Die Auswirkungen der Coronapandemie auf die (wirtschaftlichen) Verflechtungen des deutsch-schweizerischen Grenzraums - Dr. Roland Scherer, Daniel ...
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Die Auswirkungen der Coronapandemie auf die (wirtschaftlichen) Verflechtungen des deutsch-schweizerischen Grenzraums Dr. Roland Scherer, Daniel Zwicker-Schwarm Juli 2021
Kooperationspartner: Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK) Reichenaustrasse 21 E.-Fr.-Gottschalk-Weg 1 DE - 78467 Konstanz DE - 79650 Schopfheim Bearbeitende: Dr. Roland Scherer Daniel Zwicker-Schwarm Kontaktadresse: Institut für Systemisches Management und Public Governance IMP-HSG Universität St. Gallen Dufourstrasse 40a CH - 9000 St. Gallen Tel.: +41 71 224 2525 Fax: +41 71 224 2536 Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) ver- zichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. © IMP-HSG & IHK Hochrhein-Bodensee
Inhalt 1 Vorwort 2 6 Tourismus- und Freizeitwirtschaft 37 2 Die Auswirkungen der Coronapandemie im deutsch- 6.1 Bisherige Entwicklung 37 schweizerischen Grenzraum 4 6.2 Auswirkungen der Coronapandemie auf 2.1 Überblick zu coronabedingten Maßnahmen 4 Tourismus und Freizeitwirtschaft 41 3 Der deutsch-schweizerische Grenzraum 9 7 Grenzüberschreitender Einkauf 45 3.1 Die Raumstruktur 9 7.1 Bisherige Entwicklungen 45 3.2 Die Unternehmensverflechtungen 15 7.2 Auswirkungen der Coronapandemie auf 4 Die Exportbeziehungen 18 Auslandseinkäufe 49 4.1 Bisherige Entwicklung 18 8 Wissen und Innovation 52 4.2 Auswirkungen der Coronapandemie auf die 8.1 Auswirkungen der Coronapandemie auf Wissen Exportbeziehungen 20 und Innovation 60 5 Arbeitsmarkt und Grenzgänger 23 9 Fazit und Ausblick 61 10 Literatur 64 5.1 Bisherige Entwicklungen 23 5.2 Auswirkungen der Coronapandemie auf Arbeitsmarkt und Grenzgänger 33
2 1 Vorwort für die (wirtschaftliche) Verflechtung der Grenzregion Deutschland- Schweiz als relevant erscheinen, dargestellt. Dazu gehören die Exportbe- Seit annähernd zehn Jahren erarbeitet das Forschungszentrum Regional- ziehungen, der Arbeitsmarkt und das Grenzgängerwesen, Tourismus wissenschaften des Instituts für Systemisches Management und Public und Freizeit, der grenzüberschreitende Einkauf sowie Wissen und Inno- Governance der Universität St. Gallen in Kooperation mit der IHK Hoch- vation. Für diese Themenfelder werden anhand ausgewählter Indikato- rhein-Bodensee regelmäßig einen Bericht zu den wirtschaftlichen Ver- ren die wichtigsten grenzüberschreitende Verflechtungen der beiden na- flechtungen im deutsch-schweizerischen Grenzraum. Die letzte Aktuali- tionalen Wirtschaftsräume „vor Corona“ systematisch dargestellt. sierung erfolgte im Frühjahr 2019. Zu jedem Wirkungsfeld werden in einem zweiten Abschnitt die Auswir- Die Coronapandemie hat seit Beginn 2020 einschneidende Auswirkun- kungen der Coronapandemie dargestellt. Wo möglich wird dabei ein gen auf Wirtschaft und Gesellschaft mit sich gebracht. Dies gilt gerade Vergleich zwischen Monats- oder Quartalsdaten aus 2020 mit dem Vor- auch für den deutsch-schweizerischen Grenzraum, wo mit den Grenz- jahr vorgenommen. Dabei orientieren wir uns an den methodischen An- schließungen und Einreiseverboten selbstverständlich gewordene Ver- sätzen unserer aktuellen Studie zu den Corona-Auswirkungen für die flechtungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben gekappt Ostschweiz und ihre Nachbarregionen (vgl. Scherer u. a. 2021). wurden. In manchen Bereichen wie dem Tourismus oder bei den Aus- In einem abschließenden Kapitel wird eine Einordnung der Corona-Aus- landseinkäufen kam es infolge der Corona-Schutzmaßnahmen zu gra- wirkungen vorgenommen: Welche Themenfelder der grenzüberschrei- vierenden Einbrüchen, während beispielsweise die grenzüberschreiten- tenden Wirtschaftsverflechtungen haben sich während der Pandemie als den Arbeitsmarktbeziehungen weitgehend aufrechterhalten wurden. In krisenfest erwiesen? In welchen Bereichen kam es zu Veränderungen? diesem Bericht sollen die unterschiedlichen Auswirkungen der Corona- Und schließlich: welche institutionellen Rahmenbedingungen oder Pro- pandemie auf die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Südbaden zesse könnten dazu beitragen, die wirtschaftlichen Verflechtungen zu- und der Nordschweiz genauer aufgezeigt werden. künftig resilienter zu gestalten. In diesem Sinne soll auch dieser Bericht Entsprechend stehen zwei Fragestellungen im Mittelpunkt des Berichts: dazu beitragen, die regionalen und lokalen Entscheidungsgrundlagen Wie stellen sich die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Ver- im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Verflechtungen zu verbes- flechtungen entlang der deutsch-schweizerischen Grenze dar? sern. Welche Auswirkungen hatten und hat die Coronapandemie auf Abgrenzung des deutsch-schweizerischen Grenzraums diese Verflechtungen? Der Bericht bezieht sich auf den deutsch-schweizerischen Grenzraum im Dementsprechend werden in der vorliegenden Publikation nach einem engeren Sinn. Dazu gehört auf deutscher Seite die Region Hochrhein- einleitenden Regionalporträt eine Reihe ausgewählter Themenfelder, die Bodensee – also der Zuständigkeitsbereich der gleichnamigen Industrie-
3 und Handelskammer – mit den Landkreisen Konstanz, Lörrach und Themenfeldern noch um einen größeren Raumzuschnitt ergänzt. Auf Waldshut und auf Schweizer Seite die an diese Region direkt angrenzen- deutscher Seite gehören zu diesem erweiterten Grenzraum die den Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Aargau, Zürich sowie Nachbarlandkreise Bodenseekreis, Breisgau-Hochschwarzwald, der Thurgau. Schwarzwald-Baar-Kreis, Tuttlingen, Sigmaringen und der Stadtkreis Bei vielen wirtschaftlichen Fragestellungen – etwa beim Arbeitsmarkt Freiburg („südliches Baden-Württemberg“) und auf Schweizer Seite um oder im Tourismus – reichen die funktionalen Bezüge noch weiter ins die Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell jeweilige Hinterland. Daher wird die Betrachtung bei einzelnen Innerrhoden („Nordschweiz“).
