit-        jährigen Kind (= Alleinerziehende).                           S. 79–100.

                                                                                                              21
Bevölkerung,          Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021
             Familie

                              Eltern sind hochmobil                                                denen sie ihre Kinder zum Beispiel zur
                                                                                                   Kindertagesbetreuung, Schule und zu Frei­
                              Eltern in Paarfamilien und Alleinerziehende                          zeitaktivitäten begleiten.
                              sind in Baden-Württemberg im Vergleich zu
                              anderen Bevölkerungsgruppen hochmobil. Bei
                              Eltern in Paarfamilien ist der Anteil der Be­                        Die Pkw- und Fahrrad-Verfügbarkeit ist bei
                              gleitwege an allen Wegen doppelt so hoch                             Familien am höchsten
                              wie in der Gesamtbevölkerung (Schaubild 1).
                              Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sowie                             Die hohe Mobilität von Eltern geht mit einer
                              Alleinstehenden, Paaren ohne Kinder und                              hohen Verkehrsmittelausstattung einher. Nach
                              Erwachsenenhaushalten, also Haushalten mit                           Haushalten mit mindestens drei Erwachsenen
                              mindestens drei Erwachsenen, verlassen an                            besitzen Eltern in Paarfamilien am häufigsten
                              einem durchschnittlichen Tag Alleinerzie-                            mindestens zwei Autos im Haushalt (Schau-
                              hende am häufigsten den eigenen Wohnsitz,                            bild 2). Die wenigsten von ihnen haben kein
                              gefolgt von Paarfamilien mit Kindern (Tabelle).                      Auto im Haushalt. Eltern in Paarfamilien
                              Alleinerziehende sind am längsten pro Tag                            (90,6 %), gefolgt von Erwachsenen, die mit
                              unterwegs und erreichen die höchste Wege­                            ihrer Partnerin oder ihrem Partner zusam­
                              anzahl pro Tag. Dies ist darauf zurückzufüh-                         menleben (87,1 %), haben zudem am häufigs-
                              ren, dass sie Einkäufe und andere Erledigun-                         ten mindestens zeitweise am Tag ein Auto zur
                              gen sowie Begleitwege alleine zurücklegen                            Verfügung. Die Verfügbarkeit eines eigenen
                              müssen.10 Im Vergleich zu den Alleinerzie-                           (normalen) Fahrrads von Personen in Paar­
                              henden resultiert für Eltern aus Paarfamilien                        haushalten ohne Kinder (68,3 %) und bei
                              aus ihrer überdurchschnittlichen Wegean-                             Alleinstehenden (63,2 %) ist deutlich niedriger
                              zahl und zurückgelegten Strecke keine höhere                         als bei Eltern in Paarfamilien (81,7 %) und
                              Belastung bezüglich der Unterwegszeit.11                             Alleinerziehenden (80,6 %). Mitglieder von
                              Insgesamt ist die hohe Mobilität von Eltern                          Paarhaushalten ohne Kinder (11 %) haben
                              insbesondere auf ihre hohe Anzahl an Be­                             allerdings fast doppelt so häufig wie Eltern in
                              gleitwegen zurückzuführen, also Wegen, auf                           Paarfamilien (6 %) täglich Zugang zu einem

                                S1       Hauptwegezweck in Baden-Württemberg 2017 nach Haushaltstyp

                                  Anteile in %
                                        6,8               Begleitung                14,0                  3,5                    2,9                   3,1

4 BMVI (2015); Schneider/
  Hilgert (2017).
                                                                                                                                28,3                  27,5
5 Herget, Melanie (2013):                                                                                 30,6
                                         27,5             Freizeit
  Verkehrsverhalten und
  Mobilitätsstrategien von                                                          23,8
  Familien in ländlichen
  Räumen Deutschlands
  unter besonderer Be-                                                                                                                                13,0
  rücksichtigung rollen­                 15,6             Erledigung                                                            19,5
  typischer Arbeitsteilung.                                                         11,4                  18,7
  Dissertation. Berlin: TU
                                                                                                                                                      11,8
  Berlin.

6 Stark, Kerstin (2020): Zu                                                         13,3
                                         16,1             Einkauf                                                                                      5,8
  Entstehung von Mobili-                                                                                                        17,9
  tätsbenachteiligung und                                                           1,7                   19,9
  ihrer Vermeidung im                     2,0             Ausbildung2)
                                                                                                                                 (.)                  15,8
  Kontext ökologischer                                                              12,9
  Nachhaltigkeit. Entwick-               12,1             dienstlich                                      (0,8)
  lung und Anwendung
                                                                                                                                12,4
                                                                                                          9,6
  eines Konstellationsan-
  satzes zur differenzier­
  ten Betrachtung sozialer
  und ökologischer Anfor-
  derungen an Mobilität.                 20,0             Arbeit                   23,0                  17,1                   17,7                  23,0
  Kassel: Kassel University
  Press.                             Insgesamt                                  Paarfamilie          Paarhaushalt         Alleinstehende         Erwachsenen-
                                                                                                                                                   haushalt1)
7 Herget (2013).

