Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt - Institut für Rechtsmedizin

Die Seite wird erstellt Carolin Fischer
 
WEITER LESEN
Universität Zürich
              Institut für Rechtsmedizin
        Direktor: Prof. Dr. med. Michael Thali

    Verkehrsmedizin und Forensische Psychiatrie
      Leiterin: Frau Dr. med. M. Haag-Dawoud

 Arbeit unter Leitung von Frau Dr. med. Regula Wick

Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt

           INAUGURAL-DISSERTATION
           zur Erlangung der Doktorwürde
             der Medizinischen Fakultät
                der Universität Zürich

                   vorgelegt von
                Carolin Dengler-Voss
                  aus Deutschland

Genehmigt auf Antrag von Prof. Dr. med. Michael Thali

                    Zürich 2014
Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis                                                                   4

Abbildungsverzeichnis / Tabellenverzeichnis                                             5

Zusammenfassung                                                                         6

1. Einleitung                                                                           7

2. Von den Zweifeln an der Fahreignung zur Abklärung von Ausschlussgründen              9

3. Die verkehrsmedizinische Begutachtung                                                11
   3.1 Das Aktenstudium                                                                 12
   3.2 Anamnese                                                                         12
      3.2.1 Soziale Anamnese                                                            13
      3.2.2 Automobilistische Anamnese                                                  13
      3.2.3 Medizinische Anamnese                                                       13
   3.3 Klinische Untersuchung                                                           14
   3.4 Zusatzuntersuchungen                                                             14
      3.4.1 Hirnleistungs-Screening-Tests                                               14
      3.4.2 Laboruntersuchungen/Chemisch-toxikologische Analysen                        15
      3.4.3 Technische Funktionsprobe                                                   16
      3.4.4 Verkehrspsychologische Untersuchung der kognitiven Fahreignung              16
   3.5 Medizinische Fremdauskünfte                                                      17

4. Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt                                                18
   4.1 Die Kontrollfahrt in der Literatur                                               18
   4.2 Kantonale Unterschiede                                                           20
   4.3 Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt am IRM-UZH                                 20
      4.3.1 Welche Umstände führen am IRM-UZH zur Kontrollfahrt                         20
      4.3.2 Wichtige Schritte vor Durchführung der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt   21
      4.3.3 Ablauf der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt                               22

5. Zielsetzung der Forschungsarbeit                                                     23

6. Datengewinnung und Datenaufbereitung                                                 23

7. Resultate                                                                            25
   7.1 Überblick über das Kollektiv                                                     25
   7.2 Fahrstunden vor der Kontrollfahrt                                                27
   7.3 Zusammenhang zwischen Fahrstunden und Resultat der Kontrollfahrt                 27
                                                                                             2
7.4 Verkehrsmedizinisch relevante Diagnosen respektive Zustände                   27
      7.4.1 Hirnleistungsschwäche                                                    28
      7.4.2 Körperliche Behinderung                                                  28
      7.4.3 Konsum verkehrsmedizinisch relevanter Medikamente                        29
      7.4.4 Augenerkrankungen                                                        30
      7.4.5 Psychische Erkrankungen                                                  30
   7.5 Indikation zur Kontrollfahrt                                                  30
   7.6 Zusammenhang zwischen Indikation und Resultat der Kontrollfahrt               31
   7.7 Medizinische Screening-Tests                                                  32
       7.7.1 Deskriptive Analyse der einzelnen Screening-Tests                       32
       7.7.2 Befunde in den Screening-Tests im Vergleich zur Altersgruppe            40
       7.7.3 Vergleich medizinische Screening-Tests mit Resultat der Kontrollfahrt   41

8. Diskussion                                                                        44

9. Schlussfolgerungen                                                                49

10. Verdankungen                                                                     52

11. Literaturreferenzen                                                              53

12. Anhang                                                                           56

13. Curriculum vitae                                                                 57

                                                                                          3
Abkürzungsverzeichnis

ADL:       Aktivitäten des täglichen Lebens

FiaZ:      Fahren in angetrunkenem Zustand

IRM-UZH:   Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich

IV:        Invalidenversicherung

MMST:      Mini Mental Status Test

SUVA:      Schweizerische Unfallversicherungsanstalt

SGRM:      Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin

SVG:       Strassenverkehrsgesetz

TMT:       Trail-Making-Test

TMTA:      Trail-Making-Test Teil A

TMTB :     Trail-Making-Test Teil B

VZV:       Verkehrszulassungsverordnung

                                                               4
Abbildungsverzeichnis

Abb.1:     Darstellung administrativer Abläufe im Kontext der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt

Abb.2:     Balkendiagramm Alter der Exploranden kategorisiert nach Resultat der Kontrollfahrt

Abb. 3:    Verteilung erreichter Gesamtpunktzahlen im MMST

Abb. 4:    Verteilung erreichter Gesamtpunktzahlen im MMST nach Altersgruppen

Abb. 5:    Verteilung erreichter Gesamtpunktzahlen im Uhrentest

Abb. 6:    Verteilung erreichter Gesamtpunktzahlen im Uhrentest nach Altersgruppen

Abb. 7:    Verteilung beanspruchter Zeit im TMTA

Abb. 8:    Verteilung beanspruchter Zeit im TMTA nach Altersgruppen

Abb. 9:    Verteilung beanspruchter Zeit im TMTB

Abb. 10:   Verteilung beanspruchter Zeit im TMTB nach Altersgruppen

Abb. 11:   Resultat der Kontrollfahrt bei Abbruch im TMTB nach Häufigkeit

Tabellenverzeichnis

Tab.1:     Tests zur Erfassung verkehrsrelevanter kognitiver Funktionen

Tab. 2:    Resultat der Kontrollfahrt nach Indikationsgruppen

Tab. 3:    Unterschiedsprüfung der Screening-Tests hinsichtlich der zentralen Tendenz nach
           Altersgruppen

Tab. 4:    Unterschiedsprüfung der Screening-Tests hinsichtlich der zentralen Tendenz nach Resultat
           der Kontrollfahrt

                                                                                                   5
Zusammenfassung

Bei einer zunehmenden Zahl verkehrsmedizinischer Fahreignungsbegutachtungen ist die Beurteilung der
Fahreignung auf der Grundlage der gängigen Untersuchungsmethoden wie Anamnese, körperliche
Untersuchung und Laboruntersuchungen nicht abschliessend möglich. Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt
dient bei verschiedenen Fragestellungen als wertvolle Zusatzuntersuchung, um die Auswirkungen von
verkehrsmedizinisch relevanten Zuständen und die Kompensationsmechanismen der betroffenen
Personen im realen Strassenverkehr abzuschätzen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts des Mangels an vergleichbaren Übersichtsarbeiten im
vorliegenden Umfang erschien es sinnvoll, das grosse Kollektiv an Exploranden, die im IRM-UZH im Jahr
2011 im Kontext der Fahreignungsbegutachtung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt unterzogen
wurden, im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts im Sinne einer explorativen Standortbestimmung
aufzuarbeiten. Von besonderem Interesse war hierbei eine genaue Betrachtung der in der Gutachterpraxis
geläufigen Hirnleistungs-Screening-Tests im Hinblick auf ihre Aussagekraft bezüglich des Ausgangs einer
ärztlich begleiteten Kontrollfahrt.

Aufgearbeitet wurden sämtliche Fälle, die in der Abteilung Verkehrsmedizin und forensische Psychiatrie
des IRM-UZH im Jahr 2011 im Rahmen einer Fahreignungsbegutachtung einer ärztlich begleiteten
Kontrollfahrt unterzogen wurden. Von den insgesamt 302 Fällen wurden 295 Fälle in die statistische
Erhebung eingeschlossen. 7 Fälle wurden nicht berücksichtigt, da sie in der untersuchten Zeitperiode zwei
Kontrollfahrten hatten.