4 2 Die Auswirkungen der Coronapandemie im deutsch-schweizerischen Grenzraum zunächst ähnlich restriktive Maßnahmen ergriffen haben. Während des 2.1 Überblick zu coronabedingten Maßnahmen Sommers 2020 und auch während der „zweiten Welle“ im Herbst und Sowohl Deutschland als auch die Schweiz haben mit verschiedenen In- Winter 2020/2021 blieben die Einschränkungen auf der Schweizer Seite fektionsschutzmaßnahmen wie Hygienevorschriften, Abstandsver- durchgehend unter dem deutschen Niveau. Dies führte dazu, dass im pflichtungen, Kontaktverboten oder Quarantäneanordnungen auf die deutsch-schweizerischen Grenzraum ab Sommer 2020 unterschiedliche Ausbreitung des COVID-19-Virus reagiert. Einige dieser Maßnahmen Regelungsdichten zusammentrafen. hatten direkte Auswirkungen auf wirtschaftliche Aktivitäten, so etwa Abbildung 1 COVID-19 Stringency Index für Deutschland und die Schweiz die Schließung von Einzelhandels- oder Dienstleistungsbetrieben (Gast- ronomie, Hotellerie etc.). Unmittelbare Auswirkungen auf den grenz- überschreitenden Personen- und Warenverkehr hatten Grenzschließun- gen, Einreiseverbote und die Festlegung von Risikogebieten sowie damit verbundene Test- und Quarantänepflichten. Einen vergleichenden Überblick über das Ausmaß der Beschränkungen bietet der COVID-19 Stringency Index. Dieser misst im weltweiten Ver- gleich den Grad der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschrän- kungen anhand von neun Bereichen, darunter Schulschließungen, Ver- sammlungsverbote, Ausgangs- und Reisebeschränkungen und Einreise- Quelle: Ritchie u. a. (2021), Oxford COVID_19 Government Response Tracker (Abruf kontrollen. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Indexwertes im Zeit- 13.07.2021) verlauf für Deutschland und die Schweiz. 1 Je höher der Indexwert, desto strenger sind die jeweiligen Maßnahmen (Maximalwert: 100). Dabei Tabelle 1 gibt einen Überblick über einzelne Maßnahmen mit grenzüber- zeigt sich, dass Deutschland und die Schweiz zu Beginn der ersten Welle schreitender Wirkung in Deutschland bzw. Baden-Württemberg und 1 Bei regionalen Unterschieden innerhalb eines Landes orientiert sich der Index an den jeweils strengsten Regelungen.
5 der Schweiz. Dabei wird deutlich, dass teilweise ähnliche Maßnahmen Für Grenzgänger blieb die Grenze frei passierbar, jedoch waren getroffen wurden, diese aber nicht immer zeitlich synchronisiert waren. durch die Schließung der kleineren Grenzübergänge und den Unter- Im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Verflechtungen lassen sich bruch einzelner Bahnverbindungen Arbeitswege deutlich länger. die folgenden Maßnahmen hervorheben (vgl. Moser/Haxhimusa 2021: Grenzübergreifende Dienstleistungen von der EU in die Schweiz 47): waren von Ende März bis Mitte Mai 2020 grundsätzlich nicht mög- Die industrielle und gewerbliche Produktion von Gütern wurde lich – Ausnahmen bestanden für Arbeiten für systemrelevante Be- nicht direkt eingeschränkt. Produktionsbetriebe wurden nicht ge- triebe in der Schweiz. Für Dienstleister aus der Schweiz war von schlossen. Auch blieb der grenzüberschreitende Güterverkehr Ende März bis Mitte Juni 2020 eine Einreise nach Baden-Württem- während der Coronakrise offen, wurde jedoch aufgrund der zeitwei- berg nur bei nachgewiesenem „triftigem Grund“ möglich. Es be- ligen Schließung von Grenzübergängen und Zollabfertigungsstellen stand eine Quarantänepflicht. Es gab eine Ausnahmeregelung für deutlich beeinträchtigt. nachgewiesene, zwingend notwendige und beruflich unaufschieb- bare Einsätze bis maximal fünf Tage. Demgegenüber wurde der grenzüberschreitende Personenverkehr stark eingeschränkt. So war die Grenze zwischen Deutschland und Sowohl in der Schweiz als auch in Baden-Württemberg mussten die der Schweiz vom 16.3. bis 15.6.2020 grundsätzlich für den Personen- Einzelhandelsbetriebe des nicht täglichen Bedarfs schließen. Wäh- verkehr gesperrt. Dies war gerade im deutsch-schweizerischen rend der „ersten Welle“ im Frühjahr 2020 weitgehend zeitgleich, in Grenzraum angesichts der vielen familiären und persönlichen Bezie- der „zweiten Welle“ im Herbst/Winter 2020/21 waren die Einschrän- hungen mit vielen Härten verbunden. 2 Zudem bestand für Unter- kungen in der Schweiz teilweise weniger umfassend (z. B. personen- nehmen keine Möglichkeit, grenzüberschreitende Dienstleistungen bezogene Dienstleistungen). Die Möglichkeit des grenzüberschrei- zu erbringen (z. B. Montagen und Wartungen). Ab Sommer 2020 tenden Einkaufstourismus war aus der Kombination von Laden- wurde der Personenverkehr differenziert reguliert, situativ mit Qua- schließungen und Einschränkungen des Personenverkehrs in der rantäne- und später Testpflichten. Die Schweiz hat Personen aus den ganzen Zeit stark eingeschränkt. Grenzregionen von diesen Pflichten immer ausgenommen. Auf deutscher Seite wurden Ausnahmen für den „kleinen Grenzver- kehr“ zunächst eingeführt, Ende 2020 aber wieder ausgesetzt. 2 Vgl. auch die Ergebnisse einer Bürgerbefragung zu den Grenzschließungen im Bo- denseeraum (DenkRaumBodensee 2020b).
6 Tabelle 1 Maßnahmen mit grenzüberschreitender Wirkung Touristische Einrichtungen (Hotels, Restaurants, Bergbahnen) wur- den während der „ersten Welle“ weitgehend zeitgleich geschlossen Maßnahmen Schweiz Baden-Württemberg und Mitte Mai 2020 wieder geöffnet. Demgegenüber zeigten sich Produktionsbetriebe Keine Einschränkungen Keine Einschränkun- gen während der Wintersaison 2020/21 deutliche Unterschiede. Die Grenzüberschreitender Einschränkungen durch Einschränkungen Schweiz ist das einzige Land im Alpenraum, dass sowohl Bergbah- Güterverkehr teilweise Schließung von durch teilweise nen als auch Hotels mit Schutzkonzepten geöffnet ließ, einzig Res- Grenzübergängen Schließung von taurants wurden geschlossen. Grenzübergängen Einschränkungen des 03.-06.2020 03.-06.2020 und Auswirkungen auf Mobilität und Verkehr grenzüberschreitenden anschließend offen für 11.2020-05.2021 Personenverkehrs (zu Grenzregionen anschließend teils Entlang der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz, d.h. zwi- Nachbarstaaten) Quarantäne- oder schen Basel/Weil am Rhein im Westen und Konstanz/Kreuzlingen im Testpflicht Osten, gibt es knapp 70 Straßengrenzübergänge. Im Zeitraum Mitte Einschränkungen grenz- 03.-05.2020 03.-06.2020 übergreifende Dienst- Aussetzung 90-Tage-Re- Einreise nur in Aus- März bis Mitte Juni 2020 war der Grenzübertritt für Berechtigte nur an leistungen gelung 3 nahmefällen (max. 18 Grenzübergängen möglich. So war beispielsweise der Grenzübergang fünf Tage) Stein am Rhein geschlossen, was mit weiten Umwegen für Grenzgänger Verkehrsverbindungen 03.-05.2020 etwa aus dem Raum Radolfzell/Höri in die Schweiz verbunden war (vgl. zeitweilige Einstellungen grenzüberschreitender Bundespolizei 2020). ÖPNV und Fernverkehr Ladenschließungen 03.-05.2020 03.-05.2020 Coronabedingte Einschränkungen gab es auch im Schienenpersonenver- (Non-Food) 01.-03.2021 12.2020-05.2021 kehr zwischen Deutschland und der Schweiz. So endeten die ICE-Züge Schließung touristischer 03.-05.2020 03.-05.2020 Richtung Schweiz in Basel Bad Bf. und die IC Züge Stuttgart – Sin- Einrichtungen (Hotel, sowie sowie gen – Schaffhausen - Zürich zwischen Singen und Schaffhausen aus. Restaurants, Bergbah- 12.2020-04.2021 nur Res- 10.2020-06.2021 nen) Auch die Regionalzüge nach Schaffhausen fielen aus. Für die S-Bahn- taurants Züge im Klettgau (Schaffhausen - Erzingen) galt ein Sonderfahrplan. Im Quelle: Erweiterte Darstellung nach Moser/Haxhimusa (2021) Stand: Juni 2021. Raum Basel waren die Verbindungen der Regio-S-Bahn in Richtung Zell 3 Rechtsanspruch auf Erbringung einer Dienstleistung von bis zu 90 Tagen pro Kalen- derjahr für Unternehmen aus der EU in der Schweiz gemäß den bilateralen Verträ- gen.
