Die Seemacht des 21. Jahrhunderts

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Die Seemacht des 21. Jahrhunderts
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Die Seemacht
des 21. Jahrhunderts
Die Seemacht des 21. Jahrhunderts
Beinahe unbemerkt von der
                                       Öffentlichkeit besitzt China inzwischen
                                       die größten Seestreitkräfte der Welt.
                                       Damit verdrängt es sogar die US Navy
                                       auf den zweiten Platz. Und Pekings
                                       Pläne gehen noch viel weiter. Es ist eine
                                       epochale Verschiebung in der globalen
                                       Machtarchitektur.

                                                                                                      E
                                                                                                                  s ist vorbei. Gelaufen. Taiwan
                                                                                                                  ist nicht mehr zu verteidigen.
                                                                                                                  Zumindest nicht militärisch.
                                                                                                                  China ist zu stark. Nun auch
                                                                                                                  für die Vereinigten Staaten. So
                                                                                                      könnte man das Fazit des Pentagons zu-
                                                                                                      sammenfassen. Bereits 18 Mal hat das
                                                                                                      amerikanische Verteidigungsministe-
                                                                                                      rium die Abwehr einer chinesischen In-
                                                                                                      vasion Taiwans durchgespielt. 18 Mal en-
                                                                                                      dete die Simulation mit einer Niederlage
                                                                                                      der Amerikaner.
                                                                                                           Wie konnte es dazu kommen? Soll
                                                                                                      die mächtige US Navy mit ihren gro-
                                                                                                      ßen Flugzeugträger-Kampfverbänden
                                                                                                      etwa nicht mehr in der Lage sein, die
                                                                                                      Taiwan-Straße zu kontrollieren? Diese
                                                                                                      nur 180 Kilometer breite Meerenge zwi-
                                                                                                      schen dem chinesischen Festland und
                                                                                                      dem kleinen taiwanischen Inselstaat?
                                                                                                      Sind die USA nicht die potenteste Mili-
                                                                                                      tärmacht der Welt? Zumindest Letzteres
                                                                                                      trifft zwar weiterhin zu – aber nur noch
                                                                                                      global und nicht mehr regional. Russland
                                                                                                      hat dies bereits durch seine Kriege in Ge-
                                                                                                      orgien, in der Ukraine und in Syrien de-
                                                                                                      monstriert. China könnte versucht sein,
                                                                                                      es anhand von Taiwan vorzuführen.
                                                                                                           Die Bedingungen dafür hat Peking
                                                                                                      sukzessive geschaffen. Systematisch
                                                                                                      wurde Asiens schlagkräftigste Militär-
                                                                                                      maschinerie aufgebaut. Sie wächst je-
                                                                                                      des Jahr um die Dimension der gesam-
                                                                                                      ten britischen Streitkräfte. Ihr Etat hat
Foto: Xinhua/eyevine/ddp/intertopics

                                                                                                      sich seit 1999 verzwölffacht. Inzwischen
                                                                                                      übertrifft er Japans Verteidigungshaus-
                                                                                                      halt um das Sechsfache und Indiens Bud-
                                                                                                      get um das Vierfache. Und China verfügt
                                       Feierliche Inbetriebnahme des   Von                            über die Ressourcen, nicht nur wirt-
                                       chinesischen Flugzeugträgers    THOMAS                         schaftlich stärker als die USA zu werden,
                                       Shandong im Dezember 2019       SPECKMANN                      sondern auch militärisch – nicht zuletzt

                                                                                         67
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Die Seemacht des 21. Jahrhunderts
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durch das Potenzial, in Zukunft höhere             Doch lassen sich derlei Vergleiche
Ausgaben finanzieren zu können als die        überhaupt anstellen? Kommt es nicht
bislang führende Militärmacht der Welt.       weiterhin vor allem auf die Qualität der
     Für diesen Status spielen Marine und     Ausrüstung und der Ausbildung der Besat-
Luftwaffe zur Projektion von Macht weit       zungen von Kriegsschiffen an? Dies trifft
über das eigene Territorium hinaus eine       sicherlich auch auf das 21. Jahrhundert zu.
