Die Hoffnung auf einen "Safe Haven" - Lebensgeschichtliche Forschung unter Migranten im Münsterland - Nomos Shop

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Die Hoffnung auf einen "Safe Haven" - Lebensgeschichtliche Forschung unter Migranten im Münsterland - Nomos Shop
Migration & Integration                          l7

Alina Lisa Bergedieck

Die Hoffnung auf einen
„Safe Haven“
Lebensgeschichtliche Forschung unter Migranten
im Münsterland
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                 Migration & Integration

                 herausgegeben von
                 Dr. Anna Mratschkowski, Ruhr-Universität Bochum

                 Band 7

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             Alina Lisa Bergedieck

              Die Hoffnung auf einen
              „Safe Haven“
              Lebensgeschichtliche Forschung unter Migranten
              im Münsterland

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                 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
                 der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
                 Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
                 Zugl.: Münster (Westf.), Westfälische Wilhelms-Universität, Diss., 2018
                 ISBN 978-3-8487-5606-3 (Print)
                 ISBN 978-3-8452-9781-1 (ePDF)

                 1. Auflage 2019
                 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte,
                 auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
                 Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Danksagung

Mein Dank gilt zuallererst meinen Betreuern Prof. Dr. Josephus M. D. Pla-
tenkamp und Jun.-Prof. Dr. Laila Prager. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr.
Platenkamp hat mich nicht nur während meiner Promotion stetig unter-
stützt, motiviert und meine Ideen hinterfragt, sondern er begleitete auch
meinen gesamten universitären Werdegang und prägte meine Art wissen-
schaftlich zu denken. Insbesondere für seine Geduld und seine herzliche
Art, die er mir entgegenbrachte, aber auch für seine stets konstruktive Kri-
tik, bin ich ihm zu großen Dank verpflichtet. Und auch Frau Jun.-Prof. Dr.
Prager begleitet mich seit dem Master-Studium als aufgeschlossene, interes-
sierte und herzliche Dozentin und Ansprechpartnerin. Auch ihr möchte
ich für diese langjährige Betreuung meiner akademischen Laufbahn herz-
lich danken. Beide Betreuer brachten mir und meiner Arbeit großes Ver-
trauen entgegen und ließen mir die nötige wissenschaftliche Freiheit, mei-
ne Forschung nach meinen Vorstellungen umzusetzen.
   Ein großer Dank gilt insbesondere meinen Interviewpartnern, denn oh-
ne sie wäre diese Arbeit nicht entstanden. Sie ließen mich an ihren schöns-
ten und schlimmsten Momenten im Leben teilhaben und schilderten mir
mit großer Geduld und Vertrauen ihren, so häufig, langwierigen und oft
traumatischen Weg nach Deutschland. Ein weiterer Dank gilt den Perso-
nen, die mir diese Kontakte vermittelten und sich stets für das Gelingen
dieser Arbeit einsetzten. Ohne dieses Netzwerk aus engagierten und hilfs-
bereiten Menschen hätte ich meine Forschung nicht durchführen können.
   Von ganzem Herzen möchte ich meiner Mutter, Iris Beckmann-Wewer
danken. Ohne ihre Unterstützung, ihr unerschöpfliches Vertrauen in mei-
ne Fähigkeiten, ihren Rat und ihre Hilfe, aber auch ihren findigen Korrek-
turstift wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ein großer Dank gilt ebenso
meinem Vater, Christoph Laumann, der dieses Vorhaben von Anfang an,
mit großen Enthusiasmus, unterstützte und mir ein unerschütterliches Ver-
trauen entgegenbrachte. Ebenso möchte ich Norbert Wewer, Astrid Hell-
mund, sowie meinen Freunden danken für ihre Ratschläge, ihre morali-
sche Unterstützung, insbesondere während der häufig kräftezehrenden
Forschung, und ihr stetiges Interesse an meiner Arbeit. Ein weiterer großer
Dank gilt allen, die mir bei der Korrektur dieser Arbeit halfen. Der letzte
Dank gilt Markus Bergedieck für seine unerschütterliche Liebe und seine
stetige Unterstützung.

