Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten

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Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
12                                                         Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012

                                                        Wie nah müssten die in einem Raumschiff anreisen-
Die Sonne, das Erdklima und das                         den Außerirdischen heute eigentlich noch unserem
Leben auf unserem Planeten                              Planeten kommen, um deutlich zu erkennen, dass hier
Teil 7                                                  offensichtlich „etwas nicht stimmt“?
Ulrich v. Kusserow
Welch bemerkenswerte und vielfältige Eindrücke
vom Leben auf unserem Planeten müssen die Astro-
nauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS
im eineinhalb Stundentakt aus der Vogelperspektive
immer wieder erleben, wenn sie die Erde in etwa
350 km Höhe über dem Erdboden umkreisen. Ein im
Internet als „Astronomy Picture of the Day“ vom
21. November 2011 veröffentlichter Film veran-
schaulicht dies sehr eindrucksvoll (s. Abb. 73 und
http://apod.nasa.gov/apod/ap111121.html )

                                                        Abb. 74: Urbane Landwirtschaft der Zukunft
                                                        © Chris Jacobs, Gordon Graff, SOA ARCHITECTES

                                                        Der 11.11.11 – ein besonderes Datum, nicht nur für
                                                        die Paare, die an diesem zumindest ziffernmäßig so
                                                        besonderen Tag geheiratet haben. Etwa zu diesem
                                                        Zeitpunkt hat die Weltbevölkerungszahl (vermutlich,
                                                        denn wer kann heute diese Zahl wirklich einigerma-
                                                        ßen verlässlich genau bestimmen) die 7 Milliarden
                                                        Grenze überschritten – und das auf einem Planeten,
                                                        auf dem weiterhin ohne Rücksicht auf die Folgen,
                                                        beispielsweise und exemplarisch in seiner „Grünen
                                                        Lunge“ in Brasilien die Zerstörung des so lebens-
Abb. 73: Ein „verschleierter“ Blick auf unsere Welt     wichtigen, klimarelevanten Regenwaldes weiterhin in
© ISS Expedition 28 & 29 Crews, ISAL, NASA's JSC        immer größerem Ausmaß zunimmt!
Da beobachtet man die dynamischen Entwicklungen         In nur zwei Monaten findet allein hier aus wirtschaft-
der vom Sonnenwind und erdmagnetischen Stürmen          lichen Gründen regelmäßig die Abholzung einer etwa
beeinflussten farbenprächtigen Polarlichter unter den   der Stadt Madrid entsprechend großen Fläche statt.
Energie einsammelnden, ihre Ausrichtung entspre-        Nach Einschätzung der Vereinten Nationen verwan-
chend dem jeweiligen Sonnenstand regelmäßig             deln sich auf unserer Erde pro Minute etwa
verändernden Sonnensegeln der Raumstation. Die          30 Fußballfelder große wertvolle Lebensflächen auf
ISS fliegt über große blaue Meere, die von komplex      Grund falscher Bewirtschaftungsmethoden in Wüs-
strukturierten, teilweise dichten, teilweise vom        tengebiete!
Winde verwehten, turbulenten und dann filigraner        Wie soll die so drastisch anwachsende Weltbevölke-
erscheinenden weißlichen Wolkenstrukturen bedeckt       rung in Zukunft eigentlich noch verlässlich ernährt
sind. Hell aufleuchtende Blitze kennzeichnen die        werden, wenn gleichzeitig Unwetter und Über-
Unwettergebiete. Nahezu unbewohnte riesige Wüs-         schwemmungen einerseits, sowie Dürrekatastrophen,
tengebiete geben sich durch ihre marsähnlich rötliche   Krankheit und Armut größerer Bevölkerungsgruppen
Farbgebung zu erkennen. Besonders auffallend und        andererseits dies immer schwieriger erscheinen
nicht nur für den an der ungestörten Beobachtung des    lassen. Reicht es da wirklich aus, wenn man in Zu-
Sternenhimmels interessierten Astronomen erschre-       kunft verstärkt auf den Bau immer gigantischerer
ckend ist die ungeheure Lichtverschmutzung unseres      Wolkenkratzer in immer größer werdenden Citys
Planeten an so vielen Stellen über dem Festland.        setzen will, auf deren Flachdächern und Balkons man
Immer wieder blickt man auf teilweise besonders         dann auch in Gewächshäusern sogar biologische
großräumige, miteinander vernetzte, einem wahren        „urbane Landwirtschaft“ (s. Abb. 74) zur Versorgung
Feuerwerk gleichende grelle Lichtflächen, die das       der Bevölkerung betreiben könnte [100]? Der
bedrohliche Ausmaß der Zersiedelung, der ungeheu-       11.11.11 muss uns allen deutlich machen, das unser
ren Dichte der Verkehrsverbindungen auf der Erd-        Planet kein weiteres Wachstum, nicht nur das der
oberfläche widerspiegeln.                               Bevölkerung verträgt!
Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012                                                               13