Schlüsselrolle. Beinahe unbemerkt von         Den Westen beruhigen könnten hier Ana-
der westlichen Öffentlichkeit besitzt         lysen, nach denen die US Navy weiterhin
                                                                                                       Die
China inzwischen die umfassendsten            führend ist bei Schiffstonnage, Schiffsgrö-        amerikanischen
Seestreitkräfte der Welt – gemessen an        ßen und Feuerkraft. Als immer noch dop-
der Anzahl der Schiffe. Auch dies hat das     pelt so stark wie Chinas Marine bezeich-           Flugzeugträger
Pentagon nun offiziell festgestellt. Da-      net sie etwa das amerikanische Center for         im Pazifik werden
mit verdrängt erstmals seit dem Zwei-         International Maritime Security.
ten Weltkrieg eine Marine die US Navy              Daher beunruhigen in Washing-                 inzwischen von
auf den zweiten Platz. Unter chinesischer     ton derzeit weniger die maritimen Bau-
Flagge versammelt sich heute eine Flotte      vorhaben konkurrierender Mächte wie
                                                                                               Jägern zu Gejagten
von 360 Kriegsschiffen. Ihr Kern besteht      China und Russland, zumal dort in den
aus 130 modernen Zerstörern, Fregatten        vergangenen Jahren immer wieder Zeit-
und Korvetten. Sie werden ergänzt von         pläne und auch Vorhaben an sich korri-
62 U-Booten, davon ein Fünftel mit ato-       giert werden mussten. Alarmiert ist man
marem Antrieb, wovon vier wiederum            in den USA vielmehr aufgrund der zu-
mit Nuklearwaffen ausgerüstet sind.           nehmenden Verwundbarkeit der eige-
     Neben diesen ersten U-Booten mit         nen Flotte. Gerade den Flugzeugträgern
Interkontinentalraketen, die China die        als Rückgrat amerikanischer Machtent-         ihren Interkontinentalraketen zur nukle-
atomare Zweitschlagfähigkeit verleihen,       faltung in Übersee könnte ein ähnliches       aren Zweitschlagfähigkeit als vom Geg-
haben in den vergangenen Jahren vor al-       Schicksal drohen wie ihren Vorgän-            ner schwer zu orten, wenn nicht unauf-
lem die ersten Flugzeugträger der Volks-      gern, den Schlachtschiffen: Sie wurden        findbar in den Weiten und Tiefen der
republik für Aufsehen gesorgt. Der erste      im Zweiten Weltkrieg reihenweise ver-         Ozeane. Doch eben an dieser angenom-
wurde in der Ukraine erworben und in          senkt – und zwar nicht von ihresgleichen,     menen Unverwundbarkeit wird zuneh-
China fertiggestellt. Der zweite ist eine     sondern von Flugzeugen mit Bomben             mend gezweifelt. Technologische Fort-
Kopie des ersten und basiert ebenfalls auf    und Torpedos. Alle großen Seemächte           schritte nicht zuletzt im Bereich der
einer russischen Konstruktion. Ein drit-      machten diese Erfahrung – ob auf Seite        künstlichen Intelligenz könnten gegneri-
ter befindet sich im Bau, orientiert sich     der Alliierten oder der Achsenmächte.         sche Fähigkeiten erhöhen, die amerikani-
aber an amerikanischen Trägern. Von           Nach dem Krieg ersetzte dann endgül-          sche Unterseeflotte aufzuspüren und zu
diesem Typ sollen drei weitere folgen.        tig der Flugzeugträger das Schlachtschiff     zerstören. Von einer sich anbahnenden
     Damit würde Pekings Flugzeugträ-         als größten Kriegsschiffstyp.                 Revolution in der U-Boot-Abwehr ist be-
ger-Flotte auf sechs Einheiten wachsen.            War es die Angriffsmöglichkeit über      reits die Rede.