Die überwiegende Mehrzahl der untersuchten Personen war männlich (78.3%). Das Durchschnittsalter
zum Zeitpunkt der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt betrug 76 Jahre. 197 Personen (66.8%) erfüllten die
Anforderungen der Kontrollfahrt, davon 48 Personen knapp. Personen die jünger als 70 Jahre alt waren,
hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Kontrollfahrt zu bestehen.

136 Personen (46.1%) hatten zum Zeitpunkt der Kontrollfahrt entgegen der Empfehlung des zuständigen
Gutachters keine vorherige Nachschulung bei einem Fahrlehrer absolviert. Im Gesamtdurchschnitt wurden
von denjenigen Personen, die sich im Vorfeld einer freiwilligen Nachschulung unterzogen hatten, 10.3
Fahrstunden absolviert. Der Besuch von Fahrstunden hatte im untersuchten Kollektiv keinen signifikanten
Einfluss auf das Ergebnis der Kontrollfahrt. Es kann aufgrund der vorliegenden Untersuchungsbefunde
davon ausgegangen werden, dass höhergradige verkehrsmedizinisch relevante Einschränkungen
insbesondere der kognitiven Funktionen, auch durch eine intensive Nachschulung nicht mehr behoben
werden können.

Vom Gesamtkollektiv (N=295) wurden in 292 Fällen verkehrsmedizinisch relevante Diagnosen respektive
Zustände in den Originalakten (Gesamtdokumentation des begutachtenden Arztes inklusive allfälliger
angeforderter Fremdberichte) aufgeführt. Verschiedene Hauptgruppen liessen sich herausstellen:
Hirnleistungsschwäche, körperliche Behinderung, Konsum verkehrsmedizinisch relevanter Medikamente,
Augenerkrankungen und psychische Erkrankungen. Die überwiegende Mehrheit der Exploranden (N=234,
79.3%) hatte eine dokumentierte Hirnleistungsschwäche. Bei 90 Exploranden (30.5%) bestanden
somatische Erkrankungen. Zahlenmässig untergeordnet waren Personen mit Augenerkrankungen,
psychischen Erkrankungen und mit Konsum verkehrsmedizinisch relevanter Medikamente.
                                                                                                       6
Anhand der Originalakten liessen sich zudem verschiedene Indikationen zur ärztlich begleiteten
Kontrollfahrt ableiten: Hirnleistungsschwäche, körperliche Behinderung, grenzwertige Resultate in der
verkehrspsychologischen        Untersuchung,    Vorfall    im   Strassenverkehr,      Augenproblematik,
Medikamentenkonsum und psychische Erkrankungen. Die meistgenannte Indikation war mit 265 Fällen
(90.1% aller Fälle) die „Hirnleistungsschwäche“, gefolgt von den Indikationen „körperliche Behinderung“
(13.6%) sowie „Vorfall im Strassenverkehr“ (ebenfalls 13.6%).

Bei der Mehrzahl Exploranden wurden im Rahmen der verkehrsmedizinischen Begutachtung
Hirnleistungs-Screening-Tests durchgeführt. In 260 Fällen wurde ein MMST durchgeführt und in 259
Fällen ein Uhrentest. 272 Exploranden absolvierten einen TMTA, 261 einen TMTB. Die Altersgruppen
unterschieden sich hinsichtlich der Bearbeitungszeit im TMTA und im TMTB. Die unter 70-jährigen
Exploranden bearbeiten beide Tests signifikant schneller als die Gruppe der ab 70-Jährigen. In den Tests
MMST und Uhrentest unterschieden sich die Befunde hinsichtlich der zentralen Tendenz zwischen den
Altersgruppen jedoch nicht. Eine der Zielsetzungen dieser Arbeit war die Frage, ob die medizinischen
Screeningtests eine Aussage über den Ausgang der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt zulassen. Anhand
von Unterschiedsprüfungen konnte gezeigt werden, dass sich keiner der Testwerte der hier verwandten
Hirnleistungs-Screening-Tests hinsichtlich der zentralen Tendenz zwischen der Gruppe, die die
Kontrollfahrt bestanden hat und der Gruppe, die die Kontrollfahrt nicht bestanden hat, signifikant
unterschieden hat.

Auf der Basis der vorliegenden Untersuchungsergebnisse konnte somit abgeleitet werden, dass anhand
der Ergebnisse der in der Praxis geläufigen Hirnleistungs-Screening-Tests keine Rückschlüsse auf den
Ausgang der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt gezogen werden können. Für die gutachterliche Praxis hat
dies zur Folge, dass Exploranden, welche die Anforderungen der kognitiven Kurztests nicht erfüllen, nicht
grundsätzlich von der Durchführung einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt auszuschliessen sind. Dennoch
scheint sich anhand des betrachteten Kollektivs abzuzeichnen, dass Personen mit einem MMST von 21
Punkten oder weniger nur ausnahmsweise einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt zugewiesen werden
sollten.

1.    Einleitung

Die 83-jährige Frau M. fuhr am 30.05.2011 um ca. 18.10 Uhr mit ihrem Personenwagen auf der
Bahnhofstrasse in Uster und kollidierte dort infolge ungenügenden Rechtsfahrens seitlich mit einem
korrekt entgegenkommenden Fahrzeug. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden. Anlässlich der
polizeilichen Einvernahme gab Frau M. an, den seitlichen Abstand falsch eingeschätzt zu haben. Die
Kantonspolizei Zürich leitete ihren Unfall-Rapport vom 05.06.2011 an das Strassenverkehrsamt des
Kantons Zürich weiter.

     Die rechtlichen Grundlagen im Kontext der Teilnahme am motorisierten Strassenverkehr werden in
     der Schweiz durch das Strassenverkehrsgesetz (vgl. SVG [33] vom 19.12.1958 inkl. aktuelle
     Änderungen), die Verkehrszulassungsverordnung (vgl. VZV [35], vom 27.10.1976 inkl. aktuelle
     Änderungen) sowie durch die Verkehrsregelverordnung (vgl. VRV [34]vom 13.11.1976 inkl. aktuelle
     Änderungen) geregelt. „Polizei- und Strafbehörde haben die Pflicht, die für den Strassenverkehr
     zuständige Behörde zu benachrichtigen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erlangen, die zur
                                                                                                       7
Verweigerung oder zum Entzug des Ausweises führen können, wie z.B. schwere Krankheiten oder
   Süchte“ (vgl. Art. 104 Abs. 1 SVG [33]; Art. 123 Abs. 3 VZV[35]).

Zwischenzeitlich war beim zuständigen Strassenverkehrsamt auch eine ärztliche Drittmeldung
eingegangen, dass bei Frau M. Hinweise auf kognitive Defizite bestünden, weshalb Seitens des
behandelnden Hausarztes eine neutrale verkehrsmedizinische Beurteilung durch das Institut für
Rechtsmedizin vorgeschlagen wurde.

   Gemäss Artikel 15d Abs. 1 Buchstabe e des SVG [33] können Ärzte dem zuständigen
   Strassenverkehrsamt jederzeit eine Meldung betreffend ihrer Zweifel an der Fahreignung einer
   Person machen.

Aufgrund des Sachverhaltes kamen Zweifel an der Fahreignung von Frau M. auf, weshalb seitens der
zuständigen   Behörde     mit   Verfügung     vom     20.07.2011    eine    verkehrsmedizinische
Fahreignungsbegutachtung angeordnet wurde.

Zur verkehrsmedizinischen Begutachtung erschien die 83-jährige Explorandin pünktlich und gepflegt.
Anamnestisch war zu erfahren, dass sie alleinstehend ist und zweimal die Woche Unterstützung durch
eine ihrer beiden Töchter im Haushalt und für Einkäufe benötige. Im Alltag "hapere es" manchmal ein
wenig mit dem Gedächtnis. Gesundheitlich sei nebst einer medikamentös behandelten, leichten
Herzschwäche, alles soweit in Ordnung. Ihren Hausarzt suche sie regelmässig in etwa 3-monatlichen
Abständen auf. Bei der körperlichen Untersuchung wurden die medizinischen Mindestanforderungen
gemäss Anhang 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Strassenverkehr [29, 31 und
vgl. Anhang] erfüllt. Im Gespräch waren teilweise verlangsamte Gedankengänge und
Konzentrationsstörungen auffällig. Die orientierend durchgeführten Hirnleistungs-Screening-Tests waren
teilweise auffällig.