8 BMVI (2015).                    1) Erwachsenenhaushalt: Haushalt mit mindestens drei volljährigen Personen. – 2) Zahlenwert für Hauptwegezweck Ausbildung für
                                  Alleinstehende zu unsicher; Aussagekraft des Zahlenwerts des Hauptwegezwecks Ausbildung von Paarhaushalten aufgrund geringer
9 BMVI (2015).                    Fallzahl eingeschränkt sicher.
                                  Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene
10 BMVI (2015); Herget            Darstellung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.
   (2013)
                               Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                      280 21
11 BMVI (2015).

                     22
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021           Bevölkerung,
                                                                                                                                                    Familie

   T       Mobilität von Erwachsenen in Baden-Württembeg 2017 nach Haushaltstyp

                                                                    Mobilitäts-            Tages-               Wege
                                                                                                                                Unterwegszeit
                          Haushaltstyp                               quote                 strecke             pro Tag

                                                                           %                 km                 Anzahl             Minuten

 Alleinerziehende                                                          91,2               36,4                  4,6                93,4

 Paarfamilien                                                              89,7               43,9                  3,7                84,5

 Paare ohne Kinder                                                         85,2               38,6                  3,0                81,3

 Alleinstehende                                                            86,4               36,7                  3,2                88,5

 Erwachsenenhaushalt                                                       82,7               41,9                  3,0                79,9

 Insgesamt                                                                 86,3               40,3                  3,2                83,4

 Anmerkungen: Mobilitätsquote = Anteil von Personen, die an einem durchschnittlichen Tag den eigenen Wohnsitz verlässt. Erwachsenenhaushalt =
 Haushalt mit mindestens drei volljährigen Personen.
 Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene Darstellung Familien
 Forschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.

Elektrofahrrad. Während Eltern in Paarfami-                                oder das Fahrrad (3,5 %) in ihrer Alltagsmobi-
lien im Vergleich zu Personen aus anderen                                  lität als andere Bevölkerungsgruppen. Im
Haushaltstypen überwiegend ein Auto und                                    bundesweiten Vergleich entspricht der An-
ein Fahrrad zur Verfügung haben, ist bei ihnen                             teil der Eltern aus Paarfamilien, die nur das
der Anteil derjenigen, die eine Zeitkarte des                              Auto verwenden, in Baden-Württemberg un­
öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) be-                                gefähr dem Wert für Deutschland (50,1 %).
sitzen, am geringsten (8,3 %).                                             Bezüglich der Pkw-Nutzung liegen sie damit
                                                                           nur knapp vor Personen aus Haushalten ohne
                                                                           Kinder (49 %). Eltern in Paarfamilien legen
Familien verwenden am häufigsten                                           allerdings die meisten ihrer Wege mit dem
das Auto im Alltag                                                         motorisierten Individualverkehr (MIV) ein­
                                                                           schließlich dem Auto zurück (Schaubild 3).
In Übereinstimmung mit ihrer Pkw-Ausstat-
tung verwenden Eltern (52,8 %) in Paarhaus­                                Eltern in Paarfamilien weisen neben der
halten häufiger ausschließlich das Auto und                                Pkw-Nutzung auch den höchsten Anteil der­
seltener nur öffentliche Verkehrsmittel (3,9 %)                            jenigen auf, die mit mindestens zwei Ver­

 S2        Anzahl an Autos in Baden-Württemberg 2017 nach Haushaltstyp

                                   Anteile in %
                                   kein Auto         ein Auto                                                    mindestens zwei Autos

    Erwachsenenhaushalt1) 3,8                     23,5                                                                                  72,7

               Alleinstehende 32,7                                                                   64,2                                3,1

                 Paarhaushalt 9,1                                     55,0                                                              35,9

                    Paarfamilie 4,7                      34,9                                                                           60,4

                     Insgesamt 11,8                                 45,9                                                               42,3

    1) Erwachsenenhaushalt: Haushalt mit mindestens drei volljährigen Personen.
    Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene
    Darstellung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.

