Versorgungssicherheit und Klimaschutz - Greenpeace Schweiz
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Gesamtenergieszenario für die Schweiz Versorgungssicherheit und Klimaschutz Wie die Schweiz mit einem raschen Ausbau der Photovoltaik eine sichere und klimaverträgliche Energieversorgung gewährleisten kann. Deutsche Kurzfassung von Georg Klingler Heiligtag, Energie- und Klimaexperte von Greenpeace Schweiz
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Im Jahr 2013 präsentierte Greenpeace Schweiz erstmals ein Gesamtenergieszenario für die Schweiz. Dieses Szenario zeigte, wie die Schweiz zugleich aus der Nutzung der Atomenergie aus- steigen und bis 2050 die Treibhausgasemissionen auf netto null absenken kann, ohne das damals noch verfügbare CO2-Budget zu überschreiten. Der vorliegende Bericht ist ein Update des Gesamt- energieszenarios aus 2013 unter Berücksichtigung des neuesten Wissensstandes. 3
Eine Publikation von Greenpeace Schweiz, Januar 2022 Die deutsche Kurzfassung basiert auf der englischen Origi- Energieszenarien mit 100 % erneuerbaren Energien. Dr. nalstudie «Energy [R]evolution: 100% Renewable Energy Sven Teske verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der for Switzerland», die von Dr. Sven Teske, Dr. Jihane Assaf technischen Analyse von erneuerbaren Energiesystemen, und Yohan Kim des Institute for Sustainable Futures der der Marktforschung für erneuerbare Energien und Integ- University of Technology Sydney im Auftrag von Green- rationskonzepten für hohe Anteile von variablem erneuer- peace Schweiz erarbeitet wurde. barem Strom in Stromnetzen. www.uts.edu.au/isf Der englische Bericht ist auf der Webseite von Greenpeace Dr. Sven Teske und sein Team haben in Kollaboration mit Schweiz verfügbar: www.greenpeace.ch/energieversorgung anderen Forschungseinrichtungen auch das One Earth Climate Model entwickelt, mit dem sie aufzeigen, wie die Wissenschaftliche Expertise: im Übereinkommen von Paris vereinbarte Begrenzung des Dr. Sven Teske ist ausserordentlicher Professor und Ener- globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius global gie-Bereichsleiter am Institute for Sustainable Futures erreicht werden kann. (UTS-ISF) an der University of Technology Sydney. Das Modellierungsteam des ISF wird von Dr. Sven Teske ge- Das Konzept wurde im Springer Verlag 2019 veröffentlicht: leitet und ist weltweit führend in der Modellierung von https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-030-05843-2 4
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 6 Einleitung 11 Rahmensetzungen und Annahmen: So wurde gerechnet 12 Ergebnisse: So werden fossile Energieträger in der Schweiz obsolet 16 Entwicklung der CO2-Emissionen: max. 1.5°C ist noch möglich 16 Das globale Emissionsbudget 16 Das Emissionsbudget der Schweiz 18 Klimaschutz im Verkehrssektor 21 Massnahmen für den Umbau des Verkehrssektors 23 Klimaschutz und Atomausstieg in der Elektrizitätsproduktion 24 Stromnetze 25 Versorgungssicherheit 26 Massnahmen für den Umbau des Elektrizitätssektors mit Gewährleistung der Versorgungssicherheit 33 Klimaschutz in der Wärmeproduktion 34 Massnahmen für den Umbau der Wärmeproduktion 35 Entwicklung von End- und Primärenergiebedarf 36 Investitionen und Arbeitsplätze 38 Umgang mit anderen Treibhausgasemissionen 40 Emissionen anderer Treibhausgase in der Schweiz 40 Emissionen des Flugverkehrs 41 Emissionen des Konsums 42 Weitere durch die Schweiz verantwortete Emissionen 43 Sozialer Wandel statt technologische Lösungen? 44 Anhang 46 Glossar46 Monatsbilanzen der Stromversorgung im ADV-E[R]-Szenario 56 Annahmen zum Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung 58 Annahmen zu Energie- und Technologiekosten 59 Weitere Annahmen sind im englischen Grundlagenbericht dokumentiert 60 5
Zusammenfassung Im Jahr 2013 präsentierte Greenpeace Schweiz ein Gesamtenergie- szenario für die Schweiz. Dieses Szenario zeigte, wie die Schweiz zugleich aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen und bis 2050 die Treibhausgasemissionen auf netto null absenken kann, ohne das damals noch verfügbare CO2-Budget zu überschreiten. Ebenso zeigten wir, welche Investitionen es braucht und wie damit inländische Jobs und Versorgungssicherheit geschaffen werden. Damals war es für viele noch undenkbar, dass Darum hat Greenpeace Schweiz von unabhän- dereinst sämtliche CO2-Emissionen eliminiert gigen Expert:innen des Institute for Sustainable werden müssen. Mittlerweile ist das Netto- Futures (ISF) an der technologischen Universi- null-Ziel zum Common Sense geworden. Im tät von Sydney (University of Technology Syd- Übereinkommen von Paris von 2015 ist ex- ney, UTS) ein Update ihrer Energy [R]evolution plizit davon die Rede, und im Jahr 2019 hat der erstellen lassen. Zwei neue Energy-[R]evolution- Bundesrat offiziell verkündet, dass er bis 2050 Szenarien, «Energy [R]evolution» (E[R]) und eine «klimaneutrale» Schweiz will. Im Jahr 2020 «ADVANCED Energy [R]evolution» (ADV-E[R]), folgten dann die Energieperspektiven 2050+ des veranschaulichen die Möglichkeiten einer Bundes, die Wege aufzeigen, wie die Schweiz beschleunigten Dekarbonisierung und eines dieses Ziel erreichen kann. Im Januar 2021 hat früheren Ausstiegs aus der Nutzung der Atom- der Bundesrat schliesslich die auf diesen Pers- kraft auf. Sie berücksichtigen den neuesten pektiven aufbauende langfristige Klimastrate- Wissensstand des Intergovernmental Panel on gie der Schweiz verabschiedet. Climate Change (IPCC) mit dem heute noch für die Schweiz verfügbaren CO2-Budget für die Einhaltung einer globalen Erderwärmung von Der zentrale Schwachpunkt der maximal 1.5°C. bundesrätlichen Klimastrategie: Die Menge an Treibhausgas- Die Greenpeace-Szenarien zeigen, dass eine atomstrom- und CO2-freie Energieversorgung emissionen, welche bei der hierzulande möglich und erschwinglich ist. Umsetzung dieser Strategie bis Die entscheidenden Elemente sind: 2050 innerhalb der Schweiz noch - ein stark beschleunigter Ausbau der verursacht wird, ist viel zu hoch. Photovoltaik und Die Einhaltung der in Paris vereinbarten und - eine Steigerung der Energieeffizienz inklusive für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen Einsparungen durch Verhaltensänderungen wichtige 1.5°C-Grenze ist damit nicht möglich. Würden alle Länder die gleichen Klimaschutz- Die Photovoltaik wird zur Schlüsselenergie für Ambitionen verfolgen wie die Schweiz, droht die Dekarbonisierung von Verkehr, Gebäuden uns eine globale Erwärmung von bis zu 3°C, das und Industrie. Um das verbleibende Emissions- besagt die Analyse des klimawissenschaftlichen budget für 1.5°C einzuhalten und die Versor- Thinktanks Climate Action Tracker.1 Auf einer gungssicherheit zu gewährleisten, muss bis um 3°C erhitzten Welt droht ein Massenausster- 2025 (!) der Ausbau der Photovoltaik massiv ben mit dem Ende der Zivilisation, wie wir sie auf über 12 TWh/a beschleunigt werden. Bis heute kennen. 2035 ist der Beitrag der neuen erneuerbaren Siehe Analyse auf https://climateactiontracker.org/ 1 countries/switzerland/ (Stand 3.1.2022) 6
