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Tunger | Ahnert | Schlindwein FACHBEITRÄGE 509 Die bibliometrische Anwendercommunity an Bibliotheken im deutschen Sprachraum und der Einsatz von Bibliometrie als Dienstleistung in Bibliotheken Dirk Tunger, Carolin Ahnert, Birgid Schlindwein Tunger | Ahnert | Schlindwein Bibliometrie als Dienstleistung in wissenschaftlichen Bibliotheken – In dieser Veröffentlichung beschreiben die Autoren Bibliometrie als Die Büchse der Pandora öffnen? Dienstleistung in wissenschaftlichen Bibliotheken, sowie die Bedeutung für die Als Ball und Tunger 20041 fragten, ob Bibliometrie hiermit befasste Anwendercommunity Bibliometrie im deutschen Sprachraum. ein neues Geschäftsfeld für Bibliotheken sei, das Worin liegt der Mehrwert von Bibliometrie als Informationsdienstleistung? Wissenschaftler unterstützen könnte, wusste dort Wer sind die Kunden? An welchen Stellen in einer Bibliothek können welche Bibliometrie-Dienstleistungen angeboten werden? Diesen Fragen wird mit noch kaum jemand, was Bibliometrie überhaupt ist. einem Überblick zur Entwicklung von Bibliometrie in Bibliotheken sowie einem Bibliotheken waren zu dieser Zeit damit beschäftigt, virtuellen Rundgang nachgegangen. die Konzepte der digitalen Bibliothek umzusetzen, ge- druckte Journals auf E-Journals umzustellen oder am Teaching-Library-Konzept zu feilen und Tutorials zur sich einzulesen und herauszufinden, welche Dienst- Unterstützung bei der Informationssuche zu erstellen. leistungen den Nutzern eigentlich angeboten werden Inzwischen hat sich das geändert: Bibliotheken sind könnten. Man könnte zu Beginn sicherlich erst einmal auf dem Weg von der Bestandsorientierung zu einer Beratungen anbieten und Wissen zum Thema bereit- Ausrichtung, wo sie als Berater und Experte fungieren stellen. Einige sind vielleicht auch in das kalte Was- und beispielsweise Wissenschaftler entlang der ge- ser gesprungen und haben direkt einen Workshop samten Wertschöpfungskette von Veröffentlichungen zum Thema Bibliometrie organisiert. Man lernt durch beraten. Ebenso sind die Mitarbeiter und Mitarbeite- Lehre, dieser Effekt3 ist nicht zu unterschätzen. Viel- rinnen2 von Bibliotheken in ihrer eigenen Einrichtung leicht sind manche direkt auf problematische Aspekte insgesamt zu Experten für wissenschaftliche Ver- gestoßen, haben das Leiden Manifest4 oder einen Arti- öffentlichungen und damit im Zusammenhang ste- kel zum Thema „publish or perish“ gelesen. Andere ha- hende Auswertungen geworden. ben vielleicht mit den ersten Auswertungen gekämpft und sich gefragt, ob man diese Kennzahlen denn nun Bibliometrie als neues Geschäftsfeld guten Gewissens an den Auftraggeber liefern könnte. in Bibliotheken Bibliometrie als Informationsdienstleistung zur quan- In dieser Veröffentlichung beschreiben die Autoren titativen Evaluierung von Wissenschaft soll ja genau Bibliometrie als Dienstleistung in wissenschaftlichen das tun – möglichst eindeutige Kennzahlen liefern, die Bibliotheken, sowie die hiermit befasste Anwender- der Leitungsebene und der Verwaltung von Universi- community Bibliometrie im deutschen Sprachraum. täten und anderen Forschungseinrichtungen objekti- Vielen Bibliotheken ging es während der Einführung vere Entscheidungen ermöglichen. Doch die Commu- des Themas Bibliometrie wahrscheinlich ähnlich – sei nity hat früh die mannigfaltigen Gefahren erkannt und es von den Vorgesetzten gewünscht oder von interes- versucht, Verantwortung für die zugelieferten Daten sierten Bibliothekarinnen angeregt. Man versuchte, zu übernehmen. Bibliothekarinnen zielen mit ihren 1 Ball, Rafael/ Tunger, Dirk: Bibliometrische Analysen – ein neues Geschäftsfeld für Bibliotheken?, in: b.i.t.online (2004) 2 In diesem Text werden Sie sowohl weibliche als auch männliche Bezeichnungen finden. Um den Text besser lesbar zu halten, haben die Autorinnen und der Autor bewusst nicht in einer der möglichen Formen gegendert. Es sind jedoch immer beide Geschlechter gemeint. 3 http://www.ldl.de/Material/Publikationen/aufsatz2000.pdf 4 Hicks, Diana/ Wouters, Paul F./ Waltman, Ludo/ Rijcke, Sarah de/ Rafols, Ismael: The Leiden Manifesto for research metrics, in: Nature 520 (2015) S. 429-431 www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
510 FACHBEITRÄGE Tunger | Ahnert | Schlindwein umfassenden Berichten zu Forschern, Instituten oder so bekommen zum Beispiel alternative Metriken9 eine Fachbereichen auf möglichst ganzheitliche Betrach- immer höhere Bedeutung, auch in wissenschaftlichen tung von Daten. Es wird immer wieder darauf hinge- Bibliotheken10 –, da der Einfluss in der Gesellschaft in wiesen, dass keine einzelnen, aus dem Zusammen- Zeiten von riesigen sozialen Netzwerken und globalen hang gerissenen Indikatoren betrachtet werden sol- Themen eine immer größere Rolle spielt.11 Besonders len. Bibliometrie darf nicht evaluieren. Das einfache Nachwuchswissenschaftler können mit dem Wissen Bereitstellen von aufbereiteten Daten ist eine Analyse, um bibliometrische Indikatoren ein effektiveres Iden- noch keine Evaluierung. Genauso sind einzelne Be- titätsmanagement betreiben und die eigene Karriere rechnungen zur Statik noch kein Gebäude, tragen aber positiv beeinflussen. Hier ist allerdings Vorsicht gebo- erheblich zur Entstehung dessen bei. Dieser Verant- ten, damit man nicht in den Sog des publish-or-perish- wortung können Bibliotheken sich nicht entziehen und Systems gerät und publiziert, um des Publizierens wollen es auch gar nicht. Sie sind nicht mehr nur