Die Letzten ihres Standes: Veedelsbäcker Hubert Kürten

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Die Letzten ihres Standes: Veedelsbäcker Hubert Kürten
Die Letzten ihres Standes:
Veedelsbäcker Hubert Kürten
Keine Filialen, keine Auslieferung, Konzentration auf das
Handwerk: Der „Backofen“ in Herkenrath gehört zu den kleinsten
Bäckereien Bergisch Gladbachs. Seit über 75 Jahren kommen hier
Brote nach bewährten Rezepten aus dem Ofen – und keine
modischen Sorten. Was es mit den „faulsten Bäckern der Stadt“
auf sich hat und was den Erfolg der Veedelsbäckerei in
Herkenrath ausmacht, verrät Hubert Kürten bei einem Besuch in
seiner Backstube.

„Wir sind vermutlich die faulsten Bäcker in der Stadt“,
schmunzelt Hubert Kürten. Der Bäcker- und Konditormeister
lässt sich auf einen Stuhl plumpsen. Am Kaffeetisch in der
Backstube seines Betriebs „Backofen“ in Herkenrath.

In der Regel fange der Backofen erst gegen halb vier morgens
mit der Arbeit an, erzählt er. Mit „nur“ einem Ladengeschäft
habe man nicht die tägliche Menge an Backwaren zu bewältigen,
die andere Bäckereien mit einem Filialnetz zu stemmen hätten.
Da könne man es am Morgen entspannt angehen lassen.

Das Tagesprogramm
Zwei Bäckermeister und ein Azubi sorgen in der   Backstube für
die Produktion. Das Tagesprogramm, wie Kürten    es nennt: „Es
geht los mit Brötchen, dann folgen Weckchen,      Teilchen und
Brot. Anschließend werden die Teiglinge für       den Folgetag
produziert.“ Gegen Mittag sei Feierabend.
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Foto: Thomas Merkenich
Bis zum Abend hätten die sieben Teilzeitkräfte hinter dem
Tresen die meisten Waren verkauft. Er selbst sei mit 73 Jahren
nur noch drei Tage die Woche im Betrieb, macht Kürten klar.
Aber so ganz loslassen kann und will er noch nicht.

Zwar gebe es einen Interessenten, der den Backofen übernehmen
wolle. Aber so lange er noch fit sei werde man ihn in seinem
Backofen antreffen. Er müsse ohnehin schauen, was er mit
seiner Freizeit anfange, sollte er mal in Rente gehen.

Über 75 Jahre
Seit 1947 gibt es die Veedelsbäckerei in Herkenrath. Kürtens
Eltern übernehmen sie nach der Rückkehr des Vaters aus der
Kriegsgefangenschaft von der Familie Klee, bringen sie wieder
ans Laufen. Zuvor hatte das Geschäft brachgelegen.

Es läuft im Nachkriegsdeutschland. Und Hubert Kürten, geboren
im Nachbarhaus der Bäckerei und immer in Herkenrath ansässig,
tritt in die Fußstapfen seines Vaters. Macht von 1964 bis 1967
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eine Ausbildung bei der Bäckerei Kirsch in Bergisch Gladbach.
Wird erst Konditor- und dann Bäckermeister.

Bäckerei „Backofen“
Ball 20, 51429 Bergisch Gladbach
Tel 02204 81591
Montag bis Freitag 7 bis 18.30 Uhr
Samstag 6.30 bis 13 Uhr

Die Geburt des Namens „Backofen“
Am 1. Januar 1979 übernimmt er das Geschäft der Eltern. Der
Bruder habe keinen Zugang zu diesem Handwerk gefunden. Und
Hubert führt gleich ein paar Neuerungen ein: „Der Name Kürten
ist so geläufig wie Müller, da musste was Neues her.“

Seine Frau habe beim Abriss einer Bäckerei in Bensberg die
Klappen eines alten Backofens gefunden und für das Interieur
ihres Geschäft mitgenommen. Da war dann neue Name des
Geschäfts geboren: „Backofen“.
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Die Backofenklappen, die gibt es noch heute im Geschäft: Sie
öffnen und schließen eine Durchreiche, durch welche morgens
das Brot auf Brettern von der Backstube in den Verkaufsraum
gereicht wird.
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Schluss mit dem Fahrgeschäft
Auch im Vertrieb geht Hubert Kürten neue Wege: Gegen den
Widerstand seiner Eltern streicht er umgehend das
„Fahrgeschäft“. Brot und Brötchen an Kundinnen und Kunden
ausfahren, das sei zu umständlich gewesen. Die Angst der
Eltern, dies würde Umsatz kosten, habe sich nicht bestätigt.