7 im Wiesental deutlich reduziert. Die Auswirkungen der Grenzschlie- Abbildung 2 Straßenverkehr an den Grenzübergängen Kreuzlingen und ßung für den grenzüberschreitenden Verkehr lassen sich anhand der Da- Thayngen 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat ten der automatischen Verkehrszählung nachvollziehen. Abbildung 2 zeigt einen Vergleich der monatlichen Verkehrsdaten für die beiden Grenzübergangsstellen Kreuzlingen (Hauptzollamt) und Thayngen. 4 Dabei wird deutlich: Der Personenverkehr ging nach Grenzschließung Mitte März 2020 im April deutlich auf gut 20 Prozent des Vorjahresniveaus zurück. Nach Grenzöffnung Mitte Juni stieg das Verkehrsaufkommen wie- der an, blieb aber auch während der Sommermonate deutlich unter dem Vorjahresniveau. Mit Inkrafttreten von Einreisebeschränkungen (und Ausnahmen im „kleinen Grenzverkehr“) ging das Verkehrsvolumen im Herbst wie- derum deutlich zurück, wenngleich nicht so stark wie während der „ersten Welle“. Quelle: Eigene Berechnungen nach Schweizerische automatische Straßenverkehrszäh- Auch der grenzüberschreitende Schwerverkehr (Lastwagen, Lasten- lung, Bundesamt für Strassen (ASTRA) und Sattelzüge) ging während der „ersten Welle“ zurück. Dieser Rückgang lag im April 2020 bei rund 70 Prozent und war damit Für die Anbindung der Region Hochrhein-Bodensee an den Luftverkehr deutlich geringer als im Personenverkehr. Im Herbst/Winter zeigt spielen der Flughafen Zürich und der EuroAirport Basel-Mulhouse-Frei- sich – im Gegensatz zum Personenverkehr – kein erneuter Rück- burg eine wichtige Rolle. Flughafengesellschaften und die im Flugha- gang. fenumfeld tätigen Unternehmen sind wichtige regionale Arbeitgeber. Mit einem Passagieraufkommen von rund 31,5 Mio. Personen in 2019 (davon 15 Prozent aus Deutschland) ist der Flughafen Zürich ein wichti- ger Hub des europäischen Flugverkehrs. Der EuroAirport ist mit einem 4 Für die Zählstellen Basel Grenzbrücke, Rheinfelden Autobahnzubringer sowie Bar- gen liegen für 2020 keine Daten vor.
8 Passagieraufkommen von 9,1 Mio. (2019) zwar deutlich kleiner, dafür auch durch Schwierigkeiten im Verkehr mit ausländischen Lo- aber von großer Bedeutung für Wirtschaft und Bevölkerung im Dreilän- gistikhubs zusammenhängt, die üblicherweise via LKW bedient dereck. Die Coronapandemie ist mit weitreichenden Auswirkungen für werden (vgl. Statistisches Amt Basel-Stadt 2021). die Luftfahrt und den Flughafenbetrieb verbunden: 2020 erreichten Abbildung 3 Passagier- und Luftfrachtaufkommen an den Flughäfen Zürich beide Flughäfen nur noch rund ein Viertel des üblichen Passagierauf- und Basel – Mulhouse - Freiburg im Vergleich zu 2019 kommens. Abbildung 3 zeigt das monatliche Passagieraufkommen so- wie das Luftfrachtaufkommen der beiden Flughäfen für das Jahr 2020 sowie das erste Halbjahr 2021 im Vergleich mit 2019: Mit dem Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 und den da- mit verbundenen Grenzschließungen und Einreiseverboten wurde der Flugbetrieb zur Personenbeförderung praktisch komplett einge- stellt – die Passagierzahlen gingen auf annähernd Null zurück. Im Sommer 2020 erreichten die Flughäfen rund ein Viertel des Vorjah- resaufkommens. Während der „zweiten“ und „dritten Welle“ gin- gen die Passagierzahlen wiederum zurück, um im Frühsommer 2021 erneut etwas zu erholen. Bei der Luftfracht zeigte sich zu Beginn der Coronapandemie im Ap- ril 2020 zunächst ein Rückgang auf etwa 60 Prozent der Vorjahres- Quelle: Eigene Berechnung nach Statistiken der Flughafen Zürich AG und EuroAirport werte. Im Laufe des Jahres 2020 konnten jedoch fast wieder Vorjah- Basel-Mulhouse-Freiburg reswerte erreicht werden, um im ersten Halbjahr 2021 schließlich überdurchschnittliche Abfertigungsvolumina zu erreichen, was
9 3 Der deutsch-schweizerische Grenzraum 3.1 Die Raumstruktur Die Raumstruktur des deutsch-schweizerischen Grenzraumes wird auf der deutschen Seite. Noch deutlicher wird das „Übergewicht“ der durch die beiden Metropolräume Zürich und Basel geprägt. Vor allem Schweizer Seite, wenn man sich die Arbeitsplätze anschaut: Nur 9,0 Pro- der Raum Basel wirkt stark auf die südbadischen Räume und hier vor zent der Beschäftigten arbeiten in Deutschland und 39,5 Prozent der Ar- allem auf Teile des Landkreises Lörrach. Wie in der folgenden Abbil- beitsplätze befinden sich im Kanton Zürich. dung 4 dargestellt, liegen fast alle Teilräume der Region Hochrhein-Bo- Auch hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung bestehen große Unter- densee räumlich sehr nah zu einem der beiden Metropolräume und er- schiede über die Grenze hinweg. Betrachtet man das Bevölkerungs- reichen die Zentren dieser Räume innerhalb eines Radius von einer wachstum für den Zeitraum 2001 - 2019, zeigen sich erhebliche Differen- Stunde Anreise mit dem motorisierten Individualverkehr. Der Landkreis zen: Vor allem die Kantone Zürich (+25,5 Prozent), Aargau (+24,6 Pro- Konstanz und große Teile des Landkreises Waldshut sind dabei in Rich- zent) und Thurgau (+22,5 Prozent) sind hier sehr stark gewachsen (siehe tung Metropolraum Zürich orientiert, die restlichen Teile des Landkrei- ebenfalls Tabelle 2). Allein in den letzten drei Jahren haben die Kantone ses Waldshut und der Landkreis Lörrach nach Basel. Genauer gesagt Zürich und Aargau in absoluten Zahlen fast 51 000 bzw. 22 000 Einwoh- handelt es sich beim Metropolraum Basel auch entsprechend dem ner hinzugewonnen. Mit anderen Worten: In diesem Zeitraum wuchs Raumkonzept Schweiz um eine grenzüberschreitende Metropole, wes- der Kanton Aargau um die Größe einer Stadt wie Schopfheim, der