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Energien (ohne Wasserkraft) auf über 38 Der gezeigte beschleunigte Umbau TWh/a zu steigern, wovon 30 TWh/a von der Photovoltaik kommen werden. So lassen sich des Energiesystems macht die bis 2030 die energiebedingten CO2-Emissionen Schweiz unabhängiger, sicherer und der Schweiz um 60% und bis 2035 um 90% im klimafreundlicher. Die Schweiz ist Vergleich zu 1990 senken. Die verbleiben- den CO2-Emissionen können durch negative weder auf Atomkraftwerke noch auf Emissionen, also durch die Entfernung von neue Gaskraftwerke angewiesen. Kohlenstoff aus der Atmosphäre, ausgeglichen werden, so dass 2035 netto null CO2-Emissio- nen erreicht werden können. Dafür muss die Schweiz bereits heute Vorkehrungen treffen. Abbildung Z1: Verlauf der energiebedingten CO2-Emissionen (ohne Zement) und Angabe kumulierte Emissionen bis 2050 für die Energy-[R]evolution-Szenarien REF, E[R] und ADV-E[R] sowie das Sze- nario EP-ZERO Basis der Energieperspektiven 2050+ mit und ohne Carbon Dioxide Removal (CDR). (Quelle: Eigene Berechnungen und Energieperspektiven 2050+ (Variante EP-ZERO Basis, Strategievariante «ausgeglichene Jahresbilanz 2050», KKW-Laufzeit 50 Jahre)). Kumulierte CO2-Emissionen 2020-2050: 40 REF: 697 Mio. t CO2 E[R]: 410 Mio. t CO2 ADV E[R]: 349 Mio. t CO2 EP-ZERO Basis: 615 Mio. t CO2 30 EP-ZERO Basis inkl. CDR: 562 Mio. t CO2 Mio t CO2/a, energiebedingt 20 10 0 -10 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 REF E[R] ADV E[R] EP-ZERO Basis ohne CDR EP-ZERO Basis inkl. CDR im Inland Der Endenergieverbrauch sinkt, die Strom- vielmehr befindet sich die Schweiz auf einem produktion im Inland steigt stark an Weiter-Wie-Bisher-Kurs). Die Greenpeace-Sze- Die beiden Energy-[R]evolution-Szenarien narien gehen unter anderem davon aus, dass zeigen einen deutlich schnelleren und stär- das Potenzial zur effizienteren Energienutzung keren Rückgang des Endenergieverbrauches ausgeschöpft wird (z.B. Vermeidung des Stand- als das Referenz-Szenario (REF), welches die by-Verbrauchs, Ersatz alter Beleuchtungen und Klimaschutzpläne des Bundes abbildet (wobei Elektromotoren, Elektrifizierung des gesamten diese Pläne derzeit nicht umgesetzt werden, Verkehrs). 7
Zusammenfassung Abbildung Z2: Entwicklung des Endenergiebedarfs (ohne nicht-energetische Nutzungen). Effizienz Andere Sektoren Industrie Verkehr 800 700 600 500 PJ/a 400 300 200 100 0 se e as tabl e RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] Ba re E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ c s V V V V de P AD AD AD AD DP GD G 2018 2020 2025 2030 2040 2050 Aufgrund der konsequenten Elektrifizierung raturprozessen, steigt in den Energy-[R]evolu- von Anwendungen, die heute noch mit fossilen tion-Szenarien die Stromproduktion innerhalb Energieträgern betrieben werden, und des Be- der Schweiz um rund 25 bis 30 TWh bis im Jahr darfs an erneuerbarem Strom zur Herstellung 2050. Die Photovoltaik wird im Endausbau von Brenn- und Treibstoffen für die Dekarboni- mehr zur Energieversorgung beitragen als die sierung von schweren Geräten und Hochtempe- Wasserkraft. Abbildung Z3: Entwicklung der Stromproduktion für die verschiedenen Technologien. Geothermie Photovoltaik Wasserkraft Atom Erdöl Biomasse und Wind Wasserstoff Diesel Erdgas Syn-fuels 100 80 60 TWh/a 40 20 0 se e as tabl e RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] Ba re E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ c s V V V V de P AD AD AD AD DP GD G 2018 2020 2025 2030 2040 2050 8
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Statt wie die Energieperspektiven des Bundes mit sicherheit in der Schweiz gewährleistet. Das 50 Jahren Laufzeit der Atomkraftwerke zu rech- unterstreichen die Analysen zur Stromnetz- nen (und in Varianten sogar mit 60 Jahren), zeigt stabilität und die realitätsgetreue Modellie- Greenpeace Schweiz in den Energy-[R]evolution- rung der Stromversorgungssituation für die Szenarien, wie der Umbau des Energiesektors Jahre 2025, 2030, 2040 und 2050. Dabei wird mit einer maximalen Laufzeit von 45 Jahren ge- deutlich: Je schneller der Ausbau der Photo- lingen kann.2 In den Szenarien werden auch die voltaik gelingt, desto geringer fallen die Energie aus Windkraft und Biomasse ausgebaut, Winterdefizite aus. nicht aber die Wasserkraft. Für die Wasserkraft wird angenommen, dass Systemoptimierungen Mit dem Ausbautempo der Energy-[R]evolu- und die in Realisierung neuer Kraftwerke den tion-Szenarien wird das inländische Stromver- Minderertrag durch die Einhaltung der gelten- sorgungsdefizit nie grösser, als es heute schon den Gewässerschutzgesetze ausgleichen wer- ist. Die 5 TWh/a, die in den letzten fünf Jahren den. Die Wasserkraftproduktion bleibt daher durchschnittlich jeweils im Winter importiert auf dem aktuellen Niveau. wurden, werden auch im Worst-Case-Wetters- zenario nicht überschritten. Bei einem Vollaus- Die Stromversorgungssicherheit ist bau der Photovoltaik im Jahr 2050 besteht kein gewährleistet Winterdefizit mehr, was die Energieversor- Mit dem in den Energy-[R]evolution-Szenarien gung der Schweiz im Vergleich zur heutigen angestrebten Strommix ist die Versorgungs- Situation sicherer und unabhängiger macht. Abbildung Z4: Modellierung der inländischen Stromversorgung im Jahr 2050 für das ADV-E[R]-Szenario. Es besteht zu keiner Zeit im Jahr ein Versorgungsdefizit. (Quelle: SCS-Energiemodell, tagesgenaue Auflösung, eigene Berechnungen) Der Ausbau der Photovoltaik sichert somit die die für die Herstellung von Wasserstoff und Versorgung im Winter und führt im Sommer synthetischen Brenn- oder Treibstoffen zu enormen Überschüssen, die es erlauben, in (Methan/Methanol) gebraucht werden. Damit der Schweiz Energieträger herzustellen (po- können schwer elektrifizierbare Anwendungen wer-to-X), welche heute vollständig importiert in der Industrie und im Verkehr dekarbonisiert werden. Im Jahr 2050 sind es rund 23 TWh/a, werden. Annahme: Beznau 1+2 laufen schon 2022 nicht mehr, 2 Gösgen wird Ende 2024, Leibstadt Ende 2029 abgestellt. 9