Auffallend ist hier die Parallele zu russi-   weite Entfernungen, die den Flugzeugträ-           Zum ersten Mal seit dem Zweiten
schen Vorhaben. Auch Moskau arbeitet          ger dem Schlachtschiff überlegen machte,      Weltkrieg sehen sich die Vereinigten
intensiv an seinen militärischen Fähig-       so ist es heute der Flugzeugträger, der       Staaten in ihrer technologischen Über-
keiten zur Machtprojektion über große         nun selbst durch eine Angriffsmöglich-        legenheit bedroht – eingeholt in Entwick-
Entfernungen. Schon bis zum Jahr 2026         keit über weite Entfernungen gefährdet        lung und Einsatz von KI durch China.
soll die zweitgrößte Flugzeugträger-          ist: die Rakete. China hat weitreichende      Nach dem jüngsten Bericht der National
Armada der Welt mit sechs Trägerkampf-        Lenkwaffen entwickelt, die sich zur Be-       Security Commission on Artifical Intelli-
gruppen entstehen. Als zwei Mächte, die       kämpfung beweglicher Ziele und damit          gence besitzt die Volksrepublik nicht nur
erst gerade wieder im März ihre strate-       auch zur Zerstörung von Flugzeugträ-          die Ambition, sondern auch die Macht
gische Verbundenheit und ihre gemein-         gern eignen sollen – aus einer Distanz        und das Talent, die USA innerhalb eines
same Front gegen den Westen beim Tref-        von 1500 bis 3000 Kilometern. Damit           Jahrzehnts als führende KI-Nation hin-
fen ihrer Außenminister demonstriert          werden die US-Träger im Pazifik von Jä-       ter sich zu lassen.
haben, würden China und Russland dann         gern zu Gejagten.                                  Glaubte man im Westen über Jahr-
in Zukunft gemeinsam über zwölf Flug-              Ein ähnliches Schicksal droht einem      zehnte, die nukleare Abschreckung
zeugträger verfügen – und auch in die-        weiteren Pfeiler amerikanischer See-          erlaube keine klassischen Kriege von
ser Schiffsklasse die US Navy mit elf Ein-    macht wie Abschreckung. Bislang gal-          Großmacht gegen Großmacht mehr,
heiten auf den zweiten Platz verweisen.       ten die strategischen Atom-U-Boote mit        sondern allenfalls Stellvertreterkriege,

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Die Seemacht des 21. Jahrhunderts
wie sie den Kalten Krieg prägten, so hat          amphibischen Angriffsoperationen in
hier in China ein neues Denken und in             der Lage ist – bislang eine Domäne der
Russland auch bereits ein neues Han-              US Navy. Ihr ähnlich werden große Hub-
deln begonnen. Die nukleare Abschre-              schrauberträger in Dienst gestellt – sie
ckung dient Peking und Moskau zwar                gelten als Kopien der amerikanischen
weiterhin in ihrer ursprünglichen Aus-            Originale. Hinzu kommen moderne
richtung zur Verhinderung eines An-               Docklandungsschiffe. Diese Angriffsein-
griffs auf das eigene Territorium und             heiten sollen das Marinekorps der Volks-
                                                                                                   Zu einem weiteren
eines globalen Krieges. Aber zugleich             republik transportieren. Die amerikani-              maritimen
wird der atomare Schutzschirm genutzt,            schen Marines erhalten ein chinesisches
um unter ihm regionale Kriege konven-             Pendant. Damit könnte China nicht nur             Machtinstrument
tioneller Art zu führen, ohne dabei die           seine Kette von Basen im Südchinesischen           hat China seine
Vernichtung des eigenen Landes riskie-            Meer absichern, sondern auch endgültig
ren zu müssen. In der Ukraine und in              offensiv gegen Taiwan vorgehen – chine-            Fischereiflotte
Syrien haben Russland dieses Denken               sische Drohungen, Manöver und das Ein-
und Handeln bereits militärische Er-              dringen in Gewässer und Luftraum des
                                                                                                        gemacht
folge gebracht. Moskau hat dazu gezielt           bis heute von Peking als „abtrünnige Pro-
in moderne, mobile Streitkräfte inves-            vinz“ bezeichneten Inselstaats haben oh-
tiert, die in kurzer Zeit regional militä-        nehin schon massiv zugenommen.