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Inhaltsverzeichnis

1.    Einleitung                                                      9

Theoretischer Teil                                                   16
2. Historische Migrationsbewegungen in Deutschland nach dem
   Zweiten Weltkrieg                                                 16
   2.1 Anthropologische Definitionsansätze des Konzeptes „des
        Fremden“ in Deutschland                                      21
   2.2 Rechtlicher Exkurs und Zahlen und Fakten zu
        Migrationsbewegungen in Deutschland seit 2015                25
3. Skizzierung des Forschungsfeldes                                  30
   3.1 Anthropologische Ansätze in der Migrations- und
        Fluchtforschung                                              32
   3.2 Herausforderungen in der Forschung                            36
   3.3 Kritische Besprechungen von Begriffen und deren
        Konnotationen                                                42
   3.4 Migrationsursachen                                            47
   3.5 Inhaltliche Ansätze und Forschungen im transnationalen
        Raum                                                         52
4. Methode und Analysekriterien                                      68
   4.1 Die biographische Methode in der Anthropologie des 20.
       Jahrhunderts                                                  69
   4.2 Der „Life-History“ Ansatz und das narrative Interview nach
       F. Schütze                                                    76
   4.3 Das Push-Pull-Modell nach Everett S. Lee                      80
   4.4 Theoretische Ansätze für die Auswertungen der Biographien     84

Empirischer Teil                                                     88
5. Biographien                                                       88
   5.1 Biographien aus der Islamischen Republik Iran                 92
        5.1.1 Amira (*1981 in Teheran, Iran)                         95
        5.1.2 Bahram (*1985 in Teheran, Iran)                       108
        5.1.3 Amal (*1988 in Schiras, Iran)                         117
   5.2 Biographien aus der Republik Albanien                        127

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Inhaltsverzeichnis

         5.2.1 Drita (*1986 in Tropoja, Albanien)                      129
         5.2.2 Mejrem (*1988 in Tirana, Albanien)                      141
    5.3 Eine Biographie aus der Republik Kosovo                        147
         5.3.1 Djamael (*1997 in Kamenica, Kosovo)                     150
    5.4 Eine Biographie aus der Republik Mazedonien                    155
         5.     4.1 Damir (*1960 in Resen, Mazedonien)                 156
    5.5 Biographien aus der Republik Irak                              163
         5.5.1 Iyad (*1990 in Bagdad, Irak)                            168
         5.5.2 Ibrahim (* 1972 in Ramadi, Irak) und Maïssa (*1980
                in der Nähe von Erbil, Irak)                           177
    5.6 Biographien aus der Arabischen Republik Syrien                 194
         5.6.1 Mohamad (*1991 in Nähe von Aleppo, Syrien)              198
         5.6.2 Yara (*1979 in Damaskus, Syrien)                        207
         5.6.3 Masud (*1988 in Sharran, Syrien)                        215
         5.6.4 Nasan (*1978 in Kastall, Syrien) und Dilana (*1988
                in Kastall, Syrien)                                    226
         5.6.5 Hassan (*1993 in Al Kiswah), Said (*1984 in Al
                Kiswah), Rania (*1993 in Damaskus) und Mahan
                (*1998 in Damaskus)                                    236
    5.7 Eine Biographie aus der Republik Tadschikistan                 250
         5.7.1 Yasmin (*1998 in Duschanbe, Tadschikistan)              251
    5.8 Biographien aus der Republik Georgien                          257
         5.8.1 Mirko (*1990 in Tiflis) und Natia (*1985 in Kutaissi)   258
    5.9 Biographien aus der Islamischen Republik Afghanistan           267
         5.9.1 Mariam (*1978 in Baglan, Afghanistan)                   272
         5.9.2 Said (*1984 in Herat, Afghanistan)                      279
    5.10 Eine Biographie aus der Republik Ghana                        289
         5.10.1 Badu (*1995 in Accra)                                  290
    5.11 Eine Biographie aus dem Königreich Marokko                    297
         5.11.1 Fayyad (*1997 in Casablanca)                           298
6. Fazit                                                               304
   Fazit der Gesprächssituationen                                      304

