Die transatlantischen Beziehungen erneuern, den Westen in Zeiten des Wandels zusammenhalten

Die Seite wird erstellt Hannes Heinze
 
WEITER LESEN
17.11.2020

Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag
Die transatlantischen Beziehungen erneuern, den
Westen in Zeiten des Wandels zusammenhalten

Die Wahl von Joe Biden zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von
Amerika ist die große Chance, die transatlantischen Beziehungen für das
kommende Jahrzehnt zu erneuern. Die Fraktion der Freien Demokraten ist
überzeugt, dass Deutschland und die Europäischen Union diese Chance nutzen
müssen. Der Atlantik ist spürbar breiter geworden unter Donald Trump. Doch in
einer Zeit, in der autoritäre Staaten erstarken und die Demokratie weltweit in
die Defensive gerät, bedarf es einer besonderen Kraftanstrengung, um die
westliche Staatengemeinschaft zusammenzuhalten. Echte Antworten auf
globale Herausforderungen wie Klimawandel, Atomwaffenkontrolle oder
Pandemien erfordern die USA am Verhandlungstisch – auch das ist eine Lehre
der Trump-Jahre. Wir als Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass das
Engagement der USA in internationalen Organisationen und als Garant für die
liberale Weltordnung auch in ihrem eigenen Interesse liegt. Aber Deutschland
und die EU müssen die in Teilen berechtigten Kritikpunkte der USA an der
Funktions- und Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen und
multilateraler Kooperationsformate auch ernst nehmen. Joe Biden hat bereits
angekündigt, dass als eine seiner ersten Amtshandlungen die USA wieder dem
Pariser Klimaabkommen beitreten. Das begrüßen wir ausdrücklich, doch wissen
wir auch, dass die Biden-Administration den außenpolitischen Kurs der USA
der letzten vier Jahre nicht durch einen Druck auf den Reset-Knopf ungeschehen
machen kann.
Deutschland und Europa müssen bereit sein, einen Beitrag zur Sicherung von
Frieden und Stabilität in unseren Nachbarregionen und in der Welt zu leisten.
Zu lange haben wir uns vor allem auf die USA verlassen, die diese
Verantwortung über Jahrzehnte auch geschultert haben. Für dieses
Ungleichgewicht schwindet in der US-amerikanischen Gesellschaft der Rückhalt
und zwar auf beiden Seiten des politischen Spektrums, auch bei den
Demokraten. Deutschland braucht deshalb eine echte Amerikastrategie, die wir
in enger Abstimmung mit unseren europäischen Partnern vorantreiben müssen:
Wir müssen den Dialog mit den Vereinigten Staaten auf allen Ebenen
intensivieren, die transatlantischen Handelsbeziehungen vertiefen, die
europäische Handlungsfähigkeit sowie den Zusammenhalt der NATO stärken
und so dazu beitragen, die besonderen Beziehungen zwischen Europa und
den USA auf eine Grundlage zu stellen, die den aktuellen geopolitischen
Umbrüchen Rechnung trägt. Die Erfahrung mit US-Präsident Trump sollte uns in
Europa eine Warnung gewesen sein, die Freundschaft mit den USA nicht als
Selbstverständlichkeit anzusehen. Deutschland und Europa müssen in den
kommenden Jahren mehr in die Beziehungen zu Amerika investieren. Die
transatlantische Partnerschaft im 21. Jahrhundert muss eine wirkliche
Partnerschaft werden, wenn sie Bestand haben soll. Für die Freien Demokraten
ist klar: An einer Freundschaft müssen beide Seiten arbeiten.