                                                              und des Kohlendioxidausstoßes unbedingt zu ent-
                                                              koppeln. Immer noch gerne wird die Notwendigkeit
                                                              der vorrangigen Berücksichtigung ökonomischer vor
                                                              denen ökologischer Gesichtpunkte betont, wenn es
                                                              um die „Rettung unserer Welt“ (s. Abb. 75) geht –
                                                              und dies gerade von Menschen, die sich auf Grund
                                                              ihrer herausragenden Position in Politik und Wirt-
                                                              schaft am ehesten auch für eine gesunde Entwicklung
                                                              der Lebensbedingungen auf unserem Planeten ver-
                                                              antwortlich fühlen müssten.
                                                              Die Klimabedingungen auf der Erde haben schon
                                                              immer das Schicksal der Menschheit wesentlich
                                                              beeinflusst [102]. „Mehr Wärme, mehr Kriege“, so
                                                              vermuten Forscher eine Verbindung zwischen dem
                                                              herrschenden Klima und auftretenden Konflikten
                                                              zwischen Menschengruppen und Völkern. „Zivile
                                                              Konflikte stehen im Zusammenhang mit dem globa-
     Abb. 75: Verrückte Ideen zur Rettung der Welt?           len Klima“ lautet die Überschrift eines Artikels in
                   © natur+kosmos                             dem renommierten wissenschaftlichen Journal „na-
                                                              ture“ [103]. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt,
„Kein Wachstum auf Kosten der Umwelt“, so äußerte             wie der Zugang zu Nahrung, Bildung und Wohlstand
sich vor Kurzem der bekannte Klimaforscher Mojib              als wesentlichen Lebensgrundlagen in unterschiedli-
LATIF in seinem Vortrag mit dem Titel „Heraus-                chen Kontinenten abhängig vom Klima für die Men-
forderung Klimawandel“ in Bremen [101]. Vor dem               schen heute nur extrem ungleich möglich ist. Viele
Hintergrund der so schnell zunehmenden Erwärmung              bewusst lebende Menschen betrachten von daher den
der Erde, dem Abschmelzen der Polareisgebiete und             „Kampf gegen die Klimaerwärmung“ als die von der
Gletscher, den auftauenden Permafrost-Böden mit               Weltgemeinschaft vorrangig zu verwirklichende
vielfältigen und verheerenden Folgen nicht nur für            Aufgabe. Aber „Helfen Riesenspiegel im All“ [104]
arme Entwicklungsländer sieht er eine der wichtigs-           oder andere Methoden des so genannten „Geo-
ten Aufgaben der kommenden Jahre darin, das mit-              Engineering“ die Erwärmung der Erde wirklich
einander einhergehende Wachstum der Wirtschaft                aufzuhalten [105] (s. Abb. 76) ?

   Abb. 76: Vorgeschlagene Methoden für Geo-Engineering, © Lawrence Livermore National Laboratory, U. v. Kusserow
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Die bizarre Idee, dass Erdklima notfalls (und in         den USA, in Saudi-Arabien und Kanada besonders
einem solchen Notfall befinden wir uns vielleicht        hoch. Vor allem dadurch ist die Verwirklichung der
sogar) durch uns Menschen selbst zu regulieren,          gerade durch die schlimmsten Verursacher nicht
erscheint angesichts der befürchteten drastischen        unterstützten Ziele früherer Klimakonferenzen heute
Veränderungen manchem, auch angesehenen Wis-             in weite Ferne gerückt.
senschaftlern durchaus diskutierwürdig. So schlägt       Halbherzig und wage wurde jetzt in Durban be-
beispielsweise der 1995 für seine Arbeiten über die      schlossen, dass ein neuer Klimavertrag ab 2020
chemischen Prozesse der Bildung und des Abbaus           gelten soll. Erstmals wollen Klimasünder wie die
von Ozon mit dem Nobelpreis für Chemie ausge-            USA und China dann zwar verbindliche Ziele über
zeichnete Paul CRUTZEN doch tatsächlich vor, (im-        die Reduzierung des Treibhaus-Emissionen mit-
mer wieder einmal) Schwefel und Schwefel-                tragen, aber der genaue Inhalt eines solchen Vertra-
wasserstoffe (sie können ausregnen und zurückfallen)     ges soll erst mal „in Ruhe“ bis 2015 erarbeitet wer-
mit Ballons in die Stratosphäre zu bringen, hier zu      den. Bis Inkrafttreten dieses nur unter großen Mühen
verbrennen, so dass entstehende Sulfate ein Teil des     erarbeiteten Kompromiss-Vertrages wird sich die
Sonnenlichtes ins Weltall zurückwerfen. Die NASA         Bewohnerzahl unseres Planeten um etwa 750 Millio-
plant die Installation von Weltraumschirmen eben-        nen Menschen vergrößert haben. Wenn auch diese
falls zur wirkungsvollen „Abwehr“ der die Tropo-         Menschen in unserer wachstumsorientierten Welt
sphäre aufheizenden Strahlung.                           zukünftig berechtigterweise ihren Lebensstandard
Von Menschen gemachte Wolken könnten zur                 dem der Industriestaaten angleichen möchten, wird
Abkühlung des Weltklima dadurch erzeugt werden,          der CO2-Ausstoß weiter drastisch ansteigen. Nach
dass man in geeigneten, auf schiffsähnlichen Gefähr-     Einschätzung der meisten Klimaforscher wird dies zu
ten installierten langen Röhren Salzkristalle als        einer Erhöhung der globalen Temperatur in diesem
Kondensationskeime für Wolken aus dem Meer in            Jahrhundert um deutlich mehr als 2 Grad Celsius
die Atmosphäre auftreiben lässt. Wie bei den Olym-       führen. Warum hat wohl Kanada nur einen Tage nach
pischen Spielen in China könnte man sogar auch das       Beendigung dieser Klimakonferenz das gerade ver-
„Abregnen“ von Unwettern durch Wolkenimpfung             längerte Kyoto-Protokoll verlassen, in dem mehr
mit geeigneten Partikeln herbeiführen. Die das ganze     oder weniger verbindliche Verpflichtungen zur
„Klima-Unheil“       verursachenden    Treibhausgase     Reduzierung der Treibhausgas-Emission festgelegt
könnten ja in Zukunft vermittelt durch den Einsatz       sind?
verschiedenartiger menschlicher Techniken verstärkt
im Meer oder im Gestein gebunden werden. Der
Chemiker und Biophysiker James LOVELOCK, Be-
gründer der Gaia-Hypothese, wonach die Erde und
ihre Biosphäre als eine Art Lebewesen anzusehen ist
(die sich gegebenenfalls auch wirkungsvoll gegen
den unguten Umgang mit ihr durch den Menschen
wehrt), schlägt sogar vor, jetzt doch viel mehr „um-
weltfreundlichere“ Kernkraftwerke zu bauen. Glück-
licherweise hat aber nicht nur Deutschland gerade
erst den baldigen und dann auch endgültigen Aus-
stieg aus der Kernenergie beschlossen, planen bei-
spielsweise Länder wie China, Japan und Frankreich
verstärkt die Energieerzeugung mit Hilfe alternativer,
umweltfreundlicher Energieformen ohne einen allzu        Abb. 77: Darstellung des Klimasystems der Erde
großen Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid.          © Anlehnung an IPCC
„Aufbruch oder Stagnation? – „Klimapolitik am
Scheideweg“ [106] – „Fortschritte sind möglich,          Aber haben die „Treibhaus-Fanatiker“, wie sie von
einen Durchbruch wird es kaum geben“ – „Mit              den „Klima-Skeptikern“ so gerne genannt werden,
Trippelschritten zum großen Ziel“ [107] waren            nicht vielleicht doch Unrecht, wenn sie den Einfluss
typische Überschriften von Zeitungsartikeln vor          des Menschen auf das Klimasystem Erde [77] aktuell
Beginn des UN-Klimagipfels Ende 2011 in Durban,          so sehr betonen? Ist nicht eigentlich vielmehr die
Südafrika. Vorrangig China und die USA haben im          Sonne der „Motor unseres Erdklimas“? Hat nicht der
vergangenen Jahr insbesondere auch durch die             Milutin MILANKOVITCH (1879 - 1958) mit seiner
verstärkte Nutzung der Kohle für ein neues               Theorie Recht, wenn er die sich abwechselnden
CO2-Ausstoß-Rekordniveau gesorgt [108]. Der pro          Warm- und Kaltzeiten in aktuell vorherrschenden
Kopf Ausstoß der Bevölkerung war in Australien,          Eiszeitalter (schon seit etwa 30 Millionen Jahren sind
Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012                                                        15