Die Fahreignung der Explorandin konnte auf der Grundlage der bisherigen Untersuchungsbefunde nicht
abschliessend beurteilt werden. In Zusammenschau aller vorliegenden Befunde (Vorfall im
Strassenverkehr, ärztliche Drittmeldung, fortgeschrittenes Alter, dokumentierte kognitive Defizite) wurde
die Indikation für eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt gestellt. Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt dient der
Beurteilung allfälliger verkehrsrelevanter Einschränkungen im realen Strassenverkehr im Sinne einer
praktischen Fahrprobe in Begleitung eines speziell ausgebildeten Arztes und eines Verkehrsexperten.

   Kontrollfahrten sind in der Verkehrszulassungsverordnung (VZV) [35] seit dem 13. Februar 1991
   geregelt. Gemäss Artikel 29 Absatz 1 VZV kann bei bestehenden Bedenken über die Eignung eines
   Fahrzeugführers zur Abklärung der notwendigen Massnahmen eine Kontrollfahrt angeordnet
   werden.

Im vorliegenden Fall ordnete die zuständige Behörde nach Eingang des ärztlichen Anmeldeformulars, auf
welchem Frau M. ihr schriftliches Einverständnis zur Probefahrt erteilt hatte, die ärztlich begleitete
Kontrollfahrt an. Die am 17.11.2011 durchgeführte Kontrollfahrt wurde von Frau M. aufgrund wiederholter
konkreter Eigen- und Fremdgefährdung klar nicht bestanden. Details über die Probefahrt wurden im
ärztlichen Protokoll festgehalten und ein verkehrsmedizinisches Gutachten zuhanden der zuständigen
Administrativbehörde erstellt. Da die Explorandin die Kontrollfahrt nicht bestanden hat, wurde ihr seitens

                                                                                                                 8
der zuständigen Behörde der Führerausweis entzogen (Art. 29 VZV Abs. 2 a [35]). Die Kontrollfahrt konnte
sie gemäss Art. 29 VZV Abs. 3 [35] nicht wiederholen.

2.    Von den Zweifeln an der Fahreignung zur Abklärung von Ausschlussgründen

Von einer interdisziplinären Expertengruppe für Verkehrssicherheit wurde im Jahr 2000 für
Strassenverkehrsämter und andere involvierte Behörden ein Leitfaden entworfen, welcher wichtige
Kriterien für eine Fahreignungsuntersuchung herausstellt [4]. Die Strassenverkehrsämter erhalten
demzufolge von verschiedenen Stellen Informationen betreffend Verdachtsgründen fehlender Fahreignung
einer Person. Dies kann eine polizeiliche Drittmeldung nach einer Widerhandlung im Strassenverkehr oder
eine ärztliche Drittmeldung (Artikel 15d Abs. 1 Buchstabe e des SVG [33]) sein. Im Rahmen der
periodischen Überprüfung der Fahreignung, die gemäss Art. 27 VZV bei über 70-jährigen
Motorfahrzeuglenkern alle 2 Jahre zu erfolgen hat [35], besteht für die untersuchenden Hausärzte zudem
die Möglichkeit, beim zuständigen Strassenverkehrsamt eine Untersuchung durch eine neutrale
Begutachtungsstelle wie das IRM-UZH, zu beantragen. Ferner kommt es auch vor, dass aus dem direkten
Umfeld einer Person eine Meldung betreffend fraglicher Fahreignung an die Behörden gelangt.
Nachfolgend sind einige von der obengenannten Expertengruppe erarbeitete Kriterien aufgeführt, welche
seitens des Strassenverkehrsamtes konkreten Handlungsbedarf im Sinne der Anordnung einer
verkehrsmedizinischen Abklärung der Fahreignung indizieren:

     • Alkoholkonsum 1: Fahren in angetrunkenem Zustand (FiaZ) mit einer Blutalkoholkonzentration von
       2.5 Gewichtspromille oder mehr, wenn in den letzten 5 Jahren vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt
       kein weiteres FiaZ-Ereignis begangen wurde. Beim 2. FiaZ innerhalb von 5 Jahren mit aktueller
       Blutalkoholkonzentration von über 1.6 Gewichtspromille respektive beim 3. FiaZ innerhalb von 10
       Jahren
     • Psychische Krankheiten: jede Mitteilung eines Arztes oder der Polizeibehörden bezüglich einer
       psychischen Erkrankung bei einer Person
     • Bewusstseinsstörungen
     • Drogenkonsum/Konsum psychotrop wirksamer Medikamente: Beim alleinigen Konsum von „harten
       Drogen“ wie Kokain oder Heroin. Bei Fahren in fahrunfähigem Zustand auch im Kontext der
       Einnahme anderer Drogen (wie Amphetamine, Cannabis, LSD) und/oder psychotrop wirksamer
       Medikamente (Benzodiazepine, Psychopharmaka und andere)
     • Methadonprogramm mit weniger als 6-monatiger stabiler Substitutionsbehandlung und/oder
       Beikonsum andere Drogen/psychotrop wirksamer Medikamente
     • Leistungsmässige Defizite wie allgemeine Verlangsamung, Umständlichkeit etc.

1
 Ab 01.07.2014 tritt die neue VZV in Kraft, welche unter anderem eine obligatorische Abklärung der Fahreignung bei Fahren in
angetrunkenem Zustand mit 1.6 Gewichtspromille oder mehr vorsieht [36]

                                                                                                                           9
• Charakterliche Defizite, die auf Rücksichtslosigkeit schliessen lassen, Aggressivität oder schwere
     und konkrete Verkehrsgefährdung

Anlässlich der verkehrsmedizinischen Untersuchung wird daraufhin die Fahreignung der zu
begutachtenden Person geprüft. In bestimmten Fällen muss die Fahreignung allein anhand der Resultate
der verkehrsmedizinischen Untersuchung verneint werden, ohne dass eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt
als weitere Abklärung veranlasst wird. In anderen Fällen kann die Fahreignung auf der Grundlage der
verkehrsmedizinischen Untersuchungsbefunde auch ohne Durchführung einer ärztlich begleiteten
Kontrollfahrt befürwortet werden. Nebst dieser beiden eindeutigen Negativ-, respektive Positiventscheide,
gibt es jedoch nicht wenige Befundkonstellationen bei denen die Fahreignung anhand der
verkehrsmedizinischen Untersuchung nicht abschliessend beurteilt werden kann. In solchen Fällen kann
eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt oder eine verkehrspsychologische Untersuchung hilfreich und sinnvoll
sein, um zu einer schlüssigen Aussage betreffend der Fahreignung einer Person zu gelangen.
In der nachfolgend aufgeführten Abbildung 1 sind zum besseren Verständnis die administrativen Abläufe
rund um die verkehrsmedizinische Untersuchung respektive ärztlich begleitete Kontrollfahrt schematisch
dargestellt. Sie auch Kapitel 4.3.1

                                                                                                        10
Abbildung 1: Darstellung administrativer Abläufe im Kontext der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt

3.    Die verkehrsmedizinische Begutachtung

Schwerpunkt der Untersuchung ist die Abklärung der Fahreignung im Kontext einer allfälligen
verkehrsrelevanten Erkrankung, die gemäss Untersuchungsauftrag Anlass zur Begutachtung gibt [1]. Der
eigentlichen verkehrsmedizinischen Untersuchung geht ein eingehendes Studium der vom Auftraggeber
(unter anderem Strassenverkehrsämter, Administrativbehörden, SUVA, IV-Stellen etc.) zur Verfügung
gestellten Akten voraus. Diese enthalten im Idealfall Angaben zu medizinischen Diagnosen und Befunden.
Falls eine Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz Anlass zur verkehrsmedizinischen
Begutachtung gibt, liegt in der Regel ein entsprechender polizeilicher Rapport vor.