Anhang                                                                 312

Literatur                                                              313

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1. Einleitung

Die ethnographische Forschung, auf der die vorliegende Arbeit fundiert,
begann im Juli 2015 und wurde im August 2016 abgeschlossen. Der For-
schung lag ein exploratives Vorgehen zugrunde, daher wurden die For-
schungsfragen erst im Verlauf der Feldforschung entwickelt. In der Arbeit
werden Migrationsentscheidungen anhand der Analyse von Biographien von
Migranten1 untersucht. Es wird zur Diskussion gestellt, in wie weit komplexe
biographische Ereignisse und lebensgeschichtliche Erfahrungen Einfluss auf Mi-
grationsentscheidungen haben, neben offensichtlichen Ausreisegründen, wie
Krieg, Verfolgung und Diskriminierung. In der Analyse sollen sowohl Migrati-
onsgründe in den Herkunftsländern als auch Faktoren für potenzielle Zielländer
untersucht werden.
   In der Analyse werden sowohl die Biographien von Geburt der Inter-
viewpartner bis zur ihrer Ankunft in Deutschland eruiert als auch die indi-
viduellen Migrationsgeschichten. Während der einjährigen Feldforschung
wurden biographische Interviews mit 30 Migranten in mehrstündigen und
häufig wiederholten Sitzungen geführt. Erfragt wurden die Biographien
anhand von „narrativen Interviews“ (Schütze 1976; 1983; 1987; 2016a;
2016b). Fritz Schütze hebt die Bedeutung der narrativen Methode im fol-
genden Zitat prägnant hervor:
    „Das autobiographische narrative Interview erzeugt Datentexte, welche
    die Ereignisverstrickungen und die lebensgeschichtliche Erfahrungs-
    aufschichtung des Biographieträgers so lückenlos reproduzieren, wie

1 In dieser Arbeit wird der Begriff „Migrant“ als Oberbegriff für geflohene und mi-
  grierte Frauen und Männer (im Singular und Plural wird ausschließlich der männ-
  liche Kasus angewendet, der die weibliche Form impliziert) verwendet. Der Begriff
  wird aufgrund seiner Bedeutung „Wanderung (lat. migrare: wandern)“ (Strasser
  2009a: 17) verstanden, wodurch er im Kontext der Arbeit betroffene Personen in
  erster Linie als ‚mobilʻ beschreibt. Mit der Verwendung des Begriffs soll nicht die
  Tatsache der Flucht verkannt werden, sondern es soll vermieden werden, Personen
  in a priori Kategorien einzuordnen. Der Ansatz der Arbeit plädiert für eine indivi-
  duelle Betrachtungsweise von Flucht- und Migrationsursachen. Auch in der Ver-
  wendung des Begriffs „Migrant“ steht zur Disposition, ob dieser das soziale Phäno-
  men der Wanderung/ Bewegung adäquat erfasst und hinsichtlich der Beweggründe
  der Wanderung neutral bleibt. An diesem Punkt zeigt sich u.a. die Problematik
  und Diskrepanz der Begrifflichkeiten.