ein willen. Letztlich kann die Bibliometrie eben auch zu Ort der Bereitstellung von Wissen und Unterstützung, einem besseren Verständnis der wissenschaftlichen sondern bieten mit bibliometrischen Auswertungen Community beitragen, da mit vielfältigen Analysen einen Service, der potentiell als „Bedrohung” wahr- Netzwerke, Themen und Trends erkannt und darge- genommen werden könnte. Daher ist und bleibt der stellt werden können: so zum Beispiel die Entwicklung wichtigste Punkt dieser Dienstleistung der verantwor- der Fachprofile von Hochschulen.12 tungsbewusste Umgang mit den Daten. Responsible metrics sind ein viel beachtetes Thema (DORA5; Lei- Welche Zielgruppe einer Bibliothek benötigt den Manifesto; Metric Tide6; SCOPE7), und eine Evalu- welche bibliometrischen Services? Eine ierung sollte, mit den Worten von Laura Himanen und virtuelle Rundreise Elizabeth Gadd8, mit den Wissenschaftlerinnen statt- Wissenschaftliche Bibliotheken haben mit den Studie- finden, nicht an ihnen vorbei. Das Bewusstsein für die renden und den Forschenden traditionell sehr diver- Anwendbarkeit von Indikatoren ist immer abhängig se Benutzergruppen. Die Bibliotheksmitarbeiterinnen vom Kontext der Evaluierung. Die Bibliothek muss sind es gewöhnt, Medien- und Serviceangebote sehr unbedingt als Experte für Bibliometrie und bibliome- genau auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen. trische Analysen wahrgenommen werden – vor allem Mit der Bibliometrie verschiebt sich das Spektrum der deshalb müssen diese immer im wechselseitigen Ge- potentiellen Zielgruppen jedoch erheblich. Während spräch mit den Forschenden durchgeführt werden. die Verfahren und Erkenntnisse der Bibliometrie für Stu- dierende höchstens zum Ende eines Masterstudiums Mehrwert von Bibliometrie als relevant sein könnten, bilden die Forschenden keine Informationsdienstleistung einheitliche Gruppe mehr, wenn es um bibliometri- Worin liegt also der Mehrwert von Bibliometrie als sche Dienstleistungen geht. Als zusätzliche Zielgruppe Informationsdienstleistung? Das Bewusstsein für die mit besonderen Ansprüchen kommt die Hochschul- Werte der eigenen Einrichtung und auch die der wis- verwaltung hinzu, besonders die Hochschulleitung. senschaftlichen Community steigt, da hier die Kenn- Begeben wir uns im Folgenden auf eine Rundreise zahlen, die evaluiert werden, deutlich machen, was durch eine wissenschaftliche Einrichtung, um die für die wissenschaftliche Laufbahn bedeutsam ist und Vielfalt der Bedarfe und Ansprüche kennenzulernen, worauf die eigene Einrichtung Wert legt. Diese können die von einer AG Bibliometrie mit ganz unterschied- und sollten sich natürlich im Laufe der Zeit wandeln – lichen Dienstleistungen abgedeckt werden könnten. 5 DORA: San Francisco Declaration on Research Assessment in: sfdora.org, , Stand: 16. Februar 2020 6 Wilsdon, James/ Allen, Liz/ Belfiore, Eleonora/ Campbell, Philip/ Curry, Stephen/ Hill, Steven/ Jones, Richard/ Kain, Roger/ Kerridge, Simon/ Thelwall, Mike/ Tinkler, Jane/ Viney, Ian/ Wouters, Paul F./ Hill, Jude/ Johnson, Ben: The Metric Tide: Report of the Independent Review of the Role of Metrics in Research Assessment and Management 2015 7 Himanen, Laura/ Gadd, Elizabeth: Introducing SCOPE – a process for evaluating responsibly in: thebibliomagician.wordpress.com, 11. Dezember 2019, , Stand: 19. Februar 2020 8 ebenda 9 Tunger, Dirk/ Meier, Andreas/ Hartman, Daniel: Machbarkeitsstudie Altmetrics , Stand: 23. Mai 2020 10 Gimpl, Kerstin: Evaluation von ausgewählten Altmetrics-Diensten für den Einsatz an wissenschaftlichen Bibliotheken (2017) , Stand 23. Mai 2020 11 Tunger, Dirk: Altmetrics: Kommt die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“? in: Wissenschaftskommunikation.de vom 28. November 2018 , Stand 23. Mai 2020 12 Heinze, Thomas/ Tunger, Dirk/ Fuchs, Joel E./ Jappe, Arlette/ Eberhardt, Paul: Fachliche Forschungs- und Lehrprofile staatlicher Universitäten in Deutschland. Eine Kartierung ausgewählter Fächer. Wuppertal (2019): BUW. (DOI: 10.25926/9242-ws58) , Stand 23. Mai 2020 online Bibliothek. Information. Technologie. 23 (2020) Nr. 5 www.b-i-t-online.de
512 FACHBEITRÄGE Tunger | Ahnert | Schlindwein Junge Forschende am Anfang ihrer Karriere werden nen stehen hier oft vor der heiklen Situation, dass schon bei der Frage, auf welcher Konferenz sie die sie solche Unzulänglichkeiten bei anlassbezogenen Ergebnisse ihrer Master- oder Doktorarbeit vorstellen Auftragsrecherchen entdecken. Nun ist ein guter und in welcher Zeitschrift sie sie publizieren sollen, Kontakt zu den Forschenden und viel Fingerspitzen- von bibliometrischen Daten über Publikationsorgane gefühl erforderlich, um Profilkorrekturen zu initiieren und deren Auslegung profitieren. Da ihnen diese und doch die Vertraulichkeit der Auftragsrecherche Möglichkeit der Entscheidungsunterstützung in der zu wahren. Wenn etablierte Forschende Kooperati- Regel nicht bewusst und bekannt sein dürfte, muss onspartnerinnen suchen oder um ein Gutachten über durch die Bibliothek die Aufmerksamkeit geweckt und Kollegen gebeten werden, erteilen sie entweder einen der Beratungsbedarf gedeckt werden. In vielen Fäl- Rechercheauftrag oder erheben die benötigten bib- len dürfte der „Journal Impact Factor“ als Kenngröße liometrischen Daten selbst. Beide Vorgehensweisen zwar bekannt sein, allerdings ohne weiteres Hinter- involvieren die Bibliothek. Der Hilfe zur Selbsthilfe ist grundwissen. In Kursen für diesen Personenkreis soll- eindeutig der Vorzug zu geben, also der