Kürten junior konzentriert sich lieber auf das Kerngeschäft:
„Seither läuft rund 98 Prozent des Verkaufs über unser
Geschäft hier in der Straße.“ Der Rest entfalle auf
Gaststätten und ähnliche Betriebe, die ihre Ware auf Rechnung
abholten.

Auch beim Angebot ist er äußerst zurückhaltend, was Neuerungen
betrifft. „Hier gibt es kein Chia, Emmer oder Einkorn“,
stellft er klar. Dinkel habe erst spät als Zutat Einzug
gehalten. Eine heiße Theke, Wraps oder Frikadellen –
Zugeständnisse an die nahe Schule oder durchfahrende
Handwerker – sucht man vergebens.

Pizza und belegte Brötchen bietet der Backofenen im herzhaften
Segment an. Punktum.
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Foto: Thomas Merkenich

Weckchen wie früher
Hubert Kürten bleibt seinem Angebot treu: „Einige Rezepte
brachte ich aus der Lehre mit. Andere Waren wie unser
Zimtplatz stammen von einem unserer Bäckermeister, der vorher
bei Manufactum in Köln gearbeitet hat.“

Legendär ist das „Weckchen-Programm“, das es auch schon eine
kleine Ewigkeit gibt: Kleines, süßes Hefegebäck in diversen
Varianten. „Viele unserer Kunden haben sich damit schon als
Schüler der nahen Schulen eingedeckt. Sie kommen heute als
Erwachsene wieder und freuen sich, dass es noch wie früher
schmeckt.“

„Schuster, bleib bei Deinen Leisten“ – Hubert Kürten hält
Bewährtes im Programm, macht es einfach nur gut, statt auf
stete Neuerungen zu setzen. Das kann man konservativ nennen.
Kürten nennt es „gegen den Strom schwimmen“.
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Technik – nein danke
Das gilt auch für den Einsatz von Technik: Im Backofen gibt es
weder Smartphone noch PC. Und auch bei elektrischen Helfern
hält er sich zurück. Es gibt eine Maschine zum Teig ausrollen,
eine zum Kneten, sowie eine Wirkmaschine. „Die ist aber schon
40 Jahre alt.“

Computergesteuerte Backautomaten? EC-Kartenzahlung? Firmen-
Webseite? Fehlanzeige.

„Ich lehne das ab“, sagt Kürten. Er bevorzuge die Handarbeit,
arbeite oft noch so wie sein Vater es früher in der Backstube
gemacht habe. Und Rechnungen, die schreibe er noch von Hand.

Hubert Kürten hat sich in seiner Nische eingerichtet. Was ihn
nicht überzeugt, lässt er bleiben. So wie bei seiner Webseite,
die er mangels Resonanz wieder eingestampft hat. Das mag man
rückwärtsgewandt nennen. Aber seine Kunden scheinen das –
zumindest was das Ergebnis betrifft – zu lieben.
„Du machst es richtig“
Ob es für seine Kunden wichtig sei, dass hier noch ein Bäcker
von altem Schrot und Korn sein Handwerk betreibt? „Ich glaube
schon“, sagt Kürten.

Er sei jedenfalls mit seinem Betrieb voll ausgelastet,
Überstunden seien die Regel, und der Betrieb arbeite mehr als
nur kostendeckend. Trotz Preissteigerungen bei Energie und
Wareneinkauf, die aber schon wieder rückläufig seien.

Nach der Zukunft seines Betriebes gefragt, blinzeln Kürtens
Augen vergnügt hinter der Brille. „Ich will dazu Martin Winkel
zitieren“, hebt er nach kurzem Nachdenken an. Winkel betrieb
mal aus Bergisch Gladbach heraus die millionenschwere
Bäckereikette Winkel-Potthoff. Mit 70 Filialen.

„Winkel sagte mir einmal: Du machst es richtig. Entweder
bleibt man so klein wie Du, oder man wird so groß wie wir“,
erzählt Kürten

Nun: Martin Winkel machte nach einem steilen Aufstieg
Millionen Verluste, seine Bäckereikette gibt es längst nicht
mehr. Hubert Kürten wird – „so Gott will“ – in einigen Jahren
seinen kleinen „Backofen“ an den nächsten Inhaber weitergeben.

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