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1. Einleitung

     das im Rahmen systematischer sozialwissenschaftlicher Forschung
     überhaupt nur möglich ist“
     (Schütze 1983: 285).
Den Interviews lag die „Life History Method“ (Brettell/Hollifield 2000: 11;
Baur 2003: 12) zugrunde, die Baur (2003) folgend definiert: „Bisweilen
werden unter ‚Life History Methodʻ auch Verfahren der Untersuchung und
Dokumentation der ‚Lebensgeschichteʻ von Gruppen, von Organisationen
und größeren Sozialzusammenhängen verstanden“ (ebd.: 12, Herv. d.
Verf.). Die qualitative Methode wurde als Variante der biographischen For-
schung ausgewählt, um umfassende Bilder der Lebens- und Migrationsge-
schichten zu skizzieren.
  Für die Klassifizierung der Migrationsgründe der Interviewpartner wird
das „Push-Pull-Modell“ (Treibel 1990: 29) von Everett S. Lee (Lee 1966;
übers. 1972) verwendet. Dieses ältere ökonomische Schema erweist sich als
hilfreich in der Definition bzw. Benennung von entscheidenden Faktoren,
die für die Motivation auszureisen und die Wahl des Ziellandes von wichti-
ger Bedeutung sind. In den Fallbeispielen stellt sich die Frage, ob persönli-
che Gründe eine Person veranlasste, das Land zu verlassen oder ob Mecha-
nismen der jeweiligen Herkunftsgesellschaft ein Verbleib in dem Land
maßgeblich erschwerten, so dass die Person regelrecht aus dem Land her-
ausdrückt („Push“-Faktor) wurde. Clyde Kluckhohn gab schon 1945 in sei-
nem Aufsatz „The personal document in anthropological science“ zu Be-
denken:
     „It is suggested that more systematic attention to the „idiosyncratic
     component“ (cf. Kluckhohn and Mowrer, 78) of the personalities of bi-
     ographical subjects will result in fuller and more general recognition
     both of „accidental“ factors in personality formation and of the role of
     „change“ in cultural and social change“ (Kluckhohn 1945: 142f.).
Nach Kluckhohns Ansatz werden die Biographien in ihrer Analyse nicht
isoliert betrachtet, sondern immer in einen gesellschaftlichen Kontext ge-
setzt. Darüber hinaus werden die „Pull“-Faktoren untersucht, die ein Mi-
grant in ein bestimmtes Zielland ziehen. Es steht zur Disposition, ob Ziel-
länder zufällig oder bewusst bzw. nach welchen Kriterien ausgesucht wer-
den.
   Die Auswahl des Forschungsthemas lag in dem Phänomen der soge-
nannten „globalen Flüchtlingskrise“ (European Commission 2016) be-
gründet, das seit 2015 immer deutlicher in den Fokus der Weltöffentlich-
keit rückte. Die UNO-Flüchtlingshilfe beziffert mit 65,3 Millionen Perso-
nen, die ihr Herkunftsland bis Ende 2015 aufgrund von Verfolgung, Krieg

