Die Fesselung der Tech-Giganten - Die deutsche GWB-Novelle und der Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Digital Markets Act im Vergleich
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böll.brief GRÜNE ORDNUNGSPOLITIK #15 Mai 2021 Die Fesselung der Tech-Giganten Die deutsche GWB-Novelle und der Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Digital Markets Act im Vergleich PROF. DR. JUSTUS HAUCAP PROF. DR. HEIKE SCHWEITZER
Das böll.brief – Grüne Ordnungpolitik bietet Analysen, Hintergründe und programmatische Impulse für eine sozial-ökologische Transformation. Der Fokus liegt auf den Politikfeldern Energie, Klimaschutz, Digitalisierung, Stadtentwicklung sowie arbeits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zum nachhaltigen Umbau der Industriegesellschaft. Das böll.brief der Abteilung Politische Bildung Inland der Heinrich-Böll-Stiftung erscheint als E-Paper im Wechsel zu den Themen «Teilhabegesellschaft», «Grüne Ordnungspolitik», «Demokratie & Gesellschaft» und «Öffentliche Räume». Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 3 1 Einleitung 4 2 Verhaltensauflagen für Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung nach der 10. GWB-Novelle 6 3 Vorschlag für einen europäischen Digital Markets Act 9 4 Vergleich zwischen § 19a GWB und DMA 11 5 Plattformregulierung: Wettbewerbsrecht oder Regulierung im Dienste von Fairness und öffentlichem Interesse? 13 6 Die Durchsetzung der Plattformregulierung 15 7 Empfehlungen an den europäischen Gesetzgeber 16 Weiterführende Literatur 17 Die Autor/innen 18 Impressum 18
Zusammenfassung Um neuen Machtkonzentrationen in der Plattformökonomie zu begegnen, ist in Deutschland im Januar 2021 mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen (GWB) das Kartellrecht nicht nur angepasst, sondern im Bereich der sogenannten kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht geradezu revolutionär verändert worden. Das Bundeskartellamt kann Plattformen, bei denen es eine marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb feststellt, bestimmte Verhaltensweisen untersagen, ohne zuerst belegen zu müssen, dass die betroffene Plattform auf einem ganz bestimmten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt und eine bestimmte Verhaltens- weise im konkreten Fall missbräuchlich ist. Die von der Europäischen Kommission am 15. Dezember 2020 vorgelegten Vorschläge für einen Digital Markets Act (DMA) gehen noch weiter als die GWB-Novelle. Wird eine Plattform als ein sogenannter Gatekeeper eingestuft, so gelten ohne weitere Verfügung eine ganze Reihe von Verhaltenspflichten und Verboten, die im DMA festgelegt sind. Gatekeeper sind nach den Kriterien des DMA große Online-Plattformen, die: (a) eine starke wirtschaftliche Position mit erheblichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt innehaben und in mehreren EU-Ländern aktiv sind; (b) über eine starke Vermittlungsposition verfügen, d.h. eine beträchtliche Nutzer/innenbasis mit einer großen Anzahl von Unternehmen verbinden; und (c) eine gefestigte und dauerhafte stabile Marktstellung haben. Ein Vergleich zwischen § 19a GWB und DMA-Vorschlag offenbart zahlreiche Unterschiede. Auffällig ist erstens, dass der DMA einem «One size fits all»-Ansatz folgt – alle Regeln gelten für alle Gatekeeper – , während das Bundeskartellamt nach § 19a GWB maßgeschneiderte Auflagen zu erlassen hat. Zweitens sieht der DMA-Entwurf – anders als § 19a GWB – keine Möglichkeit zur sachlichen Rechtfertigung vor. Eine solche bedeutet, dass von Verboten auch Ausnahmen gemacht werden können, wenn ganz bestimmte Bedingungen erfüllt werden, also ein sachlicher Grund für ein bestimmtes Verhalten vorliegt und das Bundeskartellamt diesen als Rechtfertigung akzeptiert. Ein sinnvoller Mittelweg zwischen dem Regelungsmodell des § 19a GWB – das bei der Festlegung maßgeschneiderter Verhaltensauflagen womöglich Zeit verliert – und dem gegenwärtig zu stark pauschalierenden Ansatz des DMA könnte sein, das Verfahren zur Konkretisierung von Verhaltensauflagen mit festen Fristen zu versehen. Die in Art. 5 und 6 DMA aufgeführten Regeln könnten dabei als Standardregeln gelten, die in Kraft treten, wenn bis zum Fristablauf keine anderweitige Präzisierung erfolgt. Gatekeeper hätten dann erhebliche Anreize, beim eindeutigen Beschreiben der Auflagen zu kooperieren. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 3 /18