Beratung, wie ten Zeitschriftenmetriken, ihre Typen, Funktionen und bibliometrische Recherchen und Analysen korrekt Einschränkungen erläutert und von den Personenme- durchgeführt und angewendet werden. triken deutlich abgehoben werden. Wird in Kursen, aber auch in persönlichen Beratungen auf Personen- Zusammenarbeit mit der metriken eingegangen, ergibt sich fast zwangsläufig Hochschulverwaltung die Notwendigkeit, persönliche Profile zu erstellen Anders sieht das bei der Zusammenarbeit mit der und zu kuratieren. Rund um den Komplex der akade- Hochschulverwaltung aus. Für Leistungsmessungen, mischen Identität und des persönlichen Impacts gibt die strategische Ausrichtung, im Recruiting und bei es ein sehr vielfältiges und unübersichtliches Ange- Berufungen wird die Bibliothek Rechercheaufträge bot an Tools und Plattformen im Internet, der Bereich von den zuständigen Abteilungen erhalten. Sobald der befindet sich nach wie vor in einer dynamischen Ent- erste Auftrag von einer Abteilung eingeht, empfiehlt wicklung. Deshalb sind gerade junge Forschende auf sich ein ausführliches Gespräch, ähnlich wie es Bib- eine breite Information über die Möglichkeiten, eine liothekarinnen aus Beratungen zur Literaturrecherche fachkundige Erklärung der Hintergründe und eine kennen. Nicht nur der Zweck (z. B. Öffentlichkeitsar- neutrale Beratung angewiesen, wie sie Bibliothekare beit oder Complianceanalyse in Berufungsverfahren) anbieten können. In vielen Fachgebieten spielt das und der Umfang der Analyse muss beiden Seiten akademische Networking schon jetzt eine wichtige klar sein, sondern auch etwaige Dringlichkeit und Rolle. Auch für diesen Bereich können Bibliothekare Vertraulichkeit. Zusätzlich muss den Bearbeitern der neutrale Wegweiser für junge Forschende sein. zuständigen Abteilung der Hochschulverwaltung aber Für Forschende in der Konsolidierungsphase ihrer auch den Mitgliedern der Leitung selbst der korrekte Karriere sind die Sichtbarkeit der eigenen Arbeit und und ethische Einsatz der bibliometrischen Methoden der persönliche Impact sowie der der Arbeitsgruppe, und Kennzahlen vermittelt werden. Persönliche und aber auch das Networking entscheidend, z. B. für den stetige Kontakte sind von unschätzbarem Wert und Erfolg bei der Einwerbung von Forschungsmitteln. Un- lohnen sich für beide Seiten. terstützung durch die Bibliothek wird hier sicherlich Am Entstehungsort der Bibliometrie, der Bibliothek, in Einzelberatungen gegeben, eventuell auch durch und beim Entstehungsanlass, den Erwerbungsent- Schulung von Mitarbeitern. Die Anwendung bibliome- scheidungen, beenden wir unseren Rundgang. Bib- trischer Methoden als Hilfe bei der Suche nach Ko- liometrische Daten unterstützen z. B. die Einführung, operationspartnern, aber auch bei der Beobachtung Durchsetzung und Bewertung von Open Access Po- von konkurrierenden Arbeitsgruppen wird ebenfalls licies argumentativ. Ganz aktuell sind die folgenden maßgeschneidert auf den Einzelfall erfolgen. Fragen: Wie wirkt es sich z. B. aus, dass seit 2017 Sollte eine etablierte Wissenschaftlerin glauben, in Deutschland so gut wie keine Abonnements von für sie als „alten Hasen“ seien bibliometrische Ana- Zeitschriften des Wissenschaftsverlags Elsevier B.V. lysen nicht mehr relevant, so irrt sie gewaltig. Kein mehr gehalten werden, der Zugang zu Artikeln die- Vorschlagsberechtigter für einen Wissenschaftspreis ser Zeitschriften also erheblich aufwändiger ist und wird einen Vorschlag ohne Blick in das Profil der länger dauert? Ändert sich das Publikations- und Forschenden und auf ihre Personenmetriken aus- Zitierverhalten der Forschenden in Deutschland da- sprechen. Wie unverzeihlich, wenn das Profil nicht durch? Ändern sich die Sichtbarkeit und der Impact gut gepflegt oder nicht eindeutig ist! Bibliothekarin- von Forschenden in Deutschland und von ihrer For- online Bibliothek. Information. Technologie. 23 (2020) Nr. 5 www.b-i-t-online.de
Tunger | Ahnert | Schlindwein FACHBEITRÄGE 513 schung dadurch? Sind diese Zeitschriften also evtl. eigene Einrichtung als erfolgreicher identifiziert und doch nicht so unverzichtbar, wie mancher behauptet? auf diesem Wege die wissenschaftliche Reputation Welche Rückschlüsse könnten daraus für die Erwer- der Einrichtung erhöhen kann? Auch proaktive Dienst- bungspolitik gezogen werden? Und welche Rück- leistungen sind denkbar: Mit Netzwerkanalysen kann schlüsse muss man daraus für die Aussagekraft von man die Verflechtungen unter Wissenschaftlern und Zeitschriftenmetriken ziehen? Die Bibliometrie bietet Einrichtungen visualisieren, im Hinblick auf Koopera- engagierten Bibliothekarinnen sogar die Möglichkeit, tion zwischen Einrichtungen ebenso wie im Hinblick über die Dienstleistung hinaus in der informations- auf thematische Kooperation. So wäre es denkbar, wissenschaftlichen Forschung aktiv zu werden und bei Nachbesetzungen von leitenden Wissenschaftler- auch fortgeschrittene Dienstleistungen zu entwi- stellen auch proaktiv Auswertungen zu erstellen, wel- ckeln: Derartige Dienstleistungen könnten beispiels- che Personen für die angedachte thematische Aus- weise darin bestehen, ähnliche Analysetools wie richtung gut in die entstehende Lücke passen würden SciVal oder InCites zu entwickeln – im Gegensatz zu und von ihrem Renommee her in Frage kämen. diesen Produkten aber mit vollständig bereinigten Da- ten (zumindest für den deutschsprachigen Raum), wie Welche Aussagen liefern bibliometrische sie für deutsche Wissenschaftseinrichtungen bereits Services