1. Amerika besser verstehen - Den Dialog mit den USA auf allen
Ebenen intensivieren
Die Amtszeit Donald Trumps war von einer zunehmenden Sprachlosigkeit in
den deutsch-amerikanischen Beziehungen geprägt. In Berlin war – oftmals
zurecht - eine wachsende Entfremdung gegenüber der Trump-Administration
und ihrer „America First“-Politik spürbar. Deutschland darf nicht übersehen,
dass auch in dieser Präsidentschaftswahl über 70 Millionen US-Bürger für
Donald Trump und seine Politik gestimmt haben. Trumps politische Ideen, seine
politischen Unterstützer und seine Anhänger werden nicht einfach am 20.
Januar 2021 verschwinden, wenn Joe Biden sein Amt antritt. Die Wahl Joe
Bidens bietet für Deutschland in den kommenden Jahren die Möglichkeit,
Austausch und Dialog auf allen Ebenen der transatlantischen Beziehungen zu
vertiefen. Wir müssen unsere us-amerikanischen Verbündeten besser verstehen
lernen, damit die Gesprächsfäden über den Atlantik für die Zukunft stark genug
sind – unabhängig davon, wer im Weißen Haus regiert.
Dialog auf allen Ebenen vertiefen: Wir Freie Demokraten wollen, dass
Deutschland den Dialog auf allen Ebenen des politischen Washingtons vertieft -
zu Demokraten und Republikanern. Die Bundesregierung sollte der Biden-
Administration noch im Januar 2021 regelmäßige Regierungskonsultationen
anbieten, wie sie mit anderen Ländern wie Frankreich, Spanien, Indien,
Brasilien oder China bereits existieren. Gleichzeitig sollten die
parlamentarischen Kontakte zwischen dem Deutschen Bundestag und dem
Kongress der Vereinigten Staaten intensiviert werden, der Dialog zwischen
Entscheidungsträgern in Bundesstaaten und Bundesländern gestärkt werden.
Denn die Vereinigten Staaten bestehen nicht nur aus Ost- oder Westküste. Um
die Entwicklungen in den USA besser zu verstehen, wollen wir, dass die
Bundesregierung ein weiteres Generalkonsulat im Mittleren Westen,
beispielsweise in Kansas City oder St. Louis, einrichtet.
Kulturellen und akademischen Austausch stärken: Die letzten vier
Jahre haben aber auch gezeigt, dass es enge gesellschaftliche Beziehungen
sowie einen regen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen
Austausch zwischen Deutschland und Amerika gibt, die die deutsch-
amerikanische Partnerschaft über die politische Ebene hinaus stabilisieren. In
diese starken Bande zwischen unseren Gesellschaften müssen wir weiter
investieren. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die Bundesregierung in
Washington die Durchführung eines Amerikajahrs in der Bundesrepublik
anregt, nach dem Vorbild des Deutschlandjahres in den USA. Auf
akademischer Ebene müssen neben dem universitären Austausch auch die seit
                                                                            2
Jahren rückläufigen Schüleraustausche durch neue Initiativen und die Stärkung
des Koordinators für die deutsch-amerikanische zwischengesellschaftliche
Kooperation intensiviert werden. Akteuren wie dem Goethe-Institut und anderen
Institutionen, die den kulturellen Austausch zwischen unseren Ländern fördern,
kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Deshalb sollte die Bundesregierung
Goethe-Institute gerade auch im Mittleren Westen und im industriellen Norden
der USA ansiedeln.
Als eine ihrer letzten Maßnahmen schlug die Trump-Administration vor, die
Aufenthaltsdauer ausländischer Korrespondenten in den USA auf maximal 480
Tage massiv einzuschränken. Die praktischen Konsequenzen für USA-
Korrespondenten wären dramatisch. Umfassende Presseberichterstattung,
Dokumentationen und Kommentare über politische, wirtschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklungen in den USA sind für viele Länder, die enge
Beziehungen zu den USA unterhalten, aber unentbehrlich. Wir erwarten daher,
dass eine solche Verkürzung nicht erfolgt und falls doch, dass sie von einer
Biden-Administration schnellstmöglich zurückgenommen wird, um freie und gut
informierte Berichterstattung auch weiterhin zu ermöglichen.
Unsere Forderungen:
 • Wir wollen, dass die Bundesregierung der neuen Biden-Administration
   noch im Januar die Aufnahme von deutsch-amerikanischen
   Regierungskonsultationen anbietet.
 • Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland den Dialog auf allen Ebenen
   des politischen Washingtons vertieft - zu Demokraten und Republikanern.
 • Wir fordern die Einrichtung eines weiteren Generalkonsulats im Mittleren
   Westen
 • Wir schlagen vor, ein Amerikajahr in Deutschland durchzuführen, nach
   dem Vorbild des Deutschlandjahrs in den USA.
 • Wir setzen uns für ungehinderte und umfassende Presseberichterstattung
   aus den USA ein.