1 Einleitung Die Digitalisierung hat inzwischen nahezu alle Bereiche unseres Zusammenlebens und alle Branchen der Wirtschaft erfasst. Während sich der Wettbewerb in vielen Bereichen deutlich intensiviert hat und Verbraucher/innen vielfältigere Angebote wahrnehmen können sowie mannigfaltigere Wahlmöglichkeiten haben, sind gleichzeitig neue wirtschaft- liche Machtpositionen entstanden. Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen insbesondere die sogenannten GAFAM-Konzerne, also Google, Amazon, Facebook, A pple und Microsoft. Auslöser der teils disruptiven Entwicklungen auf vielen Märkten sind im Kern zwei Faktoren: Ȼ Erstens haben digitale Plattformen stark an Bedeutung gewonnen, da sie entweder traditionelle Intermediationsformen wie etwa im Einzelhandel, im Finanzsektor, in der Medienbranche oder im Dienstleistungsgewerbe (Makler/innen, Reisebüros etc.) zunehmend ersetzen oder aber Transaktionen erleichtert haben, die zuvor aufgrund von Koordinationsproblemen und/oder mangelndem Vertrauen nicht statt- gefunden haben, wie etwa im Bereich der Sharing Economy. Ȼ Und zweitens sind Daten zu einem kritischen Input für Produktions- und Vertriebs- prozesse in vielen Branchen wie Landwirtschaft, Industrieproduktion, Logistik, Marketing, Einzelhandel, Finanzen und vielen anderen Teilen der Wirtschaft geworden. Plattformen zeichnen sich dabei durch sogenannte direkte und indirekte Netzwerkeffekte aus. Kurz gesagt, ziehen sie tendenziell umso mehr Nutzer/innen an, je mehr Nutzer/innen sie schon haben, denn Plattformen sind umso attraktiver, je mehr Interaktionsmöglich- keiten man dort hat. Digitale Plattformen können dann ein Interesse an missbräuchlichen Strategien entwickeln, die beispielsweise den Wettbewerb anderer Plattformen abwehren – gegebenenfalls auch mithilfe wettbewerbswidriger Abschottungsstrategien –, ihn insgesamt ausbremsen und Ineffizienzen erzeugen. Darüber hinaus können Anreize bestehen, die auf einem Markt bestehende Marktmacht auf angrenzende Märkte zu übertragen. Als miss- brauchsanfällig gelten zudem insbesondere Plattformen, die einerseits als Organisator der Plattform auftreten, andererseits aber zugleich selbst als Anbieter auf der eigenen Plattform tätig sind, wie dies etwa bei Amazon Marketplace oder in Teilen bei Google der Fall ist. Hier ist es attraktiv, Informationsvorteile, Ressourcen (z.B. Daten) und Len- kungsmöglichkeiten, über die eine Plattform verfügt, zur Ausdehnung der Machtposition auf angrenzende Märkte auszunutzen. Um dem eigenen (konzerninternen) Angebot in be- sonders gewinnträchtigen Marktsegmenten Vorteile zu verschaffen, sind beispielsweise eine bevorzugte Anzeige eigener Angebote im Ranking oder die Nutzung des umfassenden Zugriffs auf Daten von Anbieter/innen, die auf der Plattform tätig sind, denkbare Mittel. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 4 /18
Auch die Bündelung von eigenen Angeboten und anderweitige Benachteiligungen un- abhängiger Anbieter/innen können den Wettbewerb drosseln. Neben der zunehmenden Bedeutung von Plattformen als Intermediationsform ist das zweite Merkmal der digitalen Wirtschaft die umfangreiche Nutzung von Daten. Damit sollen Produktdesign, Fertigung, Vertrieb, Marketing und nahezu alle Teile der Wertschöpfungskette effizienter werden. Aus wettbewerbspolitischer Sicht stellt sich die Frage, ob aus dem «Datenschatz» eines Unternehmens so starke Abhängigkeiten entstehen können, dass der Wettbewerb erlahmt. Anders ausgedrückt: Kann der Zugang zu einigen Daten so bedeutsam sein, dass ohne Datenzugang der Wettbewerb erheblich behindert wird? Um diesen Gefahren zu begegnen, werden nun im GWB besonders marktstarken Plattformen bestimmte Verhaltensauflagen gemacht. In eine ähnliche Richtung zielen auch die Vorschläge der Europäischen Kommission zum DMA. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 5 /18