 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                                 281 21

                                                                                                                                                    23
Bevölkerung,         Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021
             Familie

                               S3       Hauptverkehrsmittel in Baden-Württemberg 2017 nach Haushaltstyp

                                                                Anteile in %
                                                                zu Fuß         Fahrrad                             MIV2)                                     ÖPV3)

                                 Erwachsenenhaushalt1)              16,0       8,0                              64,2                                         11,9

                                            Alleinstehende          25,3                   9,9                         51,2                                  13,6

                                              Paarhaushalt          20,1             9,0                               62,4                                    8,6

                                                 Paarfamilie        18,9          8,4                                      66,1                                6,7

                                                  Insgesamt         20,0             8,9                                      61,6                            9,5

                                 1) Erwachsenenhaushalt: Haushalt mit mindestens drei volljährigen Personen. – 2) MIV = motorisierter Individualverkehr als
                                 Fahrerin/Fahrer oder Begleitperson (motorisierte Fahrzeugen wie Autos, motorisierte Zweirädern ohne Elektrofahrräder und Lkws). –
                                 3) ÖPV = öffentlicher Personenverkehr (Nahverkehrsbusse, Fern- und Reisebusse, alle Bahnen, Flugzeug und Taxi).
                                 Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene
                                 Darstellung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.

                              Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                              282 21

                             kehrsmitteln (Pkw, Fahrrad, öffentliche Ver­                           Der Betreuungsbedarf von Kindern
                             kehrsmittel) (multimodal) unterwegs sind                               geht mit einer hohen Mobilität einher
                             (39 %). Der Anteil von Wegen, für die haupt-
                             sächlich öffentliche Verkehrsmittel verwendet                          Neben Gemeinsamkeiten in der Alltagsmobi-
                             werden, ist bei ihnen am geringsten (Schau-                            lität von Familien lassen sich auch Unter-
                             bild 3). Alleinerziehende nutzen in etwa gleich                        schiede zwischen ihnen feststellen. Diese sind
                             häufig wie Eltern in Paarfamilien nur das Auto                         von den Herausforderungen ihres Alltags ab-
                             im Alltag (49,8 %) und kombinieren etwas                               hängig: dem Betreuungsbedarf der Kinder,
                             seltener mehrere Verkehrsmittel (32,2 %, Zah-                          dem Vorliegen einer umfangreichen Erwerbs-
                             lenwert statistisch eingeschränkt genau). Der                          tätigkeit und einem geringen Haushaltsein­
                             MIV-Anteil ihrer Wege ist allerdings noch                              kommen12. Der Betreuungsbedarf der Kinder
                             etwas höher als bei Eltern in Paarfamilien.                            kann anhand des Alters und der Anzahl der
                                                                                                    Kinder erfasst werden. Es wird angenommen,
                             Insgesamt spiegelt sich die Verkehrsmittel­                            dass der Betreuungsbedarf bei jüngeren Kin­
                             ausstattung und -wahl von Eltern in Paarfami­                          dern und/oder mindestens drei Kindern höher
                             lien auch in ihren Einstellungen wider. Sie                            ist. Eltern aus kinderreichen Paarfamilien, also
                             sind am zufriedensten mit dem Auto und dem                             mit mindestens drei Kindern, verlassen häufi­
                             Fahrrad und sie geben auch am häufigsten an,                           ger an einem durchschnittlichen Tag den eige-
                             dass sie gerne mit diesen beiden Mobilitäts­                           nen Wohnsitz (Mobilitätsquote: 91,1 %) und
                             ressourcen unterwegs sind. Eltern in kinder-                           legen auf mehr Wegen auch eine größere
                             reichen Paarfamilien sind etwas weniger zu­                            Distanz (46,6 km) pro Tag zurück als Eltern
                             frieden mit dem Auto und dem Fahrrad als                               aus anderen Paarhaushalten mit Kindern. Be-
                             Eltern von maximal zwei Kindern. Entspre-                              züglich des Alters der Kinder erreichen Eltern
                             chend des geringen Anteils des öffentlichen                            mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren
                             Personenverkehrs ihrer Wege sind Eltern aus                            die höchste Wegeanzahl und Tagesstrecke.
                             Paarhaushalten nach Erwachsenen-Haushal-                               Dies ist auf die Begleitung von Grundschul-
                             ten am wenigsten zufrieden mit öffentlichen                            kindern zur Schule und auf Freizeitwegen
                             Verkehrsmittel. Bei den Alleinerziehenden                              zurückzuführen. In Übereinstimmung mit ihrer
                             stimmt ihre Verkehrsmittelwahl weniger mit                             hohen Mobilität haben diese Eltern auch am
                             ihren Einstellungen überein. Sie sind am unzu-                         häufigsten zwei Autos (53,3 %).
12 Das Haushaltseinkom-      friedensten mit dem Auto sowie dem Fahrrad
   men wurde bedarfsge-
   wichtet, also in Abhän-   als Verkehrsmittel. Sie präferieren am häufigs­                        Der Betreuungsbedarf geht allgemein mit
   gigkeit zu Anzahl und
   Alter der Haushaltsmit-
                             ten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu                          einer etwas besseren Pkw- und Fahrradaus­
   glieder gesetzt.          Fuß unterwegs zu sein.                                                 stattung einher. Eltern in Paarfamilien mit