Die Exploranden werden mehrheitlich schriftlich zur verkehrsmedizinischen Untersuchung aufgeboten. Zu
Beginn der Begutachtung wird der Explorand kurz über deren Sinn und Zweck aufgeklärt. Das
anschliessende   Anamnesegespräch       dient     der    Erörterung   möglichst   aller  wesentlichen
                                                                                                     11
verkehrsmedizinisch relevanten Aspekte. Danach erfolgt die körperliche Untersuchung. Bei Bedarf werden
Zusatzuntersuchungen wie Hirnleistungs-Screeningtests oder Laboruntersuchungen durchgeführt. Bei
bestimmten Fragestellungen werden weitere Abklärungen wie technische Funktionsprobe oder
verkehrspsychologische Untersuchung in die Wege geleitet. Nebst der Angaben des Exploranden werden
im Regelfall auch Fremdauskünfte von Drittpersonen (in erster Linie behandelnde Ärzte, Psychologen und
Spitäler) eingeholt und in der Gesamtbeurteilung gewürdigt.

Die nachfolgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Zusammenfassungen der
Arbeitsgruppe Qualitätssicherung in der Verkehrsmedizin zur verkehrsmedizinischen Untersuchung (Die
verkehrsmedizinische Untersuchung, Arbeitsgruppe Qualitätssicherung in der Verkehrsmedizin, Februar
2012 resp. Mai 2012).

3.1 Das Aktenstudium

Vom Auftraggeber der verkehrsmedizinischen Untersuchung wird in der Regel ein Aktendossier zur
Verfügung gestellt. Es wird empfohlen, diese Akten vor dem Gespräch mit dem Exploranden gründlich zu
studieren [28]. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Vorinformationen variiert von Fall zu Fall stark.
Nebst ausführlicher Dossiers mit Polizeirapporten, chemisch-toxikologischen Untersuchungsbefunden und
Arztprotokollen ist es durchaus möglich, dass nur ein Stichwort wie „kognitive Defizite“ oder „regelmässiger
Alkoholüberkonsum“ als Vorinformation über die zu begutachtende Person vorhanden ist. Wichtige
Fragen, die sich der Arzt je nach Umfang der verfügbaren Informationen bereits im Rahmen des
Aktenstudiums vor dem Begutachtungstermin stellt, lauten:

   • Wurde ein Motorfahrzeuglenker im Vorfeld der Untersuchung in Folge eines Unfalls oder einer
     auffälligen Fahrweise durch die Polizei dem zuständigen Strassenverkehrsamt gemeldet? In diesen
     Fällen wird der Gutachter im Sinne der allgemeinen Verkehrssicherheit eher dazu tendieren, sich
     einen Eindruck von den praktischen Fahrkenntnissen des Exploranden zu machen.
   • Welche Zweifel hatte der betreuende Hausarzt bezüglich Fahreignung seines Patienten, die ihn
     dazu veranlasst haben, eine entsprechende behördliche Meldung zu machen?
   • Welche verkehrsmedizinisch relevanten Erkrankungen respektive Zustände sind bereits bekannt?
     Können diese Erkrankungen mit kognitiven Einschränkungen einhergehen?
   • Sind somatische Erkrankungen bekannt, bei denen mit einer Beeinträchtigung der
     ordnungsgemässen Fahrzeugbedienung zu rechnen ist?
   • Werden bestimmte Medikamente eingenommen, die sich negativ auf Fahrfähigkeit und/oder
     Fahreignung auswirken können?
   • Welche spezialärztlichen Abklärungen wurden im Vorfeld der Begutachtung bereits veranlasst?

3.2 Anamnese

Die Anamnese ist das Herzstück der verkehrsmedizinischen Begutachtung. Sie dient der Erfassung des
sozialen Hintergrunds der zu begutachtenden Person sowie deren automobilistischer Vorgeschichte. Von
besonderem Interesse ist die möglichst vollständige Erhebung aller relevanten medizinischen Aspekte.

                                                                                                         12
Soziale Anamnese
Im Rahmen der verkehrsmedizinischen Untersuchung wird in der Regel zunächst eine soziale Anamnese
erhoben. Hierbei werden einerseits Schulbildung und beruflicher Werdegang in Kürze erfasst, was u.a. für
die spätere Beurteilung allfällig durchgeführter Hirnleistungs-Kurztest (vergleiche Kapitel 3.4
Zusatzuntersuchungen) von Bedeutung ist. Andererseits werden Art und Ausmass der aktuellen
beruflichen Tätigkeit sowie Fragen zur Familiensituation und Freizeitgestaltung geklärt. Bei Exploranden
mit einer Gesundheitsproblematik oder Senioren dient dieser Teil der Anamneseerhebung insbesondere
der Erfassung allfälliger Hilfestellungen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (kurz ADL`s, umfassen
u.a. Aspekte wie Haushaltsführung, Einkaufen, Finanzen, Ankleiden, persönliche Hygiene u.a.) und
erlaubt einen Eindruck über den Grad der Selbständigkeit in der Lebensführung.

Automobilistische Anamnese
Dieser Abschnitt der Exploration widmet sich der Frage, über welche Führerausweiskategorien die zu
begutachtende Person verfügt und zu welchem Zeitpunkt diese jeweils erworben wurden. Daneben wird
erfragt, ob bereits medizinische oder anderweitige Auflagen im Zusammenhang mit dem Führerausweis
bestehen. Ferner wird die bisherige Fahrpraxis des Exploranden eruiert. Ein besonderes Augenmerk liegt
in diesem Zusammenhang auf bisherigen Bussen und/oder Führerausweisentzügen wegen
Strassenverkehrsgesetzwiderhandlungen. Wichtig ist auch die Frage nach den jeweiligen
Fahrbedürfnissen (werden zum Beispiel nur noch Kurzstrecken in der Umgebung des Wohnortes gefahren
oder auch noch weitere Strecken unter Benützung der Autobahn etc.) und die ungefähre jährliche
Kilometerleistung. Insbesondere bei Senioren sollte zusätzlich angesprochen werden, ob möglicherweise
gewisse Situationen (zum Beispiel Fahrten bei Dämmerung/Dunkelheit) freiwillig gemieden werden.

Medizinische Anamnese
Wie bei jeder ärztlicher Konsultation dient dieser Teil der Anamneseerhebung dem Erfassen allfälliger
medizinischer Probleme. Neben der Frage nach Hausarztkonsultationen und behandelnden Spezialärzten
sowie    stationären    Hospitalisationen   und    bisherigen  Operationen,   werden     verschiedene
(verkehrsmedizinisch relevante) Symptome, wie beispielsweise Bewusstseinsstörungen, Schwindel,
vermehrte Tagesmüdigkeit, Verletzungsfolgen usw. erfragt. Da die Exploranden von sich aus häufig
keinen umfassenden Überblick über ihre Krankengeschichte zulassen, sollten die wichtigsten
Organsysteme in Kürze abgefragt werden: Fragen nach bisherigen Herz-Kreislaufproblemen,
Lungenerkrankungen, Anfallsleiden, Diabetes mellitus und anderen Stoffwechselerkrankungen,
neurologischen Erkrankungen, Augenerkrankungen, Behandlungen aufgrund psychischer Probleme,
Leber- und Nierenerkrankungen etc., sind dabei unerlässlich. In diesem Zusammenhang ist auch die
Frage nach der Einnahme von Medikamenten von grosser Wichtigkeit. Ferner sollte anlässlich der
Erhebung der medizinischen Anamnese auch das Konsumverhalten betreffend Alkohol, Nikotin und
Drogen erfragt werden. Je nach Untersuchungsanlass und vorliegenden Erkrankungen, sollte die
Anamnese noch weiter vertieft werden. Bei Senioren sollten beispielsweise allfällige kognitive
Schwierigkeiten im Alltag (zum Beispiel zunehmende Vergesslichkeit) erfragt und geklärt werden, ob bis
anhin bereits Abklärungen wegen einer Hirnleistungsschwäche stattgefunden haben. Bei Vorhandensein
einer Augenproblematik dürfen gezielte Fragen, unter anderem nach dem Dämmerungssehvermögen,
nach der Blendeempfindlichkeit und der Kontrastwahrnehmung, nicht vergessen werden.

