Digitale Prävention - D.U.T. Report
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168 Digitale Prävention Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Digitale Prävention Digitale Präventionsstrategien können Trotz steigender Zahlen des Typ-2-Diabetes ist derzeit in Deutschland eher kein koordiniertes eine bislang wenig umgesetzte Option Vorgehen zur Prävention des Typ-2-Diabetes zu zur Verbesserung der Prävention des erkennen. Bemühungen, diesen Zustand durch Typ-2-Diabetes sein – gerade angesichts eine „Nationale Diabetes-Strategie“ zu verbes- sern, die einen starken Fokus auf die Präventi- der Tatsache, dass in Deutschland ei- on des Typ-2-Diabetes hat, sind im Jahr 2019 ne „Nationale Diabetes-Strategie“ bisher trotz entsprechender Absichtserklärungen im gescheitert ist. Koalitionsvertrag der Bundesregierung leider gescheitert. Angesichts der großen Zahl po- tenzieller Adressaten von Maßnahmen zur Ri- Prof. Dr. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim sikokommunikation, Risikobestimmung, Früh- Dr. Jens Kröger, Hamburg erkennung sowie Interventionen im Bereich der Verhaltens- und Verhältnisprävention können digitale Präventionsstrategien eine hoffnungs- volle, leider allerdings bislang wenig umgesetz- te Option zur Verbesserung der Prävention des Typ-2-Diabetes sein. Aktuelle Studie prognostiziert deutliche Zunahme des Typ-2-Diabetes Wie drängend Maßnahmen zur Prävention des Typ-2-Diabetes sind, zeigen die Ergebnisse ei- ner aktuellen Studie des Deutschen Diabe-
Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Digitale Prävention 169 Prävention tes-Zentrums (DDZ) und des Robert Koch-In- ventionsprogramm in England 50 % der Perso- stituts (RKI) [Tönnies 2019]. Auf Basis der Da- nen mit einem Prädiabetes erfolgreich und dau- ten von rund 65 Mio. gesetzlich Versicherten erhaft an Maßnahmen zur besseren Ernährung in Deutschland und des Statistischen Bundes- und Gewichtsreduktion teilnehmen würden. Von amts prognostizieren die Wissenschaftler für den prognostizierten Zuwächsen könnten allein den Zeitraum von 2015 bis 2040 einen deut- bis 2030 etwa 400.000 Diabetes-Fälle verhin- lichen Anstieg der Diabeteserkrankungen um dert werden – bei einer Beteiligung von 90 % bis zu 77 %. In der Prognose wurden auch die derer mit Prädiabetes sogar 1 Mio. Diabetesfäl- aktuellen Entwicklungen einbezogen hinsicht- le. Eine aktuelle Metaanalyse [Uusitupa 2019] lich neu auftretender Fälle, einer steigenden kam erneut zu dem Schluss, dass Typ-2-Diabe- Lebenserwartung und abnehmender Morta- tes durch eine Änderung des Lebensstils verhin- litätsrate aufgrund des medizinischen Fort- derbar ist und die Risikominderung nach der ak- schritts. Danach ergibt sich für den Zeitraum tiven Intervention viele Jahre lang anhält. Eine von 2015 bis 2040 eine relative Zunahme der Ernährungsumstellung und gesteigerte körper- Typ-2-Diabetes-Fälle um 54 % (+3,8 Mio. Fälle) liche Aktivität sind für die langfristige Präventi- bis 77 % (+5,4 Mio. Fälle). Dies bedeutet, dass on von Diabetes empfehlenswert. in ca. 20 Jahren 10,7 bis 12,3 Mio. Menschen an Diabetes erkrankt sind. Besonders stark wird Wissen über Prävention die Zahl der älteren Menschen mit Typ-2-Dia- Bei Patienten und auch bei Ärzten ist das Wis- betes zunehmen. sen über das Risiko für die Entwicklung ei- In einer weiteren Arbeit wurde eine Prognose nes Typ-2-Diabetes wie auch über die Inter- unter der Annahme modelliert, dass wie im finni- ventionsmöglichkeiten nicht ausreichend. Ei- schen Diabetes-Präventionsprogramm oder dem ne bundesweite repräsentative Befragung des aktuell fast flächendeckend umgesetzten Prä- Robert Koch-Instituts zeigte, dass, obwohl