                     24
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021   Bevölkerung,
                                                                                                                Familie

mindestens einem Kind unter 6 Jahren oder          Anteil von Eltern aus Paarfamilien, die nur
mindestens drei Kindern (91 %) verfügen            mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs
etwas häufiger über ein Auto als der Durch-        sind, nimmt dagegen unter Kontrolle ande-
schnitt aller Eltern in Paarfamilien. Eltern aus   rer Einflussgrößen mit der Anzahl der Kinder
Paarfamilien mit mindestens einem Kind unter       ab.
6 Jahren haben allerdings am seltensten Zu-
gang zu einem Fahrrad (78,7 %). In Studien         Erwachsene aus Paarfamilien, in denen beide
nennen Eltern von Kleinkindern es als Nach-        Eltern in Vollzeit berufstätig sind, sind beson-
teil des Fahrradfahrens, dass ihre Kinder dafür    ders von Mobilitätszwängen betroffen. Dass
zu jung bzw. zu unsicher sind.13                   sie mobiler sind als Eltern in anderen Paar-
                                                   familien zeigt sich mit Blick auf die Mobili-
Entsprechend der Pkw-Ausstattung ist auch          tätsquote, Tagesstrecke und Unterwegszeit.
die Pkw-Nutzung vom Betreuungsbedarf der           Allerdings unterscheidet sich im Vergleich zu
Kinder abhängig. Unter Kontrolle anderer Ein-      anderen Haushaltstypen die Anzahl der Wege
flussfaktoren steigt mit der Anzahl der Kinder     nicht zwischen vollzeitberufstätigen und nicht-
die ausschließliche Verwendung des Autos           vollzeitberufstätigen Eltern. Eltern weisen all-
im Alltag und sinkt die multimodale Verkehrs-      gemein einen hohen Anteil von Begleitwegen
mittelnutzung von Paarfamilien.14 Ein hoher        auf. Wenn beide Eltern in Vollzeit berufstätig
Betreuungsbedarf – mindestens ein Kind unter       sind, trägt wahrscheinlich der Flexibilitäts-
6 Jahren und/oder mindestens drei Kinder –         druck dazu bei, dass Eltern in diesen Haushal­
ist allerdings auch mit einem überdurchschnitt-    ten eine überdurchschnittliche Pkw-Verfüg-
lichen Anteil von Wegen verbunden, die zu          barkeit aufweisen. Gleichzeitig steht ihnen
Fuß zurückgelegt werden. Eltern in Paarhaus-       seltener ein Fahrrad zur Verfügung als Eltern
halten mit mindestens drei Kindern oder min-       in Paarfamilien insgesamt. Dies führt dazu,
destens einem Kind unter 6 Jahren verfügen         dass sie häufiger im Alltag nur das Auto ver-
dagegen seltener als Eltern aus Paarfamilien       wenden und seltener multimodal unterwegs
insgesamt über eine ÖPNV-Zeitkarte. Ent-           sind als alle Personen aus Paarfamilien. Be­
sprechend weisen sie auch einen relativ ge­        züglich der Wegeanteile der Hauptverkehrs-
ringen Anteil öffentlicher Verkehrsmittel ihrer    mittel unterscheiden sich Paarfamilien mit
Wege auf (Schaubild 4). Je älter die Kinder        zwei vollzeitbeschäftigten Elternteilen aller-
sind, desto höher ist der Anteil der Eltern, die   dings nur geringfügig von Eltern in Paarfami-
nur öffentliche Verkehrsmittel verwenden. Der      lien insgesamt (Schaubild 4).