2 Verhaltensauflagen für Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung nach der 10. GWB-Novelle Um der neuen Machtkonzentration zu begegnen, ist in Deutschland im Januar 2021 mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) das Kartellrecht nicht nur angepasst, sondern im Bereich der sogenannten kartellrechtlichen Missbrauchs- aufsicht geradezu revolutionär verändert worden. Um das Ausmaß dieser Revolution zu verstehen, ist es hilfreich, sich die traditionelle Herangehensweise bei der Missbrauchs- aufsicht im deutschen und europäischen Kartellrecht zu vergegenwärtigen. Besteht der Verdacht, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, so geht das Kartellrecht in vier Schritten vor: Ȼ Im ersten Schritt wird der relevante Markt abgegrenzt, d.h. es wird untersucht, welche Produkte aus Sicht der Nachfrager/innen hinreichend austauschbar sind, sodass die Anbieter/innen im Wettbewerb stehen. Ȼ In Schritt Zwei wird bestimmt, welches Maß an Marktmacht die Unternehmen haben. Dazu werden Marktanteile ermittelt und auch andere Charakteristika des Marktes analysiert. Ȼ Verfügt ein Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung, so wird im dritten Schritt die verdächtige Praxis evaluiert: Behindert es durch eine bestimmte Verhaltensweise den Wettbewerb, oder werden Nachfrager/innen oder auch Liefe- rant/innen ausgebeutet? Ȼ Sofern dies so ist, werden im vierten Schritt geeignete Abhilfemaßnahmen getroffen und gegebenenfalls Bußgelder verhängt. Diese Vorgehensweise kann sehr zeitintensiv sein und zu mehrjährigen Verfahren führen. So hat etwa die Europäischen Kommission im Google Shopping -Verfahren sieben Jahre benötigt, um zu einer Entscheidung zu gelangen. In dem Verfahren ging es im Kern darum, ob Google die eigene Plattform Google Shopping zu prominent anzeigt und gleichzeitig konkurrierende Produktvergleichsseiten wie etwa idealo.de benachteiligt, sodass der Wett- bewerb zwischen Produktportalen erheblich behindert wird. Sieben Jahre zur Entscheidung dieser Frage sind in der digitalen Ökonomie nahezu eine Ewigkeit, da sich Technologien und Geschäftsmodelle rasant weiterentwickeln. Ein wesentliches Ziel der 10. GWB-Novelle war es daher, die Missbrauchsaufsicht zu beschleunigen. Kernstück der deutschen Kartell- rechtsreform ist die Einführung eines neuen § 19a, welcher missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb untersagt. Konkret werden die genannten vier Schritte auf zwei reduziert. Im ersten böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 6 /18
Schritt kann das Bundeskartellamt nun durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang in der Plattformökonomie tätig ist, eine überragende markt- übergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Dabei sind diverse Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa die marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten, die Finanzkraft oder der Zugang zu sonstigen Ressourcen, die Tätigkeit auf mit- einander verbundenen Märkten, der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten sowie die Bedeutung der Unternehmenstätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten und der damit verbundene Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter. Im zweiten Schritt kann das Bundeskartellamt dem betroffenen Unternehmen eine ganze Reihe von Verhaltensweisen schon vorab untersagen, ohne dass bereits ein Fehlverhalten vorliegt oder nachgewiesen werden müsste. So kann es einem Unternehmen, das über- ragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat, untersagen (1) die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln; (2) ausschließlich eigene Angebote auf Geräten vorzuinstallieren oder in anderer Weise in Angebote des Unternehmens zu integrieren; Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatz- märkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat, (dies könnte etwa Google oder Apple betreffen, wenn sie nur eigene Apps auf Android-Smartphones oder iPhones zulassen sollten); (3) Wettbewerber/innen auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern; (4) durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern bzw. Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen; (5) die Interoperabilität (die Fähigkeit heterogener Systeme und Komponenten, mit anderen Systemen nahtlos zusammenzuarbeiten) von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität (Übertragbarkeit) von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern; (6) andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren; (7) für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen. Allerdings bleibt den betroffenen Plattform-Unternehmen die Möglichkeit, die jeweilige Verhaltensweise sachlich zu rechtfertigen und so eine Untersagung zu verhindern. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 7 /18