die Polkappen vereist, gibt es Gletscher in hohen        Erdoberfläche typischen Witterungszustände. Welche
Gebirgen) auf die sich zyklisch verändernden Bahn-       Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten aber auch Unter-
parameter der Erde und die damit einhergehenden          schiede gibt es da eigentlich zwischen diesen, auf den
Veränderungen der Intensitätsverteilung und der          ersten Blick doch so unterschiedlichen Forschungs-
Verteilung der Sonneneinstrahlung auf unseren            bereichen?
Globus zurückführt? Steht uns nicht eigentlich,
zeitlich gesehen, längst eine neue Kaltzeit mit globa-
ler Abkühlung, mit der Zunahme der weltweiten
Eisbedeckung und einer deutlichen Erniedrigung der
Weltmeeresspiegel bevor? Müssen wir uns wirklich
soviel Sorgen um die Folgen der vom Menschen
verursachten anthropogenen Klimaveränderungen
machen? Könnten nicht vielmehr auch natürliche
„astrophysikalische“ Prozesse im Zusammenhang mit
Kosmischer Strahlung und Wolkenbildungsprozessen
wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich
sein, wie es einige „Kosmoklimatologen“ vermuten
(siehe auch Teil 5 dieser Artikelserie, ON / Juli2010,
http://uvkusserow.magix.net/website/artikel.4.html#      Abb. 79: Blick auf die Groß-Computer im Deutschen
Artikel)?                                                Klimarechenzentrum, © DKRZ
                                                         Die Ähnlichkeit des Aussehens einer von oben be-
Astrophysik und das Erdklima                             trachteten Spiralgalaxie mit dem Erscheinungsbild
                                                         eines gigantischen Wirbelsturms in der Erdatmosphä-
                                                         re kann wohl allein kaum Anlass zur Betrachtung
                                                         solcher Zusammenhänge geben. Wissenschaftler
                                                         sowohl im Bereich der Astrophysik als auch der
                                                         Klimaforschung sind aber heute in ähnlicher Weise
                                                         auf den Einsatz besonders leistungsfähiger, schneller
                                                         und speicherintensiver Groß-Computer (s. Abb. 79)
                                                         angewiesen. Mit ihrer Hilfe müssen besonders große
                                                         Datenmengen verarbeitet werden. Ziel ist die Erlan-
                                                         gung eines tieferen Verständnisses der wesentlichen,
                                                         zugrunde liegenden naturwissenschaftlichen Prozesse
                                                         sowie die Vorhersage wichtiger Phänomenabläufe
                                                         mit Hilfe numerischer Experimente und Simulatio-
Abb. 78: Titelbild eines Vortrags zum Thema „Astrophy-   nen. Die teilweise beeindruckenden Ergebnisse der
sik und das Erdklima“                                    Untersuchungen aus beiden Forschungsbereichen
© NASA, Wikipedia, U. v. Kusserow                        können für das Leben der Menschen auf unserem
Abb. 78 zeigt das Titelbild eines Vortrags zum The-      Planeten auch von existentieller Bedeutung sein.
ma „Astrophysik und Erdklima“, in dem der Autor
dieses Artikels einige Antworten auf die zuletzt
gestellte Frage geben möchte.
(http://uvkusserow.magix.net/website/artikel.4.html#
Vorträge). So mancher Leser ohne entsprechende
Vorkenntnisse wird sich vielleicht darüber wundern,
wie man in einem Vortrag gleichzeitig ausführlich
über die Astrophysik und das Spezialgebiet der
Klimatologen sprechen kann. Während sich die
Astrophysik ja eigentlich mit der Erforschung von
Himmelserscheinungen, der Beschaffenheit, Ent-
wicklung und Wechselwirkung kosmischer Objekte
beschäftigt, erforscht die Klimatologie doch eher die
physikalischen, chemischen und biologischen Ursa-
chen und Einflüsse der Entwicklung von langanhal-        Abb. 80: Diplom-Meteorologe Günther Fleischhauer beim
tenden, für großräumige Landschaftsbereiche auf der      Deutschen Wetterdienst in Hamburg, © U. v. Kusserow
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Zu bedenken ist, dass die in der theoretischen Astro-
physik als auch die in der Klimaforschung ermittelten
Vorhersagen auf Grund der zugrundeliegenden meist
nichtlinearen, durch Rückkopplungsprozesse gekenn-
zeichneten komplexen Prozesse immer mit einiger
Vorsicht zu betrachten sind. Chaotische Prozesse
verändern ihre Entwicklung bekanntlich unter Um-
ständen bereits erheblich, wenn die Anfangsbedin-
gungen auch nur extrem wenig verändert werden. Für
beide Forschungsbereiche muss deshalb auch grund-
sätzlich die Frage gestellt werden, ob numerische
Simulationen auf immer leistungsfähigeren Rechnern
allein Vorhersagen wirklich verlässlicher machen
können. Vielleicht erweist sich die Erlangung eines
tieferen Verständnisses grundlegender Zusammen-          Abb. 82: Darstellung der Entwicklung des Temperaturver-
hänge anhand theoretisch analytischer Überlegungen       laufs und der Eisbedeckung der vergangenen 450.000
sowie experimenteller Befunde hierbei sogar sehr         Jahre, © Robert A. Rohde
viel wirkungsvoller. Der früher beim Deutschen
Wetterdienst in Hamburg arbeitende Diplom-Meteo-         Milutin MILANKOVITCH (s. Abb. 83) entwickelte die
rologe Günther FLEISCHHAUER (s. Abb. 80) beant-          nach ihm benannte Theorie, wonach diese zu beo-
wortete die Frage, ob ihm die Anschaffung eines eine     bachtenden Temperaturschwankungen und damit
Milliarde US-Dollar teuren neuen Computer deutlich       einhergehenden Wechsel zwischen Warm- und
bessere Wettervorhersagen für den norddeutschen          Kaltzeiten durch die auf Grund periodisch veränder-
Raum ermöglichen würde, mit einem „Nein, ich             ter Erdbahnparameter sich verändernde breiten-
werde die Unsicherheit gegenüber dem Kunden              abhängige Sonneneinstrahlung zurückzuführen sind.
weiter rüberbringen müssen. Genauere Vorhersagen         Klimaphänomene wären danach zeitlich eng mit
sind nicht wirklich möglich“. Astrophysiker und          astrophysikalischen Prozessen in unserem Sonnen-
Klimatologen haben eigentlich das gleiche Problem.       system verbunden.