rische Überlegenheit erringen können.                  Zu einem weiteren maritimen Macht-
In Asien wirkt Chinas Aufrüstung ähn-             instrument hat China inzwischen seine Fi-
lich ausgerichtet.                                schereiflotte gemacht. Nicht nur wird ihr
                                                  immer wieder vorgeworfen, in Gewässern
PE K I N G I N V ES TI E RT nicht nur massiv in   anderer Staaten zu fischen. Auch zur di-     kommt es hier zu Konfrontationen zwi-
den Ausbau seiner nuklearen Abschre-              rekten Konfrontation mit Anrainern des       schen chinesischen Schiffen und japani-
ckung – das Arsenal von allmählich gut            Südchinesischen Meeres ist sie im Einsatz.   schen Fischerbooten – beide Seiten ha-
300 atomaren Sprengköpfen soll weiter             Von „Pekings kleinen blauen Männchen“        ben ihren Küstenwachen seit Februar den
kontinuierlich wachsen, flexibel einsetz-         wird allmählich gesprochen – von parami-     Einsatz von Waffengewalt erlaubt. Wie
bar durch neue, mobile Interkontinen-             litärischen Schiffen, die als Fischerboote   im Fall Taiwan stehen die USA auch hier
talraketen mit Mehrfachsprengköpfen.              getarnt seien. Anfang März drang eine        bereit, ihrem Verbündeten militärisch
Auch nichtnuklear will man Washington             Armada von 220 solcher Trawler in die        beizustehen. Japan soll sich auf die ame-
auf Distanz halten. Dazu dient ein um-            Lagune des Whitsun-Riffes ein, eine ex-      rikanische Verteidigung der Senkaku-In-
fassendes Raketenbauprogramm – von                klusive Wirtschaftszone der Philippinen.     seln weiterhin verlassen können – dieses
weitreichenden ballistischen bis hin zu                In Manila kehrte das Trauma des         Versprechen hat Washington als „uner-
sehr zielgenauen Raketen und Marsch-              Verlusts des Scarborough-Riffes an China     schütterliche Verpflichtung“ Mitte März
flugkörpern. Auch Hyperschallwaffen,              2012 zurück – auch damals hatte Peking       abermals erneuert. Wie ernst man dort
gegen die es bislang keine Abwehr geben           gewaltsam Fakten geschaffen, wie schon       die chinesische Herausforderung und
soll, zählen zu diesem Abschreckungs-             zuvor 1995 auf dem Mischief-Riff, heute      entsprechend die Sicherheitskooperation
potenzial. Von Zielübungen bis hin zum            eine Basis von Chinas Luftwaffe und Ma-      mit Tokio nimmt, demonstrierte die Ad-
US-Stützpunkt auf Guam im Westpazifik             rine. Für derlei Operationen, die an Russ-   ministration von Joe Biden mit der Wahl
wird berichtet. Ende Januar sollen chi-           lands Besetzung der Krim durch „kleine       Japans als Ziel der ersten Auslandsreise
nesische Kampfflugzeuge einen Angriff             grüne Männchen“ erinnern, ist die chine-     der neuen amerikanischen Außen- und
mit Antischiffsraketen auf einen ameri-           sische Seemiliz bekannt, eine Teilstreit-    Verteidigungsminister.