Der neue § 19a GWB ist somit in gewisser Weise einer Mischung zwischen Kartellrecht und Regulierung. Den Plattformen mit marktübergreifender Bedeutung für den Wett- bewerb kann das Bundeskartellamt vorab bestimmte Verhaltensweisen untersagen, ohne überprüfen zu müssen, ob die betroffene Plattform auf einem ganz bestimmten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt und ob eine bestimmte Verhaltensweise im konkreten Fall missbräuchlich ist. Damit entfällt die Notwendigkeit, eine Wettbewerbs- schädigung oder gar einen wahrscheinlichen Schaden für Verbraucher/innen im Einzelfall darzutun. Es genügt, dass eine der in § 19a GWB genannten Verhaltensweisen unter den von der Norm erfassten Marktbedingungen typischerweise geeignet ist, Wettbewerb spürbar zu erschweren oder in bestimmten Fallkonstellationen die Marktgegenseite auszubeuten. Ist die überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb erst einmal festgestellt, so dürfte der § 19a GWB daher in der Tat zu einer effektiveren Missbrauchskontrolle beitragen. Die Einhaltung der Regeln sicherzustellen, dürfte sich für das Bundeskartellamt aller- dings als eine Herausforderung erweisen. So mag zwar in der Theorie klar sein, was eine Bevorzugung eigener Angebote ist. Deutlich schwieriger kann es sein, dies in der Praxis festzustellen. Wenn etwa ein Marktplatz wie Amazon Marketplace ein eigenes Produkt in einer bestimmten Kategorie als Erstes aufführt, ist keinesfalls offensichtlich, ob dies eine verbotene Bevorzugung oder sachlich gerechtfertigt ist – zumal, wenn selbstlernende Algorithmen das Ranking der Produkte übernehmen. Ohne eine ausgiebige Überprüfung der Algorithmen ist eine Selbstbevorzugung kaum zu erkennen. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 8 /18
3 Vorschlag für einen europäischen Digital Markets Act Die von der Europäischen Kommission am 15. Dezember 2020 vorgelegten Vorschläge für einen Digital Markets Act (DMA) gehen noch weiter als die GWB-Novelle. Alle vier oben beschriebenen Schritte der bisherigen kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht werden im Grunde in einem einzigen Schritt zusammengefasst, nämlich in der Festlegung einer Gatekeeper-Stellung für sogenannte zentrale Plattformdienste, welche die Geltung einer Reihe von Verhaltenspflichten automatisch zur Folge hat. Als zentrale Plattformdienste gelten nach Art. 2 Abs. 2 DMA Online-Intermediationsdienste, Online-Suchdienste, soziale Netzwerke, Videosharing, Messengerdienste, Betriebssysteme und Cloudcomputing. Nach Art. 3 DMA wird ein Betreiber solcher Dienste als Gatekeeper qualifiziert, wenn: a ) er erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat; b ) der jeweilige Plattformdienst gewerblichen Nutzer/innen als wichtiges Zugangstor zu Endnutzer/innen dient; und c ) hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass er eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird. Es wird davon ausgegangen, dass ein Betreiber zentraler Plattformdienste: a ) das o.g. Kriterium nach Buchstabe a erfüllt, wenn das Unternehmen, dem er an- gehört, in den vergangenen drei Geschäftsjahren im Europäischen Wirtschaftsraum einen Jahresumsatz von mindestens 6,5 Mrd. EUR erzielt hat oder wenn die durch- schnittliche Marktkapitalisierung oder ein entsprechender Marktwert des Unternehmens, dem er angehört, im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 65 Mrd. EUR betrug und er in mindestens drei Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst betreibt; und auch b ) das o.g. Kriterium nach Buchstabe b erfüllt, wenn er einen zentralen Plattformdienst be- treibt, der im vergangenen Geschäftsjahr mehr als 45 Millionen in der Union nieder- gelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer/innen und mehr als 10.000 in der Union niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer/innen hatte; c ) das o.g. Kriterium nach Buchstabe c erfüllt, wenn die Voraussetzungen nach Buch- stabe a ) und b ) in den letzten drei Geschäftsjahren erfüllt waren. Der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geht davon aus, dass etwa 10 Plattformen diese Bedingungen erfüllen – und damit ein deutlich über die GAFA-Konzerne hinaus- reichender, angesichts der strikten Verhaltensregeln möglicherweise zu weit gefasster böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 9 /18