Zusammenfassung Mit dem neuen Energiegesetz Weichen -R eduktion der externen Kosten aus der Ver- stellen brennung fossiler Energieträger – vor allem Die Energy-[R]evolution-Szenarien zeigen, dass im Gesundheitsbereich. die Schweiz sehr gut positioniert ist, um im Zu- sammenspiel von sparsamer Energienutzung, -E rhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass die Photovoltaik und Wasserkraft die Dekarboni- Klimakrise kollektiv gelöst werden kann und sierung des gesamten Energiesektors zu ermög- damit Schadenskosten in Milliardenhöhe ver- lichen. mieden werden können: Wenn reiche Länder bei der Dekarbonisierung mit den notwen- Weil der Ausbau der Photovoltaik in der Ver- digen Investitionen vorangehen, werden die gangenheit sehr schleppend voran ging, be- Lösungen günstiger. Mit jedem Zehntelgrad steht ein grosser Nachholbedarf, der nun von Erderwärmung, das dadurch verhindert wer- Bund und Kantonen gezielt angegangen wer- den kann, können die Schadenskosten tiefer den muss. Derzeit wird das Schweizer Energie- gehalten werden. gesetz überarbeitet. Dieses ist so anzupassen, dass bis 2035 mindestens 38 TWh (statt der Um gravierende Auswirkungen der Klima- vorgesehenen 17 TWh) aus neuen erneuer- krise abwenden zu können, ist ein Umbau der baren Energien (ohne Wasserkraft) stammen. Energieversorgung notwendig. Gleichzeitig Damit dieses Ziel erreicht werden kann, gilt es sind auch die Treibhausgase zu eliminieren, insbesondere ein Umfeld zu schaffen, das mas- die durch die Landwirtschaft, die Abfallver- sive Investitionen in den Ausbau der Photovol- wertung, die Industrie (synthetische Gase und taik in der Schweiz ermöglicht. geogene Emissionen), den Flugverkehr, den inländischen Konsum sowie den Schweizer Greenpeace-Energiewende schafft Finanzplatz und die in der Schweiz domizilier- Arbeitsplätze und Wertschöpfung ten multinationalen Konzerne verantwortet Im Vergleich zu den ohnehin nötigen Investi- werden. tionen für die Erneuerung und den Erhalt der gegenwärtigen Energieinfrastruktur von rund Und zwar rasch. Weil wirkungsvolle Klima- 1’400 Milliarden CHF bis 2050 verlangen die schutzmassnahmen jahrzehntelang aufge- präsentierten Energy-[R]evolution-Szenarien schoben wurden, wird die Aufgabe immer Mehrinvestitionen von rund 7.5% – oder 105 schwieriger. Die heutigen Klimaschutzpläne Milliarden CHF bis 2050. Das sind rund 3.5 der Schweiz reichen nicht aus, um die globale Milliarden CHF pro Jahr und entspricht nicht Erderwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Damit einmal der Hälfte des Betrags, der in den letz- verletzt die Schweiz die Solidarität zwischen ten zehn Jahren jährlich für Erdöl- und Erdgas den Menschen weltweit und den Generationen- ausgegeben wurde. vertrag mit unseren Kindern. Mit ihrer derzei- tigen Klimapolitik bürdet die Schweiz die Last unserer Versäumnisse den nach uns lebenden Das für eine klimafreundliche und Menschen auf. Und sie verschärft die Situation sichere Energiewende eingesetzte für jene Menschen, die bereits heute übermäs- Geld schafft grossen Mehrwert für sig unter den Folgen der Klimaerhitzung leiden. die Schweiz. Zu nennen sind: Die Klimakrise ist auch darauf zurückzuführen, dass partout an der gegenwärtigen Logik des -S chaffung von Arbeitsplätzen und Wert- ständigen Wirtschaftswachstums festgehalten schöpfung in der Schweiz: Die Investitionen wird. Der Konsum der Schweizer:innen basiert werden bis 2030 bis zu 30’000 neue Arbeits- auf dem Glauben an einen Planeten ohne Gren- plätze im Cleantech-Bereich schaffen, fast zen, Wirtschaftswachstum ist das oberste Ziel die Hälfte davon in der Photovoltaik-Branche. staatlichen Handelns. Die dadurch geschaffenen Der dadurch gesamtwirtschaftlich ausgelöste Probleme nehmen mittlerweile ein gewaltiges Arbeitsplatzeffekt führt insgesamt zu rund Ausmass an, womit die Frage, wie ein gutes 60’000 neuen Arbeitsplätzen. Vom in der Ener- Leben mit weniger Wirtschaftsleistung mög- gy [R]evolution vorgeschlagenen Schweizer lich ist, unweigerlich ins Zentrum gerückt wird. Klimaschutzprogramm profitieren Firmen in Neben dem Engagement für den in den Energy- der Schweiz statt Erdöl- und Erdgasländer. [R]evolution-Szenarien beschriebenen techno- logischen Umbau des Energiesystems setzt sich -S tärkung der inländischen Versorgung und Greenpeace Schweiz daher für eine sozio-ökono- Erhöhung der Unabhängigkeit von ausländi- mische Transformation ein. schen Energielieferanten und Preiskartellen. 10
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Einleitung Für das vorliegende Update des Gesamtenergieszenarios Energy [R]evo- lution spielen das verbleibende CO2-Emissionsbudget für die Einhaltung von 1.5°C und eine auf 45 Jahre begrenzte Laufzeit für Atomkraftwer- ke eine zentrale Rolle. Es wird ausgeführt, wie die Schweiz doch noch ihren Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten kann, ohne die Atomri- siken zu steigern. «Doch noch», weil wichtige Klimaschutzmassnahmen mit dem notwendigen Umbau der Energieversorgung seit Jahrzehnten aufgeschoben werden. Mit den Energy-[R]evolution-Szenarien zeigen Doch bei allen Blicken auf die wir von Greenpeace Schweiz Wege zu einer klimaverträglichen und sicheren Energiever- drohenden Katastrophen aufgrund sorgung in der Schweiz auf. Wir möchten mit des andauernden Aufschiebens den von unabhängigen Expert:innen erarbeite- ten Szenarien einen Beitrag zum Klimadialog von Klimaschutzmassnahmen darf leisten und veranschaulichen, dass das Feld des nicht vergessen werden, dass die Möglichen viel grösser ist, als Parlament, Regie- Lösung der Krise enorme Chancen rung und grosse Teile der Gesellschaft glauben. mit sich bringt. Denn oftmals entsteht in der Berichterstattung über die bundesrätliche Klima- und Energie- Mit einer Umstellung auf erneuerbare Energien strategie der Eindruck, dass damit höchst- wird die Schweiz unabhängig von den aktu- mögliche Ziele angestrebt würden. So wurde ell enormen Energieimporten. Damit bleiben und wird eine Erzählung geprägt, die glauben Milliarden Franken im Land, statt nach Libyen, macht, dass die Schweiz als eines der reichsten Kasachstan und Russland zu fliessen. Diese Mil- Länder auf dieser Erde nicht mehr zur Lösung liarden werden dem einheimischen Gewerbe der Klimakrise beitragen könnte. Es ist dieses für erneuerbare Energien und Energieeffizienz Narrativ, welches sich ändern muss, damit wir zukommen. Die Randregionen werden beson- uns als Gesellschaft aufmachen können, die ders von der Wertschöpfung profitieren: Die Klimakrise zu lösen. Nach Jahrzehnten des Energiewende schafft gegenüber einem «Weiter Abwartens müssen wir endlich klima-klug wie bisher» unvergleichlich mehr Arbeitsplät- handeln. Denn zu wenig zu leisten, um das ze sowie langfristig bezahlbare Energiekosten Problem zu lösen, ist gefährlich und unklug. ohne Erdölkartelle, welche die Preise diktieren. Dezentrale Solaranlagen verbreitern die volks- Der gesellschaftliche Wille und Rückhalt für wirtschaftliche Bedeutung des Energieversor- klima-klügeres Handeln hängt nicht zuletzt gungssektors. Hunderttausende Bürger:innen auch davon ab, dass darüber debattiert wird, tragen zur Landesversorgung bei, Landwirt:in- was wirklich