Abb. 81: Temperaturverlauf der vergangenen 500 Millio-
nen Jahre auf der Erde, © Robert A. Rohde
                                                         Abb. 83: Milutin Milankovitch und seine 1941 veröffent-
Abb. 81 zeigt den unterschiedlich stark schwanken-
                                                         lichte Arbeit, © Wikipedia, Paja Jovanović
den Temperaturverlauf der vergangenen 500 Millio-
nen Jahre auf der Erdoberfläche. In den letzten knapp    Die Bahnparameter der unter dem Gravitations-
3 Millionen Jahren sank dabei die mittlere Tempera-      einfluss insbesondere der Sonne, der massereichen
tur deutlich. Es traten in diesem Zeitraum relativ       Planeten wie Jupiter und Saturn aber auch des nahen
periodische Schwankungen mit charakteristischen          Mondes im Planetensystem kreisenden Erde schwan-
Periodenlängen von zunächst 40.000, schließlich          ken auf charakteristischen Zeitskalen mehr oder
etwa 100.000 Jahren auf. Abb. 82 zeigt für die ver-      weniger periodisch (s. Abb. 84). So verändert sich
gangenen 450.000 Jahre vergrößert und detaillierter      die Exzentrizität der Ellipsenbahn der Erde um die
zu einem den in Eiskernen vermessenen Temperatur-        Sonne in einem der Bahn-Brennpunkte mit einer
verlauf (EPICA bzw. Vostok), veranschaulicht zum         typischen Periode von etwa 100.000 Jahren. Die
anderen anhand eines dritten, invertierten Graphen       Achsenneigung der Erde gegenüber ihrer Bewe-
das Ausmaß der jeweiligen Eisbedeckung.                  gungsebene, der Ekliptik, schwankt im Rhythmus
Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012                                                        17

von ca. 41.000 Jahren zwischen 21.5° und 24.5°, liegt     Kalt- und Warmzeit in den vergangenen Millionen
zur Zeit etwa bei 23,5°. Von den meisten Klima-           Jahren aber in etwa mit der Periode der Schwankun-
forschern wird die Existenz des uns so nahen, relativ     gen der Elliptizität der Erdbahn übereinstimmt, wird
großen Mondes für diese geringen Neigungsschwan-          heute immer noch heftig diskutiert.
kungen und damit auch für die im Vergleich zum
Mars relative Stabilität des Erdklimas verantwortlich
gemacht.
Die in etwa 24 Stunden um ihre schräg stehende
Achse rotierende Erde erfährt auf Grund des Gravita-
tionseinflusses der anderen Himmelskörper des
Sonnensystems eine zusätzliche kreiselartige Präzes-
sions-Bewegung. Die Ausrichtung ihrer Rotations-
achse in Bezug auf den Himmelshintergrund verän-
dert sich dabei mit einer gemittelten Periode von
26.000 Jahren. Darüber hinaus dreht sich die Lage
der Ellipsenbahn der Erde relativ zu den benachbar-
ten Fixsternen. Mit einer anderen Zeitskala kippt sie
mit möglicherweise ebenfalls klimarelevanten Aus-
wirkungen zusätzlich auch in Bezug auf die Haupt-
ebene des Planetensystems.

