Die höchste Baustelle Europas

 
WEITER LESEN
Matterhorn glacier ride
Die höchste Baustelle Europas
Am 1. April 2016 fiel der offizielle Startschuss für den Bau des neuen
Matterhorn glacier rides. 145 Personen von 38 verschiedenen Unternehmen
sind am grössten Bauprojekt in der Geschichte der Zermatt Bergbahnen AG
beteiligt. Die 3S Bahn (Dreiseilumlaufbahn) wird ab September 2018 bis zu
2000 Personen stündlich auf das Matterhorn glacier paradise (Klein
Matterhorn) befördern 365 Tage im Jahr. Der Bau der Bahn zwischen
Trockener Steg und Matterhorn glacier paradise kostet etwa 52 Millionen
Franken. Er stellt Mensch und Maschine vor immense Herausforderungen, denn
auf 3'821 Metern über Meer entscheiden Wind und Wetter über den
Baufortschritt.

Tagestemperaturen bis zu minus 30 Grad, Windspitzen bis 240 km/h, starker
Schneefall und dichter Nebel sind auf dem Klein Matterhorn keine Seltenheit. Seit
2016 bauen dort auf fast 4000 Metern Höhe und in extrem steilem Gelände
Bauarbeiter in Expeditionsausrüstung den neuen Matterhorn glacier ride. Aufgrund
der sauerstoffarmen Höhenluft vermag ein Mensch auf der höchsten Baustelle
Europas nur etwa 60 bis 80 Prozent seiner normalen Leistung zu erbringen. Doch
nicht nur den Menschen verlangt die Höhe einiges ab, auch das Material kommt an
seine Grenzen. Da Betonarbeiten nur bis +5 °C möglich sind, wird der Beton mit
warmem Wasser im Zwischendepot auf Laghi Cime Bianche (I) zubereitet und darf
während des Wegs mit der Transportseilbahn nicht unter 8 °C auskühlen. Auch die
Baumaschinen mussten vorab für die Arbeit unter solch extremen Druck- und
Temperaturbedingungen technisch angepasst werden. Denn auf fast 4000 m ü. M.
sinkt der Luftdruck, und damit auch der Sauerstoffgehalt,              Prozent in
Relation zur Meereshöhe.

Felssicherung    Schutz vor Geröll

Bevor es mit den Bauarbeiten losgehen konnte, musste die Baustelle auf dem Klein
Matterhorn zunächst vor Steinschlägen geschützt werden. Hochspezialisierte
Mitarbeiter der Firma Gasser Felstechnik AG brachten in Handarbeit Schutznetze
an. Zunächst lösten sie, mit Pickel und Hebeeisen ausgerüstet, lose Steine auf einer
                    2 von der Felsoberfläche, indem sie sich vom Grat her über die
Felswand abseilten. Anschliessend verlegten die Hochalpinspezialisten ein
Hexagonal-Schutz-Geflecht auf der Felsoberfläche, für das zehn Tonnen Stahl
verbaut wurden.
Vier Schutznetze oberhalb der Baustelle und künftigen Bergstation schützen auf
einer Fläche von 4 x 200 Metern zusätzlich vor Steinschlag und Lawinen.

Felsaushub    Raum für die neue Bergstation

Im Schutze der Steinschlagverbauungen und nach der Räumung von etlichen
Tonnen Schnee wurde ein Kran für die weiteren Bauarbeiten errichtet, der auf einer
Basis von 3.5 x 3.5 Metern mit 16 Ankern à 8 Meter befestigt wurde, und es konnte
mit dem Sprengaushub der neuen Bergstation begonnen werden. Die grösste
Herausforderung: Wie sollen die Bohrgeräte ohne ebene Arbeitsfläche speditiv
eingesetzt werden? «Um dem Problem zu begegnen, erstellten wir mit kleineren
Sprengungen und einem Bagger mit Spitzhammer vom Erschliessungsstollen her
zwei provisorische Zugänge zum höchsten Punkt der Baugrube. So konnten wir
die Bohrlafetten positionieren und mit dem Aushub von oben beginnen», erklärt
Thomas Aschwanden, Projektleiter und stellvertretender Geschäftsführer der Firma
Gasser Felstechnik AG. Ungefähr ein Drittel des Aushubs wurde aufgrund der
anspruchsvollen Topographie nicht mit einem der beiden Bohrgeräte, sondern mit
der Handbohrmaschine am hängenden Seil realisiert. Die ausgehobenen Löcher von
2 bis 3 Metern Länge wurden anschliessend mit Sprengstoff gefüllt. Auf diese
Weise wurden pro Tag 30 Löcher in die Felswand gebohrt und im Durchschnitt
100m3 Fels abgetragen.                                       m3 wurden 90
Arbeitstage und fünf Tonnen Sprengstoff benötigt. Nach dem Aushub wurde eine
31 x 8.5 Meter grosse Fundamentfläche gegossen.