Kan- halb auch der Landkreis Lörrach Bestandteil dieser Metropolregion ist ton Zürich im selben Zeitraum sogar um mehr als die Größe Lörrachs. (vgl. ARE 2012). Auf der deutschen Seite sind die Landkreise deutlich schwächer gewach- sen. Auf kleinräumiger Ebene finden sich auf der deutschen Seite ein- Bevölkerungsentwicklung im Grenzraum zelne, vor allem ländliche Teilräume, die zweitweise sogar einen Bevöl- Insgesamt leben im direkten deutsch-schweizerischen Grenzraum (Basel kerungsrückgang aufwiesen, während in der Schweiz ausnahmslos alle bis Thurgau) rund 3,8 Mio. Menschen (Stand: 2019, siehe Tabelle 2). Der Teilräume bevölkerungsmäßig gewachsen sind. mit Abstand größte Teil davon lebt auf der Schweizer Seite und lediglich 18,2 Prozent leben in den drei deutschen Landkreisen entlang der Grenze. Allein im Kanton Zürich leben doppelt so viele Menschen, als
10 Tabelle 2 Bevölkerung und Arbeitsplätze in der Grenzregion Anteil Ge- Anteil Ge- Bevölkerung Bevölkerung Bevölkerung Beschäftigte Beschäftigte Beschäftigte Raum samtgebiet samtgebiet (2019) ∆ 2001-2019 ∅ 2001-2019 (2018) ∆ 2001-2018 ∅ 2001-2018 (2019) (2018) Konstanz 286 305 +7,6% +0,4% 7,6% 102 459 +22,7% +1,3% 3,9% Lörrach 228 736 +5,3% +0,3% 6,1% 79 883 +18,7% +1,1% 3,0% Waldshut 171 003 +3,7% +0,2% 4,5% 55 152 +20,1% +1,2% 2,1% Basel-Stadt 195 844 +5,0% +0,3% 5,2% 190 756 +22,9% +1,3% 7,2% Basel-Landschaft 289 468 +10,9% +0,6% 7,7% 150 816 +25,6% +1,5% 5,7% Aargau 685 845 +24,6% +1,4% 18,2% 343 988 +31,5% +1,9% 13,0% Zürich 1 539 275 +25,5% +1,4% 41,0% 1 045 222 +36,4% +2.1% 39,5% Schaffhausen 82 348 +12,5% +0,7% 2,2% 46 586 +23,9% +1.4% 1,8% Thurgau 279 547 +22,5% +1,2% 74% 137 652 +30,6% +1.8% 5,2% TOTAL / Ø 3 758 371 +18,4% +1,0% 100,0% 2 645 986 +31,0% +1,8% 100,0% Quellen: BFS 2020a, 2020c, StaLa 2021a
11 Abbildung 4 Räumliche Erreichbarkeit umliegender Metropolräume Quelle: Darstellung und Berechnung: Reichert + Partner 2013, Datengrundlage: DACHplus
12 Abbildung 5: Anteil deutscher bzw. schweizerischer Wohnbevölkerung im Anteil der Wohnbevölkerung aus dem Nachbarland Nachbarland Das starke Bevölkerungswachstum in den Schweizer Grenzkantonen re- sultiert stark aus der Zuwanderung aus dem Ausland, wobei vor allem seit Beginn der Personenfreizügigkeit ab 2007 auch in starkem Masse Deutsche zugewandert sind. So ist die Zahl der Deutschen in der Nordschweiz zwischen 2010 und 2019 um rd. 22 Prozent gestiegen. Al- lein im Kanton Zürich lag deren Zahl Ende des Jahres 2019 bei knapp 88 000 Personen, was einem Bevölkerungsanteil von 5,7 Prozent ent- spricht. In der gesamten Nordschweiz sind es rund 181 000 Personen, was einem Bevölkerungsanteil von ebenfalls 5,7 Prozent entspricht (siehe Abbildung 5). Insbesondere im Metropolitanraum Zürich war der Anteil deutscher Staatsbürger seit Inkrafttreten der Personenfreizügig- keit zunächst stark angestiegen. Die Wachstumsraten lagen hier deutlich über dem (nationalen) Wirtschaftswachstum der Schweiz. Auffallend war auch, dass diese neu Zugewanderten in der Regel einen tendenziell höheren Bildungsabschluss aufweisen als andere im Kanton Zürich zu- gewanderte Immigranten (vgl. AWA 2012). In den letzten Jahren war die Nettozuwanderung aus Deutschland in die Grenzkantone jedoch unter- durchschnittlich, so dass der Anteil von Personen mit deutscher Staats- bürgerschaft an der ausländischen Wohnbevölkerung von rund 23 Pro- zent in 2010 auf 22 Prozent in 2019 zurückgegangen ist (vgl. AWA 2021). Quellen: Eigene Berechnungen nach BFS 2020a, StaLa 2021a Wie Abbildung 5 verdeutlicht, liegt der Anteil Schweizer Staatsbürger an der Wohnbevölkerung im deutschen Grenzraum durchgehend bei unter einem Prozent, wobei die Landkreise Lörrach und Konstanz die höchsten Werte aufweisen.
13 Wirtschaftsleistung im Vergleich Abbildung 6 BIP pro Einwohner (2019) Hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Teilräume be- stehen erhebliche Unterschiede, was sich vor allem beim Indikator Brut- toinlandsprodukt (BIP) in Euro pro Einwohner zeigt. Hier liegen die Schweizer Kantone deutlich über den deutschen Landkreisen (durch- schnittliches BIP/Einwohner von etwa 83.000 Euro zu einem durch- schnittlichen BIP/Einwohner von etwa 37.000 Euro) (siehe Abbildung 6). Dieser Vorsprung der Schweizer Kantone relativiert sich allerdings, wenn man die Kaufkraftunterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz in Betracht zieht. Dazu wurden die regionalen BIP mit der je- weiligen nationalen Kaufkraftparität umgerechnet. Dieses umgerech- nete BIP trägt die Einheit der sogenannten Kaufkraftstandards (KKS). Aus Abbildung 7 wird ersichtlich, dass auch hier die wirtschaftlich star- ken Kantone wie Zürich oder Basel-Stadt klar an der Spitze liegen. Diese Berechnung zeigt jedoch auf, dass die wirtschaftlich schwächeren Kan- tone Aargau und Thurgau ein tieferes kaufkraftbereinigtes BIP/Einwoh- ner aufweisen als der Bodenseekreis und die Kreise Freiburg und Tutt- lingen. Als Kenngröße für wirtschaftliche Regionalvergleiche wird die Aussage- kraft des Indikators BIP/Einwohner allerdings durch die Pendlerbewe- gungen relativiert. In Regionen mit vielen Berufseinpendlern wird die Quellen: Eigene Berechnungen nach BFS 2020a, 2020b, StaLa 2021a gesamtwirtschaftliche Leistung auf ein Niveau erhöht, welches maßgeb- lich über jenem der Wirtschaftsleistung der vor Ort ansässigen Erwerb- stätigen liegt. Dieser Umstand sollte besonders in Grenzregionen be- rücksichtigt werden, da der Anteil an Berufspendler hier besonders aus- geprägt ist. Ausführlicher wird diese Thematik im Kapitel Arbeitsmarkt und Grenzgänger behandelt.