                                                          Abb. 85: Die Sonne im Frühjahr 2011
                                                          © SDO/HMI NASA/GSFC

                                                          Jeder Mensch weiß, dass sich ohne die Existenz der
                                                          Energie- und „Klima”-Quelle Sonne sowie ohne den
                                                          von ihr aufgespannten „magnetischen Schutzschirm“
                                                          auf einem Planeten wie der Erde Leben nie, bezie-
                                                          hungsweise wahrscheinlich nur in anderer Form hätte
                                                          entwickeln können. Natürlich hat die Sonne nach
                                                          Ausbildung des sie umgebenden Planetensystems auf
                                                          langen Zeitskalen starken Einfluss auf das Klimasys-
                                                          tem Erde genommen.
Abb. 84: Änderung der Erdbahnparameter nach               Das „Faint Young Sun Problem“, die Tatsache, dass
Milankowitch, © UCAR, U. v. Kusserow                      die Leuchtkraft der damals magnetisch sehr viel
Die rhythmisch sich in sehr vielfältiger Weise än-        aktiveren jungen Sonne bis zu 30 Prozent schwächer
dernde Lage der Erde und ihrer Achse in Bezug auf         war als heute, macht es den Wissenschaftlern immer
die Energie- und Strahlungsquelle Sonne hat so mit        noch schwierig zu erklären, wie sich über etwa 3,5
Sicherheit auch großen Einfluss auf das in der Erd-       Milliarden Jahren Leben auf der Erde kontinuierlich
atmosphäre ablaufende Klima. „Aus der Kaltzeit            und relativ ungestört hat entwickeln können. Konnte
gekreiselt“ ist die Überschrift eines kürzlich erschie-   ein verstärkter Treibhauseffekt, die stärkere magneti-
nenen Artikels (http://www.pro-physik.de/details/         sche Sonnenaktivität oder ein anderer bisher unbe-
news /1418839/Aus_der_Eiszeit_gekreiselt.html ), in       kannter Prozess verhindern, dass es in der Erdatmo-
dem neueste Forschungsergebnisse vorgestellt wer-         sphäre damals eigentlich viel zu kalt war?
den, die Aufschluss über die Gründe für den Über-         Die „Kleine Eiszeit“ war eine vom 15. bis 19. Jahr-
gang von einer Kalt- in eine Warmzeit geben.              hundert dauernde Periode auffallend kühlen Klimas
Danach führt eine konstruktive Überlagerung geeig-        auf der Erde. Innerhalb dieses Zeitraums, von 1645
neter Erdschiefe und Erdachsen-Präzession zu einer        bis 1715, war der magnetische Fluss auf der Sonne
verstärkten Sonneneinstrahlung in der von größeren        sehr gering. Nur einige wenige Sonnenflecken konn-
Landmassen bedeckten Nordhalbkugel der Erde,              ten auf unserem Heimatstern in diesem besonders
wodurch die Eiskappen an den Polen zu schmelzen           ausgeprägten und langanhaltenden Aktivitäts-
beginnen. Warum die Periode des Wechsels zwischen         minimum beobachtet werden.
Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
18                                                          Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012

Die in Baumringen vermessene Häufigkeit der durch
Einstrom hochenerge-tischer kosmischer Teilchen-
strahlung erzeugten radioaktiver Kohlenstoff-Isotope
war deutlich herabgesetzt. Die meisten der mit die-
sem Vorgang vertrauten Wissenschaftler gehen heute
davon aus, dass die geringe magnetische Aktivität auf
der Sonne Auslöser der in Europa und Asien beo-
bachteten Kälteperiode war (nähere Information
hierzu siehe unter [109]). In Zeiten aktiver, unter
anderem durch große Fleckengruppenhäufigkeit
gekennzeichneter Perioden, sollte es demnach auf der
Erde, zumindest global gesehen, umgekehrt eher
wärmer sein. Tat-sächlich schwankt aber heutzutage
(das muss nicht immer so gewesen sein!) die durch
die sogenannte Solarkonstante gekennzeichnete
eingestrahlte Sonnenenergie (summiert über alle
Wellenlängenbereiche      des    elektromagnetischen
                                                         Abb. 86: Die magnetische Sonne im UV-Licht
Spektralbereiches) nur um etwa 0,1 Prozentpunkte         © SDO/AIA NASA/GSFC, 201
zwischen dem Maximum und Minimum des gemittelt
etwa 11-jährigen Aktivitätszyklus der Sonne.             Während die Gesamtleuchtkraft der Sonne im ver-
Viele Klimaforscher glauben angesichts dieses viel       gangenen Jahrhundert tatsächlich nur wenig schwan-
zu kleinen Schwankungswertes nicht an einen we-          kte, kann sich die Energieausstrahlung im Bereich
sentlichen Einfluss der Sonne auf das Erdklima,          des ultravioletten Spektrums vom Minimum zum
zumindest nicht auf relativ kurzen Zeitskalen von        Maximum sogar Verdoppeln, die Röntgenstrahlung
etwa 100 Jahren. Wenn dennoch einige Wissen-             um das Hundertfache ansteigen. Die im Dezember
schaftler heute von einem merklichen, bis zu 30%         2011 veröffentlichte Abb. 86 veranschaulicht die
betragenden Einflusses solarer Prozesse auf das          Überlagerung von drei im ultravioletten Bereich
Erdklima sprechen, wie genau soll dies „gelingen“?       erstellten Filtergrammen mit den durch Berechnung
Haben Wissenschaftler vielleicht doch Recht, wenn        aus so genannten Magnetogrammen ermittelten
sie auf Grund einer aus Langzeit-Messdaten statis-       zugrundeliegenden Magnetfeldstrukturen. Welchen
tisch ermittelten negativen Korrelation zwischen der     Einfluss könnten die relativ starken Schwankungen
Länge eines Sonnenfleckenzyklus und der um eine          insbesondere der UV-Strahlung und des solaren
Zykluslänge verzögert resultierenden globalen Erd-       magnetischen Flusses auf das Erdklima nehmen?
temperatur darauf schließen, dass angesichts des
letzten besonders langen Aktivitätszyklus um 2020
mit besonders niedrigen Temperaturen zu rechnen ist
[110]? Haben wohlmöglich die Klimaforscher dann
doch Unrecht, die weitere bedrohliche „Klima-
katastrophen“ angesichts des ungehemmt zunehmen-
den Treibhausgas-Ausstoßes vorhersagen?
Die dunklen, breiträumig durchsetzten, von starken
Magnetfeldstrukturen verursachten Sonnenflecken
sind verständlicherweise eher ein deutliches Indiz für
eine Reduzierung die Sonnenausstrahlung (s. Abb.
85). Die in Zeiten des Sonnenfleckenmaximums aber
gleichzeitig vermehrt und in ihrer verstärkten Ge-
samtleuchtkraft dominierend auftretend, am Sonnen-
rand besonders ins Auge fallenden, global über alle      Abb. 87: Darstellung der atmosphärischen Konvektions-
Aktivitätsbereiche verteilten hellen Fackelgebiete       zellen und Jetströme, © NOAA
führen aber insgesamt doch zu einem geringen An-
stieg der Solarkonstanten während des Aktivitäts-        Die Sonne erwärmt die Erdatmosphäre insbesondere
maximums. An diesen punktförmig erscheinenden            in der Äquatorgegend. Warme Luftschichten steigen
Stellen blickt der Beobachter, durch die aus der         hier auf und breiten sich in Form der so genannten
Sonnenoberfläche austretenden schmaleren magneti-        Hadley-Zellen polwärts aus. Bei üblicherweise 30°
schen Flussröhren hindurch, tiefer in etwa 1000 Grad     geographischer Breite sinkt die inzwischen wieder
heißere Schichten der Photosphäre der Sonne.             abgekühlte Luft zurück zum Erdboden.
Die Sonne, das Erdklima und das Leben auf unserem Planeten
Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012                                                        19