                                                                                                     13
3.3 Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung des Exploranden umfasst die Erhebung eines kursorischen Status unter
besonderer        Berücksichtigung         der     medizinischen     Mindestanforderungen       gemäss
Verkehrszulassungsverordnung [vgl. Anhang]. Der Status beinhaltet die Erhebung von Grösse, Gewicht
und Allgemeinzustand und dient dem Erfassen auffälliger Befunde an: Bewegungsapparat (insbes. rasche
Kopfdrehung bis mind. 45° beidseits), Herz-Kreislaufsystem (Herzauskultation, Blutdruck- und
Pulsmessung), Lungen, Abdomen und Haut (Alkoholstigmata). Ein wichtiger Bestandteil der körperlichen
Untersuchung bei der Fahreignungsbegutachtung ist die kursorische neurologische Untersuchung
(Motorik, Sensibilität, Tiefensensibilität, Koordinations- und Gleichgewichtstests wie Romberg-
Stehversuch, Finger-Nase-Versuch, Strichgang, Muskeleigenreflexe) sowie die Augenuntersuchung
(Fernvisus ohne und mit allfälliger Korrektur, fingerperimetrische Gesichtsfeldprüfung, Augenmotilität,
Pupillenreaktion). Zusätzlich sollte bei jeder Fahreignungsbegutachtung ein kurzer Psychostatus erhoben
werden.

3.4 Zusatzuntersuchungen

Je nach Frage- und Problemstellung kann die Indikation für die Durchführung zusätzlicher
Untersuchungen gegeben sein.

3.4.1 Hirnleistungs-Screening-Tests

Bei klinischen Auffälligkeiten der Exploranden (zum Beispiel Verhaltensauffälligkeiten, ausschweifende
Antworten, inadäquate Reaktionen auf Anweisungen, Zeichen der Verwahrlosung, umständliches
Vorgehen beim An- und Auskleiden, allgemeine psychomotorische Verlangsamung) und häufig auch als
Screening-Untersuchung bei Senioren (> 70 Jahren) sowie bei Vorhandensein bestimmter Erkrankungen
(insbesondere neurologische Erkrankungen wie Status nach cerebrovaskulärem Insult, Status nach
Schädel-Hirn-Trauma, Multiple Sklerose und andere), werden am IRM-UZH routinemässig Hirnleistungs-
Kurztests durchgeführt. Bei Fremdsprachigkeit oder Personen mit fehlender Schulbildung sind die
nachfolgend aufgeführten Tests jedoch nur sehr begrenzt durchführbar.

Mini-Mental-Status-Test (MMST)
Aufgrund seiner leichten Durchführbarkeit ist der MMST nach Folstein, Folstein & Folstein SE, McHugh PR
[5 und vgl. Anhang] immer noch das am häufigsten verwendete testpsychologische Instrument. Dieser
Test erfasst die kognitive Leistungsfähigkeit in den Bereichen „zeitliche und örtliche Orientierung (max. 10
Punkte), Merk- und Erinnerungsfähigkeit (max. 6 Punkte), Aufmerksamkeit und Flexibilität (max. 5 Punkte),
Sprache (max. 3 Punkte), Anweisungen befolgen (max. 3 Punkte), Lesen, Schreiben und Nachzeichnen
(je 2 Punkte)“ [9]. Es können maximal 30 Punkte erreicht werden. Der erzielte Punktwert erlaubt eine
ungefähre Einschätzung des Schweregrades der vorliegenden Hirnleistungsschwäche. Für die
Interpretation der Punktwerte differieren die Studienergebnisse. Allgemein deuten Punktwerte von 26 und
höher auf einen normalen Zustand hin. Personen mit einer milden Alzheimer Ausprägung tendieren zu
Punktewerten zwischen 20 und 24. Punktewerte zwischen 10 und 19 deuten auf eine moderate Demenz
hin. Ein Punktwert von unter 10 zeigt eine sehr schwerwiegende Beeinträchtigung an [15].
                                                                                                         14
Uhrentest
Auch der Uhrentest nach Shulman et al. [27 und vgl. Anhang] ist einfach durchführbar und daher eine weit
verbreitete Screeningmethode bei Verdacht auf kognitive Defizite. Der Explorand erhält dabei ein Blatt
Papier mit einem leeren Kreis darauf und erhält die Aufgabe „Zeichnen Sie eine Uhr mit allen Zahlen und
Zeigern, die dazugehören!“ und „Tragen Sie die Uhrzeit (in einem leeren Feld auf dem Papier) ein, wie sie
zum Beispiel auf einem Fahrplan stehen würde!“ Erfasst werden in erster Linie „das problemlösende
Denken und die räumlich-zeichnerische Leistung“ [2], In der Abteilung für Verkehrsmedizin der Universität
Zürich erfolgt die Beurteilung des Uhrentests in der Regel nach einem Punktevergabesystem: Für die
korrekte Position der Zahl 12 werden 2 Punkte vergeben. Sind genau 12 Zahlen auf dem Ziffernblatt
vorhanden, wird 1 zusätzlicher Punkt erteilt. Können 2 Zeiger differenziert werden, so werden 2 weitere
Punkte vergeben. Stimmt die gezeichnete Zeit mit der abgelesenen Zeit überein, werden 2 weitere Punkte
gegeben. Insgesamt können maximal 7 Punkte erreicht werden. Geläufig ist zuweilen auch die Einteilung
„auffällig“ in verschiedenen Abstufungsgraden. Einheitliche Grundlagen für diese Interpretation gibt es
jedoch nicht. In der Literatur finden sich verschiedene Vorschläge zur Auswertung des Uhren-Tests, eine
allgemein akzeptierte Befund-Interpretation existiert hingegen bisher nicht [9]. Auch hausintern gibt es am
IRM-UZH keine einheitliche Regelung für die Interpretation.

Trail-Making-Test (TMT) Teil A und B
Der Trail-Making-Test [vgl. Anhang] ist ein neuropsychologischer Test mit militärischem Hintergrund [17],
der die Umstellfähigkeit und visuelle Aufmerksamkeit misst. Das Testprinzip besteht darin, dass der
Explorand aufgefordert wird, auf dem Papier verstreute Zahlen (resp. Zahlen und Buchstaben) in
aufsteigender Reihenfolge so schnell wie möglich miteinander zu verbinden [9]. Beim TMT A sind auf
einem A4-Blatt die Zahlen 1 bis 25 aufgeführt, die in aufsteigender Reihenfolge miteinander verbunden
werden müssen. Der Explorand sollte vor Testbeginn ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass er
die Aufgabe so rasch wie möglich ausführen sollte und es nicht darauf ankommt, dass die Zahlen „optisch
schön“ miteinander verbunden werden. Die benötigte Zeit in Sekunden wird anschliessend anhand einer
Normtabelle [vgl. Anhang] mit den alters- und ausbildungskorrigierten Durchschnittszeiten verglichen.

Beim TMT B befinden sich auf einem A4-Blatt die Zahlen 1-13 und Buchstaben von A-L, die abwechselnd
in aufsteigender Reihenfolge - wiederum so rasch wie möglich - miteinander verbunden werden müssen
(1-A-2-B-3-C usw.), die Normwerte sind ebenfalls alters- und ausbildungsabhängig [24]. Der TMT B stellt
dabei ein Mass für die kognitive Flexibilität und die geteilte Aufmerksamkeit dar, welche
verkehrsmedizinisch besondere Relevanz besitzen. Nebst der benötigten Zeitdauer gilt es auch zu
berücksichtigen, ob der Test fehlerfrei oder fehlerhaft ausgeführt wurde. Es wird empfohlen, die
Bearbeitung jedes Testteils nach ca. 4-5 Minuten abzubrechen, um die Exploranden nicht unnötig zu
strapazieren [9].