für die Kunden und welche vom Kompetenzzentrum Bibliometrie erstellt wer- Aussagekraft haben sie? den.13 Das hätte den Vorteil, dass man sich intensiv Mittlerweile wurde von den forschenden Bibliome- mit den Daten zu den Ergebnissen wissenschaftlicher trikern eine Vielzahl von Metriken und Verfahren für Arbeit auseinandersetzt, diese Daten bereinigt und in verschiedene Entitäten entwickelt, so zum Beispiel Form von Produkten in die Wissenschaft zurückspielt, für eine einzelne Publikation und für Zeitschriften, für in der sie besser nutzbar sind. Wobei man der Voll- Einzelpersonen und beliebig große Gruppen von For- ständigkeit halber sagen muss, dass gerade Elsevier schenden bis hin zu Staatengruppen oder Kontinen- in den letzten Jahren viel in die Weiterentwicklung ten.14 Die betrachteten Prozesse wurden über die Zita- der korrekten Abgrenzung von wissenschaftlichen tionsanalysen hinaus zu Netzwerkanalysen und Analy- Einrichtungen investiert hat, was Scopus und SciVal sen anderer Orte der wissenschaftlichen Kommunika- zu Gute kommt. Wichtig wäre es, dass die Commu- tion ausgedehnt. Bibliometrische und fortgeschrittene nity sich weiter vernetzen würde und offensiver als Kennzahlen (z. B. Altmetriken) entstehen zum Teil aus bisher an solche strategischen Themen herangeht. hoch aggregierten quantitativen Daten. Mittlerweile Diese Chance würde größer werden, wenn der ent- wird klargestellt, dass qualitative Aussagen oder Vor- sprechende Datenzugriff auf breiter Basis vorhanden hersagen damit höchstens gestützt werden können wäre. Natürlich sollten auch nicht alle Bibliotheken (DORA: Punkt 1515; Leiden Manifest: Punkt 116). Den- an den gleichen Dienstleistungen arbeiten, sondern noch wurden und werden Kennzahlen mit dem Ziel gemeinsam in arbeitsteiliger Weise. Hierdurch wäre entwickelt, den „Impact“ der untersuchten Entität zu der Aufwand für jede Einrichtung letztlich kleiner, ermitteln, zu demonstrieren oder vorherzusagen. der Nutzen für alle aber wesentlich größer. Weitere Die Verpflichtung der Bibliothekare als Anwender bib- Dienstleistungen könnten darin bestehen, die Nutzer liometrischer Verfahren ist es, die Aussagen der Zah- einer Bibliothek genauer unter die Lupe zu nehmen: len zu relativieren und die Kunden zu informieren, dass Aus welchen Disziplinen stammen die Nutzer, in wel- keine Aussage über die Qualität der veröffentlichten chen Journals veröffentlichen sie regelmäßig und wel- oder zukünftigen Forschung einer Person, einer Arbeits- che Journals zitieren sie dabei? Deckt sich das mit gruppe oder einer ganzen Institution möglich ist, keine den lizensierten Zeitschriften bzw. den weiteren Stra- Aussage darüber, ob eine Zeitschrift die „richtige“ für tegien der eigenen Bibliothek? Gibt es Publikations- die eigene Publikation ist, und keine Aussage darüber, strategien, die man für die eigene Disziplin oder die ob eine Publikation, die in einer Zeitschrift mit einer 13 Um dem deutschen Wissenschaftssystem umfangreiche und belastbare bibliometrische Analysen zu ermöglichen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2008 das Kompetenzzentrum Bibliometrie (Förderkennzeichen: 01PQ17001) ins Leben gerufen, dessen Kernaufgabe in der Bereitstellung einer Dateninfrastruktur für bibliometrische Auswertungen besteht. „Die Strukturschemas der Datenbanken sind in Hinblick auf die Benutzung für bibliometrische Untersuchungen konzipiert und optimiert, d. h. in Ergänzung der von den Datenbankherstellern gelieferten Rohdaten enthalten die Bibliometriedatenbanken zusätzliche Informationen und bereits vorberechnete Indikatoren.” Kompetenzzentrum Bibliometrie - Dateninfra- struktur, 2020, http://www.bibliometrie.info/ 14 Im Laufe des Jahres 2020 erscheint das „Handbook Bibliometrics“ (ISBN: 978-3-11-064661-0), ein Sammelband, herausgegeben von Dr. Rafael Ball, in dem der aktuelle Forschungsstand von vielen Autoren aus der Community dargestellt wird. 15 Siehe hierzu auch Fußnote 5 16 Siehe hierzu auch Fußnote 4 www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. 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514 FACHBEITRÄGE Tunger | Ahnert | Schlindwein hohen durchschnittlichen Zitationsrate erschienen ist, nen, die zeigt, wie schwer es ist, einmal in die Welt ebenfalls viel zitiert wird oder von hoher Qualität ist. gesetzte Zahlen und Nutzungsgewohnheiten wieder Zugegebenermaßen kann diese Aufklärungsarbeit aus den Köpfen rauszubekommen.21 Trotz aller Kritik schwierig werden, vor allem wenn in Fächern wie der muss man aber auch sehen, dass der Autor mit der Medizin eigene Vorstellungen und Regeln gepflegt oder Zitation einer wissenschaftlichen Veröffentlichung (zu) hohe Erwartungen in die Aussagekraft der ange- bereits eine Relevanzentscheidung trifft, die die Bib- forderten Zahl oder Zahlen gesetzt werden. Dennoch liometrie widerspiegelt. Nicht anders wäre es zu er- ist die Aufklärung und neutrale Darstellung sowohl zum klären, dass beispielsweise zwischen der Zitation von Schutz des eigenen Ansehens (auch der Bibliothek) als Dokumenten und der Referenzierung von Publikatio- auch ethisch erforderlich (responsible metrics17). Am nen auf Mendeley eine direkte Korrelation besteht22 unmissverständlichsten wurde dies schon 2008 von oder auch zwischen Publikationen mit intellektueller der International Mathematical Union ausgedrückt: Relevanzbewertung und bibliometrischen bzw. altme- „The sole reliance on citation data provides at best trischen Indikatoren.23 an incomplete and often shallow understanding of research – an understanding that is valid only when Welchen Herausforderungen begegnen reinforced by other judgments. Numbers are not in- Bibliotheken bei der Entwicklung von herently superior to sound judgments.