        Mobilitätsdaten in der                     die Verkehrsmittelnutzung auf Fernreisen
        amtlichen Statistik                        (Schienen-, Straßen- und innerdeutscher
                                                   Flugverkehr) und Veränderungen in der
  Die amtliche Statistik umfasst auf Landes-       Pendlermobilität. Die Mobilfunkdaten erlau-
  und Bundesebene Daten zur Anzahl der             ben es, das Mobilitätsverhalten nach aggre-
  beförderten Personen im Luft-, Güter-, Stra-     gierten Merkmalen von Kreisen und Bun­
  ßen- und Seeverkehr sowie in Bussen. Die         desländern zu betrachten. Eine Differenzie-
  Statistik über die touristische Nachfrage        rung nach Individualmerkmalen ist nicht
  bietet auf Bundesebene zudem Daten zu            möglich. Vom Bundesamt für Bildung und
  Reisen nach Reiseziel, -dauer, -gründe so-       Forschung (BMBF) sowie für eine regionale
  wie Unterkünfte und Verkehrsmittel. Bezüg-       Vertiefungsstichprobe für Baden-Württem-
  lich der Alltagsmobilität sind auf experimen-    berg im Auftrag des Ministeriums für Ver-
  tellen Daten des Statistischen Bundesamts        kehr Baden-Württemberg wurden vom Insti-
  basierende Mobilitätsindikatoren zur Ana-        tut für angewandte Sozialwissenschaft (infas),
  lyse der Auswirkungen der Kontaktbe­             Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und
  schränkungen zur Eindämmung der Corona-          MotionTag Daten zur Analyse der Verände-
  Pandemie verfügbar. Es handelt sich um           rung der Alltagsmobilität während der Coro-
  anonymisierte und aggregierte Mobilfunk-         na-Pandemie erhoben (MOBICOR). Hierfür
  daten aus dem Netz des Mobilfunkanbie-           wurden Befragungen durchgeführt als auch
  ters Telefónica, die auf Basis der Marktan­      individuelle Bewegungsverläufe auf freiwil-
  teile auf die deutsche Gesamtbevölkerung         liger Basis mit Hilfe von GPS-Tracking an-
  hochgerechnet werden. Sie umfassen auf           hand einer Smartphone-App ermittelt. Die                     13 BMVI (2015).
  Kreisebene tägliche und stündliche Einrei-       Umfragedaten erlauben zwar eine Differen-                    14 In diesem Beitrag wur-
  sen und Bewegungen innerhalb von Stadt-          zierung nach Personenmerkmalen, aber                            den zur Kontrolle ande-
                                                                                                                   rer Einflussgrößen logis-
  und Landkreisen, zurückgelegte Distanzen,        nicht die Analyse von Familienmobilität.                        tische Regressionen ver­
                                                                                                                   wendet.

                                                                                                                 25
Bevölkerung,    Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021
            Familie

                                  Hauptverkehrsmittel von Eltern in Paarfamilien in Baden-Württemberg 2017
                         S4       nach sozioökonomischen Merkmalen

                                                                      Anteile in %
                                                                      zu Fuß         Fahrrad                 MIV1)                                    ÖPV2)

                           Beide Eltern vollzeiterwerbstätig             18,7          7,2                            67,0                              7,1

                            Geringes Haushaltseinkommen                  16,8        6,2                             69,9                               7,2

                                              Betreuungsbedarf           22,9                8,3                        62,9                            5,8

                                                               Frau      22,7                8,0                        63,2                            6,1

                                                       Insgesamt         18,9          8,4                            66,1                              6,7

                           1) MIV = motorisierter Individualverkehr als Fahrerin/Fahrer oder Begleitperson (motorisierte Fahrzeugen wie Autos, motorisierte
                           Zweirädern ohne Elektrofahrräder und Lkws). – 2) ÖPV = öffentlicher Personenverkehr (Nahverkehrsbusse, Fern- und Reisebusse, alle
                           Bahnen, Flugzeug und Taxi).
                           Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene
                           Darstellung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.

                        Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                          283 21

                       Die Familienmobilität ist abhängig                                          Im Vergleich zur Pkw-Verfügbarkeit ist multi­
                       von dem Haushaltseinkommen                                                  variat die ausschließliche Verwendung von
                                                                                                   Autos von Paarfamilien nicht abhängig vom
                       Wie auch in der Gesamtgesellschaft ist die                                  Haushaltseinkommen. Mit dem Haushalts­
                       Mobilität von Eltern abhängig von ihrem Haus-                               einkommen steigt allerdings die Kombination
                       haltseinkommen. Eltern in Paarfamilien mit                                  mehrerer Verkehrsmittel im Alltag. 34,7 % der
                       einem geringen Haushaltseinkommen legen                                     Eltern in Paarhaushalten mit einem geringen
                       eine deutlich geringere Distanz pro Tag zurück                              Haushaltseinkommen sind multimodal unter-
                       (35,9 km) als Eltern in Paarfamilien mit hohen                              wegs, aber 42,6 % derjenigen mit einem
                       oder mittleren Einkommen (ca. 45 km). Auch                                  hohen Haushaltseinkommen. Mit dem Haus-
                       die Mobilität von Erwachsenen in kinder-                                    haltseinkommen nimmt unter Kontrolle ande-
                       reichen Familien und Alleinerziehenden sinkt                                rer Einflussgrößen auch die Nutzung öffent-
                       mit dem Haushaltseinkommen. Insbesondere                                    licher Verkehrsmittel von Eltern in Paarfami-
                       Mütter und Väter in Paarfamilien mit keinem                                 lien zu. Dementsprechend weisen Eltern in
                       gesicherten Haushaltseinkommen und min­                                     Paarhaushalten ohne gesichertes Haushalts-
                       destens einem Kind unter 6 Jahren weisen                                    einkommen auch einen überdurchschnitt-
                       eine geringe Tagesstrecke sowie Unterwegs-                                  lichen MIV-Anteil auf (Schaubild 4) und legen
                       zeit auf (28,7 km, 67 Minuten).                                             überdurchschnittlich viele Wege mit öffent-
                                                                                                   lichen Verkehrsmitteln zurück.
                       Mit dem Haushaltseinkommen steigt die Pkw-
                       und Fahrrad-Verfügbarkeit sowie der Besitz
                       von ÖPNV-Zeitkarten von Eltern in Paarfami-                                 Mütter in Paarfamilien haben weniger
                       lien. In allen Einkommensgruppen sind Eltern                                Verkehrsmittel zur Verfügung als Väter
                       in Paarfamilien die Bevölkerungsgruppe mit
                       der höchsten Pkw-Verfügbarkeit. Allerdings                                  Die Alltagsmobilität variiert zwischen Müttern
                       unterscheiden sich Erwachsene mit einem                                     und Vätern. Mütter, die in Paarfamilien mit
                       hohen Haushaltseinkommen aus verschie-                                      Kindern leben, sind insbesondere bezüglich
                       denen Haushaltstypen in dieser Hinsicht nur                                 der Tagesstrecke weniger mobil als Väter
                       geringfügig. Mit dem Alter der Kinder sinkt                                 (37,7 km gegenüber 50,1 km). Dieser Ge-
                       der Anteil an Eltern in Paarfamilien mit einem                              schlechterunterschied ist in Paarfamilien aller-
                       geringen Haushaltseinkommen, die über ein                                   dings weniger stark ausgeprägt als in Paar­
                       Auto verfügen. Dagegen variiert die Pkw-Ver-                                haushalten ohne Kinder. Er resultiert aus der
                       fügbarkeit von Eltern aus Paarfamilien in der                               höheren Anzahl an Wegen, auf denen Mütter
                       hohen Einkommensgruppe nur geringfügig                                      ihre Kinder begleiten.15 In Paarfamilien beglei-
15 BMVI (2015).        mit dem Alter ihrer Kinder.                                                 ten Mütter ihre Kinder mehr als doppelt so