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und Konflikten verließen, die höchste Zahl, die von UNHCR jemals regis-
triert wurde (vgl. UNO-Flüchtlingshilfe 2016). Hinzu kamen 2015 40,8
Millionen Internally Displaced Persons (IDPs) (vgl. UNHCR 2016a: 2). Insge-
samt wurde die Zahl der „new displacements associated with conflict, vio-
lence and disaster in 127 Countries“ (IDMC 2016: 5) im Jahr 2015 auf 27.8
Millionen determiniert.
   Die Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil aufge-
gliedert. Der theoretische Teil diskutiert den historischen, wissenschaftli-
chen und methodischen Kontext der Arbeit. Im zweiten Kapitel wird zu-
nächst ein kurzer Exkurs in die historischen Migrationsbewegungen in
Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg unternommen. Es werden drei
Migrationsphänomene exemplarisch vorgestellt und an diesen werden
deutsche Kategorisierungskonzepte von Migranten anthropologisch einge-
ordnet. Dieser Diskurs soll veranschaulichen, welche Migrationsbewegun-
gen die deutsche Gesellschaft prägten. Der gewählte Fokus auf Deutsch-
land basiert auf dem Forschungsschwerpunkt der Arbeit, der Lebensge-
schichten von Migranten im Münsterland untersucht. Die Auswahl des
Forschungsraumes wird im Rahmen der Einführung in den empirischen
Teil noch näher erläutert. Anschließend wird ein kurzer Exkurs in die
rechtlichen Bestimmungen des deutschen Asylgesetzes über die Bestim-
mungen der Aufenthaltsstatus unternommen. Untermauert werden die ju-
ristischen Ausführungen mit Zahlen und Fakten über Personen, die 2015
und 2016 in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben.
   Im dritten Kapitel „Skizzierung des Forschungsfeldes“ wird die Flucht-
und Migrationsforschung näher beleuchtet, ebenso wie anthropologische
Ansätze der wissenschaftlichen Domäne. Komplexe Themen wie der Zu-
gang zum Feld, ethische Grundlagen, der rechtliche, gesellschaftliche und
wissenschaftliche Status von Migranten und deren Konnotation, sowie ihre
Eigen- und Fremdwahrnehmung im Ziel- und Herkunftsland werden in
diesem Kapitel ausgeführt, um einen Überblick über den Stand der For-
schung zu gewähren. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Mi-
grations- und Fluchtforschung international ein sehr vielfältiges und inter-
disziplinäres wissenschaftliches Feld darstellt und in dieser Arbeit nur eini-
ge Ansätze exemplarisch vorgestellt werden können. Darüber hinaus wird
ein näherer Fokus auf Theorien zu Migrations- und Fluchtgründen gelegt
und exemplarische Forschungen besprochen, deren Forschungsansatz und
Methodenauswahl mit der vorliegenden Arbeit korrelieren.
   Im vierten Kapitel „Methode und Analysekriterien“ des theoretischen
Teils erfolgt zunächst eine Einordnung der biographischen Methode im
wissenschaftlichen Feld der Anthropologie des 20. Jahrhunderts. Anschlie-

                                                                            11
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1. Einleitung

ßend werden die in der Arbeit verwendeten methodischen und theoreti-
schen Ansätze von F. Schütze und E. S. Lee ausführlich erläutert, um ihre
Verwendung zu begründen. Das abschließende Unterkapitel des theoreti-
schen Abschnitts stellt die analytische Grundlage für die Auswertung, der
im empirischen Teil vorgestellten Biographien, da.
   Im empirischen Teil werden die, in der einjährigen Feldforschung er-
fragten Biographien und Migrationsgeschichten vorgestellt. Die Forschung
verfolgte einen Individuums-orientierten Ansatz, da Migration ein mehrdi-
mensionales Phänomen ist und selten auf einen Grund reduziert werden
kann, wie es auch Benmayor and Skotnes (1994) im folgenden Zitat for-
mulieren:
     „Knowing something of the utter uniqueness of particular individual
     migrant experiences certainly enhances our generalizations about the
     group experiences, but it also elicits humility about adequacy of these
     generalizations and a realization that few actual individual lives fully
     conform to the master narratives“ (ebd.: 15).
In der medialen und politischen Welt werden Migranten häufig zu einer
passiven Masse homogenisiert. Diese Arbeit möchte den subjektiven Blick
der Menschen einfangen, um die sich in den letzten zwei Jahren
(2015/2016) unzählige politische, gesellschaftliche und mediale Diskussio-
nen drehten, ohne dass betroffene Personen häufig selbst zu Wort kamen.
Eine qualitative Studie ermöglicht einen tiefen Einblick in Erfahrungen
und Bedürfnisse eines Migranten; Bedürfnisse, die Hannah Arendt (2016)
im folgenden Zitat so treffend benennt:
     „Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags ver-
     loren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen ein-
     gebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unse-
     re Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen,
     die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck
     unserer Gefühle“ (ebd.: 10).
Als Forschungsstandort wurde das Münsterland aufgrund der sozialen
Kontakte der Forscherin zu Personen aus der Migrationsarbeit ausgewählt.
Das Münsterland ist ein territoriales Gebiet: „Das Münsterland nimmt den
größten Teil der westfälischen Bucht ein, die im Osten und Nordosten
durch die Bergrücken des Teutoburger Waldes und des Eggegebirges, im
Süden durch den Haarstrang begrenzt wird“ (Schwarze 2016: 11, Herv. d.
Verf.). Im Westen dient die Grenze zu den Niederlanden als territoriale Be-
grenzung. Das Gebiet umfasst die Städte Münster und Haltern am See, so-