kanischen Flugzeugträger vor Taiwan si-           kraft des Militärs.                              Welch epochale Verschiebungen
muliert haben.                                         Auch Chinas Küstenwache – die           in der maritimen und damit globalen
     In Washington sieht man sich ge-             größte der Welt – wird offensiv einge-       Machtarchitektur nicht erst in der Ge-
zwungen, über eine neue, dezentrale               setzt. Ihre Schiffe fuhren beinahe jeden     genwart vom pazifischen Raum ausge-
Aufstellung der eigenen Kräfte in klei-           Tag im vergangenen Jahr – so oft wie         hen, war hingegen in weiten Teilen Eu-
neren und noch mobileren Einheiten                noch nie zuvor – zu den unbewohnten          ropas in Vergessenheit geraten. Umso
nachzudenken – möglichst außerhalb der            und von Peking beanspruchten Senkaku-        mehr schreckt man nun in den euro-
Reichweite chinesischer Raketen.                  Inseln im Ostchinesischen Meer, die          päischen Hauptstädten auf. Dabei wird
     Für Peking wiederum bilden diese             Fisch gründe und Bodenschätze bergen         die Bedeutung der gegenwärtigen Ent-
Raketen einen Schutzschirm, unter                 und von Japan als Teil seines Territori-     wicklung erst mit Blick auf die vergange-
dem es eine Flotte versammelt, die zu             ums verwaltet werden. Immer wieder           nen Jahrhunderte vollends klar. Bis zum

                                                                      69
                                                                Cicero – 6. 2021
Die Seemacht des 21. Jahrhunderts
WELTBÜHNE

Zweiten Weltkrieg hatte gegolten: „Bri-      Kriege nach 1945. Aber ihre Flotte
tannia rules the seas.“ Die Royal Navy       schrumpfte dennoch stark. Nur fünf
hatte die Weltmeere für gut ein Jahrhun-     Jahre nach dem alliierten Sieg über die
dert nach Nelsons Sieg über Napoleons        Achsenmächte stand weniger als ein
Armada dominiert. Auch in den Jahrhun-       Zehntel der amerikanischen Weltkriegs-
derten vor der Zäsur von Trafalgar 1805      schiffe noch in Dienst. Alleine 80 Flug-     Das asiatische
waren es die Europäer gewesen, die das       zeugträger und 150 U-Boote waren aus-        Jahrhundert
maritime Weltgeschehen durch ihre kolo-      gemustert. Und selbst zum Höhepunkt
niale Expansion geprägt hatten – ob Por-     des Wettrüstens im Kalten Krieg sollte      auf See begann
tugiesen, Spanier, Niederländer, Franzo-     noch nicht einmal mehr dieses Niveau
sen oder Engländer.                          wieder erreicht werden – 568 Schiffe im
                                                                                        spätestens bereits
     Doch dann begann spätestens in          Jahr 1987 bildeten das Maximum.              in den 1920er
den zwanziger (und nicht erst in den              Zu heute hat sich diese Zahl wie-
2020er) Jahren das asiatische Jahrhun-       derum halbiert. Die Kampfkraft der
                                                                                              Jahren
dert auf See: Bereits vor dem Zweiten        US Navy des Jahres 2021 ist zwar un-
Weltkrieg war die amerikanische Marine       gleich höher. Aber auch das modernste
erheblich stärker im Pazifik als im Atlan-   Kriegsschiff kann nur an einem Ort prä-      Eine Parade russischer
tik aufgestellt. Von 15 Schlachtschiffen     sent sein. Daher hatte Donald Trump          Kriegsschiffe nahe Sankt
wurden zwölf der Pazifikflotte zugeteilt,    2016 angekündigt, die Flotte von 270 auf     Petersburg, Juli 2019
von sechs Flugzeugträgern vier. Zugleich
waren es die neuesten und kampfkräf-
tigsten Einheiten. Sie wurden gezielt
dem damaligen potenziellen Kriegs-
gegner entgegengestellt: Japan mit der
drittgrößten Flotte der Welt. Tokio war
es schließlich auch, das mit den damals
modernsten Flugzeugträgern, Schlacht-
schiffen, Kreuzern und Zerstörern die
Kräfteverhältnisse im pazifischen Raum
zu seinen Gunsten verschob – zunächst
in einem maritimen Wettrüsten mit den
USA, dann in einem maritimen Erobe-
rungsfeldzug gegen die USA.

WA S H I N GTO N – militärisch geschwächt
durch den japanischen Überfall auf Pearl
Harbor und die Niederlage gegen die Ja-
paner auf den Philippinen – sah sich
gezwungen, die bis dahin schlagkräf-
tigste Flotte der Welt zur Niederrin-
gung des japanischen Militarismus auf-
zubauen; 1945 bestehend aus mehr als
6700 Schiffen, darunter 99 Flugzeug-
träger, 23 Schlachtschiffe, 72 Kreuzer,
377 Zerstörer, 232 U-Boote und Tau-
sende von Landungsschiffen, überwie-
gend für amphibische Operationen im
Pazifik. Ein maritimer „Pivot to Asia“
durch Franklin D. Roosevelt lange vor
Barack Obama.