2. Transatlantische Handelspolitik aus der Eiszeit führen - Die
wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA vertiefen
Trumps Administration hat vermutlich den größten Richtungswechsel in der US-
Handelspolitik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchgeführt. Als US-
Präsident hat Trump die US-amerikanischen Handelsbeziehungen zum
Instrument seiner populistischen "America First"-Politik gemacht. Die
Handelskonflikte haben politisch von wirtschaftlichen Strukturproblemen in den
USA abgelenkt. Ökonomisch profitieren von Handelsstreitigkeiten weder die
USA noch die EU.
Auch wenn Joe Biden alles andere als ein "Handelskrieger" im Sinne Trumps
ist, werden die USA ein schwieriger Partner in der Handelspolitik bleiben.
Auch in einer von den US-Demokraten geführten Administration wird es starke
Strömungen geben, die sich von protektionistischen Maßnahmen einen Schutz
von US-Arbeitsplätzen versprechen. Höhere Preise für Verbraucher und

                                                                              3
Wettbewerbsnachteile für andere Industriezweige sind politisch weniger
sichtbar. Positiv ist, dass Biden bereits angekündigt hat, auf die europäischen
Verbündeten zugehen zu wollen. Ein erster Testfall könnte die von Trump
gegenüber der EU verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium werden, die auch
Biden-Unterstützer befürworten. Unmittelbar wird jedoch die Zolleskalation im
Streit um Subventionen für Boeing und Airbus zur Nagelprobe. Gelingt es
Präsident Biden diesen jahrzehntealten Streit zu schlichten, wird das im
transatlantischen Verhältnis viel Vertrauen wiederherstellen.
Gemeinsame Interessen in der Handelspolitik identifizieren: Wir
Freie Demokraten wollen deshalb, dass Deutschland zusammen mit den
europäischen Partnern gemeinsame Interessen mit den USA in der
Handelspolitik identifiziert und gezielt Kompromisse sucht, um die
transatlantische Zusammenarbeit in der Wirtschaft aus der Eiszeit zu führen
und Planungssicherheit für deutsche und europäische Unternehmen zu schaffen.
Die Bundesregierung muss sich gemeinsam mit den europäischen Partnern für
ein Abkommen über die sofortige beidseitige Abschaffung aller Zölle auf
Industrieprodukte einsetzen. Auch wollen wir, dass mittelfristig die
Wiederaufnahme        von       Gesprächen      über     ein   umfassendes
Freihandelsabkommen wieder auf die transatlantische Agenda gesetzt wird.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie Partnerschaften zwischen
deutschen und US-amerikanischen Unternehmen weiter unterstützt und dabei
insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen stärker in den Blick
nimmt. Auch sollte die Bundesregierung den Fachkräfteaustausch zwischen
deutschen und US-amerikanischen Unternehmen durch Visa-Erleichterungen
vereinfachen.
WTO-Reform gemeinsam mit den USA vorantreiben: Neben den
bilateralen Handelsbeziehungen sollte für Deutschland und die EU oberstes Ziel
sein, die Funktionsfähigkeit der Welthandelsorganisation wieder herzustellen
und umgehend mit der neuen US-Regierung den Dialog aufzunehmen, damit
neue Richter für das WTO-Schiedsgericht benannt und so die Blockade des
wichtigen Streitschlichtungsinstruments der WTO gelöst werden kann. Auch
sollte die EU in enger Abstimmung mit der zukünftigen Biden-Administration
WTO-Reformen vorantreiben und sich für eine finanziell bessere Ausstattung
des Sekretariats der WTO einsetzen. Darüber hinaus sollten die EU gemeinsam
mit den USA darauf drängen, dass China endlich dem WTO-Abkommen über
das öffentliche Beschaffungswesen beitritt und bereits bestehende
Vereinbarungen im Rahmen der WTO vollständig erfüllt.
Unsere Forderungen:
 • Wir wollen ein Abkommen zur sofortigen Abschaffung aller Zölle für
   Industrieprodukte.
 • Wir setzen uns dafür ein, mittelfristig die Verhandlungen über
   Freihandelsabkommen mit den USA wiederzubeleben.
 • Wir erwarten, dass die Bundesregierung auf eine rasche
   Verhandlungslösung zur Abschaffung aller Zölle im Airbus-Boeing Streit