14 Abbildung 7 BIP pro Einwohner in Kaufkraftstandards (2019) Quellen: Eigene Berechnungen nach BFS 2020a, 2020b, StaLa 2021a
15 3.2 Die Unternehmensverflechtungen Die Industrialisierung der grenznahen Räume in Süddeutschland wurde Arbeits-, Rohstoff- und Absatzmarktes, Umgehung der hohen Schutz- sehr stark von Schweizer Unternehmen geprägt. So weisen heute noch zölle, Energie- und Transportfunktion des Rheins, niedrige Lohnkosten viele Unternehmen Schweizer Wurzeln auf, selbst wenn sie unter neuem etc.). Die schweizerische Expansion ins deutsche Grenzgebiet galt für Namen oder von einem neuen Besitzer geführt werden (bspw. Alumi- beide Seiten als gewinnbringend, für die Schweizer Unternehmer war es nium Walzwerke Singen, Maggi, Schiesser etc.). Die Gründe, weshalb eine rentable Expansionsmöglichkeit mit allen Vorteilen der geographi- Schweizer Unternehmen für die Industrialisierung des südbadischen schen Nähe, für Südwestdeutschland bedeutete es beschleunigte Indust- Raumes entlang des Hochrheins wichtig waren, sind vielfältiger Art und rialisierung, Wachstum und vor allem Arbeitsplätze. Aus diesem Grund haben sich im Laufe der Zeit auch verändert. wurden die Schweizer Unternehmer in der Region trotz ihrer ausländi- schen Herkunft auch in der sich zuspitzenden Lage vor dem Zweiten Geschichtlicher Rückblick Weltkrieg weiterhin unterstützt (vgl. Ruch u. a. 2001, König 2002). Auch Da die Schweiz Anfang des 19. Jahrhunderts sowohl mit Arbeitskraft als nach Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden die engen Verbindungen, auch mit Kapital gut ausgestattet war, zählte sie zu den ersten sich in- zwischen der Schweiz und Südbaden weiter. Die meisten Unternehmen dustrialisierenden Ländern. Auf der Suche nach Expansions- und nach konnten ohne größere Schäden ihre Produktionen wieder aufnehmen Zugangsmöglichkeiten zu den durch Zollprotektionismus geschützten und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Südbadens im Nachbarsmärkten war der noch weniger entwickelte süddeutsche Nachkriegsdeutschland: so stellten Unternehmen mit Schweizer Wur- Grenzraum für Schweizer Unternehmer attraktiv. Eine wichtige Rolle zeln teilweise Tausende von Arbeitsplätzen bereit (bspw. Firma Schies- spielte hier die Entwicklung der Textilwirtschaft. Anfang des 20. Jahr- ser in den 1960er Jahren mit fast 3 000 Arbeitskräften im südbadischen hunderts war der Schweizer Anteil an den Industriefirmen im deutschen Raum, ALUSINGEN mit rund 4 500 Mitarbeitern in 1985). Im Laufe der Grenzgebiet mit rund 50 Prozent nach wie vor sehr hoch und schloss nun zunehmenden Liberalisierung der Handelsbeziehungen in Europa, dem neben der Textilindustrie auch Betriebe der chemischen Industrie, der Aufkommen neuer Märkte und dem technologischen Fortschritt verlo- Metall- und Maschinenindustrie und der Nahrungs- und Genussmittel- ren die ursprünglichen Standortvorteile an Relevanz. Gleichzeitig bau- industrie mit ein (vgl. Waldschütz 1928: S.39). Die Hauptgründe für die ten einige in der Region ansässige Schweizer Unternehmen massiv Ar- Standortattraktivität des deutschen Grenzgebiets bleiben aber dieselben beitsplätze ab (bspw. Schiesser). Bei anderen veränderte sich die Eigen- (geringe räumliche Entfernung zu den Stammhäusern, Erweiterung des tümerstruktur (bspw. ALUSINGEN), sie wurden internationaler und
16 ihre Bindungen zur Schweiz geringer. In Summe spielen damit Schwei- Diese engen unternehmerischen Verflechtungen zeigen sich auch in der zer Unternehmen in Südbaden heute eine deutlich geringere Rolle als in Bestandsstatistik der Direktinvestitionen. So zählte die Deutsche Bun- der Vergangenheit. Gleichzeitig kam es zur Ansiedlung von süddeut- desbank Ende 2018 knapp 400 baden-württembergische Unternehmen schen Unternehmen in den Schweizer Teilräumen des Metropolitan- mit Bestandsinvestitionen in der Schweiz in Höhe von rund raums. 6,6 Mrd. Euro. Diese Unternehmen mit Beteiligungen aus dem Südwes- ten beschäftigten rund 33 000 Personen. Damit kam jeder fünfte in der Region Hochrhein-Bodensee als „Brückenkopf“ nach Deutschland Schweiz durch deutsche Unternehmen investierte Euro aus Baden-Würt- Aktuell zeigt sich im gesamten Grenzraum mit der Schweiz, dass die temberg. Die Investitionsstatistik zeigt, dass Schweizer Unternehmen in grenzbedingten Differenzen wieder stark zugenommen haben. Vor al- noch größerem Masse im Südwesten engagiert sind. Sie hielten 2018 Di- lem der starke Frankenkurs und dessen (negative) Auswirkungen auf rektinvestitionen mit einem Saldo von 21,4 Mrd. Euro in 572 Unterneh- die Exportindustrie der Schweiz zeigen gegenwärtig deutliche Auswir- men mit 119 000 Beschäftigten. Mehr als jeder vierte von Schweizer Un- kungen in dem Grenzraum: Verstärkt investieren wieder Schweizer In- ternehmen direkt in Deutschland investierte Euro steckt damit in einem dustrieunternehmen in Deutschland und in Österreich. Neue Produkti- Unternehmen in Baden-Württemberg (vgl. Deutsche Bundesbank 2021). ons- und Vertriebsniederlassungen werden hier im Euroraum aufgrund Abbildung 8 zeigt die räumliche Verteilung der baden-württembergi- des Wechselkurses aufgebaut und es zeigt sich auch, dass Schweizer Un- schen Niederlassungen und Tochterunternehmen von Unternehmen mit ternehmen verstärkt Unternehmen im Grenzraum kaufen und überneh- Sitz in der Nordschweiz. Die Datenbank von Baden-Württemberg Inter- men. Auf der anderen Seite bleibt die Schweiz auch für deutsche Unter- national führt rund 800 solcher Unternehmen auf. 5 Davon haben knapp nehmen aus dem Südwesten attraktiv. So kamen beispielsweise von den die Hälfte ihren Sitz in der Region Hochrhein-Bodensee. In den Städten gut 300 Ansiedlungen in der Greater Zurich Area im Zeitraum Konstanz (72 Unternehmen), Lörrach (63) und Weil am Rhein (49) finden 2018 - 2020 rund 50 aus Deutschland (vgl. GZA 2019 ff.). Die Würth- sich landesweit die meisten dieser Unternehmen. Waldshut-Tiengen Gruppe (Rorschach), der Motorsägen-Hersteller Stihl (Wil), das Medi- und Rheinfelden rangieren direkt hinter der Landeshauptstadt Stuttgart. zintechnikunternehmen Storz Medical (Tägerwilen) oder die Lidl- Aber auch in kleineren Städten und Gemeinden wie Bad Säckingen oder Gruppe (Weinfelden) sind Beispiele für große Arbeitgeber in der Gottmadingen findet sich noch eine zweistellige Anzahl an Niederlas- Nordschweiz, deren Stammsitz in Baden-Württemberg liegt. sungen und Tochtergesellschaften von Unternehmen aus dem Schwei- zerischen Grenzraum. Insofern kann festgestellt werden, dass die Region 5 Kantone BS, BL, AG, ZH, SH, TG, SG, AI, AR.