170 Digitale Prävention Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 ca. 13 Mio. Bundesbürger (20,8 % der 18- bis Typ-2-Diabetes bekommen – neben allgemei- 79-Jährigen) bereits einen Prädiabetes auf- nen Maßnahmen zur Steigerung des Wissens- weisen, diese ein viel zu geringes Wissen über stands bezüglich der Prävention. Auch die ak- ihr Diabetesrisiko haben und das Risiko dra- tuell geplante „Nationale Aufklärungs- und matisch unterschätzen. Auch Ärzte haben ein Kommunikationsstrategie zu Diabetes melli- deutlich zu geringes Wissen über die evidenz- tus“ der Bundeszentrale für gesundheitliche basierten Empfehlungen und Möglichkeiten der Aufklärung prüft, ob nicht gezielt mithilfe von Diabetesprävention. Social-Media-Kampagnen der Wissensstand der Bevölkerung über Prädiabetes und Diabetes er- Wissenslücken bei Allgemeinärzten höht werden könnte. Eine repräsentative Untersuchung bei Allge- meinärzten [Tseng 2019] ergab deutliche Wis- Präventionsempfehlungen in senslücken bezüglich der Risikofaktoren des Expertensysteme Typ-2-Diabetes und Behandlungsempfehlun- Bei Ärzten sollten die Empfehlungen zur Typ-2- gen. Nur 36 % der Befragten würden bei Risi- Diabetes-Prävention sowie das Screening von kopatienten initial eine Maßnahme zur Lebens- Risikopersonen in die Praxis- oder Krankenhaus- stilintervention empfehlen – ein klassischer software bzw. Expertensysteme integriert sein. Fall von „clinical inertia“. Die Ärzte empfah- Eine Initiative kanadischer Kinderdiabetologen len als eine wichtige Maßnahme zur Prävention zeigte mit dem „iSCREEN Electronic Diabetes des Typ-2-Diabetes einen leichteren und bes- Dashboard“, dass es mit einfachen Mitteln gelin- ser koordinierten Zugang zu Diabetes-Präven- gen kann, wissenschaftliche Leitlinien und Emp- tionsprogrammen. fehlungen erfolgreich in die klinische Praxis zu Auch eine aktuelle Befragung von Medizinstu- übertragen. Im Rahmen ihrer Präventionskam- denten [Khan 2019] zeigte, dass beim The- pagne „NHS Diabetes Prevention Programme“ ma „Diabetesprävention“ gravierende Wis- (NHS DPP) entwickelte der National Health Ser- senslücken bestehen. Weniger als 50 % wuss- vice (NHS) in England gemeinsam mit dem „Ro- ten elementare Grundlagen der Prävention des yal College of General Practitioners“ ein E-Mo- Typ-2-Diabetes. dul (https://elearning.rcgp.org.uk/course), das Allgemeinärzte über Präventionsmöglichkeiten Digitale Formen von Risikorechnern bei Typ-2-Diabetes informiert. Für Patienten bietet sich die Integration digita- ler Formen von Risikorechnern in die elektroni- Risikopersonen digital identifizieren sche Gesundheitskarte (ePA) an – zur Bestim- Für erfolgreiche Präventionsstrategien ist es mung des persönlichen Risikos für Typ-2-Diabe- wichtig, das Risiko für die Entwicklung eines tes und zur Steigerung des Wissensstands über Typ-2-Diabetes zu identifizieren. Zum einen hat Prävention. Je nach Ergebnis könnten dann dif- natürlich jeder Bürger das Recht, über mögli- ferenzierte Informationen zu entsprechenden che Krankheitsrisiken informiert zu werden, Maßnahmen der Diabetesprävention erfolgen. um selbst zu entscheiden, welche Schlussfol- Auch könnten (z. B. von Krankenkassen) Perso- gerungen für das eigene Leben getroffen wer- nen mit einem erhöhten Risiko gezielt auf di- den. Zum anderen zeigen Studien zur Effektivi- gitalem Weg Informationen zur Prävention des tät von Maßnahmen der primären Prävention,
Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Digitale Prävention 171 dass diese besonders bei Personen mit Prädia- ronales Feed-Forward-Netzwerk“) ein Vorher- betes effizient sind. sagemodell für das Auftreten des Typ-2-Diabe- Zunehmend werden Methoden der künstlichen tes entwickelt, welches mit einer Spezifität von Intelligenz angewandt, um das Diabetesrisiko 90 % und einer Sensitivität von 77 % relativ gu- zu bestimmen: Eine kanadische Arbeitsgruppe te Testgütekriterien aufweist. [Perveen 2019] entwickelte anhand der haus- ärztlichen Routinedatensätze von 172.168 Per- Typ-2-Diabetes-Vorhersage: Vergleich sonen mithilfe der KI-Technik „Hidden Markov der KI-Systeme Model“ (HMM) ein Vorhersagemodell für das Verschiedene Methoden der KI zur Vorhersage Diabetesrisiko innerhalb der nächsten 8 Jah- des Typ-2-Diabetes wurden von unterschiedli- re. Dieses beruht auf den Variablen Alter, Ge- chen Arbeitsgruppen miteinander verglichen. schlecht, Body-Mass-Index, Blutdruck, Nüch- Auf der Basis eines Datensatzes von 68.994 Per- ternblutzucker, HDL-Cholesterin und Triglyzeri- sonen kam eine chinesische Arbeitsgruppe [Zou de. Die Variable „hereditäre Diabetesbelastung“ 2018] zu dem Ergebnis, dass die Methode des war aus den Akten nicht ersichtlich, würde aber „Random Forest“ das beste Ergebnis erzielte. [Li die Vorhersage laut den Autoren weiter erhö- et al. 2018] verglichen ebenfalls verschiedene hen. Es zeigte sich, dass das Modell eine besse- Methoden des Maschinenlernens und erreich- re Vorhersagewahrscheinlichkeit hat als das eta- ten mit dem „AdaBoost algorithm“ eine gute blierte „Framingham Diabetes Risk Scoring Mo- Vorhersage (Fläche unter der ROC-Kurve (Area del“ (FDRSM). under the Curve, AUC) 0,98). Die wesentlichen Von einer neuseeländischen Gruppe [Nguyen 3 Faktoren für die Vorhersage waren das Alter, 2019] wurde ebenfalls mithilfe von KI („Neu- das Körpergewicht und der Nüchternblutzucker. Risikobewertung
172 Digitale Prävention Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Neben den klassischen Risikotests – dem ora- stattfinden. Eine amerikanische Arbeitsgruppe len Glukosetoleranztest (OGGT) und Blutunter- [Acharya 2018] untersuchte, ob mit den Anga- suchungen (Nüchternblutzucker, HbA1c-Wert) – ben von Health Records des Zahnarztes eine bietet sich die Auswertung von Glukoseprofi- Risikoerkennung stattfinden kann: Mit einem len als Screening-Methode an, die mit den ver- Modell, das die Angaben aus der bestehenden schiedenen Methoden des kontinuierlichen elektronischen Dokumentation des Zahnarztes Glukosemonitorings (CGM) gemessen werden. übernahm, konnte eine Sensitivität von 0,70 Die Arbeitsgruppe um Acciaroli et al. [2018] un- und eine Spezifität von 0,62 erreicht werden – tersuchte CGM-Profile von Stoffwechselgesun- mit den Prädiktoren Alter, Geschlecht, ethni- den, Personen mit einer gestörten Glukoseto- sche Herkunft, Gewicht, Hypertonie, Hyperli- leranz (IGT) und mit einem manifesten Typ-2- pidämie, Rauchstatus, Anzahl der fehlenden Diabetes: Es stellte sich heraus, dass vor allem Zähne, Prozentsatz der Zähne mit einer Krone. das Ausmaß der Glukosevariabilität (GV) eine Mit der Hinzunahme anderer medizinischer Pa- Unterscheidung der 3 Gruppen möglich mach- rameter erhöht sich die Screening-Eigenschaft. te und die alleinige GV-Betrachtung eine Ge- nauigkeit von beachtlichen 86,6 % erbrachte. Digitale Interventionen zur Lebensstiländerung Virtueller Arzt stellt Diagnose Während lange Zeit global relativ wenige struk- Einen ganz anderen Weg schlug eine deut- turierte Programme zur Lebensstilmodifikation sche Arbeitsgruppe aus Marburg, Straubing bei Personen mit einem erhöhten Risiko umge- und Magdeburg ein [Säning 2019], die mithilfe setzt wurden, gibt es mittlerweile eine kaum von KI („Deep Neural Networks“ (DNNs), „Sup- mehr überschaubare Anzahl strukturierter Pro- port-Vector Machines“ (SVMs)) einen „virtuel- gramme, die unter Praxisbedingungen evaluiert len Arzt“ für die Patienten entwickelten, so- und in ganz unterschiedlichen Settings einge- dass diese selbst eine