                                                                             4
drängt. Hierfür sind beidseitige Verpflichtungen zum Subventionsabbau
   notwendig.
 • Wir wollen, dass die EU gemeinsam mit den USA eine Reform der WTO
   vorantreibt.
 • Wir erwarten, dass die Bundesregierung gegenüber China auf Beitritt zum
   WTO-Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen drängt.
 • Wir wollen ein neues EU-USA Visa-Abkommen für einen reibungslosen
   wirtschaftlichen Austausch innerhalb und zwischen Unternehmen, sowie
   Forschungs- und Bildungseinrichtungen.

3. Für mehr europäische Handlungsfähigkeit in der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheits- sowie Entwicklungspolitik
Die Staatenwelt ist in einer Phase tektonischer Verschiebungen, doch in der
Amtszeit von Donald Trump ist die US-amerikanische Bereitschaft, wichtige
Entwicklungen und Entscheidungen gemeinsam mit den europäischen Partnern
zu beraten, fast völlig verschwunden. Europa erwartet, dass die
transatlantische Sprachlosigkeit unter Joe Biden der Vergangenheit angehört,
zumal die Corona-Pandemie bestimmte Entwicklungen verstärkt und
beschleunigt, die bereits zuvor ihre Schatten voraus warfen. Gleichzeitig darf
der Wechsel im Weißen Haus nicht bedeuten, dass Europa wieder in einen
außen- und sicherheitspolitischen Dornröschenschlaf fällt. Deutschland muss
gemeinsam mit den europäischen und internationalen Partnern mehr
Verantwortung übernehmen. Auch von einer Biden-Regierung ist kein
vollständiger Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik zu erwarten. Die
Frage der Lastenverteilung im transatlantischen Bündnis wird bleiben. Die USA
werden strategische Fragen mit Europa erst wieder gemeinsam beschließen,
wenn wir als ernstzunehmende Partner in Washington wahrgenommen
werden.
Europäische Handlungsfähigkeit stärken: Ein Europa, das international
handlungsfähig sein will, braucht deshalb eine Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP), die diesen Namen auch verdient. Die Abschaffung
des Prinzips der Einstimmigkeit im Ministerrat ist überfällig. Der Hohe Vertreter
der EU für Außen- und Sicherheitspolitik muss befähigt werden als vollwertiger
„EU-Außenminister“ auftreten zu können. Wir Freie Demokraten sind
überzeugt, dass die EU hierfür nach außen mit einer Stimme sprechen muss.
Auch sollte die EU sich gegenüber den USA und den Vereinten Nationen (VN)
dafür einsetzen, dass der Hohe Vertreter ein eigenes Rederecht bei der
Generalversammlung der Vereinten Nationen erhält. Insgesamt fordern wir,
dass die Bundesregierung eine Initiative ergreift, um das Amt des Hohen
Vertreters und den Europäischen Auswärtigen Dienst nachhaltig zu stärken
(siehe auch: Handlungsfähigkeit der europäischen Außenpolitik verbessern -
Rolle der Hohen Vertreterin und des EAD stärken). Gleichzeitig muss Europa
selbst seine Entwicklungszusammenarbeit auf ein neues, gemeinsames
Fundament stellen. Die bestehende Vielstimmigkeit aus 27 national gesteuerten
Konzepten zur Entwicklungszusammenarbeit hemmt die strategische