17 Hochrhein-Bodensee für Schweizer Unternehmen aus den Grenzkanto- Abbildung 8 Niederlassungen und Tochtergesellschaften Nordschweizer Un- nen gewissermaßen die Funktion eines „Brückenkopfs“ nach Deutsch- ternehmen in Baden-Württemberg land und in die EU bildet. Quelle: Eigene Darstellung nach Ansiedlungsdatenbank Baden-Württemberg Internatio- nal (Stand 3/2021)
18 4 Die Exportbeziehungen siebtwichtigste „Exportland“ der Schweiz, in das im Jahr 2019 für rund 4.1 Bisherige Entwicklung 15,8 Mrd. Euro Güter und Dienstleistungen exportiert wurden. Die glei- Schon seit Langem bestehen intensive wirtschaftliche Verbindungen che Bedeutung zeigt sich auch, wenn man die Exportbeziehungen in der zwischen der Schweiz und dem süddeutschen Raum. Diese starken Ver- umgekehrten Richtung betrachtet: 2019 betrugen die Einfuhren aus Ba- flechtungen zeigen sich auch in den Exportbeziehungen über die Gren- den-Württemberg in die Schweiz rund 15,2 Mrd. Euro. Damit rangiert zen hinweg. Entsprechend werden im Folgenden die jeweiligen nationa- der Südweststaat an fünfter Stelle bei den Importen – noch vor dem Ver- len Außenhandelsstatistiken näher analysiert, um den grenzüberschrei- einigten Königreich und China (vgl. StaLa 2021b). Mit Blick auf den Zeit- tenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu quantifizieren. raum 2009 bis 2019 lässt sich feststellen, dass die Bedeutung der Schweiz Aufgrund der Datenverfügbarkeit können hier aber keine validen Aus- als Außenhandelspartner relativ konstant geblieben ist. Die Einfuhren sagen zu den Exportbeziehungen zwischen der Nordschweiz und dem nach Baden-Württemberg wuchsen in diesem Jahrzehnt um gut 70 Pro- deutschen Grenzraum getroffen werden, sondern nur zu den Beziehun- zent. Dabei blieb der Anteil der Schweiz relativ konstant zwischen acht gen auf der nächsthöheren räumlichen Ebene zwischen der Schweiz und und neun Prozent. Die Ausfuhren aus Baden-Württemberg stiegen in Baden-Württemberg. Ein Blick in die jeweiligen Außenhandelsstatisti- diesem Zeitraum in ähnlichem Masse an. Der Anteil von Ausfuhren in ken zeigt deutlich auf, wie eng die Volkswirtschaften Baden-Württem- die Schweiz blieb dabei relativ stabil zwischen sieben und acht Prozent bergs und der Schweiz miteinander vernetzt sind. Auf nationaler Ebene (vgl. StaLa 2021b). war die Bunderepublik Deutschland für die Schweiz 2019 der mit Ab- Betrachtung nach Warengruppen stand wichtigste Handelspartner. Sowohl bei den Exporten (47,7 Mrd. CHF) als auch bei den Importen (57,1 Mrd. CHF) lag Deutschland klar Betrachtet man die Branchenverteilung der Exportbeziehungen zwi- auf dem ersten Rang: Circa 15 Prozent aller Exporte gingen dorthin und schen der Schweiz und Baden-Württemberg, wie in Abbildung 9 darge- knapp 21 Prozent der Importe kamen von dort. Für Deutschland stand stellt, so zeigt sich, dass der größte Anteil der Waren, die aus der Schweiz die Schweiz 2019 auf Platz 8 der wichtigsten Importnationen, bei den Ex- nach Baden-Württemberg exportiert werden, chemische bzw. pharma- porten steht die Eidgenossenschaft an neunter Position. zeutische Erzeugnisse sind. In diesen Bereichen erwirtschaftete die Schweiz 2019 einen Außenhandelsüberschuss von rund einer Milliarde Außenhandelsbeziehungen Baden-Württemberg – Schweiz Euro bzw. von 850 Mio. Euro. Der Großraum Basel mit seiner starken Baden-Württemberg spielt hierbei für die Schweizer Wirtschaft eine Chemie und Pharmazie spielt damit auch für die Exportbeziehungen zu wichtige Rolle und wäre als Nationalstaat betrachtet noch vor Italien das Baden-Württemberg eine zentrale Rolle. So zeichnete allein der Kanton
19 Basel-Stadt mit einem Volumen von 63.5 Mrd. CHF für ein Viertel aller Für 2020 ergibt die Modellrechnung für die Region einen Rückgang bei Schweizer Exporte verantwortlich (vgl. EZV 2020: 34). den Exporten in die Schweiz um gut 12 Prozent und bei den Importen Anders sieht es dagegen bei Metallerzeugnissen und dem Fahrzeugbau um gut 3 Prozent. Dies ordnet sich in die Entwicklung des Außenhan- aus. Bei diesen Warengruppen wies Baden-Württemberg 2019 gegen- dels zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz im Coronajahr 2020 über der Schweiz einen deutlichen Außenhandelsüberschuss auf – wäh- ein, die im nächsten Abschnitt eingehender dargestellt wird. rend beim volumenmäßig ebenfalls bedeutenden Maschinenbau ein aus- Abbildung 9 Außenhandel zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz geglichenes Verhältnis feststellbar war. Die Warenstruktur der Außen- 2019 (wichtigste Warengruppen) handelsbeziehungen spiegelt die jeweiligen Wirtschaftsstrukturen die- ser beiden Teilräume wider, da die jeweils starken Branchen auch füh- rend bei den Exportbeziehungen sind. Inwiefern profitiert nun der deutsche Grenzraum von den intensiven Ex- portbeziehungen zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg? Da es auch in Baden-Württemberg in der Außenhandelsstatistik unterhalb der Landesebene keine weiteren Differenzierungen mehr gibt, sind wir hier auf eine Modellrechnung der Außenhandelsbeziehungen angewiesen. Mit Hilfe einer Shift-Share-Analyse, bei der die regionale Wirtschafts- struktur als Basis für die Modellrechnung genommen wurde, wurde eine grobe Abschätzung des (finanziellen) Volumens der Außenhandelsbe- ziehungen der Region Hochrhein-Bodensee mit der Schweiz vorgenom- men. Wir gehen davon aus, dass aus diesem Raum im Jahr 2019 etwa für 800 Mio. Euro Güter und Dienstleistungen in die Schweiz exportiert und für rund 700 Mio. Euro aus der Schweiz importiert wurden. Die wich- tigsten Branchen sind Metallerzeugnisse und pharmazeutische Produkte bei den Ausfuhren aus der Region in die Schweiz und pharmazeutische Erzeugnisse und Metallerzeugnisse beim Import. Genauere Aussagen können hier aufgrund der Datenverfügbarkeit nicht getroffen werden. Quelle: Eigene Berechnungen nach StaLa 2021b
20 2020 im Vorjahresvergleich um insgesamt 3,8 Prozent ab. Damit fiel der 4.2 Auswirkungen der Coronapandemie auf die Ex- Rückgang der Ausfuhren deutlich geringer aus als die Entwicklung der portbeziehungen Ausfuhren Baden-Württembergs in die EU (- 8,0 Prozent) oder der Ge- samtausfuhren in alle Länder (-7,3 Prozent). Als Zielmarkt für Ausfuh- Die Coronapandemie hatte gravierende Auswirkungen auf ren aus Baden-Württemberg nahm die Schweiz 2020 mit einem Ausfuhr- internationale Lieferketten: Probleme beim grenzüberschreitenden volumen von rd. 14,7 Mrd. Euro Platz 3 nach USA und China ein und Warenaustausch, Lieferschwierigkeiten bei von Betriebsschließungen rückte damit im Vorjahresvergleich noch einen Platz vor Frankreich auf. betroffenen Zulieferbetrieben sowie Engpässe bei Logistikkapazitäten und bei der Zollabfertigung hatten gravierende Auswirkungen auf viele Branchenspezifische Entwicklungen global vernetzte Industriebetriebe in Baden-Württemberg und der Betrachtet man die wichtigsten Warengruppen im Außenhandel zwi- Schweiz (vgl. WM Baden-Württemberg 2020). Entsprechend ging