                  26
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021         Bevölkerung,
                                                                                                                                             Familie

häufig wie Väter (20,4 % vs. 7,5 %). Sie weisen                        mittel als in Stadtregionen (Land: 59,6 % vs.
annähernd die gleiche Anzahl an Wegen pro                              Stadt: 46,4 %). Eltern aus Paarhaushalten mit
Tag auf wie Väter. Innerhalb von Paarfamilien                          Kindern legen mehr Wege mit dem MIV auf
haben Frauen seltener ein Auto (89,5 % vs.                             dem Land zurück als in Stadtregionen (Schau-
91,7 %), ein normales Fahrrad (78,3 % vs.                              bild 5). In Städten ist dagegen der Anteil der
85,3 %) und eine ÖPNV-Zeitkarte (8,7 % vs.                             Wege, die mit dem Fahrrad und mit öffent-
7,9 %) zur Verfügung als Männer. Sie ver-                              lichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden,
wenden allerdings in etwa gleich häufig in                             höher. Zudem kombinieren Erwachsene in
ihrer Alltagsmobilität nur das Auto (ca. 50 %)                         Paarfamilien in urbanen Räumen häufiger
oder sind multimodal unterwegs (ca. 39 %).                             mehrere Verkehrsmittel als auf dem Land
Mütter in Paarfamilien weisen einen etwas                              (41,1 % vs. 36 %).
unterdurchschnittlichen MIV-Anteil ihrer
Wege auf, legen aber überdurchschnittlich                              Die Alltagsmobilität von Familien ist auch ab-
viele Wege zu Fuß zurück (Schaubild 4).                                hängig von der Erreichbarkeit von Nahversor-
                                                                       gungseinrichtungen, Kindertagesbetreuungen
                                                                       und Bildungseinrichtungen.17 Der MIV-Anteil
Die Familienmobilität ist abhängig                                     der Wege von Eltern fällt geringer aus, wenn
von Erreichbarkeiten                                                   eine gute Nahversorgung und ein guter ÖPNV
                                                                       vorliegt (Schaubild 5). Eine gute Nahver-
Wie auch in der Gesamtbevölkerung variiert                             sorgung trägt zu mehr zu Fuß zurückgeleg-
die Mobilität von Familien zwischen ländlichen                         ten Strecken bei, während eine gute ÖPNV-
und städtischen Regionen.16 Eltern in Paar­                            Anbindung auch mit einem höheren Anteil
familien sind in Stadtregionen bezüglich ihrer                         von Wegen mit dem Fahrrad und öffentlichen
Mobilitätsquote, Unterwegszeit und Wege-                               Verkehrsmitteln verbunden ist. Multivariat be-
anzahl mobiler (88 Minuten, 3,3 Wege) als in                           stätigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit von
ländlichen Regionen (79 Minuten, 2,9 Wege).                            Eltern aus Paarfamilien, die nur das Auto im
Ihre Tagesstrecke variiert dagegen nicht                               Alltag verwenden, geringer ist, wenn eine gute
zwischen Stadt- und ländlichen Regionen. Wie                           Qualität der Wohnlage18, der Nahversorgung19
auch in der Gesamtbevölkerung ist die Pkw-                             sowie des ÖPNV vorliegt. Die Qualität der
Verfügbarkeit von Erwachsenen aus Paar-                                Wohnlage wurde erfasst anhand von sozio-
familien in ländlichen Regionen ausgeprägter                           ökonomischen Merkmalen des Wohnviertels,
als in Städten (93,5 % gegenüber 88,6 %).                              der Siedlungsdichte, der Art und der Nutzung
Sie verwenden in ländlichen Regionen deut-                             des Wohnhauses, die Lage in der Kommune
lich häufiger das Auto als einziges Verkehrs­                          und die Entfernung zur nächsten ÖPNV-Halte-