                                                                               5
Unabhängigkeit sowie den Einfluss der EU in Entwicklungsländern massiv und
schränkt   den      tatsächlichen  Handlungsspielraum     des    westlichen
Wertebündnisses dramatisch ein. Fehlende Kohärenz und Koordinierung öffnen
hingegen anderen Akteuren Einflussmöglichkeiten, die in Entwicklungsländer
selten zu Freiheit, der Achtung von Menschenrechten sowie nachhaltiger
Entwicklung führen. Die EU und die USA müssen gerade hier gemeinsame
Strategien entwickeln, um global zunehmenden autokratischen und
menschenrechtsfeindlichen Tendenzen gemeinsam entgegenzuwirken.
Europäische Verteidigungsunion vorantreiben: Gleichzeitig muss die
europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik vertieft und der Aufbau einer
europäischen Verteidigungsunion als Zwischenschritt zu einer Europäischen
Armee       beschleunigt    werden;   dazu       gehört     eine    gemeinsame
Strategieentwicklung, gemeinsame Strukturen und eine gemeinsame
Streitkräfteplanung ebenso wie die schrittweise, engere Verzahnung der
gemeinsamen       Fähigkeiten   der   Streitkräfte   der     integrationswilligen
Mitgliedstaaten.
Unsere Forderungen:
 • Wir setzen uns dafür ein, das Einstimmigkeitsprinzip in der Gemeinsamen
   Außen- und Sicherheitspolitik abzuschaffen.
 • Wir wollen den Hohen Vertreter der EU und den Europäischen
   Auswärtigen Dienst (EAD) stärken.
 • Wir fordern eine gemeinsame und kohärente EU-Entwicklungspolitik in
   Abstimmung mit unseren amerikanischen Partner, um Entwicklungsländern
   weltweit Alternativen zur Unterstützung durch autokratische Regimes zu
   bieten.
 • Wir machen uns für die europäische Verteidigungsunion stark und wollen
   langfristig den Aufbau einer Europäischen Armee.

4. Chance zur Stärkung der NATO nutzen – Strategisches Konzept
erneuern
Die NATO ist als transatlantisches Sicherheitsbündnis unverzichtbar. Den
komplexen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21.
Jahrhunderts kann Deutschland nur gemeinsam mit seinen Partnern in einer
starken Allianz begegnen.
Für eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO: Eine Stärkung der
gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann für uns
als Freie Demokraten deshalb immer nur der Stärkung des europäischen
Pfeilers in der NATO dienen. Eine Konkurrenz zwischen den europäischen und
atlantischen Sicherheitsinstitutionen lehnen wir ab.
Strategisches Konzept erneuern: Wir erwarten von der Bundesregierung,
dass Deutschland und die europäischen Partner die Chance zur Erneuerung
und Stärkung des politischen und militärischen Bündnisses mit den USA nutzen.
Die Bundesregierung sollte sich gegenüber den USA und den Bündnispartnern