das schen Baden-Württemberg und der Schweiz im Jahr 2020 lassen sich ge- Außenhandelsvolumen der Schweiz und Baden-Württembergs im genüber dem Vorjahr Kontinuitäten und Veränderungen beobachten. Coronajahr 2020 nach Jahren des kontinuierlichen Wachstums insgesamt Dabei spiegeln sich sowohl „globale“ Nachfrageeinbrüche als auch Son- deutlich zurück. So sanken die Einfuhren Baden-Württembergs um rund derentwicklungen in den bilateralen Handelsbeziehungen. Wertmäßig 10 Mrd. Euro (-5,2 Prozent) und die Ausfuhren ins Ausland um rund 15 größte Warengruppe blieben in beiden Ländern pharmazeutische Er- Mrd. Euro (-7,3 Prozent). zeugnisse. Hier gab es gegenüber 2019 eine Steigerung des Handelsvo- lumens von rund drei Prozent bei den Importen nach Baden-Württem- Robuste Handelsbeziehungen im Coronajahr berg und von rund fünf Prozent bei den Exporten in die Schweiz (vgl. Entgegen diesem Trend zeigten sich die Handelsbeziehungen zwischen Abbildung 11). Eine ähnliche Steigerung zeigt die Außenhandelsbilanz Baden-Württemberg und der Schweiz im Umfeld der Coronapandemie der Pharmabranche Baden-Württembergs insgesamt. Diese Steigerung als besonders robust. Die Einfuhren nach Baden-Württemberg aus der könnte mit einer pandemiegetriebenen Nachfrage nach pharmazeuti- Schweiz gingen im Vorjahresvergleich nur um 0,7 Prozent zurück und schen Produkten zusammenhängen. Spiegelbildlich dazu entwickelte betrugen 15,7 Mrd. Euro (9,0 Prozent aller Einfuhren). Damit lag der sich der Außenhandel im Maschinenbau – einer der zentralen Branchen Rückgang deutlich unter den Vergleichswerten für die Einfuhren aus der im Südwesten – sowohl bilateral mit der Schweiz als auch in der gesam- EU (-5,5 Prozent) oder allen Ländern (-5,2 Prozent). Die Schweiz blieb ten Außenhandelsbilanz Baden-Württembergs deutlich negativ. Der Ex- damit auch 2020 das wichtigste Herkunftsland aller Einfuhren für Ba- port von Maschinen in die Schweiz sank um rund 12 Prozent, der Import den-Württemberg, noch vor China, den USA sowie den Niederlanden aus der Schweiz sogar um 17 Prozent. und Italien. Die Ausfuhren Baden-Württembergs in die Schweiz nahmen
21 Deutlich abgekoppelt von den generellen Entwicklungen im baden- Abbildung 10 Außenhandel zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz württembergischen Außenhandel zeigte sich hingegen der bilaterale 2020 (wichtigste Warengruppen) Handel in den Bereichen Metall sowie Kraftfahrzeuge. Obwohl Im- und Exporte von Metallen nach und aus Baden-Württemberg im Vorjahres- vergleich insgesamt praktisch unverändert blieben, stieg das Handels- volumen mit der Schweiz deutlich an: bei den Importen um 334 Mio. Euro bzw. 38 Prozent und bei den Exporten um 544 Mio. Euro bzw. 33 Prozent. Über die Gründe dieser Nachfrageverschiebung zugunsten der bilateralen Handelsbeziehungen kann nur spekuliert werden. Mög- licherweise wurden hier pandemiebedingt gestörte globale Lieferketten im Nachbarland kompensiert. Kraftwagen und Kraftwagenteile sind für Baden-Württemberg zusammen mit pharmazeutischen Erzeugnissen wertmäßig die größte Warengruppe im Export. Gerade in dieser Schlüs- selbranche zeigte sich der Außenhandel mit der Schweiz im Coronajahr 2020 als besonders robust. Während die Automobilbranche im Südwes- ten gegenüber dem Vorjahr insgesamt einen Rückgang ihrer Exporte um 13 Prozent verzeichnete, konnte sie diese in die Schweiz sogar leicht um rund zwei Prozent steigern. Quelle: Eigene Berechnungen nach StaLa 2021b
22 Abbildung 11 Aussenhandel zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz 2020: Veränderungen zum Vorjahr (wichtigste Warengruppen) Quelle: Eigene Berechnungen nach StaLa 2021b
23 5 Arbeitsmarkt und Grenzgänger drei deutschen Landkreisen nochmals um knapp vier Prozent gewach- 5.1 Bisherige Entwicklungen sen. Auf der Schweizer Seite lag der Zuwachs bei gut zwei Prozent. Der deutsch-schweizerische Grenzraum und auch der Grenzraum zwi- Abbildung 12 Erwerbstätigenquote (2019) schen der Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg sind im Bereich des Ar- beitsmarktes grenzüberschreitend sehr eng verflochten. Innerhalb der Region finden sich relativ ähnliche Erwerbstätigenquoten (siehe Abbil- dung 12). So liegt die Erwerbstätigkeit beiderseits der deutsch-schweize- rischen Grenze in einem Korridor von 55 bis 60 Prozent Erwerbstätigen pro Einwohner. Lediglich in Basel-Stadt sowie im Stadtkreis Freiburg werden Werte von 70 Prozent und mehr erreicht. Dies hängt auch mit einem hohen Anteil an Personen zusammen, die in diese Städte einpen- deln. Beschäftigtenentwicklung im Vergleich Insgesamt gab es im deutsch-schweizerischen Grenzraum 2018 rund 2,65 Mio. Beschäftigte (vgl. Tabelle 2, Seite 10). Etwa 18 Prozent der Ar- beitsplätze befinden sich in der Region Hochrhein-Bodensee. Bei weitem die meisten Arbeitsplätze befanden sich im Kanton Zürich, in dem 2018 über eine Million Menschen beschäftigt waren. Die Zahl der Arbeits- plätze ist im Grenzraum in den letzten beiden Dekaden (2001 - 2018) um fast ein Drittel gestiegen. Dabei lag das Beschäftigungswachstum in den Schweizer Kantonen durchweg höher als das Wachstum in den deut- schen Landkreisen. Einen besonders dynamischen Beschäftigtenzu- Quelle: Eigene Berechnungen nach BFS 2020c, StaLa 2021a wachs verzeichneten die Kantone Zürich (+36,4 Prozent) und Aargau (+31,5 Prozent). Zwischen 2016 und 2018 ist die Beschäftigung in den Das Thema Arbeitslosigkeit stellt im gesamten deutsch-schweizerischen Grenzraum und auch im Rheintal kein gravierendes Problemfeld dar,
24 auch wenn sie im Coronajahr 2020 angestiegen ist (siehe nachfolgenden schweizerische Grenzraum – bestehend aus den Großregionen Nord- Abschnitt). Zunehmend zeigt sich, dass nicht mehr die Arbeitslosigkeit westschweiz, Zürich und weiten Teilen der Ostschweiz – weniger stark das zentrale Problem des Arbeitsmarktes ist, sondern die Verfügbarkeit durch im Ausland wohnhafte Arbeitskräfte geprägt ist als beispielweise von Arbeitskräften immer mehr zu einem Problem wird, von dem alle der Grenzraum zu Frankreich (Genferseeregion) und zu Italien (Tessin). Teilräume des Gebiets gleich betroffen sind. Wie aus Abbildung 13 ersichtlich ist, war die Entwicklung der Grenz- gänger in den Grenzkantonen zu Deutschland – hier als Nordschweiz Entwicklung der Grenzgänger zusammengefasst – in den letzten zwei Jahrzehnten auch weniger dyna- Die grenzüberschreitenden Verflechtungen am Arbeitsmarkt haben, ge- misch als in der Genferseeregion (Region lémanique) oder auch dem Tes- messen an der Zahl der Grenzgänger, in den letzten beiden Jahrzehnten sin. in der ganzen Schweiz kontinuierlich zugenommen. Mit über 340 000 Personen hat ihre Zahl zum Ende des Coronajahres 2020 einen neuen Abbildung 13 Entwicklung Grenzgänger in ausgewählten Großregionen Höchststand erreicht. Damit hat sich die Zahl der Grenzgänger seit 2000 mehr als verdoppelt. Tabelle 3 Grenzgänger nach Großregionen (2019) Staatsangehörigkeit Grenzgänger Anteil Tessin 70 100 31,1% Genferseeregion 130 700 13,4% Nordwestschweiz 72 200 10,4% Ostschweiz 28 800 4,4% Espace Mittelland 29 000 2,8% Zürich 10 500 1,0% Zentralschweiz 2 500 0,5% Quelle: Eigene Berechnungen nach BFS 2021a Schweiz 343 800 6,7% Quelle: Eigene Berechnungen nach BFS 2021a, 2020c Vergleichende Studien haben herausgearbeitet, dass Anreize für das grenzüberschreitende Pendeln insbesondere in länderübergreifenden Betrachtet man die räumliche Verteilung dieser Grenzgänger hinsicht- lich Arbeitsort und Herkunftsort, zeigt sich deutlich, dass der deutsch-