möglich ist und was auf dem Spiel nen werden zu Energiewirt:innen, Fachleute steht. Mit dem gegenwärtigen Kurs riskiert die aus dem Bau- und Haustechniksektor zu Spezi- Schweiz ganz konkret unsere Lebensgrundla- alist:innen für energetische Sanierungen und gen. Das zeigen die heute schon beobachtbaren durch den Umbau von Dächern und Fassaden Auswirkungen einer globalen Erwärmung von werden diese zu Stromproduktionsanlagen. rund 1.1°C und zunehmende Hinweise, die na- helegen, dass gewisse Kipppunkte im Klimasys- Zu den Chancen gehören auch Quartiere mit tem ausgelöst werden könnten. Solche selbst- deutlich mehr Grünräumen, weniger Moto- verstärkenden Effekte können dazu führen, renlärm und fast keinen Abgasen mehr. Die dass die Kontrolle über die globale Erhitzung enormen externen Kosten unseres aktuellen vollends verloren geht. Als Folge droht ein Mas- Energiesystems werden durch den Umbau senaussterben und das Ende der Zivilisation, verringert und sorgen im Zeithorizont von 30 wie wir sie heute kennen. Jahren für ein positives Saldo. 11
Rahmensetzungen und Annahmen: So wurde gerechnet Szenarien sind mögliche Entwicklungsverläufe und werden benötigt, um Entscheidungsträger:innen einen umfassenderen Überblick zu verschaffen und um die Gestaltungsmöglichkeiten künftiger Energiesysteme aufzu- zeigen. Im vorliegenden Bericht wird anhand von drei Szenarien gezeigt, wie weit das Schweizer Energiesystem umgebaut werden kann: - Unser Referenz-Szenario (REF) entspricht nach Ablauf der Lebensdauer, woraus dann die ungefähr dem Szenario ZERO Basis aus den Gestehungskosten vollkostenbasiert ermittelt Energieperspektiven 2050+. werden. Die Nachfrageentwicklung wird an- hand der angenommenen Wirtschafts- (BIP) - Die Energy-[R]evolution-Szenarien «Energy und der Bevölkerungsentwicklung (welche [R]evolution» (E[R]) und «ADVANCED Energy wiederum mit untergeordneten Treibergrössen [R]evolution» (ADV-E[R]), zeigen die Möglich- wie Verkehrsleistungen und beheizten Flächen keiten einer beschleunigten Dekarbonisie- verknüpft sind) und anhand von Annahmen zur rung und eines früheren Ausstiegs aus der Entwicklung der Energieintensitäten von An- Nutzung der Atomkraft auf. wendungen und von ganzen Sektoren (Indust- rie, Verkehr, Haushalte und Dienstleistungen) Auf die Berechnung eines Weiter-Wie-Bisher- bestimmt. Szenarios (WWB) wurde verzichtet, da das Übereinkommen von Paris und die bundesrät- Um die Ergebnisse unserer Szenarien mit den liche Klimastrategie ein solches gar nicht mehr Energieperspektiven 2050+ des Bundes verglei- zulassen. In den Energieperspektiven 2050+ des chen zu können, haben auch wir für sämtliche Bundes finden sich jedoch Angaben zu einem Berechnungen wie der Bund ein weiteres Wirt- WWB-Szenario, die bei Interesse zum Vergleich schafts- und Bevölkerungswachstum angenom- herbeigezogen werden können. men. Praktisch alle Szenarien für Klimaschutz im Gesamtenergiesystem setzen auf ein wei- Die beiden ER-Szenarien wurden von Fachleu- teres Wirtschaftswachstum. Dadurch wird die ten des Instituts for Sustainable Futures (ISF) Energiewende immer anspruchsvoller, schwie- an der technologischen Universität von Sydney riger und teurer. Dabei ist unbestritten, dass (University of Technology Sydney, UTS) entwi- eine Gesellschaft mit einem Wirtschaftssystem, ckelt. Die Forschungsgruppe verfügt über ein das von Sinn und Genügsamkeit geprägt ist und grosses Wissen zu Modellierungen von Energie- sich an den wichtigsten Grundbedürfnissen systemen und hat unter anderem mit dem «One der Menschen orientiert, enorm zur Lösung Earth Climate Model» auch global aufgezeigt, der Klimakrise beitragen würde. Welche Rolle wie die 1.5°C-Grenze eingehalten werden kann. daher Transformationsansätze bei der Energie- Die detaillierten Angaben zur Methodik und wende spielen können, beschreiben wir daher den Berechnungen für die Schweiz werden in in einem eigenen Kapitel. einem separaten englischen Bericht publiziert. Folgende Rahmenbedingungen bzw. Daten wur- Der Umbau des Schweizer Energiesystems den als Input für die Berechnungen der beiden wurde ausgehend von den nachhaltigen Aus- Energy-[R]evolution-Szenarien verwendet: baupotenzialen und den strukturellen Möglich- keiten festgelegt. Wichtig war dabei, einen 100 - Die Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung % erneuerbaren Elektrizitätsmix zu entwickeln, und zur Entwicklung des Bruttoinlandpro- der die Versorgungssicherheit rund um die Uhr dukts (BIP) bis 2050 wurden von den Energie- zu jeder Zeit sicherstellen kann und der wirt- perspektiven 2050+ des Bundes übernommen, schaftlich tragbar ist. die 2020 und 2021 veröffentlicht wurden. Darin wird davon ausgegangen, dass die Schweizer Die Berechnung der Investitionskosten für Bevölkerung bis 2050 10.3 Millionen Menschen beide Szenarien umfasst den Anlagenersatz zählen wird und dass das BIP von 633 Milliar- 12
Gesamtenergieszenario für die Schweiz den im Jahr 2018 auf 880 Milliarden im Jahr Anlagentechnologien angepasst und beträgt 2050 ansteigen wird. Beide Annahmen haben im Jahr 2050 max. 5.8 TWh/a. einen grossen Einfluss auf die Entwicklung des Energiebedarfs in der Schweiz. Das stän- - Das Potenzial zur Nutzung der tiefen Geo- dige Wachstum erschwert den Umbau des thermie für die Stromproduktion wurde auf- Energiesystems. Die genannten Rahmendaten grund der weiterhin unsicheren Ausgangsla- wurden dennoch verwendet, um die Vergleich- ge auf weniger als 1 TWh/a geschätzt. Damit barkeit mit den Bundesszenarien zu gewähr- liegt der Beitrag der Geothermie in einem leisten. Bereich, der durch andere Massnahmen ersetzt werden kann, falls die Technologie - Für die Kostenentwicklung der erneuerbaren keine vermehrte Anwendung findet. Energien wurden die jüngsten Entwicklungen und Prognosen der schnelllebigen Märkte im - Das Potenzial der Erdwärmenutzung mittels Strom- und im Wärmesektor berücksichtigt. Wärmepumpen wurde im E[R]-Szenario an das verfügbare erneuerbare Stromangebot - Für die Berechnungen mit einem CO2-Preis gekoppelt. wurde angenommen, dass dieser von aktuell 96 CHF pro Tonne auf bis zu 350 CHF pro Ton- - Das Gesamtpotenzial der Wasserkraft ne im Jahr 2050 ansteigen wird. wurde gemeinsam mit den anderen Umwelt- organisationen der Umweltallianz wegen - Die Energiebedarfsentwicklung wurde für der heute schon sehr starken Nutzung der die Sektoren einzeln ermittelt und mit Unter- Wasserläufe in der Schweiz als konstant suchungen der Schweizerischen Agentur für angenommen. D.h. Produktionsgewinne Energieeffizienz sowie den Energieperspek- durch die Erneuerung von Anlagen werden tiven 2050+ des Bundes abgeglichen. Zu den durch den Minderertrag aus der Erfüllung wichtigsten Annahmen für den Energiebedarf der Anforderungen des Gewässerschutzes im Wärmebereich