3.4.2 Laboruntersuchungen/ chemisch-toxikologische Analysen

Bei bestimmten Fragestellungen kann die Indikation für Laboruntersuchungen und/oder chemisch-
toxikologische Analysen gegeben sein. Eine Untersuchung der alkoholrelevanten Parameter im Blut (GOT,
GPT, Gamma-GT, CDT, MCV) kann beispielsweise bei Hinweisen auf eine Alkoholproblematik erforderlich
sein. Ferner kann anhand einer Blutuntersuchung überprüft werden, ob bestimmte Medikamente im

                                                                                                        15
therapeutisch wirksamen Bereich liegen, was vor allem bei Antiepileptika und Psychopharmaka
bedeutsam sein kann und insbesondere auch einen Rückschluss auf die Therapietreue der zu
begutachtenden Person zulässt. Urinscreening-Untersuchungen werden durchgeführt, um einen Konsum
psychotrop wirksamer Medikamente oder Drogen im unmittelbaren Zeitraum vor der
verkehrsmedizinischen Untersuchung zu detektieren. Bedarfsweise werden bei unklaren Urinscreening-
Befunden beweiskräftige Urin-Bestätigungsanalysen veranlasst. Bei speziellen Fragestellungen werden
Haaranalysen zur Überprüfung der längerfristigen Konsumgewohnheiten betreffend Alkohol,
Medikamenten und/oder Drogen durchgeführt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Aufklärung des
Exploranden über Zweck und zu erwartenden Kosten der jeweiligen Zusatzuntersuchungen.

3.4.3 Technische Funktionsprobe

Bei verschiedenen körperlichen Einschränkungen respektive Behinderungen kann allein auf der
Grundlage der klinischen Untersuchung und der anamnestischen Angaben des Exploranden nicht
ausreichend gut abgeschätzt werden, ob die erhobenen Befunde eine ordnungsgemässe
Fahrzeugbedienung zulassen. In diesen Fällen wird die Indikation zur Durchführung einer technischen
Funktionsprobe [vgl. Anhang] bei einem speziell ausgebildeten Verkehrsexperten gestellt und durch den
begutachtenden Arzt beim zuständigen Strassenverkehrsamt angemeldet. Auch Hausärzte können bei
Funktionseinbussen des Bewegungsapparates mit möglichen Auswirkungen auf die Fahrzeugbedienung,
eine Überprüfung durch einen speziell ausgebildeten Verkehrsexperten bei der kantonalen
Strassenverkehrsbehörde beantragen [37].
Anhand eines speziellen Testapparats werden dabei die Kraft in Beinen und Armen, die Beweglichkeit, die
Zielsicherheit beim Betätigen der Pedalerie sowie das Reaktionsvermögen (beispielsweise beim Wechsel
von Gas- auf Bremspedal) überprüft. Basierend auf den Testergebnissen werden die Möglichkeiten
technischer Fahrzeuganpassungen (zum Beispiel Bremskraftverstärker, Handgas) und Kriterien der
Fahrzeugwahl (zum Beispiel Auflage „nur Automaten“) festgelegt [32].

3.4.4 Verkehrspsychologische Untersuchung der kognitiven Fahreignung

Am IRM-UZH wird nach vorgängiger verkehrsmedizinischer Untersuchung bei bestimmten
Fragestellungen eine verkehrspsychologische Untersuchung der Fahreignung bei einem
Verkehrspsychologen veranlasst, worin entweder die kognitive und oder charakterliche Fahreignung
abgeklärt wird. Voraussetzung hierfür ist die vorherige Aufklärung des Exploranden über Sinn und Zweck
der Untersuchung und die damit verbundenen Zusatzkosten. In der aktuellen Arbeit ist nur die kognitive
Fahreignungsbegutachtung relevant. Sinnvolle Indikationen für diese Zusatzuntersuchung sind Zustände
oder Erkrankungen, die häufig mit kognitiven Einbussen einhergehen. Im Handbuch der
verkehrsmedizinischen Begutachtung [8] werden in diesem Zusammenhang unter anderem psychiatrische
Erkrankungen, Status nach Schädel-Hirn-Trauma und Medikation mit Psychopharmaka aufgeführt. Diese
„Testbatterie“ dauert etwa 90 bis 120 Minuten und beinhaltet neben einem kurzen Gespräch bis zu 8
Untertests aus dem ART 2020 [3], welche der Erfassung verschiedener, nachfolgend aufgeführter,
verkehrsrelevanter Hirnleistungen dienen (siehe Tabelle 1):

                                                                                                    16
Test                              Untersuchung/Erfassung von:

MAT                 Erfassung der logischen Denk- und Abstraktionsfähigkeit

GEMAT               Erfassung der Konzentrations- und Merkfähigkeit; visuell-räumliches
                    Kurzzeitgedächtnis

Q1                  Erfassung der Aufmerksamkeitsleistung unter Monotonie; selektive
                    Aufmerksamkeit und Vigilanz

LL5                 Erfassung der visuellen Strukturierungsfähigkeit bzw. visuellen
                    Orientierungsfähigkeit

TT15                Erfassung der Überblicksgewinnung

PVT                 Erfassung der peripheren Wahrnehmung bei gleichzeitiger Lenkaufgabe
                    bzw. Erfassung der geteilten Aufmerksamkeit

RST3                Erfassung der reaktiven Belastbarkeit und Frustrationstoleranz bzw. der
                    Daueraufmerksamkeit

DR2                 Erfassung des Entscheidungs- und Reaktionsverhaltens

Tabelle 1:    Tests zur Erfassung verkehrsrelevanter kognitiver Funktionen

Bei grenzwertigen oder inkongruenten Resultaten, die keine eindeutige Aussage bezüglich Auswirkung
der erhobenen Defizite im Strassenverkehr zulassen, wird in Einzelfällen zusätzlich eine ärztlich begleitete
Kontrollfahrt veranlasst, um im realen Setting zu prüfen, ob festgestellte Defizite kompensierbar sind.
Bei Senioren bieten die zur Abklärung der kognitiven Funktionen heute zur Verfügung stehenden
Testverfahren nach empirischen Erkenntnissen keine objektive Beurteilungsgrundlage [21]. In erster Linie
wird bemängelt, dass die oben erwähnten Tests bei Senioren zu wenig praxisrelevant sind und
beispielsweise keine Aussage darüber zulassen, ob kognitive Defizite im realen Strassenverkehr allenfalls
(durch die langjährige Fahrroutine) kompensiert werden können. Senioren mit zweifelhafter kognitiver
Fahreignung werden daher am IRM-UZH mehrheitlich primär einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt
zugeführt.

3.5 Medizinische Fremdauskünfte

Nach Entbindung von der ärztlichen Geheimhaltepflicht [vgl. Anhang] werden bei den meisten
verkehrsmedizinischen Fragestellungen schriftlich ergänzende Auskünfte [vgl. Anhang] von behandelnden
Ärzten eingeholt. Diese Anfrage soll einerseits die anamnestischen Angaben des Exploranden ergänzen,
andererseits auch deren Wahrheitsgehalt prüfen. Nicht selten werden beispielsweise seitens der
Exploranden unvollständige oder falsche Angaben insbesondere zur Einnahme von Medikamenten oder
                                                                                                         17
zum Konsumverhalten in Punkto Alkohol oder Drogen gemacht. Sobald die Fahreignung in Frage gestellt
wird, besteht auch die Gefahr, dass die betroffene Person zur Aufrechterhaltung ihrer Fahreignung
relevante medizinische Aspekte, wie zum Beispiel rezidivierende Ohnmachtsanfälle, bewusst verschweigt.
Ein Fremdbericht wird in erster Linie beim betreuenden Hausarzt eingeholt, der im Idealfall über die
gesamte Krankengeschichte der zu begutachtenden Person verfügt. Häufig wird eine allgemeine Anfrage
betreffend Diagnosen, Therapie, Verlauf, Prognose und Labor verfasst. Je nach Sachlage wird gezielt
gefragt, ob der Arzt seinen Patienten zum Beispiel schon längerfristig als psychisch stabil erachtet oder
wie hoch die Blutdruckwerte bei den letzten Sprechstunden-Konsultationen waren. Auch die Frage nach
der zuverlässigen Einhaltung der ärztlichen Weisungen kann bedeutsam sein. Ebenso wie auch die Frage
nach bestehenden Alkoholproblemen.