 S5        Hauptverkehrsmittel von Eltern in Paarfamilien in Baden-Württemberg 2017                                                          16 Stadtregionen beziehen
           nach Erreichbarkeiten                                                                                                                sich auf Großstädte ab
                                                                                                                                                einer Bevölkerungsgröße
                                                                                                                                                von 100 000 Einwohner/
                                                                                                                                                -innen sowie einem Ein-
                                Anteile in %                                                                                                    zugsbereich von unter
                                                                                                                                                30 Minuten oder einem
                                zu Fuß                     Fahrrad                          MIV1)                              ÖPV2)
                                                                                                                                                Auspendleranteil in die
                                                                                                                                                nächste Großstadt von
                                                                                                                                                mindestens 25 %. Bun-
                Guter ÖPNV           25,0                   13,0                                52,7                             9,3            desministerium für Ver-
                                                                                                                                                kehr und digitale Infra-
                                                                                                                                                struktur (BMVI) (2018b):
    Gute Nahversorgung               23,9                 10,4                               58,8                                6,9            Regionalstatistische
                                                                                                                                                Raumtypologie (Regio-
                                                                                                                                                StaR) des BMVI für die
                                                                                                                                                Mobilitäts- und Verkehrs-
            Gute Wohnlage            18,8          10,3                                    64,4                                  6,4            forschung. Arbeitspapier.
                                                                                                                                                Version V1.1.

                         Land        18,3        6,4                                     70,2                                    5,2         17 BMVI (2015).

                                                                                                                                             18 Siehe Bundesministe­
                                                                                                                                                rium für Verkehr und
                        Stadt        19,8           10,1                                  61,4                                   8,6            digitale Infrastruktur
                                                                                                                                                (BMVI) (2019): Mobilität
                                                                                                                                                in Deutschland – MID.
                  Insgesamt          18,9          8,4                                    66,1                                   6,7            Nutzerhandbuch. Doku-
                                                                                                                                                mentation Raumvaria-
                                                                                                                                                blen. Studie des Bun-
                                                                                                                                                desministeriums für
    1) MIV = motorisierter Individualverkehr als Fahrerin/Fahrer oder Begleitperson (motorisierte Fahrzeugen wie Autos, motorisierte
    Zweirädern ohne Elektrofahrräder und Lkws). – 2) ÖPV = öffentlicher Personenverkehr (Nahverkehrsbusse, Fern- und Reisebusse, alle           Verkehr und digitale
    Bahnen, Flugzeug und Taxi).                                                                                                                 Infrastruktur, durchge-
    Datenquelle: Mobilität in Deutschland (MID) 2017. Die Daten sind gewichtet. Auswertung aller erwachsener Personen. Eigene                   führt von infas in Ko-
    Darstellung FamilienForschung Baden-Württemberg im Statistischen Landesamt.                                                                 operation mit DLR, IVT
                                                                                                                                                und infas 360. Berlin.
 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                          284 21
                                                                                                                                             19 Siehe BMVI (2019).