Kreis. Die Europäische Kommission kann zudem einen Betreiber zentraler Plattform- dienste, der nicht jeden der Schwellenwerte erreicht, dennoch als Gatekeeper im Sinne des Art. 3 DMA benennen, wenn er bestimmte qualitative Kriterien erfüllt, die denen des ersten Schrittes des § 19a GWB nicht unähnlich sind. Wird eine Plattform als Gatekeeper eingestuft, so gelten ohne weitere Verfügung der Kommission eine ganze Reihe von Verhaltenspflichten und Verboten, die in den Art. 5 und 6 DMA festgelegt sind. Sie ähneln über weite Strecken den in § 19a Abs. 2 GWB aufgeführten Verhaltensvorgaben. Jedoch sind die Vorgaben der Art. 5 und 6 DMA von vornherein sehr konkret formuliert, während § 19a Abs. 2 GWB allgemeinere Grund- prinzipien formuliert und dann sogenannte Regelbeispiele nennt. Bei genauerer Betrach- tung handelt es sich im DMA um eine Zusammenstellung und Generalisierung derjenigen Auflagen, welche die Kommission und nationale Wettbewerbsbehörden in den vergangenen Jahren in einzelnen, alternativ gegen Google, Amazon, Facebook oder Apple gerichteten Wettbewerbsverfahren angeordnet haben oder in noch laufenden Verfahren anstreben. Ziel dieser Regelungstechnik ist es, die automatische Anwendbarkeit der Verhaltens- vorgaben zu ermöglichen. Art. 5 DMA enthält dabei Verhaltenspflichten, die weitgehend selbsterklärend sind und keiner weiteren Spezifikation bedürfen. So untersagt Art. 5 lit. A DMA einem Gatekeeper etwa, personenbezogene Daten aus zentralen Plattform- diensten mit solchen aus anderen von ihm angebotenen Diensten oder mit personen- bezogenen Daten von Diensten Dritter zusammenzuführen, außer wenn Endnutzer/innen diesbezüglich eine Wahl gegeben wurde und sie eingewilligt haben. Art. 6 DMA normiert Vorgaben, die einer näheren Ausformung bedürfen, wie etwa das Verbot der Selbstbevorzugung. Auch die Verhaltenspflichten des Art. 6 DMA gelten aber unmittelbar – ihre effektive Umsetzung ist in einem ersten Schritt von den Gatekeepern selbst zu gewährleisten (Art. 7 Abs. 1 DMA). Die Kommission ist befugt, die Verpflichtungen durch Beschluss zu konkretisieren und nachzuschärfen, wenn die Umsetzungsmaßnahmen der Gatekeeper sich als ineffektiv erweisen (Art. 7 Abs. 2 DMA). Positiv zu bewerten sind die relativ detaillierten Regelungen des DMA zur Compliance und zur Durchsetzung der Bestimmungen. So erhält die Kommission weitreichende Möglichkeiten, auf Daten und Algorithmen der Gatekeeper zuzugreifen und auch die Hilfe externer Expert/innen dafür in Anspruch zu nehmen. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 10 /18
4 Vergleich zwischen § 19a GWB und DMA Ein Vergleich zwischen § 19a GWB und DMA-Vorschlag offenbart zahlreiche Unter- schiede. Auffällig ist erstens, dass der DMA einem «One size fits all»-Ansatz folgt – alle Regeln gelten für alle Gatekeeper – , während das Bundeskartellamt nach § 19a GWB maßgeschneiderte Auflagen zu erlassen hat. Letzteres erscheint sachgerecht, da sich die Geschäftsmodelle der potenziellen Gatekeeper deutlich unterscheiden. So verdient etwa Amazon sein Geld mit dem Verkauf von Waren und den Provisionen der dort tätigen Händler/innen. Google und Facebook hingegen verdienen ihr Geld vor allem mit Werbung. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Wettbewerbsprobleme, sodass es gute Gründe gibt, unterschiedlichen Plattformen unterschiedliche Auflagen aufzuerlegen. Zweitens sieht der DMA-Entwurf – anders als § 19a GWB – keine Möglichkeit zur sachlichen Rechtfertigung vor. Möglich sind nur eine befristete Aussetzung der Verhaltens- pflichten, wenn der Gatekeeper darlegen kann, dass ihre Einhaltung aufgrund außerge- wöhnlicher Umstände die ökonomische Tragfähigkeit der Dienste gefährden würde (Art. 8 DMA), oder aber Ausnahmen im öffentlichen Interesse (Art. 9 DMA). Im Übrigen wird auf jede Interessenabwägung verzichtet. Dies hat zwar den Vorteil der radikalen Verkürzung der Verwaltungsverfahren. Ein solches Vorgehen ist wettbewerbspolitisch aber nur dann gerechtfertigt, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Verhaltensregeln unter allen Umständen wettbewerbsfördernd, jedenfalls nicht wettbewerbsschädigend sind. Dies ist allerdings bei den in Art. 5 und 6 DMA genannten Verboten zwar in bestimmten Konstellationen naheliegend, aber keineswegs zwingend. So ist etwa die Weiterentwicklung von Plattformdiensten durch die Integration