                                                                                                                     Foto: Xinhua/eyevine

     Zwar blieben die USA auch nach Ja-
pans Kapitulation im pazifischen Raum
engagiert – und führten in Korea und
Vietnam ihre bis heute verlustreichsten

                                                                 70
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WELTBÜHNE

355 Schiffe auszubauen. Bis Ende 2020        fünf Billionen Dollar – eine der strate-
war sie allerdings nur auf 293 Einheiten     gisch bedeutendsten Wasserstraßen der
gewachsen.                                   globalisierten Welt. China sieht sich hier
     Der Westen sollte die Entschieden-      einem immer heftigeren Kampf um die
heit, mit der China auch im Militäri-        Rechte des Seeverkehrs ausgesetzt. Dies
schen zu einer Supermacht aufsteigen         betonte Xi Jinping bereits 2018 bei seiner
will, nicht unterschätzen. „Weltklas-        Rede zur Neuausrichtung der maritimen
seniveau“ ist das von Peking offiziell       Streitkräfte auf dem Deck eines chine-
                                                                                                    Der Westen
erklärte Ziel. Bislang gelingt insbeson-     sischen Flugzeugträgers. Für ihn ist der              sollte Chinas
dere der Aufbau einer global einsetzba-      Aufbau einer „Weltklasseseemacht“ bis
ren Marine rascher, als noch vor wenigen     zum Jahr 2035 ein wichtiger Garant für              Entschiedenheit
Jahren von westlichen Experten vorher-       den Wohlstand und die wirtschaftliche               in militärischen
gesagt. Und es wäre im Ernstfall nicht       Entwicklung seines Landes. Die Folge ist
das erste Mal in der Geschichte Asiens,      ein Paradigmenwechsel in der maritimen                Dingen nicht
dass Europäer wie Amerikaner unange-         Strategie: von der Verteidigung der na-
nehm überrascht würden von der militä-       hen Gewässer hin zum Schutz der fer-
                                                                                                  unterschätzen
rischen Wirklichkeit.                        nen Gewässer – festgeschrieben 2019 in
     Es waren internationale Sensatio-       einem Weißbuch, das Chinas maritimen
nen, als 1905 die modern ausgerüsteten,      Interessen den gleichen Stellenwert bei-
gut ausgebildeten und effizient geführten    misst wie der territorialen Integrität der
Seestreitkräfte Japans die bis dahin für     Volksrepublik.
überlegen gehaltene Flotte der europäi-                                                    regelmäßig Flagge mit ihren Freedom of
schen Großmacht Russland bei der japani-     I N D E R KO N S EQ U E N Z hat die Präsenz   Navigation Operations. Japanische, aust-
schen Insel Tsushima in der Koreastraße      chinesischer Kriegsschiffe im Indischen       ralische, kanadische und britische Kriegs-
vernichteten, indem sie am 7. Dezember       Ozean stark zugenommen. Dieser See-           schiffe kreuzen ebenfalls in Gebieten, auf
1941 überraschend die amerikanische Pa-      weg wird schon heute für den interna-         die China Anspruch deklariert.
zifikflotte mitten in ihren Stützpunkt Pe-   tionalen Handel stärker genutzt als der            Auch die Kontinentaleuropäer ent-
arl Harbor dezimierten und nur drei Tage     Atlantik. Die Marine der Volksrepublik        decken wieder verstärkt den Pazifik, den
später das modernste Schlachtschiff der      soll die Routen chinesischer Öltanker und     Indischen Ozean und demonstrativ das
Royal Navy im Südchinesischen Meer           Containerschiffe sichern – nicht zuletzt      Südchinesische Meer: seit Herbst mit ei-
versenkten – ein britisches Desaster bei     die Lieferungen iranischen Öls. Peking ist    nem französischen Atom-U-Boot, gefolgt
der erfolglosen Verteidigung Singapurs       als letzter verbliebener Importeur zu ei-     im Frühsommer von den Niederländern
gegen die japanische Invasion. In allen      ner zentralen Stütze des Regimes in Tehe-     als Begleitung der Queen Elisabeth, des
Fällen hatte man Derartiges im Westen        ran geworden. Zusammen mit Russland           größten jemals in Großbritannien ge-
nicht für möglich gehalten.                  hielten China und Iran 2019 ein Manöver       bauten Flugzeugträgers, und im Som-
     Heute geht es in Asien nicht nur um     ihrer Seestreitkräfte im Golf von Oman        mer dann mit einer deutschen Fregatte –
Gebietsansprüche und Interessensphä-         ab. Anlaufen können chinesische Kriegs-       für Berlin die erste militärische Mission
ren einer werdenden Supermacht China.        schiffe inzwischen Überseestützpunkte         in der Region seit fast zwei Jahrzehnten.