25 Differenzen im Lohnniveau, bei der Arbeitslosenquote oder der Beschäf- Räumliche Schwerpunkte des Grenzgängerwesens tigungssicherheit liegen (vgl. IAB 2019). Entlang der deutsch-schweize- Die Ziele der Grenzgänger aus Südbaden sind sehr unterschiedlich aus- rischen Grenze dürften angesichts der oben dargestellten, relativ ver- geprägt. Dies macht auch die gemeindescharfe Analyse der Grenzgän- gleichbaren Arbeitsmarklage vor allem Unterschiede im Lohnniveau ei- gerzahlen und -anteile deutlich (siehe Abbildung 15 und 16). Der wich- nen Anreiz für das Grenzgängertum spielen. tigste Arbeitsort der deutschen Grenzgänger ist klar der Raum Basel, in Die Region Hochrhein-Bodensee bildet den Schwerpunkt der grenzüber- dem ein Großteil der Zupendler aus Deutschland arbeitet. Vor allem schreitenden Arbeitsmarktbeziehungen mit der Schweiz. Rund 62 000 Grenzgänger aus dem Landkreis Lörrach und aus Teilen des Landkrei- Personen mit Wohnsitz in Deutschland arbeiten in der Schweiz, davon ses Waldshut arbeiten im Wirtschaftraum Basel, zu dem nicht nur der 95 Prozent in der Nordschweiz. Rund drei Viertel dieser Personen sind Kanton Basel-Stadt, sondern auch der Kanton Basel-Landschaft und in der Region Hochrhein-Bodensee wohnhaft. Für die Nordschweiz ist Teile des Kantons Aargau (Fricktal) gerechnet werden können. Im Wirt- Deutschland das bedeutendste Herkunftsland. Wie Abbildung 14 zeigt, schaftsraum Zürich arbeiten deutlich weniger Grenzgänger als im Raum hat Deutschland mit rund 57 Prozent den größten Anteil an allen Her- Basel – dennoch finden sich auch hier räumliche Schwerpunkte, wie kunftsländern in der Nordschweiz. Frankreich steht mit rund 33 Prozent etwa Kloten als Flughafenstandort. Ein weiterer wichtiger Zielraum der an zweiter Stelle. Grenzgänger ist das St. Galler Rheintal. Hier arbeiten rund 8 000 Vorarl- Abbildung 14 Herkunft der Grenzgänger in der Nordschweiz (2020) berger in der Schweiz und etwa die gleiche Zahl in Liechtenstein. Auch aus der Schweiz überqueren Beschäftigte auf dem Weg zur Arbeit die Grenze. So arbeiten knapp 13 000 Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und Liechtenstein, darunter rund 5 000 EU-Bürger oder Drittstaatsange- hörige mit Wohnsitz in der Schweiz (vgl. Stiftung Zukunft.li 2020: 29). Grenzgängertum aus der Schweiz nach Deutschland, speziell in die Re- gion Hochrhein-Bodensee, ist hingegen ein Randphänomen. So ver- zeichnete die Region 2020 knapp 1 000 Grenzgänger aus der Schweiz, davon allein rund 450 Personen in den Landkreis Konstanz. Dabei han- delt es sich aber zu zwei Dritteln um Personen mit deutscher Staatsbür- gerschaft, die in der Schweiz wohnhaft sind (vgl. BfA 2020). Quelle: Eigene Berechnungen nach BFS 2021a
26 Abbildung 15 und Abbildung 16: Anteil Grenzgänger an Beschäftigten (oben) und Anzahl Grenzgänger (unten) auf Gemeindeebene (2018) Quelle: Eigene Berechnungen nach BFS 2021a und 2020c
27 Die Bedeutung der Grenzgänger für den Arbeitsmarkt der einzelnen Kanton Schaffhausen aus, wo sie 10,5 Prozent der Arbeitsplätze ausma- Teilräume ist sehr unterschiedlich. Es kann aber festgehalten werden, chen. Für den Wirtschaftraum Basel sind die Grenzgänger noch entschei- dass die Bedeutung der Grenzgänger in den Schweizer Teilräumen eher dender: In Basel-Stadt werden 18,3 Prozent der Arbeitsplätze von Grenz- niedriger liegt als in den grenznahen deutschen Landkreisen. Als Krite- gängern besetzt, von denen rund 16 100 aus Deutschland kommen. Die rium für die Relevanz der Grenzgänger am regionalen Arbeitsmarkt Arbeitskräftenachfrage aus der Nordschweiz hat damit eine positive wurde die Grenzgängerquote bezogen auf deren Anteil an den Beschäf- Wirkung auf den Arbeitsmarkt in den drei südbadischen Landkreisen. tigten in einem Teilraum (Arbeitsortprinzip) bzw. auf deren Anteil an Die hohe Arbeitskräftenachfrage hat aber auch einen negativen Rück- allen Erwerbstätigen in einem Teilraum (Wohnortprinzip) betrachtet koppelungseffekt: Aufgrund dieser Nachfrage, die oftmals mit spürba- (siehe Abbildung 18). Ein derartiger Vergleich ist zwar mit einer Reihe ren Einkommensdifferenzen verbunden ist, ergeben sich deutlich zu be- von statistischen Problemen behaftet, die Werte liefern aber einen Nähe- obachtende Entzugseffekte auf den „Heimmärkten“ und daraus resul- rungswert, welche Relevanz die Grenzgänger für den regionalen Ar- tierend die Problematik, dass die eigene Arbeitskräftenachfrage nicht beitsmarkt haben. Von Interesse ist hier die Bedeutung der Grenzgänger mehr gedeckt werden kann. Bereits heute ist die Verfügbarkeit von qua- für den Arbeitsmarkt in ihrer Herkunftsregion. Da liegt der Anteil der lifizierten Arbeitskräften in den südbadischen Landkreisen ein zentrales Grenzgänger an allen Erwerbstätigen in den Landkreisen Lörrach und Standortproblem, von dem viele Branchen betroffen sind. Dieses Prob- Waldshut bei 16,5 bzw. 15,4 Prozent und im Landkreis Konstanz bei lem wird sich in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen 6,4 Prozent. Dabei ist der Anteil von Grenzgängern in der Region Hoch- Wandels noch weiter verschärfen, woraus negative Effekte für die Ent- rhein-Bodensee in den letzten zwei Jahren konstant geblieben. Die Zah- wicklungsperspektiven dieses Raumes entstehen können. len zeigen die zentrale Rolle der Grenzgänger für den Arbeitsmarkt in Die räumliche Verteilung der Grenzgänger hängt auch stark mit den in- diesen Räumen hervor und tragen zur oftmals sehr niedrigen Arbeitslo- nerschweizerischen bzw. interkantonalen Pendlerverflechtungen zu- senquote bei, die diese Räume im Vergleich mit anderen süddeutschen sammen (siehe Abbildung 17). Hier kann festgehalten werden, dass es Regionen aufweisen. vor allem die beiden Metropolkerne Zürich und Basel sind, die eine hohe Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man den Arbeitsort der Grenzgänger Attraktivität für Arbeitskräfte aus der Schweiz darstellen und so eine betrachtet. Hier kann festgehalten werden, dass in den Kantonen Zürich, sehr hohe Anzahl von Berufspendlern anziehen. So pendelten im Jahr Aargau und Thurgau nur zwischen 1,0 und 4,1 Prozent aller Arbeits- 2018 36 000 Aargauer mehr in den Kanton Zürich als umgekehrt. Auch plätze durch Grenzgänger besetzt werden. Anders sieht es hingegen im aus der Ostschweiz (Kantone TG und SG) in Richtung Zürich bestehen deutliche Überschüsse in der Pendlerbilanz .
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