Die Ferrel- und Polar-Zellen sind die sich bis zum        sich dadurch leichter ausbildenden, mit Sulfat-
Pol anschließenden Konvektionsströmungen. Sie und         partikeln etwa aus Flugzeugabgasen durchsetzten
die in der rotierenden Erdatmosphäre auftretenden         stratosphärischen Wolken werden dadurch auch ohne
Corioliskräfte treiben die so genannten (subtropi-        Einfluss des Menschen durch Fluorkohlenwasser-
schen beziehungsweise polaren) Jet-Ströme (Abb.           stoffe (FCKWs) leichter zerstört.
87). Heute weiß man, dass sich die polwärtige
Ausdehnung und Höhe insbesondere der Hadley-
Zellen in Abhängigkeit von der Sonnenaktivität und
den durch die solare UV-Strahlung beeinflussten,
höherliegenden stratosphärischen Winden der
Erdatmosphäre relativ stark verändern und diese
Tatsache deutlichen Einfluss auf die besonders
klimawirksamen Jet-Ströme nimmt.

                                                          Abb. 89: Jasper Kirgby, Leiter des CLOUD-Projektes bei
                                                          CERN, © CLOUD/CERN
                                                          Mitarbeiter des in Teil 5 dieser Artikelserie bereits
                                                          beschriebenen, von Jasper KIRGBY (Abb. 89) bei
                                                          CERN in der Schweiz geleiteten CLOUD-Experi-
                                                          ments (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) über den
                                                          Einfluss kosmischer Strahlung aus dem fernen Uni-
                                                          versum auf die Wolkenbildungsprozesse (und damit
                                                          auch auf das Klima unserem Planeten) haben jetzt
                                                          erste aufschlussreiche Ergebnisse veröffentlicht.
Abb. 88: Darstellung der Entwicklung der atmosphäri-      Nach den kritisch debattierten Worten des deutschen
schen Ozonschicht, © Chemical Sciences Division (CSD)     Generaldirektors vom CERN, wonach der CLOUD-
                                                          Team Report hinsichtlich des Klimawandels unbe-
Die solare UV-Strahlung ionisiert die zweiatomigen        dingt „politisch korrekt“ auszufallen habe, wurde in
Sauerstoffmoleküle (O2) in der oberhalb der Tropo-        einem Artikel im bekannten Wissenschaftsjournal
sphäre gelegenen Stratosphäre. Durch Anlagerung           „nature“ [112] von 64 beteiligten Forschern immer-
der dabei entstandenen Sauerstoff-Atome an weitere        hin herausgestellt, dass die durch hochenergetische
O2-Moleküle entsteht die das Leben auf unserem            Strahlung aus dem CERN-Beschleuniger in der
Planeten vor der gesundheitsgefährdenden UV-              „Klimakammer“ des Experiments erzeugten Ionen
Strahlung der Sonne schützende stratosphärische           die Nukleationsrate (die Anzahl der zur Ausbildung
Ozonschicht. Wenn sich die UV-Strahlung im Laufe          späterer Wolkenstrukturen notwendigen Kondensati-
des solaren Aktivitätszyklus, insbesondere auch nach      onsteilchen) deutlich und bei plötzlicher Erhöhung
solaren Eruptionen, stark verändert, hat dies deutliche   auch abrupt ansteigen lassen (s. Abb. 90).
Auswirkungen auf die Dicke und damit auch die
Schutzfunktion der Ozonschicht. Bei allzu hoher UV-
Belastung könnten so beispielsweise Algenflächen in
den Weltmeeren zerstört werden, so dass sich deren
mögliche Aufnahmefähigkeit für das CO2-Treibhaus-
gas mit Folgen für das Erdklima deutlich verringern
würde.
In diesem Jahr hat es übrigens umgekehrt ein „Arkti-
sches Rekord-Ozonloch dank Klimawandel“ gegeben
[111]. Wissenschaftler erklären dies damit, dass sich
die Stratosphäre auf Grund der verstärkten Rück-
strahlung der von der Erdoberfläche ausgesandten          Abb. 90: Anstieg der Partikeldichte im CLOUD-
Wärmestrahlung durch den anthropogenen Treib-             Experiment bei Strahlungsbelastung
hauseffektes stark abkühlt. Ozonmoleküle auf den          © Jasper Kirgby/CLOUD, nature online
20                                                          Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012