Bei Bedarf werden im Einverständnis mit dem Exploranden auch Spitalberichte angefordert oder ein die
Therapie begleitender Psychologe um eine Stellungnahme zum bisherigen Therapieverlauf gebeten. Nicht
selten werden auch telefonische Rücksprachen mit den im Behandlungskontext involvierten ärztlichen
Fachpersonen geführt, wobei zu betonen ist, dass diese Art des Informationsaustauschs gewisse
„Gefahren“ birgt, insbesondere wenn im Falle einer negativen Beurteilung der Fahreinung telefonische
Fachgespräche zitiert werden.

4.   Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt

„Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt kommt dann zur Anwendung, wenn medizinisch begründete
Eignungsmängel bestehen und die Fahreignung durch die vorangehende klinische Abklärung nicht
definitiv beurteilt werden kann“ [21]. Da die ärztlich begleitete Kontrollfahrt eine vergleichsweise kurze
Momentaufnahme darstellt, sollten die jeweiligen Einschränkungen im Idealfall relativ konstant vorhanden
sein.

4.1 Die Kontrollfahrt in der Literatur

Eine Expertengruppe hat im Auftrag des Vereins Swiss Memory Clinics praktische Empfehlungen für die
Einschätzung der Fahreignung in Memory Clinics abgeleitet und in der Zeitschrift Praxis veröffentlicht [16].
Kontrollfahrten sind in diesem Artikel ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Fahreignung im Falle
von nicht schlüssigen übrigen Untersuchungsresultaten. Ferner wurden charakteristische Indikationen für
Kontrollfahrten aufgeführt. Darunter sind zum Beispiel die leichte Demenz, fehlende Schulbildung oder
Fremdsprachigkeit mit resultierend schwieriger Beurteilung der kognitiven Beeinträchtigung und
Multimorbidität durch das Zusammenwirken von verschiedenen leichten Erkrankungen genannt. Die
Expertengruppe empfiehlt, vor einer Kontrollfahrt Fahrstunden bei einem konzessionierten Fahrlehrer zu
nehmen.

Seeger [23] leitet erfahrungsgestützt als Faustregel für die verkehrsmedizinischen Praxis ab, dass ältere
Fahrzeuglenker mit einem MMST < 21 eine Kontrollfahrt in aller Regel nicht mehr bestehen. Bei einem
Ergebnis zwischen 23 und 30 Punkten im MMST kann die Fahrprobe nach Seeger sowohl negativ wie
auch positiv verlaufen. Bei einem nicht erfüllten Trail Making Test Teil-A (das heisst mit Fehlern und/oder
Zeitüberschreitung) von Personen mit einer durchschnittlichen Bildung, verläuft nach Beurteilung des
                                                                                                         18
selbigen Autors eine Kontrollfahrt in 98% der Fälle negativ. Zudem betont Seeger, dass die Fahrprobe bei
Probanden, die den Trail Making Test Teil-B in der Normzeit und fehlerfrei absolvieren können, immer
positiv verläuft.

In einem weiteren Artikel teilt Seeger [22] die über 70-jährigen Motorfahrzeuglenker im Zusammenhang
mit der periodischen Überprüfung der Fahreignung in drei Gruppen ein: gesunde Senioren im Alter
zwischen 70 und 80 Jahren, gesunde Hochbetagte ab einem Alter von 80 Jahren und kranke Personen
mit verkehrsmedizinisch relevanten Einschränkungen. Die wichtigste verkehrsmedizinisch relevante
Krankheit ist bei Personen über 70 Jahren die beginnende Demenz [25]. Bei Vorliegen einer
mittelschweren Demenz (zum Beispiel erforderliche Betreuung, unselbständige Lebensführung) ist die
Fahreignung nicht gegeben. Bei leichter Demenz (z.B. soziale Aktivitäten und Körperpflege eingeschränkt)
ist die Fahreignung zumindest fraglich. Zusatzuntersuchungen wie kognitive Kurztests oder ärztlich
begleitete Kontrollfahrt können Klärung bringen. In einer früheren Arbeit von Seeger [20] wurden
Einsatzgebiete der ärztlich begleiteten Fahrprobe abgeleitet. Als Hauptgruppen wurden definiert:
beginnende Demenz-Erkrankung, neurologisch bedingte Einschränkungen, Augenprobleme und
Einschränkungen des Bewegungsapparates. Bei diesen Erkrankungen nennt er eine ärztlich begleitete
Fahrprobe in Zweifelsfällen als wertvolle Zusatzuntersuchung.

Wächter [30] analysierte in einer Langzeituntersuchung zwischen 1995 und 2012 die ärztlich begleitete
Kontrollfahrt als Beurteilungskriterium bei Fahrzeuglenkern mit einer Parkinson-Erkrankung. Etwa 25% der
Exploranden bestanden die Fahrprobe nicht. Als Hauptgrund für das Nichtbestehen wurden kognitive
Defizite genannt. Von denjenigen, die die Fahrprobe bestanden haben, waren mehr als 30% knapp.
Wächter führt aus, dass die ärztlich begleitete Kontrollfahrt insbesondere bei grenzwertigen Befunden
hinsichtlich Hirnleistungen und/oder motorischen Funktionen eine zweckmässige Ergänzung zur
Untersuchung bildet.

In einer internationalen Studie aus Deutschland [12] wurde die praktische Fahrprobe im mittleren und
höheren Lebensalter überprüft. Limitierend bei dieser Studie war, dass es sich bei den Testpersonen um
(neurologisch und psychiatrisch) gesunde Teilnehmer mit einer jährlichen Fahrleistung über 3000 km
handelt. Zudem wurde die Testfahrt mit einem der Testperson fremden Fahrschulfahrzeug absolviert. Als
Ergebnis ist festzuhalten, dass die Teilnehmer zu 95 % die Fahrprobe bestanden haben und damit auch
mit einem fremden Fahrzeug auf unbekannter Strecke zurechtkommen. Die Personen, die durchgefallen
waren, waren durchwegs im höheren Alter (> 68 Jahre). Haupterkenntnis aus dieser Studie war, dass
praktische Fahrproben auch bei Personen im höheren Lebensalter anwendbar sind.

In einem Fachartikel aus Deutschland von Schubert und Wagner [19] wurde die Beobachtung konkreten
Fahrverhaltens als Ergänzung der klassischen verkehrspsychologischen Testverfahrten diskutiert. Im
Unterschied zu vielen Kantonen der Schweiz ist die Fahrverhaltensbeobachtung in Deutschland Domäne
der (Verkehrs-) Psychologen. In dem Beitrag wird betont, dass die Fahrverhaltensbeobachtung nur von
einem erfahrenen Gutachter durchgeführt werden sollte. Als Indikation für die Durchführung einer
psychologischen Fahrverhaltensbeobachtung wird ein unzureichendes Resultat in der vorgeschalteten
Testdiagnostik genannt. Als wesentliche Beurteilungskriterien der Fahrverhaltensbeobachtung werden
Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung/Aufmerksamkeitsleistung, risikobezogene Selbstkontrolle
und Handlungszuverlässigkeit aufgeführt.