“18 bibliometrischen Services? Andererseits wird in manchen Fachgebieten bibliome- Die Position und Fähigkeit von Bibliothekaren, die li- trischen Verfahren jegliche Aussagekraft abgespro- mitierte Aussagekraft selbst mehrerer Metriken im- chen und alle diesbezüglichen Aktivitäten und die Ver- mer wieder deutlich zu machen, stellt sicher eine der wendung von Ressourcen rundweg abgelehnt.19 Bei großen Herausforderungen in der bibliometrischen solch einer kritischen Betrachtung darf natürlich nicht Beratung dar. Bis eine wissenschaftliche Bibliothek bi- außer Acht gelassen werden, dass wissenschaftliche bliometrische Services anbieten kann, müssen – das Veröffentlichungen ein sehr wichtiger Bestandteil der prinzipielle Interesse an dem Thema und der Dienst- wissenschaftlichen Arbeit sind, auf deren Basis ent- leistung in der eigenen Hochschule oder Institution sprechende quantitative Auswertungen zur Standort- vorausgesetzt – zunächst die personellen Ressourcen bestimmung aufgebaut werden, um wissenschaftliche vorhanden und verfügbar sein. One-person-biblio- und wissenschaftspolitische Trends hieraus abzubil- metrics ist nicht denkbar. Erfahrungsgemäß werden den – im Wissen, dass diese Daten nicht perfekt sind. Rechercheaufträge aus der Leitungsebene der Hoch- Betrachtet man aber andere Quellen mit Massendaten schule immer wieder zu ungewöhnlichen Tageszeiten im Lichte von Data Science und Big Data, so dürfte und mit engem Zeitfenster erteilt. Eine automatische es kaum gelingen, eine Datenquelle ohne Fehler und Urlaubsbenachrichtigung ist für das Vertrauen in die Datenbereinigungsaufwand zu finden. Dienstleister und für ihr Ansehen nicht zuträglich – be- Bibliometrie wird seit ihrer Entstehung von Diskus- sonders, wenn zumindest eine teilweise Finanzierung sionen zu ihrer Aussagekraft und Anwendbarkeit im außerhalb des regulären Bibliotheksetats erforderlich wissenschaftlichen Kontext begleitet. Dies hängt mit ist. Innerhalb der Bibliothek sollte direkt nach der Ab- Sicherheit auch mit der Einführung des Impact Fak- klärung, dass Bedarf an den Dienstleistungen besteht, tors zusammen, der aufgrund seiner Berechnung, sei- in einer Machbarkeitsstudie geklärt werden, für wen ner vorgegebenen Scheingenauigkeit und Anfälligkeit welche der vielen möglichen bibliometrischen Dienst- für Manipulationen zu Recht kritisch gesehen wird.20 leistungen in welchem Zeitraum und Umfang entwi- Hinzu kommt auch die missbräuchliche Nutzung des ckelt und angeboten werden sollen oder müssen. Wird Impact Faktors vor allem in medizinischen Diszipli- die Bibliothek jedoch von der Hochschulleitung beauf- 17 Vgl. hierzu auch: https://www.repo.uni-hannover.de/handle/123456789/4949 18 Adler, Robert/ Ewing, John/ Taylor, Peter: Citation Statistics. A report from the International Mathematical Union (IMU) in cooperation with the Inter- national Council of Industrial and Applied Mathematics (ICIAM) and the Institute of Mathematical Statistics (IMS) in: mathunion.org, 12. Juni 2008, , Stand: 23. August 2016 19 Tourish, Dennis/ Willmott, Hugh: In Defiance of Folly. Journal rankings, mindless measures and the ABS Guide, in: Critical Perspectives on Accounting 26 (2015) S. 37-46 20 Seglen, Per O.: Why the impact factor of journals should not be used for evaluating research, in: British Medical Journal 314 (1997) S. 497 21 Siehe hierzu: Dong, P., Loh, M. & Mondry, A. The „impact factor“ revisited. Biomed Digit Libr 2, 7 (2005). https://doi.org/10.1186/1742-5581-2-7 22 Siehe hierzu z. B.: Li, X. & Thelwall, M.: F1000, Mendeley and traditional bibliometric indicators. In: Proceedings of the 17th International Conference on Science and Technology Indicators. pp. 541-551 (2012) 23 Breuer, Timo/Schaer, Philipp/ Tunger, Dirk: Relations Between Relevance Assessments, Bibliometrics and Altmetrics in: Cabanac, Guillaume/ Frommholz, Ingo/ Mayr, Philipp (Hrsg.): Proceedings of the 10th International Workshop on Bibliometric-enhanced Information Retrieval, S. 101-112 , Stand: 23. Mai 2020 online Bibliothek. Information. Technologie. 23 (2020) Nr. 5 www.b-i-t-online.de
516 FACHBEITRÄGE Tunger | Ahnert | Schlindwein tragt, entfallen diese beiden Schritte natürlich. Dafür Welche Voraussetzungen müssen für besteht die Möglichkeit und Herausforderung, vom die Bereitstellung bibliometrischer Auftraggeber erfolgreich personelle und/oder finan- Dienstleistungen erfüllt sein? zielle Ressourcen einzufordern. Andernfalls müssen Die Minimalausstattung, die für die kontinuierliche bibliothekseigene Ressourcen umgewidmet werden. Bereitstellung bibliometrischer Dienstleistungen nach Obwohl es zwischen der wissenschaftlichen bibliome- der Einführung erforderlich ist, sollte nicht unter- trischen Community und den Bibliometrikern, die in schätzt werden. Zusätzlich zu persönlich-fachlichen Bibliotheken bibliometrische Dienstleistungen erbrin- Voraussetzungen müssen die Mitarbeiter ständig gen, Unterschiede in der Tiefe der Bearbeitung des die Möglichkeit und den Freiraum zur Fortbildung, Themas gibt, fordert die fachliche Ausbildung in der zum Experimentieren und zur Vernetzung haben. Die Bibliometrie die einzelnen Mitarbeiterinnen und die wissenschaftliche Bibliometrie, die Entwicklung von Bibliothek besonders heraus. Das Kompetenzprofil