Als vorrangig wichtigstes Ergebnis des Experiments       Wirkungselementen zusammengesetzten nichtlinea-
wird in diesem Artikel aber die große Bedeutung der      ren Klimasystem mehr oder wenig regelmäßige oder
Schwefelsäure- und Wasserkonzentrationen sowie           plötzliche, unvorhergesehene Umbrüche hervorrufen.
der Einfluss der Temperaturverhältnisse für die          Gilt dies beispielsweise auch für das El Niño/La Niña
Wolkenbildungstendenz hervorgehoben. Über den            Phänomen und die Nordatlantischen Oszillationen?
Fortgang des Experiments und als Resumee in einem        Oder hat unserer früheres, verstorbenes Vereinsmit-
anderen Artikel mit der Überschrift „Beeinflussen        glied Dr. Theodor LANDSCHEIDT Recht, wenn er
kosmische Strahlen das Klima?“[113] heißt es hoff-       diese in bestimmten Rhythmen auftretenden anoma-
nungsvoll aber dann auch wieder übervorsichtig:          len Erwärmungen und Abkühlungen von Meeres-
„Mit großer Spannung werden auch die in der Kam-         strömungen nach Untersuchungen im seinem priva-
mer möglichen und geplanten Experimente zur direk-       ten, so genannten Schroeter-Institut in Kanada (unter
ten Wechselwirkung von ionisierender Strahlung und       anderem auch für die NASA) vor mehr als zehn
elektrischen Feldern mit Wolkentröpfchen und Eis-        Jahren eher dem externen Einfluss der Sonne zuwies
partikeln erwartet. Von übereilten Schlussfolgerun-      [114]?
gen in Bezug auf das Erdklima sollten wir jedoch         Neben den natürlichen und dem Klimasystem selbst
absehen.“ Welcher Wissenschaftler kann uns heute         innewohnenden Einflussfaktoren wird in den vergan-
eigentlich wirklich genau sagen, wie die so klima-       genen Jahrzehnten von vielen Wissenschaftlern mit
relevanten Wolken entstehen? Es bleibt in diesem         Recht die negative Bedeutung der vom Menschen
Zusammenhang weiterhin die ernsthaft zu stellende        verursachten anthropogenen Einwirkungen auf unser
Frage nach der Rolle der geladenen kosmischen            Klima hervorgehoben. Wir haben die Zusammenset-
Strahlung zu beantworten. Inwieweit übernimmt            zung und Eigenschaften verschiedener Schichten
dann auch das durch die Intensität der Sonnenaktivi-     unser Atmosphäre in unverantwortlicher Weise und
tät geprägte interplanetare Magnetfeld unseres Son-      in einer im Vergleich zum Alter unseres Planeten
nensystem sowie das „im Weltraumwetter geschüttel-       unglaublich kurzen Zeit deutlich verändert. Während
te“ Erdmagnetfeld durch Steuerung des Einstroms          beispielsweise der CO2-Gehalt sehr deutlich anstieg,
hochenergetischer Partikel in die verschiedenen          reduzierte sich gleichzeitig der Sauerstoff-Gehalt
Schichten der Erdatmosphäre Einfluss auf das Erd-        [115]. Wir pusten ständig große Mengen von Schad-
klima?                                                   stoffen und Aerosolen in die Luft. Durch den zuneh-
                                                         menden Treibhauseffekt dehnt sich sogar die Tropo-
Kritisches Resümee und Ausblick                          sphäre in einem Jahrzehnt zur Zeit um etwa 200m
Die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt            nach oben in Richtung Stratosphäre aus. Durch
sollten deutlich machen, dass verschiedenartige astro-   verstärkten CO2-Eintrag versauern aber auch die
physikalische Prozesse, zumindest auf längeren           Meere mit verheerenden Folgen nicht nur für diesen
Zeitskalen, wesentlichen Einfluss auf das Erdklima       Lebensraum. Noch viel schlimmer: Wir vermüllen
nehmen können. Man denke in diesem Zusammen-             und verunstalten nacheinander alle der in Abb. 77
hang auch an die fatalen Folgen des zwar seltenen,       dargestellten Bereiche unseres Planeten. Und vor
aber immer wieder auch möglichen Einsturzes von          allem ... wie sollen sich die Verhältnisse einmal
Asteroiden- oder Kometenbruchstücke auf die Erd-         verbessern können, wenn die Weltbevölkerung und
oberfläche (natürlich nicht nur) für das Klima auf       ihre Bedürfnisse stetig weiter wachsen?
unserem Planeten. Mit ihrem aktuellen ”Living with
a Star“ (LWS)-Programm (gemeint ist das „Leben
mit der Sonne“) will die NASA neben dem bereits
erfolgreich arbeitenden Sonnen-Satelliten Solar
Dynamics Observatory (SDO) weitere Satelliten in
den erdnahen Weltraum schicken, Forschungsprojek-
te starten, die im Rahmen der Heliophysik unter
anderem auch das Weltraum-Wetter/Klima und das
„Klima“ auf der Erde und anderen Planeten und
Monden erforschen sollen.
Weitere natürliche, geophysikalische Verursacher
von teilweise drastischen Klimaschwankungen auf
ganz unterschiedlichen Zeitskalen waren in der
Vergangenheit immer wieder auch Kontinentalver-
schiebungen, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Dar-          Abb. 91: Darstellung der von Michael Succow aufgezeig-
über hinaus könnten auch interne Instabilitäten in       ten kritischen historischen Entwicklung
unserem vielschichtigen, komplexen, aus so vielen        © U. v. Kusserow
Nachrichten der Olbers-Gesellschaft 236 • Januar 2012                                                      21