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wie die Landkreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf. Im Laufe
der Forschung ergab sich aufgrund von externen Faktoren wie sozialen
Kontakten und Zustimmung von Interviewpartnern das Projekt zu unter-
stützen, ein territorialer Fokus auf die Stadt Münster und den Kreis Waren-
dorf.
   Das Land Nordrhein-Westfalen musste im Jahr 2015 nach dem Vertei-
lungssystem „Königssteiner Schlüssel“2 230.000 nach Deutschland gekom-
mene Migranten aufnehmen und im Jahr 2016 71.000 (vgl. Stadt Münster
2016: 9).3 Bis März 2017 gab es eine Zuweisung von 8.200 Personen nach
NRW. Nach ihrer Ankunft in Deutschland werden diese in Erstaufnahme-
einrichtungen (EAE) der Länder zugewiesen von denen in NRW zehn zur
Verfügung stehen. In diesen Einrichtungen werden die Migranten regis-
triert, medizinisch untersucht und erhalten einen „Ankunftsnachweis“
(ebd.). Diese Einrichtungen wurden als Forschungsstandort ausgeschlos-
sen, da Migranten dort nur kurz verweilen und dann weiter transferiert
werden. Das Forschungsdesign sah jedoch mindestens ein Interview pro
Person vor.
   Nach der EAE erfolgt eine Weiterleitung in eine der 34 Zentralen Unter-
bringungseinrichtung des Landes (ZUE). Im Anschluss werden die Mig-
ranten einer bestimmten Kommune zugewiesen. Auch diese Zuweisung
erfolgt nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel (ebd.: 12). Außerdem
wurden in Münster sogenannte Notunterkünfte eingerichtet, um die Erst-
aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW zu entlasten. Notunterkünfte
werden nur eingerichtet, wenn keine anderen Unterkünfte verfügbar sind.
In Münster gab es zweitweise vier Notunterkünfte: die Wartburg-Haupt-
schule, die York-Kaserne, die Oxford-Kaserne und die Sporthalle in Hil-
trup, wobei die letztere nur in den Sommerferien 2015 als solche genutzt
wurde. Die Wartburg-Hauptschule wurde Ende 2016 geschlossen und die
Kasernen in Erstaufnahmeeinrichtungen umfunktioniert (vgl. ebd.: 10).
Die York-Kaserne fungiert als Außenstelle des Bundeamtes für Migration
und Flüchtlinge. Im Jahr 2015 gab es einen Zuzug von 2.962 Migranten

2 Die Erstverteilung von Asylsuchenden in Deutschland erfolgt „auf der Grundlage
  der Herkunftsländerzuständigkeit und eines Quotensystems (‚Königsteiner Schlüs-
  selʻ), das eine Verteilung auf alle Bundesländer vorsieht“ (Stumberger 2016: 20).
  Der ‚Königsteiner Schlüsselʻ ist ein Verfahren, wonach festgelegt wird, wie viele
  Asylsuchende ein Bundesland, aufgrund von Steuereinnahmen und Bevölkerungs-
  zahl, aufnehmen muss – „Die Quote wird jährlich neu vom Bundesamt für Migra-
  tion und Flüchtlinge ermittelt“ (ebd.: 21).
3 Für weitere Informationen siehe: https://www.land.nrw/de/fluechtlingshilfe
  (Zugriff: 14.04.2017).