Dort verlaufen auch Handelsrouten, de-       in Dschibuti am Horn von Afrika und in             Noch forcierter als ohnehin schon
ren freier Zugang elementare Vorausset-      Gwadar in Pakistan. Sie sollen möglichst      wird auch das maritime Wettrüsten der
zung für die globalisierte Weltwirtschaft    bald ergänzt werden von Hafenanlagen          vergangenen Jahre nicht nur in Asien
ist. Was es bedeutet, wenn solche Le-        in Sri Lanka und in Myanmar.                  fortgesetzt. Es sind nun nicht mehr al-
bensadern des internationalen Handels             Die Reaktion der USA ist eine noch       lein die Seestreitkräfte von Indien, Süd-
selbst nur für wenige Tage zerschnitten      engere sicherheitspolitische Zusammen-        korea, Japan und Australien, die ange-
sind, hat die Blockierung des Suezka-        arbeit mit Indien, Japan und Australien.      sichts der chinesischen Herausforderung
nals durch das havarierte Container-         Ihr Quadrilateral Security Dialogue wird      nachrüsten, um ihre Schlagkraft zu er-
schiff EverGiven sehr eindrücklich vor       bereits „Asiatische Nato“ genannt. Schon      höhen: Canberra mit neuen U-Booten
Augen geführt.                               seit 1992 veranstalten Washington und         aus französischer Produktion und Pat-
     Umso mehr geht es in Asien nun          Neu-Delhi gemeinsame Seemanöver im            rouillenbooten aus Deutschland, Seoul
                                                                                                                                        Foto: Atlantik-Brücke e.V.

um die Sicherheit der Seewege. Alleine       Indischen Ozean, seit 2015 verstärkt von      und Neu-Delhi mit Flugzeugträger-Pro-
durch das Südchinesische Meer verläuft       der japanischen Marine, seit 2020 auch        jekten, Tokio mit dem Umbau eines Zer-
ein Drittel des maritimen Welthandels        von der australischen. Im Südchinesischen     störers mit Hubschraubern zu einem Trä-
über jährlich mehr als 60 000 Schiffspas-    Meer, das Peking zu etwa vier Fünftel         ger mit Kampfflugzeugen – dem ersten
sagen mit einem Warenwert von über           für sich beansprucht, zeigt die US Navy       seit dem Zweiten Weltkrieg. Auch die

                                                                  72
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LESEN SIE CICERO
alten Seemächte Europas ziehen nach.         AUCH IN DIESEN
Frankreich hat den Bau des größten Flug-
zeugträgers seiner Geschichte angekün-
digt – 70 000 Tonnen mit Nuklearan-
                                             EXKLUSIVEN HOTELS
trieb, Plattform für das neue europäische
Kampfjetprojekt „Future Combat Air
System“. Großbritannien macht Schlag-
zeilen mit der höchsten Aufstockung sei-
nes Verteidigungshaushalts seit drei Jahr-
zehnten. Zusätzliche 26 Milliarden Euro
sollen in „Spitzenkapazitäten“ investiert
werden, vor allem in die Marine.