                                                                                                                                              27
Bevölkerung,            Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2021
             Familie

                                stelle und zum nächsten Geschäftszentrum.           Unterschiede in der Alltagsmobilität zwi-
                                Die Qualität der Nahversorgung bezieht sich         schen Familien illustrieren, dass die Pkw-Nut­
                                auf Entfernungen zwischen Angeboten der             zung durch eine Verbesserung der Erreich-
                                Nahversorgung und dem Wohnsitz der Befrag­          barkeit von Alltagszielen und eine Verbesse-
                                ten. Nur 36,9 % der Eltern aus Paarfamilien         rung der Attraktivität öffentlicher Verkehrs-
                                nutzen ausschließlich das Auto bei einem            mittel reduziert werden könnte.
                                (sehr) guten ÖPNV, während es bei einer (sehr)
                                schlechten ÖPNV-Qualität 58,2 % sind. Dem­          Insbesondere ist auf Basis der Ergebnisse
                                entsprechend verwenden sie eher nur öffent­         zu erwarten, dass Alleinerziehende unter bes-
                                liche Verkehrsmittel bei einer guten Qualität       seren Rahmenbedingungen auf öffentliche
                                der Nahversorgung und des ÖPNV als wenn             Verkehrsmittel umsteigen würden. Während
                                diese keine gute Qualität aufweisen. Der An-        sie, wie auch Eltern in Paarfamilien haupt-
                                teil von Eltern in Paarfamilien mit einer Zeit-     sächlich das Auto im Alltag verwenden, präfe-
                                karte öffentlicher Verkehrsmittel verdoppelt        rieren sie öffentliche Verkehrsmittel und sind
                                sich bei einer (sehr) guten ÖPNV-Qualität im        mit dem Pkw als Verkehrsmittel unzufrieden.
                                Vergleich zu einer (sehr) schlechten Qualität.      Dies ist wahr­scheinlich auf ihre hohe finan-
                                (13,4 % vs. 6,1 %). Dagegen geht eine (sehr)        zielle Belastung durch den Pkw-Besitz zu­
                                gute Wohnlage bei Eltern aus Paarfamilien mit       rückzuführen. Für eine nachhaltigere Mobili-
                                einer geringeren Wahrscheinlichkeit einher,         tät von Alleinerziehenden und Paarfamilien
                                nur öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, als       sind allerdings auch weitere Gründe für ihre
                                bei einer (sehr) schlechten Wohnlage. Die           Pkw-Nutzung zu berücksichtigen, so über-
                                Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel        schätzen sie beispielsweise die Verkehrs­
                                durch Eltern aus Paarfamilien nimmt mit der         sicherheit von Autos für ihre Kinder.21 Die
                                Qualität der Nahversorgung, Wohnlage, des           regionalen Unterschiede in der Pkw-Abhän-
                                ÖPNV zu und ist auch höher in Stadt- als in         gigkeit von Eltern in Paarhaushalten mit Kin-
                                Landregionen.                                       dern sowie Alleinerziehenden in ländlichen
                                                                                    Regionen in ihrem Alltag verweisen darauf,
                                                                                    dass das Mobilitätsverhalten abhängig vom
                                Fazit                                               Angebot von nachhaltigen Verkehrsmitteln
                                                                                    ist.22 Die Abhängigkeit der Nutzung öffent-
                                Eltern sind aufgrund ihres komplexen Alltags        licher Verkehrsmittel vom Haushaltseinkom-
                                die mobilste Bevölkerungsgruppe in Baden-           men verdeutlicht zudem, dass vergünstigte
                                Württemberg. Die in diesem Beitrag ver-             Einzelfahrscheine und Zeitkarten für Familien
                                wen­deten Daten berücksichtigen noch nicht          sinnvoll sein könnten. Aufgrund der hohen
                                die Auswirkungen der Corona-Pandemie. In            Mobilitätskosten könnten Vergünstigungen
                                Baden-Württemberg und bundesweit haben              auch die soziale Teilhabe von einkommens-
                                die Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung            schwachen Familien und Alleinerziehenden
20 INFAS (2020): Mobilitäts-    der Pandemie allerdings zu einer verstärkten        verbessern.
   report Baden-Württem-
   berg 02. Krise als Dauer-
                                Pkw-Nutzung zu Lasten der Nutzung mehrerer
   zustand? Mobilität in        Verkehrsmittel sowie öffentlichen Verkehrs-
   Baden-Württemberg vor
   dem zweiten Lockdown         mittel geführt.20 Die überdurchschnittliche
   „light“. Bonn; WZB (2020):   Alltagsmobilität von Familien geht aufgrund
   Mobilitätsreport 03. Er-
   gebnisse aus Beobach-        ihrer bereits vor der Pandemie vorliegen-           Weitere Auskünfte erteilt
   tungen per repräsenta-       den Pkw-Abhängigkeit mit negativen Kon­             Romy Escher, Telefon 0711/641-29 57,
   tiver Befragung und er-
   gänzendem Mobilitäts-        sequenzen für die Umwelt und das Klima ein-         Romy.Escher@stala.bwl.de
   tracking bis Ende Okto-      her. Gleichzeitig besteht damit bezüglich der
   ber. Ausgabe 15.12.2020.
   Bonn, Berlin, mit Förde-     Förderung von nachhaltiger Mobilität in
   rung des BMBF.               Baden-Württemberg in dieser Bevölkerungs-              www.statistik-bw.de/PrivHaushalte/
21 BMVI (2015).                 gruppe ein erhebliches Potenzial für die                Leben und Arbeiten
22 Herget (2013).               Reduktion von Treibhausgasemissionen. Die                Private Haushalte

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