Hochalpiner Materialtransport

Nachdem die Baustelle auf dem Klein Matterhorn zunächst nur mit dem Helikopter
beliefert werden konnte, wurde im Sommer 2016 eigens für den Bau des
Matterhorn glacier rides eine Materialseilbahn zwischen den Stationen Laghi Cime
Bianche (IT) und Matterhorn glacier paradise gebaut. Die              lange
Materialseilbahn der Moosmair GmbH vermag ein Gewicht von 8 Tonnen zu
transportieren. Bei ihrem Bau musste insbesondere auf die Zementmischung für die
Verankerung geachtet werden, die auf solchen Höhen Permafrost-tauglich sein
muss und während dem Transport nicht vorzeitig auskühlen darf. Über ein 650m2
grosses Zwischendepot auf Laghi Cime Bianche (IT) wurde ab Sommer 2016 das
Baumaterial grösstenteils via Materialseilbahn auf die hochalpine Bergstation
transportiert.
Drei Stützen und zwei Steher

Auf der Strecke des Matterhorn glacier rides befinden sich zwei Steher, jeweils am
Eingang der Stationen, und drei Stützen zwischen den Stationen. Über diese fünf
Elemente laufen die Tragseile. Die Steher stellen ausserdem sicher, dass die
Kabinen im richtigen Winkel in die Stationen einfahren und stützen die Station ab.
Für die beiden Stationen mussten aufgrund der ausserordentlichen Dimensionen
der 3S Bahn 1550m3 Beton verbaut werden. Enorme Mengen, die normalerweise für
mehrere Bahnanlagen ausreichen würden. Alleine für die Fundamente der Stütze 1
(      m ü. M.) wurden 440 m3 Beton verbaut. Das ganze Stützenmaterial wurde
via Testa Grigia (IT) mit einem Pistenfahrzeug und einem angehängten Schlitten
zur Baustelle transportiert. Für die Montage wurde ein Raupenkran der Firma
Clausen Transporte eingesetzt. Bei Stütze 2 (       m ü. M.) waren aufgrund des
lockeren Erdmaterials umfangreiche Aushubarbeiten, massive Erdverschiebungen
und insgesamt 141.5 Tonnen Armierungsstahl nötig, um die Stütze genügend zu
verankern. Bis zu 35 Meter ragen die sogenannten Stützenfüsse dort in den Felsen,
wovon nun nur noch drei Meter sichtbar sind. Auch bei Stütze 3 (       m ü. M.)
gestalteten sich die Arbeiten aufgrund der exponierten Baulage anspruchsvoller.
Dort trug ein über den Gletscher antransportierter Schreitbagger erst Eis ab, um
den Fels für die Aushubarbeiten freizulegen. Nach der Erstellung der vier
Fundamente, musste für die Montage des Stützenmaterials ein zusätzlicher, 52
Meter hoher Kran aufgestellt werden.

Drahtseilakt Seiltransport

Vom FATZER Werk in Romanshorn traten die insgesamt fünf Seile der neuen 3S
Bahn via Schwertransporter eine Reise quer durch die Schweiz bis nach Cervinia
(IT) an, wo der spannende Teil ihres Transports begann. Da die fünf Seilbobinen mit
je 80 Tonnen Gewicht zu schwer waren, um sie auf einem Laster von Cervinia nach
Laghi Cime Bianche (        m. ü.M.) zu befördern, mussten die einzelnen Seile erst
auf jeweils zwei kleinere Bobinen abgerollt und folgend auf zwei
zusammenhängende Lastwagen aufgeteilt werden. So erreichten sie ihren
Bestimmungsort per LKW-Konvoi und wurden anschliessend wieder auf die
Originalbobinen umgespult.