zählen die Senkung des neutralisiert. Die Wasserkraft leistet damit Energiebedarfs durch energetische Sanierun- auch in Zukunft einen zentralen Beitrag an gen, eine rasche Ausweitung der Nutzung von die Stromversorgung. Solar- und Fernwärme sowie eine grössere Nutzung von Strom für Wärmezwecke. Weil - Das Potenzial der Photovoltaik (PV) in der Strom auch für den wachsenden Anteil der Schweiz ist enorm. Das Bundesamt für Ener- Elektrofahrzeuge im Verkehrssektor benötigt gie hat das theoretisch nutzbare Potenzial wird, steigt der Stromverbrauch trotz massiver auf Gebäudedächern auf rund 50 TWh pro Effizienzsteigerungen bis 2050 an. Jahr geschätzt. Mit weiteren rund 17 TWh/a, die durch die Nutzung von Fassaden hinzu- - Für den Ausbau der erneuerbaren Energien kommen könnten. Zusätzlich schätzt der wurden folgende Rahmenbedingungen für die Branchenverband Swissolar das umweltver- langfristig nachhaltige Nutzung gesetzt: trägliche Potenzial auf weiteren Infrastruk- turanlagen, wie Staumauern, Lärmschutz- - Das Biomassepotenzial der E[R]-Szenarien wänden usw. auf rund 15 TWh/a. beschränkt sich auf das vom Schweizeri- schen Energiekompetenzzentrum SCCER In den E[R]-Szenarien spielt der Ausbau der BIOSWEET ermittelte nachhaltige Potenzial Photovoltaikanlagen eine zentrale Rolle und für die energetische Nutzung. Der Primär- wird knapp 48 TWh/a erreichen, was immer energieinhalt dieses Potenzials wird auf noch weit unter der Ausschöpfung des Ge- insgesamt rund 97 PJ/a beziffert (50 PJ/a aus samtpotenzials bleibt. der Nutzung holziger Biomasse, 27 PJ/a aus Hofdünger und 20 PJ/a aus der restlichen Bio- Weil steil montierte Photovoltaikanlagen im masse). Das Potenzial liegt damit etwas tiefer Alpenraum im Winter fast gleich viel produ- als in der Energy Revolution 2013 (126 PJ/a). zieren wie im Sommer (während Anlagen im Mittelland im Sommer doppelt so viel liefern - Das Potenzial der Windenergie wurde ana- wie im Winter), gehen wir davon aus, dass log zum 2013 veröffentlichten E[R]-Szenario rund ein Fünftel der Solaranlagen auf Dächern auf den jährlichen Stromertrag von rund und Infrastrukturen (z.B. Parkplätzen, Stau- 400 Windkraftanlagen (WKA) begrenzt. Dies seen, Schneesportanlagen, Lawinenverbauun- entspricht dem von den Organisationen der gen) in den Alpen installiert werden kann. Umweltallianz unterstützten nachhaltig nutzbaren Potenzial in der Schweiz. Der - Das Potenzial der Solarthermie wurde Stromertrag der WKA wurde den neusten gemäss dem Masterplan Solarthermie des 13
Rahmensetzungen und Annahmen Branchenverbands Swissolar für 2050 auf aus heutiger Sicht nicht von einer vollständigen höchstens 40 PJ/a beschränkt, die sich nach- Elektrifizierung aller Verkehrsträger und Pro- haltig nutzen lassen. Das entspricht etwa 2 zessanwendungen in der Industrie ausgegangen m2 Sonnenkollektoren pro Kopf. Im E[R]-Sze- werden. Die Wasserstoffherstellung und die nario wird dieses Potenzial mit rund 35 PJ/a weitere Umwandlung in Methan oder Methanol im Jahr 2050 nicht ganz ausgereizt. sind aktuell zwar mit Energieverlusten verbun- den, aufgrund des begrenzten Potenzials von - Die Möglichkeit von Stromimporten wurde Biomasse und auch von elektrischen Anwen- im Szenario weiterhin zugelassen, sollte aber dungen sind zusätzliche erneuerbare Energie- den Rahmen der heutigen Import-Export-Bi- träger jedoch notwendig. lanz nicht sprengen. Die maximale Import- menge wird daher auf 5 TWh/a beschränkt. Im Anhang sind sämtliche Grundannahmen im Wegen des fortschreitenden Umbaus des Detail aufgeführt. Die Grundlagen und Quellen Energiesystems in den umliegenden Ländern hinter den Annahmen werden im englischen und der Investitionen von Schweizer Strom- Grundlagenbericht im Detail erläutert. Dazu versorgern in erneuerbare Energien im Aus- gehören: land (vor allem Windkraft und Solarstrom) wurde unterstellt, dass die Stromimporte zu- - Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung und nehmend auf erneuerbarem Strom beruhen. Wirtschaftswachstum bis 2050 - Für die Modellierung der Netzbelastung - Annahmen zur Entwicklung der Öl- und Gas- wurde mittels Geoinformationen der Zubau preise erneuerbarer Energien und die Stromnach- frage lokalisiert. Die Analysen werden im - Annahmen zu den künftigen Kosten von CO2- englischen Grundlagenbericht präsentiert. Emissionen (inkl. Techniken zur Abscheidung und Endlagerung von CO2-Emissionen im Als Neuerung im Energiesystem werden in al- Untergrund) len Szenarien Wasserstoff und die Folgeproduk- te Methan und Methanol eingeführt. Wasser- - Annahmen zur Kostenentwicklung der erneu- stoff wird durch Elektrolyse mit erneuerbarem erbaren Technologien im Strom-, Wärme- und Strom erzeugt und kommt schon ab 2030 vor Kältesektor (Wasser, Wind, Sonne, tiefe und allem im Verkehrs- und teilweise im Industrie- untiefe Geothermie, Wärmepumpen und Bio- sektor zum Einsatz. Erstens werden im Sommer masse). Stromüberschüsse anfallen und zweitens kann 14
Gesamtenergieszenario für die Schweiz 15
Ergebnisse: So werden fossile Energieträger in der Schweiz obsolet Verschiedene Energieszenarien zeigen schon heute, dass es möglich ist, fossile Energieträger in der Schweiz loszuwerden. Teilweise werden je- doch gefährlich lange Laufzeiten für die verbleibenden Atomkraftwerke angenommen und oft fehlt eine fundierte Analyse, ob die kumulierten Treibhausgasemissionen bis zur vollständigen Dekarbonisierung der Schweiz innerhalb der für die globale 1.5°C-Grenze noch tolerierbaren Menge liegen. Das vorliegende Energieszenario zeigt, wie beides – Klimaschutz und der Schutz vor Atomrisiken – machbar ist. Entwicklung der CO2-Emissionen: max. 1.5°C ist noch möglich Das globale Emissionsbudget Das CO2-Budget gilt nicht für die anderen Die Bestimmung der Menge an CO2, die noch Treibhausgasemissionen wie z.B. Methan und ausgestossen werden darf, um die 1.5-Grad- Lachgas. Um das CO2-Budget für die Einhaltung Grenze mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der 1.5°C-Grenze berechnen zu können, wur- nicht zu überschreiten, ist theoretisch einfach, den Annahmen zur Entwicklung der anderen weil ein nahezu lineares Verhältnis zwischen der Treibhausgase getroffen. Wenn diese langsamer kumulierten Menge an CO2-Emissionen und dem reduziert werden als angenommen, verkleinert Anstieg der Temperatur besteht. Im ersten Teil sich das CO2-Budget (und umgekehrt – im Um- des sechsten Sachstandsberichts des Weltklima- fang von plus-minus 220 Gt CO2e). rates IPCC wird das globale CO2-Budget, das ab 2020 noch ausgestossen werden kann, ohne eine Ausgehend von diesen Erkenntnissen muss die globale Erwärmung von 1.5°C zu überschreiten, zentrale Frage in der Klimapolitik sein: Mit auf 300 bis 900 Gigatonnen (Gt) CO2 beziffert. welcher Wahrscheinlichkeit soll eine maxi- Die grosse Bandbreite ergibt sich aus der Wahr- male globale Erwärmung von 1.5°C erreicht scheinlichkeit, mit der die Grenze von maximal werden – konkret, mit welcher Wahrschein- 1.5°C eingehalten werden soll: bei einem CO2- lichkeit soll die Welt vor irreparablen Klima- Budget von 300 Gt beziffern die Forscher:innen schäden bewahrt werden? Vor dieser Frage die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung der drückt sich jedoch die Politik, und viele Men- 1,5-Grad-Grenze mit 83%, bei 400 Gt mit 67%, bei schen haben noch nie vom CO2-Budget gehört. 