von oder Bündelung mit anderen Diensten keineswegs immer ausschließlich oder überwiegend wettbewerbsbehindernd. Zwar wird eine solche Integration den Wettbewerb innerhalb eines Ökosystems, also auf einer Plattform, regelmäßig schwächen. Sie kann unter be- stimmten Bedingungen aber den Wettbewerb zwischen den Ökosystemen fördern. Die Wettbewerbswirkungen können etwa davon abhängen, ob es sich um eine Bündelung mit einem zentralen Plattformdienst handelt, für den der Gatekeeper eine marktbe- herrschende Stellung hat. Wird der Wettbewerb auf einer Plattform geschwächt, zugleich aber der Wettbewerb zwischen Plattformen gestärkt, so tut sich ein Spannungsfeld auf. Eine abstrakte Qualifikation der fraglichen Praktik als pro- oder antikompetitiv ist dann nicht ohne Weiteres möglich. Ein Verfahren, das – wie § 19a GWB – maßgeschneiderte, an klar formulierten Grundprinzipien orientierte Auflagen ermöglicht, kann hier eine wettbewerbspolitisch sinnvolle Feinsteuerung erreichen. Ein Verfahren, das auf automatische, zugleich aber inflexible «per se»-Regeln setzt, verliert diese Möglichkeit. Dabei sind die maß- geblichen Grundprinzipien – etwa der Schutz der Wahlfreiheit und Mobilität von Plattformnutzer/innen; der Schutz eines unverfälschten Leistungswettbewerbs auf der Plattform und auf an die zentralen Plattformdienste angrenzenden Märkten und böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 11 /18
das Verbot, den über den Plattform erlangten überlegenen Datenzugriff zur Ausdehnung der Machtstellung zu nutzen – auch im DMA angelegt. Ein sinnvoller Mittelweg zwischen dem Regelungsmodell des § 19a GWB – das bei der Festlegung maßgeschneiderter Verhaltensauflagen womöglich Zeit verliert – und dem gegenwärtig zu stark pauschalierenden Ansatz des DMA könnte es sein, das Verfahren zur Konkretisierung von Verhaltensauflagen mit festen Fristen zu versehen. Die in Art. 5 und 6 DMA aufgeführten Regeln könnten dabei als Standardregeln gelten, die in Kraft treten, wenn bis zum Fristablauf keine anderweitige Konkretisierung er- folgt. Gatekeeper hätten dann erhebliche Anreize, bei der Konkretisierung der Auflagen zu kooperieren. Ein Vorteil des DMA-Vorschlags im Verhältnis zu § 19a GWB ist, dass Ersterer konkrete Regelungen zur Sicherstellung der Compliance schafft. In dieser Hinsicht ist dem DMA der Vorzug zu geben. Im GWB wird hier vorhersehbar Nachschärfungsbedarf bestehen. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 12 /18
5 Plattformregulierung: Wettbewerbsrecht oder Regulierung im Dienste von Fairness und öffentlichem Interesse? Ein weiterer Unterschied zwischen § 19a GWB und dem DMA scheint auf den ersten Blick in ihren Schutzzielen zu liegen. § 19a GWB ist durch seine Platzierung im GWB als Teil des deutschen Kartellrechts ausgewiesen, das dem Schutz des aus dem Gebrauch wirtschaftlicher Freiheitsrechte entstehenden Wettbewerbs und im Fall von Monopol- stellungen auch dem Schutz der Marktgegenseite vor Ausbeutung dient. Zum Schutz- zweck des DMA heißt es in dessen Erwägungsgrund 10 demgegenüber, er sei komplementär zum Wettbewerbsrecht, aber von diesem verschieden. Die Verordnung soll «bestreitbare und faire Märkte» auch in den von Gatekeepern geprägten Märkten gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 DMA). Im Kartellrecht müssen dazu bisher die tatsächlichen, wahrscheinlichen oder wenigstens vermuteten Wirkungen des beanstandeten Verhaltens betrachtet werden. Die Verhaltenspflichten des DMA sollen demgegenüber ohne eine vorherige Prüfung gelten, ob andernfalls mit wettbewerbswidrigen Wirkungen zu rechnen wäre (Erwägungs- grund 10). Wären die Verhaltensge- bzw. -verbote des DMA durch Ziele begründet, die von den mutmaßlichen Wirkungen des Verhaltens auf den Wettbewerb unabhängig sind, so wäre in der Tat von einem nicht wettbewerbspolitischen Schutzzweck auszugehen. Hierfür sprechen aber weder die Formulierung des Art. 1 Abs. 1 DMA noch die Verhaltensvorgaben in Art. 5 und 6 DMA. Der Gewährleistung der Bestreitbarkeit von Machtpositionen ist ein genuin wettbewerbspolitisches Ziel zu entnehmen, das ausweislich von Art. 5 und 6 DMA weit verstanden wird: Die meisten der hier genannten Verpflichtungen zielen darauf ab, verbleibende Wettbewerbsspielräume – sei es im Wettbewerb um Plattformmärkte, sei es im Wettbewerb auf Plattformen oder im Wettbewerb um angrenzende Märkte – zu schützen und dabei einen so weit wie möglich unverfälschten Leistungswettbewerb sicher- zustellen. Der Umstand, dass die Art. 5 und 6 auf eine Wirkungsanalyse und Interessen- abwägung im Einzelfall verzichten, ändert nichts an der genuin wettbewerbspolitischen Zielsetzung: Ihre Rechtfertigung finden die Per-se-Regelungen in der besonderen Art der Machtstellung der Gatekeeper sowie in der Notwendigkeit einer schnellen Intervention. Dasselbe gilt für das Schutzziel der «Fairness», wenn man hierunter einen nicht durch willkürliche Ausübung von Macht verzerrten Prozess des Leistungswettbewerbs und ein Verbot der machtbedingten Ausbeutung der Marktgegenseite versteht. Anders als zum Teil gemutmaßt, ist der DMA weder Verbraucher/innenschutz- noch Lauterkeitsrecht. Er trägt allerdings der zentralen Bedeutung Rechnung, welche die zen- tralen Plattformdienste – häufig als Nukleus expandierender digitaler Ökosysteme – für die Digitalökonomie gewonnen haben. Gatekeeper, die Kontrolle über die Marktzutritts- böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 13 /18
und Innovationschancen digitaler Anbieter/innen im Verhältnis zu Endverbraucher/innen erlangt haben, sollen diese nur regelgebunden ausüben dürfen. Der DMA steht damit für einen wettbewerbspolitischen Ansatz, der nicht die Konsument/innenwohlfahrt, sondern die Kontrolle privater Macht in den Mittelpunkt stellt. Seine Verhaltensvorgaben sind nicht notwendig deckungsgleich mit den Vorgaben, die sich aus der Anwendung von Art. 102 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ergeben – sie können teilweise strenger sein. In seiner Zielsetzung bleibt der DMA aber eindeutig wettbewerbspolitisch zu verorten. Diese wettbewerbspolitische Zielsetzung muss die Konkretisierung der Ver- haltensvorgaben des Art. 6 DMA anleiten. Und an sie bleibt die Kommission bei der in Art. 10 DMA vorgesehenen möglichen Ergänzung des Verhaltenskanons durch weitere Ge- oder Verbote gebunden: Nur eine erhebliche und konkrete Wettbewerbsgefährdung und im Einzelfall Ausbeutungsgefahr kann die weitreichenden Verhaltensauflagen des DMA rechtfertigen. An der wettbewerbspolitischen Zielsetzung sollte sich auch die laufende Diskussion über mögliche Änderungen am vorliegenden Entwurf der Kommission für einen DMA orientieren. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 14 /18
6 Die Durchsetzung der Plattformregulierung Mit der Frage nach der Rechtsnatur der neuen Regelregime verbunden ist die Art und Weise ihrer Durchsetzung. Sowohl § 19a GWB als auch der DMA sind zunächst auf behördliche Durchsetzung zugeschnitten. Das Bundeskartellamt muss im Rahmen des § 19a GWB die überragende marktübergreifende Stellung feststellen und sodann die Verhaltensauflagen konkretisieren. Die Kommission hat über die Gatekeeper- Stellung zu entscheiden und muss gegebenenfalls die Vorgaben des Art. 6 DMA spezifizieren. Sobald das Bundeskartellamt nach § 19a GWB tätig geworden ist, ermöglichen die §§ 33, 33a GWB allerdings auch eine private Durchsetzung: Wird der Verfügung des Bundeskartellamts zuwidergehandelt, so kommt sowohl ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als auch ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Eine private Durchsetzung des DMA über die Vorschriften des GWB scheint demgegenüber ge- genwärtig ausgeschlossen: Diese verweisen ausdrücklich auf die Wettbewerbsnormen in Art. 101 und Art. 102 AEUV, nicht aber auf den DMA. Denkbar bleibt eine private Durchsetzung des DMA über das allgemeine Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB), womöglich auch über den Rechtsbruchtatbestand des UWG (§ 3a UWG, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Erschwert wird eine private Durchsetzung allerdings in beiden Konstellationen durch die Regelungssystematik der Art. 6, Art. 7 DMA: Macht ein geschädigtes Unternehmen eine ineffektive Umsetzung der in Art. 6 aufgeführ- ten konkretisierungsbedürftigen Verhaltensvorgaben geltend, so scheint es hierfür vorab einer Konkretisierung der Verpflichtungen durch die Kommission zu bedürfen. Damit wird die potenziell sehr praxisrelevante private Durchsetzung durch Ge- schädigte erheblich erschwert. Eine dezentrale behördliche Durchsetzung des DMA durch die nationalen Wettbewerbsbehörden hat mit derselben Schwierigkeit zu kämpfen: Das Monopol für die Konkretisierung der Verhaltenspflichten der Gatekeeper liegt nach dem gegenwärtigen Entwurf des DMA bei der Kommission. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 15 /18