    Wird all dies zu einer neuen Rüs-
tungsspirale führen? Lässt sie sich noch
stoppen? Bereits vor einem Jahrhundert
gab es ein ähnliches Szenario. Auch da-
mals rüsteten die großen Seemächte um
die Wette. Viele der damaligen Protago-
nisten sind heute erneut beteiligt – die
                                                                                                      Hotel Taschenbergpalais
USA, Japan, Frankreich, Großbritannien,
                                                                                                      Kempinski Dresden
Deutschland. Vorbild für Verhandlungen                                                                Taschenberg 3, 01067 Dresden
mit China könnten daher die Konferen-                                                                 Telefon: +49 351 4912 0
zen, Abkommen und Verträge der zwan-                                                                  www.kempinski.com/dresden
ziger und dreißiger Jahre zur Begren-
zung der Flottenstärken sein. Mit ihnen
gelang zumindest eine Drosselung und
Verlangsamung des maritimen Wettrüs-                         »Als erstes Haus am Platz bieten wir Reisenden aus aller
tens vor dem Zweiten Weltkrieg.                              Welt die herausragende Servicekultur eines echten Grand
     Ob auch dieses Mal dann dennoch
                                                             Hotels. In ausgezeichneter Lage mitten in Dresden vereinen
ein Krieg folgen würde? Hoffnung,
                                                             sich im Taschenbergpalais barocke Baukunst und moderne
dass es anders kommen könnte, macht
                                                             Ausstattung mit kulinarischen Höhepunkten und vielseitigen
die überraschende Einigung zwischen
China, Russland und den USA auf ein                          Partnern. Mit der langjährigen Partnerschaft mit Cicero wird
Übereinkommen im Cyberraum. Nach                             unser Angebot auf erstklassige Weise bereichert.«
sechs Jahren Verhandlungsstillstand ha-                       Marten Schwass, Geschäftsführender Direktor
ben nun doch alle UN-Mitgliedstaaten
Mitte März den Empfehlungen für mehr
Cybersicherheit einer Arbeitsgruppe der      Diese ausgewählten Hotels bieten Cicero als besonderen Service:
Vereinten Nationen zugestimmt. Ange-         Bad Doberan/Heiligendamm: Grand Hotel Heiligendamm · Bad Pyrmont: Steigenber-
sichts der zunehmenden Konflikte zwi-        ger Hotel · Baden-Baden: Brenners Park-Hotel & Spa · Bergisch Gladbach: Grand-
schen Peking, Moskau und Washington,         hotel Schloss Bensberg · Berlin: Grand Hotel Esplanade, Kempinski Hotel Bristol,
auch auf dem digitalen Feld, wird die Ei-    KPM Hotel & Residences, Hotel Maritim, The Mandala Hotel, The Mandala Suites,
nigung als Durchbruch gesehen. Warum         Savoy Berlin · Binz/Rügen: Cerês Hotel · Celle: Fürstenhof Celle · Dresden: Hotel
derlei Verhandlungen nicht ebenfalls im      Taschenbergpalais Kempinski Dresden · Düsseldorf: InterContinental Düssel-
Bereich maritimer Rüstung und Sicher-        dorf, Hotel Nikko Düsseldorf · Eisenach: Romantik Hotel auf der Wartburg · Frankfurt
heit beginnen? Noch kann der Westen          a. M.: Steigenberger Frankfurter Hof · Hamburg: Hotel Atlantic Kempinski, Strandhotel
sich hier auf Augenhöhe mit China bewe-      Blankenese · Keitum/Sylt: Hotel Benen-Diken-Hof · Köln: Excelsior Hotel Ernst · Kö-
                                             nigswinter: Steigenberger Grandhotel Petersberg · Konstanz: Steigenberger Inselho-
gen. Noch hat sich die globale Machttek-
                                             tel · Mainz: Atrium Hotel Mainz, Hyatt Regency Mainz · München: King’s Hotel First
tonik nicht vollends verschoben. Noch.
                                             Class · Neuhardenberg: Hotel Schloss Neuhardenberg · Rottach-Egern: Seehotel
                                             Überfahrt · Stuttgart: Hotel am Schlossgarten · SCHWEIZ Zermatt: Boutique Hotel Alex
           THOMAS SPECKMANN ist              Möchten auch Sie zu diesem exklusiven Kreis gehören?
           Historiker und Lehrbeauftragter   Bitte sprechen Sie uns an. E-Mail: hotelservice@cicero.de
           am Historischen Institut der
           Universität Potsdam.

                                                           Cicero-Hotel
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