500 Gt mit 50% und bei 900 Gt lediglich noch mit Eigentlich ist die Frage eine rhetorische, wird 17%.3 Je mehr Emissionen verursacht werden, sie für andere Lebensbereiche übersetzt: Wür- desto kleiner wird also die Wahrscheinlichkeit, den Sie in einen Zug steigen, der mit 67% Wahr- dass die 1.5°C noch eingehalten werden können. scheinlichkeit am Zielort ankommt? Anders Auch interessant: Eine 100-prozentige Wahr- gefragt: Würden Sie eine Zugfahrt antreten, die scheinlichkeit gibt es nicht (mehr). IPCC, 2021: Summary for Policymakers. In: Climate 3 Zur Einordnung der Mengen: Weltweit werden Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report gegenwärtig jährlich etwas mehr als 40 Giga- of the Intergovernmental Panel on Climate Change tonnen CO2 ausgestossen. Beim derzeitigen [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S. L. Connors, Emissionslevel wäre also das kleinste CO2-Bud- C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M. I. get (83%-Wahrscheinlichkeit) im Jahr 2027 Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matt- hews, T. K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu and aufgebraucht. B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press. In Press. Table SPM.2, S.38, 16
Gesamtenergieszenario für die Schweiz mit 33% Wahrscheinlichkeit in einer Katastro- ten werden kann, von einer sofortigen und stei- phe mündet? len Reduktion der CO2-Emissionen ausgehen. Die nachfolgende Abbildung aus dem Spezial- Das Fass überläuft schon fast und es überrascht bericht des Weltklimarates IPCC zur Einhaltung nicht, dass sämtliche Berechnungen, die zeigen, von 1.5°C zeigt die möglichen globalen Absenk- wie weltweit die 1.5°C-Grenze nicht überschrit- pfade zur Einhaltung der 1.5°C-Grenze.4 Abbildung 1: Mögliche Entwicklungen der globalen menschengemachten CO2-Emissionen, um die Grenze von 1.5°C noch einhalten zu können. (Quelle: IPCC, 2018: Global warming of 1.5°C, Full-Report, Figure 2.5, S. 113) Non-CO2 emissions relative to 2010 Global total net CO2 emissions Emissions of non-C ers are also reduced Billion tonnes of CO2/yr or limited in pathways limiting global warming to 1.5°C with no or limited overshoot, but 50 they do not reach zero globally. Methane emissions 40 In pathways limiting global warming to 1.5°C 1 with no or limited overshoot as well as in pathways with a higher overshoot, C 30 are reduced to net zero globally around 2050. 0 2020 2040 2060 2080 2100 20 Black carbon emissions 1 10 Four illustrative model pathways 0 0 2020 2040 2060 2080 2100 P1 P2 Nitrous oxide emissions -10 P3 1 -20 P4 0 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070 2080 2090 2100 2020 2040 2060 2080 2100 Timing of net zero CO2 Pathways limiting global warming to 1.5°C with no or limited overshoot Line widths depict the 5-95th Pathways with higher overshoot percentile and the 25-75th Pathways limiting global warming below 2°C percentile of scenarios (Not shown above) Die Kurven zeigen nicht nur, dass die CO2-Emis- Darum: Eine Halbierung der menschen- sionen sofort steil abgesenkt werden müssen, sondern auch, dass verpasste Reduktionen spä- gemachten globalen CO2-Emissionen ter wieder aus der Atmosphäre entfernt werden bis 2030 und die Erreichung von netto müssen (der sogenannte Overshoot muss mit null CO2 im Jahr 2050 wird als globale «netto negativen Emissionen» bzw. der Entfer- nung und Einlagerung von CO2- aus der Atmo- Minimalanforderung für die Einhaltung sphäre wieder wettgemacht werden). der 1.5°C-Grenze gesehen. Der Zeitpunkt, bis zu dem netto null Emissio- nen erreicht werden sollten, liegt global bei 2050. Wenn auf dem Weg zur Erreichung der Netto-null-Grenze möglichst keine Emissions- IPCC, 2018: Global Warming of 1.5°C.An IPCC Special 4 schulden angehäuft werden sollen, dann ver- Report on the impacts of global warming of 1.5°C above schiebt sich die Netto-null-Grenze um etwa 10 pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening Jahre nach vorne. Umgekehrt kann die Entfer- the global response to the threat of climate change, nung von CO2 aus der Atmosphäre theoretisch sustainable development, and efforts to eradicate ein paar Jahre mehr Zeit verschaffen. Doch die poverty [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, H.-O. Pörtner, D. Technik zur CO2-Abscheidung und -Speicherung Roberts, J. Skea, P.R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma- Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J.B.R. Matthews, (Carbon Capture and Storage CCS) ist nach wie Y. Chen, X. Zhou, M.I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, vor sehr teuer und wenig erprobt. M. Tignor, and T. Waterfield (eds.)]. In Press. 17
Ergebnisse Das Emissionsbudget der Schweiz - Durch ihren übermässigen Konsum hierzu- Wie viel des globalen CO2-Budgets darf die lande verursachen die Schweizer:innen in Schweiz für sich beanspruchen? Das ist eine anderen Ländern ein Mehrfaches der Inland- weitere Frage, die politisch beantwortet emissionen. Die Gesamtsumme der Pro-Kopf- werden muss. Auch darüber wird erstaunlich CO2-Emissionen hat in den letzten Jahren gar wenig gesprochen. zugenommen.5 Im globalen Vergleich gehört die Schweiz zu den 15 Ländern mit den höchs- Würde das gesamte CO2-Budget seit Beginn der ten Pro-Kopf-CO2-Emissionen.6 Industrialisierung gleichmässig auf die Welt- bevölkerung aufgeteilt, hätte die Schweiz den - Die Schweiz hat als eines der reichsten Län- ihr zustehenden Anteil schon aufgebraucht. der dieser Welt deutlich mehr Möglichkeiten, Die Schweiz würde also heute schon auf Pump die Emissionen rasch abzusenken als andere leben. Länder. Wenn vergangene Emissionen ausser Acht Das alles sind Gründe, warum die Schweiz klar gelassen und das verbleibende Budget ab 2020 weniger als das maximale Budget von 440 Mio. gleichmässig verteilt würden, stünden der Tonnen CO2 nutzen sollte, um einen fairen Bei- Schweiz gemäss ihres Bevölkerungsanteils (ca. trag zur Lösung der Klimakrise zu leisten. Ein 0.11% der globalen Bevölkerung) noch rund Blick auf die Energieszenarien des Bundes zeigt 330 bis 990 Millionen Tonnen CO2-Emissionen jedoch: Es gibt kein Szenario, dass die Einhal- zu. Bei einer Wahrscheinlichkeit von 83%, die tung