mögliche Diagnose eines setzt werden: Typ-2-Diabetes stellen können. Dies ist ange- In England wird das weltweit ambitionierteste sichts von ca. 2 Mio. Menschen in Deutschland, Präventionsprogramm (NHS-DPP) umgesetzt die bisher keine Kenntnis ihrer Diagnose ha- (NHS 2019). Bislang wurden von der Teilneh- ben, sicher ein wichtiger Ansatz. Die Patien- merbeteiligung und von den ersten Evaluati- ten werden aufgefordert, sich auf eine Waage onsergebnissen die Modellannahmen des Pro- zu stellen und im Sprachmodus Fragen zu Ge- gramms übertroffen. Seit 2016 wurde in ei- schlecht, Alkoholkonsum und Nikotinstatus zu nem zusätzlichen Modellprojekt, an dem über beantworten. Bei einem erhöhten Score wer- 5.000 Personen teilnahmen, geprüft, ob mit den sie aufgefordert, beim Arzt eine mögliche einem digitalen Präventionsprogramm ähnli- Diagnose des Typ-2-Diabetes verifizieren zu che Ergebnisse wie in den Präsenzkursen er- lassen. Der Algorithmus wurde anhand der Da- reicht werden können. Die Teilnehmer erhal- ten der Nixdorf Recall Study (n = 4 814) trainiert ten eine App, die den Benutzern den Zugriff und erreicht eine zufriedenstellende Testgüte. auf die Kursinhalte und die Kommunikation mit Die Erkennung von Personen mit einem erhöh- dem Gesundheits-Coach (Blended Learning) ten Risiko für Typ-2-Diabetes kann aber auch in ermöglichen, den Zugang zu Online-Peer-Sup- ganz anderen Settings wie z. B. beim Zahnarzt port-Gruppen, ein Monitor- und Zielerrei-
Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Digitale Prävention 173 chungstool sowie Wearables zur Erfassung und zum Monitoring der körperlichen Bewegung. Ca. 50 bis 70 % der Teilnehmer begrüßen die- se zusätzliche Option. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer am digitalen Programm lag bei 58 Jahren und damit unter dem Alter derjeni- gen, die eine persönliche Intervention (64 Jah- re) vorziehen. 16 % der Teilnehmer an dem di- gitalen Kurs waren zwischen 18 und 44 Jah- re alt (Teilnehmer traditioneller Gruppenpro- gramme: 7 %). Zukünftig wird ca. ein Fünftel aller Präventionskurse, die pro Jahr in Eng- land umgesetzt werden, digital stattfinden. Insgesamt werden damit ab 2020 pro Jahr ca. 40.000 Personen an einem digitalen Prä- ventionskurs zur Reduktion des Diabetesrisikos teilnehmen. Ähnlich wie in England werden auch in vielen anderen Ländern die Inhalte der großen Präven- tionsstudien DDP oder DPS digital umgesetzt, sodass die Teilnehmer einen 24/7-Zugang zu den Kursinhalten und dem Online-Coaching ha- ben. Deutschland ist hier eher Nachzügler, da sowohl für Präsenzkurse wie auch für digitale Digitale Angebote hier weitgehend die Rahmenbedin- gungen fehlen. In Belgien hat z. B. die Auto- Intervention rengruppe um Poppe et al. [2019] erfolgreich ein digitales mHealth-Programm „MyPlan 2.0“ evaluiert, eine kanadische Gruppe um Alwashmi [2019] das Programm „Transform“ – und eine ja- panische Gruppe um Yamaguchi et al. [2019] entwickelte erfolgreich das Programm „Gluco- Note“, welches Apples ResearchKit benutzte. „DMagic“ ist ein Programm mit Textnachrichten, In England wird das das erfolgreich in den ländlichen Gegenden von ambitionierteste Bangladesch evaluiert wurde, ebenfalls wurde Typ-2-Diabetes- ein sehr einfaches Programm mit Textnachrich- Präventionsprogramm um- ten in New York in Harlem bei sozial deprivierten gesetzt: Jährlich nutzen Personen erfolgreich implementiert. 40 000 Personen digita- Mit „DIP“ gibt es mittlerweile von der Deut- le Präventionskurse. schen Diabetes-Stiftung auch eine multifunkti-