In Anlehnung an eine Einschätzung des 1997 für           climate“, Solomon M Hsiang et al., Nature, Vol 476,
seine Bemühungen um das Weltnaturerbe mit dem            25. August 2011
Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Professors       [104] “Kampf gegen die Erderwärmung: Helfen
Michael SUCCOW, soll Abbildung 91 die möglichen          Riesenspiegel im All?”, Norbert Pfeifer, Weser-
fatalen Folgen des weltweit anhaltenden Wachstums-       Kurier, 8. Dezember 2011
bestrebens in so vielen Lebensbereichen auf unserem      [105] „Die verrücktesten Ideen, die Welt zu retten“,
Planeten überdeutlich machen. Die Grafik veran-          Michael Odenwald, natur+kosmos 07/2008
schaulicht, über einem Zeitpfeil dargestellt, zugleich   [106] „Aufbruch oder Stagnation? – Klimapolitik am
das Wachstum der Weltbevölkerung sowie die zu-           Scheideweg“, Germanwatch, Weitblick-Zeitung für
nehmende Beschwerlichkeit, den Anstieg der Erfor-        eine globale gerechte und zukunftsfähige Politik,
dernisse, das Leben auf unserem Planeten noch            4/2011-11-28
befriedigend zu organisieren.                            [107] „UN-Klimakonferenz: Fortschritte sind mög-
Zwar hat die Zahl der in dem Gesellschafts-Waggon        lich, einen Durchbruch wird es kaum geben - Mit
gesammelten technischen Errungenschaften im Laufe        Trippelschritten zum großen Ziel”, Weser-Kurier,
der Zeit deutlich zugenommen, quillt am Ende sogar       Bremen 27.11.2011
fast schon über. Aber angesichts der zunehmenden         [108]„Wachstum ohne Grenzen“, Jana Petersen,
Erfordernisse, diesen immer schwereren Waggon in         Bernhard Pötter und Stefanie Weber, taz: Die Sonn-
unübersichtlicher und chaotischer Weise von immer        taz, 26./27. November 2011
mehr Menschen zum Gipfel des immer steiler anstei-       [109] „Vermisste Sonnenflecken“, Ulrich v. Kusse-
genden Berges zu stemmen, droht irgendwann ganz          row, Nachrichten der Olbers-Gesellschaft , Teil 1-3,
offensichtlich der Kollaps und ein Absturz zurück ins    Juli und Oktober 2009, Januar 2010 und im Internet
Tal! Warum wollten wir dabei eigentlich welchen          unter
Gipfel erreichen? Man beachte: im Laufe der Ent-         http://uvkusserow.magix.net/website/artikel.4.html#
wicklung wurde auch Raubbau an der Biosphäre             Artikel
betrieben. Es sind gar nicht mehr genügend Pflanzen      [110] ”Solar Activity and Svalbard temperatures”,
und Bäume vorhanden, um Menschen mit ihren               Jan-Erik      Solheim      et    al.,   siehe   unter
Früchten zu ernähren!                                    http://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1112/1112.3256.pdf
„Wachstum über alles“ kann nicht die Zielsetzung         [111] ”Unprecedented Arctic ozone loss in 2011”
zur     Erhaltung     menschenwürdiger        Lebens-    Gloria L. Manney, et al., Nature, Vol 478, 2. Oktober
bedingungen für unsere Kinder auf diesem Planeten        2011
sein. Im folgenden Artikel dieser Serie soll deshalb     [112] “Role of sulpuric acid, ammonia and galactic
eine Fülle von Vorschlägen vorgestellt werden, die       cosmic ray in atmsopheric aerosol nucleation”, Jasper
ein mögliches „Burn-Out“ für uns Menschen verhin-        Kirgby et al., Nature 476 19011
dert könnte. Das Klimaproblem stellt in diesem           [113] „Beeinflussen kosmische Strahlen das Klima?“,
Zusammenhang sicherlich nur eines der zu lösenden        Thomas Leisner und Thomas Peter, Physik Journal
großen Umweltprobleme dar.                               10/2011
Wir können nur geringen Einfluss auf die natürlich       [114] ”Solar Activity Controls El Niño and La Niña“
oder vom chaotischen Klimasystem selbst verursach-       Theodor Landscheidt, siehe im Internet unter
ten und für uns unguten Klimaveränderungen neh-          http://www.john-daly.com/sun-enso/sun-enso.htm
men, sehr wohl aber auf die überdeutlich anthropo-       [115] „CO2 und der Klimawandel“, Martin Heimann
genen Anteile. Nur wirklich verantwortungsvolles         und Christian-Dietrich Schönwiese, in: Chemie über
und beharrliches Handeln vieler Menschen, nicht nur      den Wolken ... und darunter, Reinhard Zellner und
der Politiker und Wissenschaftler, kann eine befriedi-   GDC (Hrsg), WILEY-VCH Verlag GmbH&Co.
gende Lösung der Probleme herbeiführen.                  KgaA, Weinheim 2011

Literaturhinweise                                        (Fortsetzung folgt)
[100] „Wege zu einem nachhaltigen Leben“, Jürgen
Wendler, Weser-Kurier Bremen, 22. November 2011          Anmerkung: Am Mittwoch, den 22. Februar 2012
[101] „Klimaforscher: Kein Wachstum auf Kosten           um 19.30 Uhr hält der Autor dieses Artikels den im
der Umwelt“, Jürgen Wendler, Weser-Kurier,               Text angekündigten Vortrag zum Thema
5. Dezember 2011
[102] „Mit dem Klima verändert sich das Leben“,                 „Astrophysik und das Erdklima“
Jürgen Wendler, Weser-Kurier Bremen,
9. Dezember 2011                                         auch im Bremer Olbers-Planetarium.
[103] „Civil conflicts are associated with the global
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