des grösstmöglichen CO2-Budgets von 440 1.5°C-Grenze nicht zu überschreiten, wäre das Millionen Tonnen bis 2050 gewährleistet. für die Schweiz verbleibende CO2-Budget im Jahr 2029 aufgebraucht, bei einer 67%-Wahr- Die folgende Abbildung des Verlaufs der ener- scheinlichkeit im Jahr 2032 – wenn die energie- giebedingten CO2-Emissionen in der Schweiz bedingten CO2-Emissionen unverändert auf in den für die Energy [R]evolution berechneten dem Stand von 2019 (34.6 Mio. Tonnen CO2) blei- Szenarien (REF, E[R] und ADV E[R]) sowie im ben. Konkret heisst das: Wenn Gerechtigkeits- Bundesszenario ZERO Basis (EP-ZERO Basis) überlegungen (siehe unten) zur Verteilung der zeigt, dass beide Energy-[R]evolution-Szenarien noch möglichen Emissionen unter den Ländern innerhalb des grösstmöglichen CO2-Budgets komplett ausgeblendet werden, verbleiben theo- verbleiben. Das E[R]-Szenario liegt 30 Mio. retisch für die Schweiz maximal 440 Millionen Tonnen und das ADV-E[R]-Szenario rund 90 Tonnen CO2 (67-prozentige Wahrscheinlichkeit, Mio. Tonnen unter dem maximal noch verblei- die 1.5°C-Grenze nicht zu überschreiten). benden Emissionsbudget von 440 Mio. Tonnen CO2. Beide Szenarien kommen schon 2035 der Mehr als 440 Millionen Tonnen Netto-null-Linie sehr nahe. CO2 darf die Schweiz auf keinen Fall Das Bundesszenario EP-ZERO Basis hingegen ausstossen, wenn es ihr mit der führt auch mit der in der Klimastrategie geplan- 1.5°C-Grenze ernst ist. Denn genau ten Entfernung von Emissionen (CDR = Carbon Dioxide Removal) ab dem Jahr 2040 zu einer genommen ist das verbleibende deutlichen Übernutzung des ab 2020 maximal Budget noch deutlich geringer. vorhandenen Schweizer Anteils am globalen Aus drei Gründen: CO2-Budget. Um bis 2100 dennoch im Budget zu bleiben, müssten also nach 2050 grosse Mengen - Die Schweiz hat in Vergangenheit im Vergleich an Kohlenstoff aus der Atmosphäre wieder ent- zu anderen Ländern bereits übermässig hohe fernt werden. Dies komplett ohne Berücksichti- Emissionen verursacht und damit erheblich gung der historischen Verantwortung und der zur Klimakrise beigetragen (historische Emis- Handlungsmöglichkeiten der Schweiz als eines sionen). der reichsten Länder der Welt. Le Quéré, C., Korsbakken, J.I., Wilson, C. et al. Drivers 5 of declining CO2 emissions in 18 developed econo- mies. Nat. Clim. Chang. 9, 213–217 (2019). https://doi. org/10.1038/s41558-019-0419-7 carbonatlas.org 6 18
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Abbildung 2: Verlauf der energiebedingten CO2-Emissionen (ohne Zement) und Angabe kumulier- te Emissionen bis 2050 für die Energy-[R]evolution-Szenarien REF, E[R] und ADV-E[R] sowie das Szenario EP-ZERO Basis der Energieperspektiven 2050+ mit und ohne Carbon Dioxide Removal (CDR). (Quelle: Eigene Berechnungen und Energieperspektiven 2050+ (Variante EP-ZERO Basis, Strategievariante «aus- geglichene Jahresbilanz 2050», KKW-Laufzeit 50 Jahre)). Kumulierte CO2-Emissionen 2020-2050: 40 REF: 697 Mio. t CO2 E[R]: 410 Mio. t CO2 ADV E[R]: 349 Mio. t CO2 EP-ZERO Basis: 615 Mio. t CO2 30 EP-ZERO Basis inkl. CDR: 562 Mio. t CO2 Mio t CO2/a, energiebedingt 20 10 0 -10 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 REF E[R] ADV E[R] EP-ZERO Basis ohne CDR EP-ZERO Basis inkl. CDR im Inland Der ab 2040 eingerechnete späte Einsatz von der Welt führt. Die dann anfallenden Schadens- CDR-Technologien im Bundesszenario spiegelt kosten übersteigen die zusätzlichen Kosten, die die vorherrschende gesellschaftliche Hoffnung wir aufbringen müssen, um die Emissionen auf technologische Lösungen zu möglichst heute stärker zu reduzieren, um eine Vielfaches. tiefen Preisen wider. Der Bund verkennt damit, Dabei ist nicht zu vergessen, dass solch abstrak- dass die Schweiz ein Ambitionsniveau wählt, te Schadenskosten mit unvorstellbarem Leid für dass zu einer extrem gefährlichen Erhitzung die heute lebenden Kinder verbunden ist. Der faire Beitrag der Schweiz zum globalen Klimaschutz Würden alle Länder das heutige Klimaschutzni- von Greenpeace Schweiz erreichen bis 2030 veau der Schweiz übernehmen, würde sich die in etwa eine 60%-Reduktion gegenüber 1990. Erde bis 2100 um etwa 3 Grad erwärmen. Das Ferner hat die Schweiz durch zusätzliche Kli- zeigt die Analyse des klimawissenschaftlichen maschutzmassnahmen im Ausland dafür zu Thinktanks Climate Action Tracker.7 Gleich- sorgen, dass in anderen Ländern bis 2030 jähr- zeitig haben die Wissenschaftler:innen ausge- lich mindestens so viele Emissionen vermieden rechnet, was die Schweiz denn machen muss, werden können, wie die Schweiz heute ausstösst um einen fairen Beitrag zum Klimaschutz und (rund 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro damit zur Einhaltung der 1.5°C-Grenze zu leis- Jahr). Unter dem Strich muss die Schweizer ten. Bei seinen Analysen berücksichtigt Climate Bilanz der Treibhausgasemissionen bis 2030 Action Tracker den Reichtum und die Kapazität im Vergleich zu 1990 also negativ ausfallen eines Landes sowie wie viele historische Emis- (Reduktion um mindestens 167%), um eine Be- sionen es verantwortet. grenzung auf 1.5°C noch möglich zu machen. Konkret muss die Schweiz ihre Treibhausgas- emissionen im eigenen Land bis 2030 um rund Analyse auf https://climateactiontracker.org/count- 7 60% gegenüber dem Niveau von 1990 senken. ries/switzerland/ (Zugriff am 3.1.2022, Update vom Die CO2-Emissionen in beiden E[R]-Szenarien 15.9.2021). Siehe auch Climate Analytics (2021). A 1.5°C compatible Switzerland 19
Ergebnisse Die Wiederentfernung von Emissionen aus der rung eines Leakage Effekts). Zusätzlich zu den Atmosphäre kann auch im E[R]- und ADV-E[R]- natürlichen Senken wird es auch technische Szenario zum Einsatz kommen. Dies insbeson- Verfahren zur Entfernung von CO2 aus Abgasen dere um die Überbeanspruchung des globalen oder aus der Luft mit anschliessender sicherer Emissionsbudget durch die reiche Schweiz noch Einlagerung im Untergrund brauchen. Darauf weiter zu reduzieren. gilt es sich jetzt vorzubereiten, auch wenn diese Verfahren noch wenig erprobt und im Vergleich Für Greenpeace stehen hier der dauerhafte zum Schutz und Wiederaufbau von Ökosyste- Schutz und der Wiederaufbau von klimarele- men um einiges teurer sind. vanten Ökosystemen wie Primärwälder, Moore, Mangroven und Meeresgebiete im Vordergrund. Die gezeigte steile Emissionsminderung in den Die grossflächige Wiederbegrünung von dege- Energy-[R]evolution-Szenarien, die es ermög- nerierten Ökosystemen bietet enormes Poten- licht, innerhalb eines Emissionsbudgets von zial, Kohlenstoff zu binden und die Biodiversität 1.5°C zu bleiben, verlangt den raschen Um- zu fördern. Negative Emissionen durch Ökosys- bau sämtlicher Sektoren. Die folgende Figur teme funktionieren aber nur, wenn die wieder- veranschaulicht den Verlauf der Emissionen aufgebauten Ökosysteme langfristig bestehen insgesamt und für die einzelnen Sektoren. bleiben, was eine faire Mitbestimmung der Hauptverantwortlich für die energiebedingten dort lebenden Menschen bedingt. Zudem muss CO2-Emissionen ist der Verkehrssektor, gefolgt sichergestellt werden, dass die durch den Wie- vom Sektor Haushalte und Dienstleistungen, deraufbau abgelösten schädlichen Nutzungen der vor allem wegen des Heizöl- und Erdgas- nicht auf andere Gebiete ausweichen (Verhinde- verbrauchs hohe Emissionen aufweist. Abbildung 3: Verlauf der CO2-Emissionen in den Sektoren für die berechneten Greenpeace-Szenarien. Haushalte und Industrie Verkehr Stromproduktion Bevölkerung Dienstleistungen 45 12 40 10 35 CO2 Emissionen (Mt/a) Bevölkerung (mio.) 30 8 25 6 20 15 4 10 2 5 0 0 se DP DP EF R] R] EF R] R] EF R] R] EF R] R] Ba G G R E[ E[ R E[ E[ R E[ E[ R E[ E[ V V V V se d able AD AD AD AD ea st cr de 2018 2020 2025 2030 2040 2050 20