                                                                                                     19
In einer österreichischen Studie von Kaufmann und Risser [10] mit 103 Proband/-innen wurde festgestellt,
dass schlechtere verkehrspsychologische Testergebnisse (zum Beispiel im Rahmen von Reaktions- und
Koordinationstests) auch zu einer schlechteren Beurteilung des praktischen Fahrverhaltens führten. Die
Leistungstests zur Beurteilung von Überblicksgewinnung, Reaktionsfähigkeit, Belastbarkeit und
Koordination ermöglichten gestützt durch Berechnungen mittels der binären logistischen Regression die
Ableitung von Aussagen, inwieweit die fahrerischen Leistungen eines Probanden bei einer Fahrprobe eher
positiv oder negativ eingeschätzt würden. Es handelte sich in dieser Studie um eine standardisierte
Fahrstrecke, bei der die beiden Beobachter des Fahrverhaltens nicht über die Zuweisungsgründe zur
verkehrspsychologischen Untersuchung und nicht über das Ergebnis der zuvor absolvierten Leistungstests
der Probanden informiert wurden.

4.2 Kantonale Unterschiede

Die Kontrollfahrt wird in der Schweiz auf Anordnung des zuständigen Strassenverkehrsamtes nach
eingehender verkehrsmedizinischer Abklärung durchgeführt. Innerhalb der Schweiz ist die Kontrollfahrt
keineswegs einheitlich, sondern kantonal geregelt. In einigen Kantonen (u.a. Graubünden, Luzern,
Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen, Thurgau, Zürich) hat sich die durch einen Verkehrsexperten geleitete,
ärztlich begleitete Kontrollfahrt etabliert und bewährt. In der Mehrzahl der Fälle besitzt die ärztliche
Fachperson eine verkehrsmedizinische Zusatzqualifikation und/oder ist Inhaber des Titels
„Verkehrsmediziner SGRM“. Im Kanton Bern ist hingegen beispielsweise die durch einen Psychologen
begleitete Kontrollfahrt geläufig. Informationen über die im jeweiligen Kanton gängige Beurteilungspraxis
sind nicht auf allen Homepages der jeweiligen Strassenverkehrsämter in Erfahrung zu bringen. Vom
Kanton St. Gallen ist das gängige Prozedere hingegen anhand eines wissenschaftlichen Vortrags an der
Sommertagung der schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM) am 11. und 12.05.2012 in
St. Gallen bekannt [7]. Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt hat sich demnach im Kanton St. Gallen bei
Senioren, somatischen und psychischen Erkrankungen, Medikamenten-Einfluss und Folgen von
Suchtmittelproblematik als aussagekräftige und praxisnahe Zusatzuntersuchung bei der
Fahreignungsbegutachtung         bewährt.     Die   in     Vorbereitung    stehende    Neuauflage      der
Verkehrszulassungsverordnung sieht eine einheitliche Regelung der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt vor.

4.3 Die ärztlich begleitete Kontrollfahrt am IRM-UZH

Am IRM-UZH stellt die ärztlich begleitete Kontrollfahrt unter bestimmten Voraussetzungen eine etablierte
Zusatzuntersuchung in der Fahreignungsbegutachtung dar. Wird die Indikation für eine ärztlich begleitete
Kontrollfahrt gestellt, so sind einige wichtige Aspekte zu beachten, die in erster Linie der Information und
Aufklärung des Exploranden dienen. Planung und Durchführung der eigentlichen Kontrollfahrt erfolgen
individuell in Anpassung an die jeweilige Fallkonstellation.

4.3.1 Welche Umstände führen zur Kontrollfahrt

Als Indikationsstellung für eine Kontrollfahrt werden alle Faktoren rund um die Fahreignungsbegutachtung
einer Person einbezogen. So beginnt die erste Einschätzung einer Person bereits vor der eigentlichen
Untersuchung. Nicht selten fallen die zu untersuchenden Personen bereits vor der eigentlichen
                                                                                                         20
Untersuchung durch Verhaltensauffälligkeiten auf. Dies kann eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem
Gutachter vor dem Untersuchungstermin sein, in der sich die zu begutachtende Person auffällig
verbalisiert. Einigen Exploranden bereitet es ferner bereits grosse Mühe, sich für die Untersuchung zur
vereinbarten Zeit am richtigen Ort einzufinden. Das Erscheinen an einem anderen Wochentag oder zu
einer völlig anderen Uhrzeit kann in einigen Fällen erste Hinweise auf eine Beeinträchtigung der kognitiven
Funktionen geben. Nicht selten erscheinen Exploranden beispielsweise trotz ausführlicher Adressangaben
und Wegbeschreibungen, die mit dem Terminaufgebot versandt werden, fälschlicherweise am
Universitätsspital Zürich. Jede kleine Information, die der Explorand seinem Gutachter präsentiert, kann
eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Gesamtbeurteilung spielen, ohne dass einzelne Elemente wie zum
Beispiel das verspätete Eintreffen zur Untersuchung, überbewertet werden.

In der eigentlichen Begutachtung bildet der Arzt schliesslich eine Synthese aus allen zur Verfügung
stehenden Informationen (Aktenstudium und eigene erhobene Untersuchungsbefunde und
Feststellungen). Es soll nochmals betont werden, dass dem Gesamteindruck eine besondere Bedeutung
zukommt. Nicht ein Status nach cerebrovaskulärem Insult alleine zieht beispielsweise die Konsequenz
einer ärztlich begleiteten Kontrollfahrt nach sich, sondern die damit verbundenen Auffälligkeiten und
Einschränkungen im Gesamtkontext. Von Bedeutung sind im Entscheidungsprozess für oder gegen die
Kontrollfahrt am IRM-UZH auch die Resultate der kognitiven Kurztests. Wie im Kapitel 3.4.1 aufgeführt,
wird im Allgemeinen bei Personen mit erheblicher Zeitüberschreitung im TMTA (in der Regel > 50% im
Vergleich zur entsprechenden Altersnorm) respektive mit mehreren Fehlern keine Kontrollfahrt mehr
empfohlen. Personen, die in der Lage sind, den TMTB fehlerfrei und in der vorgegebenen Zeit zu
absolvieren, werden überwiegend ebenfalls keiner Kontrollfahrt unterzogen, da davon ausgegangen
werden kann, dass diese die Anforderungen der Probefahrt bestehen (vgl. hierzu auch Kap. 4.1)

4.3.2 Wichtige Schritte vor Durchführung der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt

Kommt der Gutachter zu dem Entschluss, dass eine ärztlich begleitete Kontrollfahrt angezeigt ist, bedarf
es zunächst einer Aufklärung des Exploranden über Sinn und Zweck der Kontrollfahrt und die zu
erwarteten Zusatzkosten. Der Ablauf der Kontrollfahrt wird kurz erläutert, insbesondere wird auch darauf
hingewiesen, dass die Exploranden mit dem eigenen PW und einer fahrberechtigten Begleitperson – dies
für den Falle eines negativen Resultates der Kontrollfahrt und der damit verbundenen sofortigen
„vorläufigen Abnahme des Führerausweises“ – beim zuständigen Strassenverkehrsamt erscheinen
müssen. Den Exploranden wird zudem empfohlen, dass die Möglichkeit einer freiwilligen Nachschulung
bei einem Fahrlehrer besteht, dies jedoch nicht verpflichtend ist. Ist der Explorand mit der Durchführung
der Kontrollfahrt einverstanden, so bestätigt er dies mit seiner Unterschrift auf dem Anmeldeformular [vgl.
Anhang]. Schliesslich wird noch ein Merkblatt [vgl. Anhang] mit den wichtigsten Informationen
ausgehändigt. Nach erfolgtem Antrag mit obengenanntem Formular beim Strassenverkehrsamt verfügt
dieses die Durchführung der ärztlich begleiteten Kontrollfahrt und teilt dem Exploranden einen
Untersuchungstermin mit.

Willigen Exploranden nicht in die ärztlich begleitete Kontrollfahrt ein, so werden Sie darüber informiert,
dass ihre Fahreignung in diesem Fall nicht abschliessend beurteilt werden kann und ein entsprechender
Abschlussbericht zuhanden des Strassenverkehrsamtes wird verfasst. Dies kann die Konsequenzen eines
vorsorglichen Führerausweisentzugs durch die Administrativbehörden nach sich ziehen.
                                                                                                        21
Sie können auch lesen