Verfahren und Anwendungen, ist sehr dynamisch beinhaltet ein ausgeprägtes mathematisch-statisti- und international. Reisemittel zu einschlägigen Fach- sches Interesse als auch sehr hohe kommunikative tagungen und Workshops müssen jährlich zur Verfü- Fähigkeiten. Bibliometrie ist eine Form von Data Sci- gung stehen. Wenn weitergehende Analysetools z. B. ence bzw. Big Data. Sehr früh wurden größere Daten- zur Visualisierung eingesetzt werden sollen, steigt mengen dazu genutzt, um hieraus Indikatoren zu ent- der Aufwand. Eine klare Definition der angebotenen wickeln. Inzwischen kennt die Gesellschaft den Wert Dienstleistungen schützt vor Überforderung der Bib- von Daten, in Bibliotheken im Besonderen. Bibliothe- liothekarinnen oder Enttäuschungen bei den Kunden. ken haben sich gewandelt – es ist nicht mehr der Be- Bibliometrische Dienstleistungen basieren auf ver- stand, der im Vordergrund bibliothekarischer Arbeit lässlichen Publikations- und Zitationsdaten. Die steht, sondern es sind Daten in unterschiedlichster Hochschulbibliographie stellt die wichtigste Daten- Form, im Zusammenhang mit den Ergebnissen wis- grundlage dar – wenn deren Daten aktuell, vollstän- senschaftlicher Tätigkeit in der eigenen Einrichtung, dig und korrekt sind. Hilfreich ist es, wenn die Namen mit Open Access sowie mit APCs. Der Aufwand für der eigenen Autoren in der Hochschulbibliographie die Ausbildung von Personal für dieses Kompetenz- disambiguiert und kuratiert sind. Ist zusätzlich eine profil ist hoch, die Bibliothek muss auf teilweise unbe- Identifikationsnummer wie die ORCID vorhanden, kanntem Terrain in Vorleistung gehen. Die Aktualität kann die Hochschulbibliographie über Schnittstellen des Themas zeigt sich daran, dass z. B. die TH Köln zu anderen Datenquellen mit zusätzlichen, auch bib- als eine der ersten Hochschulen in der bibliotheka- liometrischen Daten angereichert werden. Auch auf rischen Ausbildung Bibliometrie mit ins Curriculum diesem Gebiet hat sich noch kein Standardverfahren aufgenommen hat, in einen Studiengang “Data and oder eine Standard-Software herauskristallisiert, in Information Science” der einen großen Schwerpunkt einigen Einrichtungen wird die Software Dspace ge- auf Daten, Datenanalyse und quantitative Methoden nutzt, die sich vielleicht dahin entwickeln wird. legt. Die Vertiefung “Data Librarian” bezieht sich ge- Zitationsdaten für wissenschaftliche Publikationen ste- zielt auf die Bereiche Bildung, Wissenschaft und For- hen von verschiedenen Anbietern im Internet sowohl schung.24 open access als auch lizenzpflichtig zur Verfügung. In manchen Fachgebieten werden bibliometrische Vor der Entscheidung für die Verwendung einer oder Dienstleistungen der Bibliothek nicht geschätzt oder mehrerer Zitationsdatenbanken müssen deren Eigen- sogar bekämpft. Die Bibliothek ist gut beraten, sich schaften ausführlich getestet und evaluiert werden. die ersten Ansprechpartner gut auszusuchen, damit Es ist hilfreich aber nicht Voraussetzung, wenn die die vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht leidet. Die Hochschule eine offizielle Richtlinie verabschiedet Fachreferentinnen können dabei mit ihren Kenntnis- hat, wie bibliometrische Daten eingesetzt werden sen der Fächerkulturen unterstützen und vermitteln. dürfen und wie nicht (Responsible Metrics Policy). Da die individuellen Gegebenheiten sowohl auf per- Die dadurch geschaffene Transparenz erleichtert vor soneller wie auch auf institutioneller Ebene so un- allem die Zusammenarbeit mit Fachrichtungen, die terschiedlich sind, gibt es bisher keine Standards eigene Verfahren entwickelt haben oder die der Bib- oder Fahrpläne für die Entwicklung bibliometrischer liometrie traditionell kritisch gegenüberstehen. Dienstleistungen. Es ist jedoch ein plausibler Ansatz, Gut gepflegte und ausführliche Webseiten zur Biblio- mit bibliometrischen Schulungen zu beginnen, um metrie und zum Serviceangebot der Bibliothek sind den Effekt des „Lernens durch Lehre“ zu nutzen. selbstverständlich die wichtigste Anlaufstelle. Sie die- 24 https://www.th-koeln.de/studium/data-and-information-science-bachelor--inhalte_52782.php online Bibliothek. Information. Technologie. 23 (2020) Nr. 5 www.b-i-t-online.de
Tunger | Ahnert | Schlindwein FACHBEITRÄGE 517 nen der ersten Information der Kunden und können mit Bibliometrie beschäftigen, müssen mit den Ein- einige Anfragen abfangen. schränkungen des Web-Zugriffs leben. In der Online- Am Forschungszentrum Jülich konnte gezeigt werden, version können sie zeitlich unbegrenzt recherchieren dass aus einer Idee im Jahr 2004, welche Dienstleis- und Daten ohne zusätzliche Kosten herunterladen – tung Bibliotheken anbieten könnten, tatsächlich eine aber nicht in unbegrenzter Menge. Web of Science Umsetzung erfolgt ist. Im Laufe der Zeit haben immer und Scopus erlauben den Download einiger tausend mehr Bibliotheken das Thema Bibliometrie aufgegrif- Datensätze pro Downloadvorgang. Dies ist für biblio- fen und in ihr Portfolio aufgenommen. Doch es gibt graphische Anwendungen ausreichend, nicht aber für ein Problem: Die meisten Bibliotheken haben nur ein- bibliometrische Anwendungen. Insbesondere für die geschränkten Zugriff auf die für Bibliometrie notwen- Berechnung komplexer bibliometrischer Indikatoren, digen Daten. Bibliometrie ist eine Form von Statistik, wie Feld- oder Zeitschriftennormalisierungen, reicht und Statistik wiederum lebt von Aussagen aus grö- die Weboberfläche nicht aus, da die Anzahl der benö- ßeren Datenmengen, damit Abweichungen nicht ins tigten Datensätze in die Millionen geht. Gewicht fallen. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Somit entsteht letztlich eine Zweiklassengesellschaft: Ein großes Problem, das die Gemeinschaft letztlich Die Gruppen, die Zugang zu den benötigten Daten ha- spaltet, ist die Frage des Datenzugangs. Es gibt nur ben, können die Arten von Analysen durchführen, die wenige Gruppen, die Zugang zu einer lokalen Instal- aussagekräftig sind. Den anderen bleibt der Webzu- lation einer Zitationsdatenbank haben, entweder zu griff mit seinen Begrenzungen. Dadurch können diese einer der drei großen (Web of Science, Scopus oder Gruppen eher nur einfache Analysen durchführen, Dimensions) oder zu zwei oder allen; nur auf diese beispielsweise Impact-Faktoren von Journals recher- Weise haben sie unbegrenzten Zugang zu bibliome- chieren oder den h-Index von Personen berechnen trischen Rohdaten. Die meisten Gruppen, die sich (lassen). Um der bibliometrischen Anwender-Com- DABIS_A5_quer_cl_ohne_Termin.pdf 1 27.11.2019 15:22:40 BIS-C 2020 DABIS. eu Gesellschaft für Datenbank-InformationsSysteme Archiv- und Bibliotheks-InformationsSystem DABIS.eu - alle Aufgaben - ein Team Archiv Bibliothek Dokumentation Archiv / Bibliothek Synergien: WB-Qualität und ÖB-Kompetenz singleUser System multiUser Modell: FRBR . FRAD . RDA Szenario 1 + 2 Lokalsystem und Verbund Regelkonform RDA. RAK.RSWK.Marc21.MAB multiDatenbank multiServer C Web . SSL . Integration & Benutzeraccount multiProcessing multiThreading Verbundaufbau.Cloud/Outsourcing-Betrieb skalierbar performance stufenlos M Unicode DSGVO-konform multiLingual Y Normdaten GND RVK redundanzfrei multiMedia eMedia Integration CM Software - State of the art - flexible MY CY 31 Jahre Erfahrung Wissen Kompetenz Portale mit weit über 17 Mio Beständen CMY Leistung Sicherheit Datenschutz K Standards Offenheit Individualität https://Landesbibliothek.eu https://bmnt.at Stabilität Partner Verläßlichkeit https://OeNDV.org https://VThK.eu Service Erfahrenheit Support https://VolksLiedWerk.org https://bmdw.at Generierung Customizing Selfservice https://Behoerdenweb.net https://wkweb.at Outsourcing Cloudbetrieb SaaS Dienstleistung Zufriedenheit DABIS GmbH GUI.Web.XML.Z39.50/SRU.OAI-METS Heiligenstädter Straße 213, 1190 Wien, Austria Tel. +43-1-318 9777-10 Fax +43-1-318 9777-15 eMail: support@dabis.eu https://www.dabis.eu Zweigstellen: 61350 - Bad Homburg vdH, Germany / 1147 - Budapest, Hungary / 39042 - Brixen, Italy Ihr Partner für Archiv-, Bibliotheks- und DokumentationsSysteme www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
518 FACHBEITRÄGE Tunger | Ahnert | Schlindwein munity, die hier im Laufe der letzten Jahre entstanden Thema befasst, nimmt laufend zu. So wurde das ist, eine Chance für eine Weiterentwicklung und für Thema auch an der Technischen Universität Mün- die weitergehende Entwicklung von anspruchsvollen chen, der Technischen Universität Chemnitz und der Dienstleistungen zu geben, müssten die Möglichkei- Universität Duisburg-Essen bereits vor einigen Jah- ten des Datenzugriffs verbessert werden. Es müsste ren aufgegriffen. Die Rolle, die das „Kompetenzzen- für alle hieran interessierten Bibliotheken die Möglich- trum Bibliometrie“25 für deutsche wissenschaftliche keit geben, Zugriff auf Publikationsdaten und erfolgte Einrichtungen aktuell spielt und in Zukunft selber Bereinigungen aus dem Web of Science oder Scopus oder besser in Kooperation mit einer weiteren An- zu erhalten. Damit könnten Bibliotheken dem aktu- laufstelle als Bindeglied zur Bibliothekslandschaft ellen Bibliotheksleitbild einer beratenden Bibliothek spielen könnte, ist noch nicht klar und sichtbar. Aus gerecht werden und neue Dienstleistungen basierend Sicht der Autoren fehlt es hierbei an Unterstützung auf den für Wissenschaftler so wichtigen Daten ent- hinsichtlich Datenzugriffsmöglichkeiten und entspre- wickeln. Mit Dimensions kommt eine weitere große chendem Input zur komplexen Thematik Bibliome- Zitationsdatenbank ins Spiel, die mit bibliometrischen trie auf einem für Bibliotheken angepassten Niveau. Analysen allerdings erst ganz am Anfang steht. Hier Bibliotheken, die vor der Aufgabe stehen, bibliometri- wird sich zeigen, inwiefern diese Datenbank Scopus sche Dienstleistungen zu projektieren, werden keine und Web of Science Konkurrenz machen kann. Patentlösungen oder Anleitungen vorfinden. Es bildet sich jedoch mittlerweile eine Anwendergemeinschaft Standardisierung der Dienstleistungen oder in der DACH-Region, die sich zu Workshops trifft und ist Vernetzung die Lösung? sich vernetzt, um sich gegenseitig zu unterstützen. International haben sich als Folge von DORA und des Der Austausch von Erfahrungen, Verfahren, Arbeits- Leiden Manifests, zusammengefasst unter dem Be- anleitungen, Positionspapieren und Richtlinien be- griff „responsible metrics“, Quasi-Standards für die ginnt gerade erst. deskriptive, explorative und evaluative Bibliometrie Ein wesentlicher Aspekt, um Ressourcen entspre- entwickelt. So ist allgemein akzeptiert, dass die Enti- chend sparsam zu nutzen, ist bei einem komplexeren tät berücksichtigt wird, die analysiert wird, dass z. B. Thema wie Bibliometrie auch eine entsprechende keine Zeitschriftenmetriken für Personen verwendet Vernetzung: Zu diesem Zweck haben sich 25 Perso- werden, und dass eine Entität möglichst mittels meh- nen aus genau so vielen Einrichtungen in Deutsch- rerer Metriken evaluiert wird. Die Regeln für bibliome- land im November 2019 zu