Von Laghi Cime Bianche aus überquerten die Seile an ein Vorseil angehängt mittels
einer provisorischen Seilbrücke den                     m ü. M.) und wurden nach
                        m ü. M.) gezogen. Das leichtere Vorseil konnte von der
italienischen Seite aus mit dem Helikopter auf den Furggsattel transportiert und
von dort mit einem Hilfslaufwerk via der Seilbrücke nach Laghi Cime Bianche
gezogen werden. Auf Schweizer Seite konnte das Vorseil über die Masten der
Furggsattel-Sesselbahn teilweise mit dem Helikopter, teilweise mit dem
Pistenfahrzeug montiert werden. Nachdem das Vorseil gezogen war, wurden an
dieses in einem zweiten Schritt zuerst das Zugseil und danach jedes einzelne
Tragseil angehängt und so auf ihre Reise geschickt. Insgesamt legten die Seile ab
ihrer Ankunft in Cervinia über 13 000 Meter zurück und überwanden eine
Höhendifferenz               300 Metern.

Stationen aus mehreren zehntausend Einzelteilen

Einhergehend mit dem Bau der höchsten 3S Bahn der Welt entstehen zwei
komplett neue Stationen. Die Talstation wird westlich der Bergstation des
                                           923 m ü. M. errichtet, während die
Bergstation an der Westflanke des Matterhorn glacier paradise auf einer
Meereshöhe von          m ü. M. entsteht. Jede Station ist durch ihre individuelle
Einbindung in die Natur und durch die unterschiedlichen Gegebenheiten ein Unikat.
Während einer ersten Phase wurden die einzelnen Komponenten für die Stationen
im Leitner Werk in Sterzing (I) produziert und bei einer ersten Vormontage im
Werk zusammengebaut. «Wenn man bis zur letzten Schraube und Mutter
nachzählt, sind es sicher mehrere zehntausend Einzelteile», so Jan Sorg, Project
Engineer von Leitner Ropeways. «Von der Herstellung der Einzelteile bis zur
Endmontage vergehen zwischen 6 und 10 Monate.» Vor der Lieferung auf die
Baustellen müssen alle Teile für den Transport vorbereitet werden. Der Transport
verläuft vom italienischen Sterzing nach Cervinia, weiter mit der Materialbahn bis
nach Testa Grigia und schliesslich werden die Bauteile auf Schlitten verladen,
welche mittels Pistenmaschine auf der Schweizer Seite über den Gletscher nach
Trockener Steg gebracht werden.

Air Zermatt    Präzisionsarbeit sondergleichen

Bis zum heutigen Tag hat die Air Zermatt für den Bau der 3S Bahn mehrere
tausend Rotationen geflogen: Transportflüge für die Felssicherung an der
Westseite des Klein Matterhorns, Flüge für die Baustelleninstallation auf der
italienischen Seite oder unterstützende Materialtransporte für die Kranmontage auf
der neuen Bergstation. Nicht nur die Bauarbeiter, sondern auch die Piloten haben
vor allem mit dem Wind, dem schnell wechselnden hochalpinen Wetter und dem
Nebel zu kämpfen. Eine weitere Schwierigkeit entsteht zudem durch das steile
Gelände, aufgrund dessen die Piloten Unterlasten mit einer Seillänge von
mindestens 60 Meter präzise zur Baustelle fliegen müssen.
Ein unglaublicher Balanceakt! Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Tragleistung
eines Helikopters durch die tiefe Luftdichte                       um etwa 30
Prozent reduziert.. «Die Arbeiten auf der 3S Baustelle Klein Matterhorn gehören zu
den absolut anspruchsvollsten Aufgaben, die wir mit unseren Helikoptern je
durchgeführt haben.» bestätigt Gerold Biner, CEO der Air Zermatt.

Mathias Imoberdorf
Communication & Media Manager  Zermatt Bergbahnen AG
 +41 (0)27 966 01 24
 mathias.imoberdorf@zbag.ch
www.matterhornparadise.ch
Sie können auch lesen