7 Empfehlungen an den europäischen Gesetzgeber Der DMA befindet sich gegenwärtig noch im europäischen Gesetzgebungsprozess. Nachbesserungen sind möglich. Die folgenden Korrekturen wären ratsam: Ȼ In den Erwägungsgründen und in Art. 1 des DMA sollte klargestellt werden, dass die Ziele der Bestreitbarkeit und der Fairness der Märkte im Digitalsektor als Ausdruck einer wettbewerbspolitischen Zielsetzung zu verstehen sind. Klarer Bezugspunkt des DMA ist ein unverfälschter, nicht machtbedingt verzerrter Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt. Ȼ Die Verhaltensregeln des DMA sollten – ähnlich wie in § 19a Abs. 2 GWB – als Ausdruck bestimmter allgemeinerer Grundsätze und damit als Regelbeispiele formuliert werden. Denkbar wäre ein Verfahren, bei dem die Regelbeispiele im Dienste einer schnellen Rechtsdurchsetzung als unmittelbar anwendbare Stan- dardvorgaben gelten, aber auf Antrag eines Gatekeepers im Rahmen eines «regulatory dialogue» mit der Kommission im Einzelfall angepasst werden können. Den Gatekeepern verbliebe damit – analog zu § 19a GWB – die Möglichkeit einer sachlichen Rechtfertigung für einzelne Verhaltensweisen, sie trügen hierfür aber zugleich die Beweislast. Überdies würde eine Ausnahme erst ab einer entsprechenden Entscheidung der Kommission greifen. Ȼ Der DMA sollte klarstellen, dass die Verhaltensregeln nicht nur behördlich durch- gesetzt werden können, sondern dies auch durch private Rechtsdurchsetzung vor Gerichten in den Mitgliedstaaten geschehen kann, damit die Rechtsdurchsetzung möglichst effektiv ist. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 16 /18
Weiterführende Literatur Ȼ Crémer, Jaques; de Montjoye, Yves-Alexandre; Schweitzer, Heike (2019): Competi- tion policy for the digital era. https://ec.europa.eu/competition/publications/reports/ kd0419345enn.pdf Ȼ Haucap, Justus (2021): Plattformökonomie und Wettbewerb. In: Kenning, Peter; Oehler, Andreas; Reisch, Lucia A. (Hrsg.): Verbraucherwissenschaften, 2. Auflage, Wiesbaden: Springer Verlag:, S. 423–452. Ȼ Haucap, Justus (2021): Mögliche Wohlfahrtswirkungen eines Einsatzes von Algorithmen. In: D. Zimmer (Hrsg.): Regulierung für Algorithmen und Künstliche Intelligenz. Baden-Baden: Nomos Verlag. Ȼ Haucap, Justus (2020): Plattformökonomie: neue Wettbewerbsregeln – Renaissance der Missbrauchsaufsicht. In: Wirtschaftsdienst 100, Sonderheft (13), S. 20–29. Ȼ Haucap, Justus (2018): Macht, Markt und Wettbewerb: Was steuert die Datenökonomie?, Berlin: Nicolai Verlag. Ȼ Schweitzer, Heike; Haucap, Justus; Kerber, Wolfgang; Welker, Robert (2018): Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen. Baden-Baden: Nomos Verlag. Ȼ Schweitzer, Heike; Schallbruch, Martin; Wambach, Achim (2019): Ein neuer Wettbewerbsrahmen für die Digitalwirtschaft, Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, September 2019. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 17 /18
Die Autor/innen Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er war von 2006 bis 2014 Mitglied der Monopolkommission, davon vier Jahre als Vorsitzender. Prof. Dr. Heike Schweitzer ist Professorin für Bürgerliches Recht, deutsches und euro- päisches Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht und Ökonomik an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Vom April 2018 bis zum März 2019 war sie als Sonderberaterin von Kommissarin Vestager tätig und hat in dieser Funktion den Bericht «Competition policy for the digital era» mit verfasst. Von September 2018 bis September 2019 war sie Co-Vorsitzende der Regierungskommission «Wettbewerbsrecht 4.0». Impressum Herausgeberin: Heinrich-Böll-Stiftung e.V., Schumannstraße 8, 10117 Berlin Kontakt: Referat Digitale Ordnungspolitik, Vérane Meyer E meyer@boell.de Erscheinungsort: www.boell.de Erscheinungsdatum: Mai 2021 Lizenz: Creative Commons (CC BY-NC-ND 4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0 Verfügbare Ausgaben unter: www.boell.de/de/boellbrief Abonnement (per E-Mail) unter: boell.de/news Die vorliegende Publikation spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der Heinrich-Böll-Stiftung wider. böll.brief Die Fesselung der Tech-Giganten 18 /18
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