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse und Massnahmen für den Umbau je Sektor aufgeführt. Klimaschutz im Verkehrssektor Die verstärkte Verlagerung der Mobilität auf ef- sowie vermehrter Fahrrad- und Fussverkehr zu fiziente Verkehrsträger wie Bahn, Tram, Busse, weiteren Energieeinsparungen im Jahr 2050. Fahrräder und Füsse ist für die Emissionsre- duktionen entscheidend. Insgesamt werden in Für die Erreichung der Einsparungen spielt den E[R]-Szenarien weniger Autos verkauft und die Elektrifizierung eine entscheidende Rolle: die noch verbleibenden Autos werden aufgrund 84% respektive 87% des Sektorbedarfs werden des elektrischen Antriebs und verkleinerter in den beiden E[R]-Szenarien 2050 elektrisch Fahrzeuggrössen deutlich effizienter sein als gedeckt. Wasserstoff und andere synthetische die heutigen. Kraftstoffe, die mit erneuerbarem Strom er- zeugt werden, sind ergänzende Optionen für Der Energiebedarf des Verkehrs geht in allen schwer zu elektrifizierende Anwendungen. Im Greenpeace-Szenarien trotz Bevölkerungs- und Jahr 2050 werden unter dem ADV-E[R]-Szenario BIP-Wachstum zurück. Im REF-Szenario um bis zu 5 PJ/a Wasserstoff eingesetzt. etwa 46% auf 130 PJ/a im Jahr 2050, im E[R]- Szenario werden durch zusätzliche Effizienz- Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwick- massnahmen und Verkehrsverlagerungen im lung der Endenergienachfrage der verschie- Jahr 2050 weitere 19% (10 PJ/a) eingespart. Im denen Verkehrsarten (Abbildung 4) und der ADV-E[R]-Szenario führen verstärkte Verkehrs- eingesetzten Energieträger (Abbildung 5) im verlagerungen von privaten Automobilen hin Transportsektor. zum öffentlichen Verkehr, geteilte Fahrzeuge Abbildung 4: Entwicklung des Endenergieverbrauchs für die verschiedenen Verkehrsträger. Der Effizienz-Balken zeigt die Differenz zum Referenz-Szenario. Schiene Personen- und Lieferwagen Schwerverkehr Inlandflüge Inland Schiffahrt Effizienz 250 200 150 PJ/a 100 50 0 se as e ble R] R] R] R] R] R] R] R] Ba re ta E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ E[ c s V V V V de P AD AD AD AD DP GD G 2018 2020 2025 2030 2040 2050 21
Ergebnisse Abbildung 5: Entwicklung der eingesetzten Energieträger im Verkehr. Effizienz = Differenz zum Referenz-Szenario. Effizienz Wasserstoff Elektrizität Synthetische Treibstoffe Biomasse Erdgas Erdöl 250 200 150 PJ/a 100 50 0 se P P RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] RE F R] R] Ba GD e GD E[ V E[ E[ V E[ E[ V E[ E[ V E[ s ed ab l AD AD AD AD a st cre de 2018 2020 2025 2030 2040 2050 22
Gesamtenergieszenario für die Schweiz Massnahmen für den Umbau des Verkehrssektors - Verschärfte Grenzwerte mit Verbot der Inver- - Verstärkung von Massnahmen, um den mo- kehrssetzung fossiler Neuwagen ab 2025. torisierten Freizeit- und Einkaufsverkehr zu reduzieren. Bessere Ausrichtung des öffent- - Einführung von Kostenwahrheit für die Nut- lichen Verkehrs auf das Freizeitverhalten, zung fossiler Energien sowie für die Flächen- um auch am Abend und am Wochenend die beanspruchung der Verkehrsträger (Interna- Bedürfnisse abzudecken. Optimierter Tür-zu- lisierung der Kosten der Luftverschmutzung, Tür-Service mit Rufbus- oder Mietoptionen für der Lärmverschmutzung, der Flächenbean- die Feinverteilung sowie vereinfachter Ge- spruchung und der Klimaschäden). Über eine päcktransport inklusive Velo, Sportausrüstun- Strassennutzungsgebühr werden Anreize für gen und Kinderwagen. Verkehrserzeugende kleine und leichte Fahrzeuge geschaffen. Infrastrukturen müssen mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossen sein und eine Heim- - Kein weiterer Ausbau von Strassenkapazitäten lieferung von Einkäufen anbieten. für den motorisierten Individualverkehr. - Ausbau des öffentlichen Verkehrs inklusive - Ermöglichung und Ausweitung von auto- und verbessertem Streckenmanagement durch parkplatzfreien Zonen in allen grossen Städ- eine forcierte Digitalisierung. Dazu gehört ten, in Quartieren und auch in Siedlungen auf auch eine optimierte Multimodalität: Mittels dem Land, kombiniert mit einer generellen engmaschiger Knotenpunkte und einfacher Tempo-30-Logik und einer Politik der kurzen Umsteigemöglichkeiten mit Sharing-Angeboten Wege. Letztere ermöglicht, dass bei jeder Sied- wird der Wechsel auf den öffentlichen Verkehr lung alles Notwendige in kurzen Fuss- oder erleichtert und die zurückgelegten Strecken des Fahrrad-Distanzen erreichbar ist (vgl. dazu motorisierten Individualverkehrs verkürzt. 15-Minuten Policy von Paris). Vorgaben mit Parkplatzerstellungspflichten sind zu Gunsten - Erhöhung der Auslastung der verbleibenden neuer Modelle aufzuheben. Mittels regelmäs- Personenwagen: Ausbau und steuerliche sigen autofreien Tagen, die für das gesamte Begünstigung von Sharing-Angeboten und Siedlungsgebiet gelten, werden die Möglichkei- Pooling-Lösungen. ten einer neuen Raumnutzung in den Städten und Quartieren erlebbar gemacht. - Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektro- mobilität insbesondere auch für Mieter:innen - Ausbau sicherer und durchgehender Infra- und Stockwerkeigentum. strukturen für Fahrräder und den Fussver- kehr. Die klimafreundlichsten Verkehrsarten müssen bei der Raumnutzung klar priorisiert werden. - Verstärkung von Massnahmen, um den täg- lichen Arbeitsverkehr und die damit verbunde- nen täglichen Staus zu verringern. Einführung eines Rechts auf Homeoffice und von flexib- leren Präsenzmodellen an Universitäten und Hochschulen, Abschaffung des Steuerabzuges für den Arbeitsweg sowie raumplanerische Massnahmen zum Ausgleich der ungleichen Arbeitsplatzverteilung. Die im Zuge der Coro- navirus-Pandemie eingeführte Homeoffice- Pflicht zeigte, wie stark sich Verkehrsströme durch ein Neudenken von Wohnen und Arbei- ten verringern lassen. 23
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