174 Digitale Prävention Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 onale App zur Diabetesprävention, die momen- zu verzeichnen [Kaufmann 2018]. Damit kön- tan den Teilnehmern des Innovationsfonds-Pro- nen auch Personen erreicht werden, die entwe- jektes Dimini (www.dimini.org) zur Verfügung der wenig Zeit und/oder eine weite Entfernung gestellt wird. Die Hauptfunktionen der App lie- zu einem Präsenzkurs haben oder diese Form gen im Bereich Ernährung und Bewegung sowie der Unterstützung schätzen. im Tracking des Gewichts. Auch ein KI-basier- ter Ernährungs-Coach („Whisk“), der Menschen Digitale Verhältnisprävention mit Diabetes personalisierte Essensempfeh- Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung un- lungen gibt, basierend auf individuellen Ge- gesunder Lebensweisen und des Typ-2-Diabe- schmackspräferenzen, ist in Deutschland ver- tes sind Umweltfaktoren entscheidend betei- fügbar. Bei den Empfehlungen werden persön- ligt. Interventionen im Rahmen der Verhält- liche Präferenzen berücksichtigt wie bestimmte nisprävention berücksichtigen auch andere Diätvorlieben, Allergien, zeitliche oder finanzi- Faktoren, die die Gesundheit beeinflussen kön- elle Beschränkungen. Auch Glukosedaten kön- nen, wie die Lebens-, Arbeits- und Wohnver- nen in die aktuellen Essensempfehlungen inte- hältnisse. Auswertungen von Routinedaten der griert werden. Krankenkassen und der Kassenärztlichen Ver- einigungen (KV) sowie populationsbezogene Digitalisierung auch bei Älteren Studien weisen auf deutliche geografische Un- Digitale Präventionsprogramme sind auch terschiede in der Prävalenz des Typ-2-Diabe- bei älteren Personen wirksam: Eine Studie tes innerhalb Deutschlands hin. Die alters- und mit 1.121 übergewichtigen Erwachsenen über geschlechtsstandardisierte Prävalenz im Osten 65 Jahre [Chen 2016] konnte zeigen, dass mit Deutschlands ist mit 11,6 % deutlich höher als einem digitalen Coaching-Programm zur Le- in Westdeutschland (8,9 %), wofür vor allem bensstilintervention bei Personen mit einem soziale Gründe und Umweltfaktoren verant- erhöhten Diabetesrisiko die meisten Personen wortlich gemacht werden. In Gemeinden mit abnahmen (6,8 % des Body-Mass-Index). Ins- der höchsten strukturellen Benachteiligung im gesamt können mit diesem digitalen Präventi- Vergleich zu sozioökonomisch gut gestellten onsprogramm im Verlauf von 10 Jahren pro Per- Gemeinden konnten Rathmann et al. in dem son 11.550 bis 14.200 Dollar an direkten Ge- Diab-Core-Projekt des Deutschen Zentrums sundheitskosten eingespart werden. für Diabetesforschung (DZD) feststellen, dass Erste Ergebnisse mit Apps ohne jeden Kontakt Typ-2-Diabetes unabhängig vom individuellen mit Coaches zeigen eher enttäuschende Ergeb- sozialen Status der Einwohner mehr als dop- nisse, da für die Etablierung einer Verhaltens pelt so häufig auftritt. änderung besonders in der Stabilisierungspha- Für die Planung von Präventionsstrategien se ein persönlicher Kontakt über einen digitalen ist es wichtig, diese diabetogenen (und oft Coach hilfreich ist. auch adipogenen) Umgebungsvariablen iden- Insgesamt sind die Ergebnisse für digitale Pro- tifizieren, wie z. B. ein bewegungsunfreund- gramme zur Verhaltensprävention eher ermu- liches Wohnumfeld, Luftschadstoffe, Lärm, tigend [Bian 2017] und eine Option zur Präven- Fast-Food-Angebote etc. Die Arbeitsgruppe tion des Typ-2-Diabetes. In den letzten Jahren um Präger et al. [2019] vom Helmholtz Zen- ist eine stetige Zunahme digitaler Programme trum München versucht mit der Technik des
Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2020 Digitale Prävention 175 „Online Geocoding Services“ von Google Maps 7. Li Y, Li H, Yao H: Analysis and study of diabetes and OpenStreetMap (OSM) Datenpunkte zu follow-up data using a data-mining-based appro- ach in new urban area of Urumqi, Xinjiang, China, identifizieren, die aus der Literatur als wichtige 2016 – 2017. Comput Math Methods Med 2018; Umweltvariablen bekannt sind. Dies kann da- 10; 7207151 zu beitragen, dass Regionen identifiziert wer- 8. Nguyen BP, Pham HN, Tran H, Nghiem N, Nguyen den können, in denen ein erhöhtes Diabetesri- QH, Do TTT, Tran CT, Simpson CR: Predicting the siko mit konkreten negativen Umweltfaktoren onset of type 2 diabetes using wide and deep in Zusammenhang steht, was für die Planung learning with electronic health records. Comput Methods Programs Biomed 2019; 182: 105055 gesunder Städte und Gemeinden wichtig ist. 9. NHS: Diabetes Prevention Programme. htt- Das von der WHO entworfene „Urban Diabetes ps://www.england.nhs.uk/publication/diabe- Risk Assessment“, welches einen Algorithmus tes-prevention-programme-information-gover- aus verschiedenen diabetogenen Bereichen er- nance-and-data-flows-framework (Zugriff am stellt, kann hier ebenfalls hilfreich sein. 8.12.2019) 10. Perveen S, Shahbaz M, Keshavjee K, Guergachi A: Prognostic modeling and prevention of diabetes using machine learning technique. Sci Rep 2019; Quellen: 9: 13805 1. Acciaroli G, Sparacino G, Hakaste L, Facchinetti 11. Präger M, Kurz C, Böhm J, Laxy M, Maier W: Using A, Di Nunzio GM, Palombit A, Tuomi T, Gabriel R, data from online geocoding services for the as- Aranda J, Vega S, Cobelli C: Diabetes and predia- sessment of environmental obesogenic factors: a betes classification using glycemic variability in- feasibility study. Int J Health Geogr 2019; 18: 13 dices from continuous glucose monitoring data. J 12. Spänig S, Emberger-Klein A, Sowa JP, Canbay A, Diabetes Sci Technol 2018; 12: 105 – 113 Menrad K, Heider D: The virtual doctor: an inter- 2. Acharya A, Cheng B, Koralkar R, Olson B, Lamster active artificial intelligence based on deep lear- IB, Kunzel C, Lalla E: Screening for diabetes risk ning for non-invasive prediction of diabetes. Artif using integrated dental and medical electronic Intell Med 2019; 100: 101706 health record data. JDR Clin Trans Res 2018; 3: 13. Tönnies T, Röckl S, Hoyer A, Heidemann C, 188 – 194 Baumert J, Du Y, Scheidt-Nave C, Brinks R: Projec- 3. Bian RR, Piatt GA, Sen A, Plegue MA, De Michele ted number of people with diagnosed type 2 dia- ML, Hafez D, Czuhajewski CM, Buis LR, Kaufman betes in Germany in 2040. Diabet Med 2019; 36: N, Richardson CR: The effect of technology- 1217 – 1225 mediated diabetes prevention interventions on 14. Tseng E, Greer RC, O’Rourke P, Yeh HC, McGuire weight: a meta-analysis. J Med Internet Res 2017; MM, Albright AL, Marsteller JA, Clark JM, 19: e76 Maruthur NM: National survey of primary ca- 4. Chen F, Su W, Becker SH, Payne M, Castro Sweet re physicians’ knowledge, practices, and percep- CM, Peters AL, Dall TM: Clinical and economic im- tions of prediabetes. J Gen Intern Med 2019; 34: pact of a digital, remotely-delivered intensive be- 2475 – 2481 havioral counseling program on medicare benefi- 15. Uusitupa M, Khan TA, Viguiliouk E, Kahleo- ciaries at risk for diabetes and cardiovascular di- va H, Rivellese AA, Hermansen K, Pfeiffer A, sease. PLoS One 2016; 11: e0163627 Thanopoulou A, Salas-Salvadó J, Schwab U, 5. Kaufman N, Dadashi M: Using digital health tech- Sievenpiper JL: Prevention of type 2 diabetes by nology to prevent and treat diabetes. Diabetes lifestyle changes: a systematic review and me- Technol Ther 2018; 20: 71 – 84 ta-analysis. Nutrients 2019; 11: 2611 6. Khan T, Wozniak GD, Kirley K: An assessment of 16. Zou Q, Qu K, Luo Y, Yin D, Ju Y, Tang H: Predic- medical students‘ knowledge of prediabetes and ting diabetes mellitus with machine learning diabetes prevention. BMC Med Educ 2019; 19: 285 techniques. Front Genet 2018; 9: 515
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