einem vom Hessischen trische Analysen wurden in enger regionaler und inter- BibliotheksInformationsSystem (Hebis) organisierten nationaler Kooperation, vor allem im angelsächsischen Workshop getroffen und sich einen Tag lang hierzu Raum, entwickelt. Im internationalen Vergleich sind bi- ausgetauscht: Neben Erfahrungsberichten von der bliometrische Dienstleistungen in deutschen wissen- TU Chemnitz und der Uni Duisburg-Essen wurde sich schaftlichen Bibliotheken noch ausbaufähig. Die Eva- über Bedarfe und Bottlenecks ausgetauscht und vor luierungskultur ist hier bei weitem nicht so verbreitet. allem über die Frage der zukünftigen formalen Ver- Wegen der unterschiedlichen Fächerkulturen und der lo- ankerung eines Austausches. Eine Schwierigkeit, mit kalen Gegebenheiten und Anforderungen ist eine Stan- der die bibliometrische Anwendercommunity in Bib- dardisierung für ganz Deutschland oder innerhalb eines liotheken kämpft, ist ihre mangelnde Sichtbarkeit. Da- Bundeslandes weder sinnvoll noch erstrebenswert. durch, dass die Community noch nicht organschaft- In der eigenen Institution jedoch lohnt sich für die lich verfasst ist (z. B. in einem Verband), gibt es keine Bearbeitung von regelmäßigen Rechercheaufträgen verlässlichen Aussagen in Bezug auf ihre Größe, keine die Erstellung und Pflege einer internen Recherche- Außenvertretung zur Wahrung der Interessen oder anleitung, in der Schritt für Schritt das Vorgehen fest- gar einen zentralen Ansprechpartner oder Koordina- gelegt wird, damit alle Mitglieder der AG Bibliometrie tor. Ein zentrales Ergebnis dieses Workshops ist es, gleichartige Anfragen gleich bearbeiten. Ebenso wer- genau dies zu ändern: Der Community ein Gesicht zu den Vorlagen zur standardisierten Präsentation und geben, sie formal in der Bibliothekswelt zu verankern Weitergabe der Rechercheergebnisse verwendet. und somit die Möglichkeit einer gemeinsamen Weiter- Es gibt nur wenige Einrichtungen mit ausgewiese- entwicklung zu eröffnen. Gerade wenn es beispiels- ner bibliometrischer Expertise wie die Max-Planck- weise um Aspekte des Know-how-Austauschs geht, Gesellschaft oder das Forschungszentrum Jülich, um eine entsprechende Sichtbarkeit nach Außen in doch die Zahl der Einrichtungen, die sich mit dem Bezug auf den Zugang zu Datenquellen oder um eine 25 Siehe hierzu auch Fußnote 13 online Bibliothek. Information. Technologie. 23 (2020) Nr. 5 www.b-i-t-online.de
Tunger | Ahnert | Schlindwein FACHBEITRÄGE 519 gemeinsame Strategie zur effizienten Verteilung von Community. Ein entsprechender Bedarf ist auf jeden Ressourcen, ist eine entsprechende Sichtbarkeit nicht Fall vorhanden, gerade wenn man an das Teilen von zu unterschätzen. Der im Rahmen dieses Workshops Ressourcen oder einrichtungsübergreifende Zusam- in Gang gesetzte Prozess ist somit erst der Auftakt ei- menarbeit denkt. Des Weiteren bildet der Workshop nes Community-Building. Alle an diesem Thema inter- den Auftakt zu einer Reihe aus ähnlichen Veranstal- essierten Kolleginnen und Kollegen sind somit einge- tungen, die einmal im Jahr stattfinden sollen,27 darü- laden, sich ebenfalls einzubringen. Eine Möglichkeit ber hinaus gibt es weitere Veranstaltungen, wie z. B. hierzu wäre beispielsweise, der eingerichteten Mail das für März 2020 an der Technischen Universität ingliste beizutreten26 und diese somit zu erweitern, München zum zweiten Mal geplante Forum Bibliomet- sowie diese für den Kontakt in die Community zu nut- rie28, die in eine ähnliche Richtung gehen. zen. Weitere Möglichkeiten auf Verbandsebene wer- Bibliometrie ist ein neues Geschäftsfeld in Bibliotheken den derzeit diskutiert und geprüft. Hier gibt es u. U. geworden – machen wir uns als bibliothekarische Com- in Zukunft weitere Möglichkeiten der gemeinsamen munity nun gemeinsam auf den Weg, das Paradigma Zusammenarbeit und der formalen Ausgestaltung der der Bibliothek als Berater und Experte zu gestalten. ❙ 26 Bitte kontaktieren Sie hierzu Dirk Tunger persönlich unter d.tunger@fz-juelich.de 27 https://www.hebis.de/de/1gs_fortbildung/kursangebot/2020-08_Workshop_Bibliometrie.php 28 https://www.ub.tum.de/forum-bibliometrie-2020, aktueller Stand: am 9.03.2020 wurde die Veranstaltung auf unbestimmte Zeit verschoben. Carolin Ahnert Birgid Schlindwein Dirk Tunger 2008 bis 2011 arbeitet seit 2000 ist wissenschaftlicher Studium der Anglistik/ an der Bibliothek der Mitarbeiter im Kompe- Amerikanistik an Technischen Universi- tenzzentrum „Analysen, der TU Chemnitz, tät München (TUM) als Studien, Strategien“ 2012 bis 2014 Master Fachreferentin für Life des Projektträgers im Bibliotheks- und Informationswissen- Sciences, Biotechnologie und Nach- Forschungszentrum Jülich und dessen schaft an der HTWK Leipzig. Seit 2015 haltigkeit sowie im Team Bibliometrie. langjähriger Vertreter im Kompetenz- als Fachreferentin an der UB Chemnitz Davor war die promovierte Agrarwissen- zentrum Bibliometrie. Derzeit ist der angestellt. schaftlerin am Wissenschaftszentrum promovierte Informationswissenschaft- carolin.ahnert@bibliothek.tu-chemnitz.de Weihenstephan der TUM in der wissen- ler als Projektleiter am Institut für schaftlichen Dokumentation und im Informationsmanagement an der TH Bereich EDV tätig. Köln im Drittmittelprojekt „UseAltMe“ birgid.schlindwein@ub.tum.de zum Thema Altmetrics mit der Weiter- entwicklung von Indikatorik befasst. d.tunger@fz-juelich.de www.b-i-t-online.de 23 (2020) Nr. 5 online Bibliothek. Information. Technologie.
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