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1. Einleitung

nach Münster, zwischen Januar und Juni 2016 waren es 562 Personen (vgl.
ebd.). Der starke Abfall der Zuzugszahlen ab Februar 2016 wird im Hand-
lungskonzept der Stadt Münster der Schließung der sogenannten Balkan-
route zugeordnet (vgl. ebd.). Münster verfolgt ein dezentrales Unterbrin-
gungsmodell, wonach in einer städtischen Gemeinschaftsunterkunft maxi-
mal 50 Personen, in Wohneinheiten von acht Personen, zusammenleben
(vgl. ebd.: 22). Insgesamt standen im Juni 2016 4.680 Plätze in 70 verschie-
denen Unterkünften für Migranten zu Verfügung. Auf der Homepage der
Stadt Münster werden im April 2017 19 verfügbare Gemeinschaftsunter-
künfte in Münster angegeben.4
   Im Jahr 2015 wurden dem Kreis Warendorf 3.776 Personen neu zuge-
wiesen, im Januar 20165 waren es 173 Neuzuweisungen (vgl. Kreis Waren-
dorf 2016: 8f.). Darüber hinaus gab es 2015 200 Asylfolgeantragsteller, und
die Personen, die in Notunterkünften lebten, wurden nicht von der Statis-
tik der Zuzugszahlen erfasst, da ihre Zuständigkeit beim Land NRW lag.
Im Jahr 2015 wurden sechs Notunterkünfte im Kreis Warendorf eingerich-
tet, die insgesamt 1.700 Plätze umfassten (vgl. ebd.: 9). Unter den Inter-
viewpartnern lebten vier Personen in einer Notunterkunft, und von ihnen
wohnte eine Person in einer Notunterkunft in Münster. Die anderen Inter-
viewpartner waren einer Kommune zugeteilt und wohnten zum großen
Teil in eigenen Wohnungen. Insgesamt wurden im Jahr 2015 16.500 Mig-
ranten der Stadt Münster, sowie den vier Landkreisen zuteilt (Kreis Waren-
dorf 2015).
   Zu Beginn des empirischen Teils wird anfangs das Forschungsdesign,
der Zugang zum Feld, sowie die Auswahl der Interviewpartner vorgestellt.
Die Forschungsausführungen werden zunächst verallgemeinernd bespro-
chen, um dann im Rahmen der einzelnen Fallbeispiele noch einmal ge-
nauer auf die Interviewrahmenbedingungen und die Interviewabläufe ein-
zugehen. Die einzelnen Biographien und Migrationsgeschichten werden
länderspezifisch vorgestellt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, Ge-
meinsamkeiten in den Biographien und von Migrationsgründen schneller
identifizieren zu können. Zu jedem Herkunftsland werden ausgewählte
Hintergrundinformationen gegeben, um historische und soziale Gegeben-

4 Für weitere Informationen siehe: http://www.stadt-muenster.de/zuwanderung/kon
  zepte-in-der%20fluechtlingsarbeit/fluechtlingsunterkuenfte.html (Zugriff:
  14.04.2017).
5 Das Handlungskonzept des Kreises Warendorf sowie die Homepage des Landkrei-
  ses (http://www.kreis-warendorf.de/w1/31232.0.html) hatten im April 2017 keine
  aktuelleren Zahlen über Neuzuweisungen im Jahr 2016 veröffentlicht.

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heiten, die in den Biographien thematisiert werden, besser einordnen zu
können. Diese Hintergrundinformationen wurden spezifisch für die jewei-
ligen Biographien ausgewählt und sind daher selektiv. Im Anschluss an je-
de Biographie und Migrationsgeschichte wird eine Analyse unternommen,
basierend auf den Ausführungen im Kapitel 4.4. Im Fazit werden die For-
schungsergebnisse vorgestellt und in Ansätzen generalisierende Aussagen
getroffen. Es steht zur Disposition, ob Muster in den Migrationsgründen
zu erkennen sind. Abschließend soll eine kurze Diskussion der Relevanz
der hier vorgestellten Forschungsergebnisse in der Migrations- und Flucht-
forschung, das Fazit abschließen.

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