                                                                               6
dafür einsetzen, dass NATO-Generalsekretär Stoltenberg umgehend mit dem
Auftrag zur Erarbeitung eines neuen Strategischen Konzepts der NATO
beauftragt wird, das den neuen Herausforderungen im Nahen Osten ebenso
Rechnung trägt wie den Spannungen im Indo-Pazifik und gemeinsame
Antworten      auf     hybride      Bedrohungen,   Cyberangriffe     und      die
sicherheitspolitischen Herausforderungen des Klimawandels findet. Das letzte
Dokument stammt aus dem Jahr 2010 und ist damit außen- und
sicherheitspolitisch längst veraltet. NATO-Generalsekretär Stoltenberg selbst hat
bereits im Oktober 2020 angemahnt, das Strategische Konzept zu erneuern.
Drei Prozent für Frieden, Entwicklung und Sicherheit: Zur Stärkung
der NATO wird es aber nicht ausreichen, allein die Strategiedokumente des
Bündnisses zu erneuern. Die Erwartung Washingtons, dass die europäischen
Bündnispartner und insbesondere Deutschland ihre Verpflichtungen aus den
NATO-Beschlüssen aus Wales und Warschau erfüllen, wird auch unter dem
zukünftigen Präsidenten Biden fortbestehen. Wenn wir die NATO dauerhaft
stärken wollen, darf Europa von unseren US-amerikanischen Partnern nicht
länger als ein Trittbrettfahrer im westlichen Verteidigungsbündnis
wahrgenommen werden. Die europäischen Partner müssen die Sorgen der
USA über die Entwicklung besonders im pazifischen Raum ernst zu nehmen.
Europa muss einen größeren Beitrag für Sicherheit und Stabilität in der eigenen
Nachbarschaft leisten und mehr Verantwortung in der NATO übernehmen -
auch finanziell. Diese Forderung hat nicht erst Donald Trump, sondern haben
bereits seine demokratischen Amtsvorgänger Clinton und Obama erhoben -
auch Biden wird an dieser Forderung festhalten. Wir Freie Demokraten fordern
deshalb, dass Deutschland langfristig im Sinne eines vernetzten Ansatzes drei
Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in internationale Sicherheit (3D –
diplomacy, development and defense) investiert, so seine in der NATO
eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, seine Entwicklungspolitik verstetigt und
seine Diplomatie stärkt.
Unsere Forderungen:
 • Wir wollen den europäischen Pfeiler in der NATO stärken.
 • Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie sich in der NATO für eine
   Erneuerung des Strategischen Konzepts einsetzt.
 • Deutschland muss seine Verpflichtungen in der NATO erfüllen und
   langfristig drei Prozent des BIP in internationale Sicherheit investieren.

5. Die westliche Wertegemeinschaft im Systemwettbewerb mit
China zusammenhalten
Der Aufstieg Chinas fordert die EU und ihre internationalen Partner
wirtschaftlich, technologisch, gesellschaftlich und geopolitisch heraus. Der
Systemwettbewerb zwischen den USA und China wird zur bestimmenden
Machtkonstellation in der internationalen Politik und wird auch für die EU
weitreichende Folgen haben.

                                                                               7
Für einen EU-US-Strategiedialog zu China: Deutschland muss sich für
einen intensiven Dialog Europas mit den Vereinigten Staaten über den Umgang
mit der chinesischen Politik und ihren Auswirkungen einsetzen. Wir Freie
Demokraten fordern deshalb, die Einrichtung eines regelmäßigen europäisch-
amerikanischen Strategiedialogs zu China und der Indo-Pazifik-Region auf
Ministerebene. Denn der strategische Zusammenhalt des Westens ist keine
Selbstverständlichkeit, umso härter muss daran gearbeitet werden. Wir
erwarten von der Bundesregierung, dass sie in den Beziehungen zu China eine
Zusammenarbeit auf Augenhöhe anstrebt und wissen, dass das nur im
europäischen Schulterschluss möglich ist. Wir setzen darauf, die
Zusammenarbeit mit China auszubauen wo es möglich ist und erwarten, dass
Meinungsunterschiede auf diplomatischer Ebene mit Nachdruck angesprochen
werden, wo es nötig ist. Gleichzeitig wollen wir, dass die deutsche
Außenpolitik ihren Blick auf Asien weitet und die Beziehungen zu solchen
Staaten vertieft, die anders als China Wertepartner sind. Besonders Japan,
Australien, Indien und die demokratischen ASEAN-Staaten gehören stärker in
den Fokus deutscher und europäischer Außenpolitik. Wir Freie Demokraten
setzen uns dafür ein, dass die EU insbesondere ihre wirtschaftlichen
Beziehungen zu den Staaten im Indo-Pazifik durch Freihandels- und
Investitionsschutzabkommen ausbaut und sich hierbei eng mit den US-
amerikanischen Partnern abstimmt.
Menschenrechte in enger Abstimmung mit USA einfordern: Die
Volksrepublik China stellt sich mit ihrem staatskapitalistischen und autoritären
Einparteiensystem als Gegenmodell zu den westlichen Demokratien dar und
hinterfragt offen die Freiheit des Individuum und die Menschenrechte
insgesamt. Zudem gibt das klar erkennbare militärische Machstreben Chinas
im Südchinesischen Meer und entlang der sogenannten „Belt and Road“-
Initiative ebenso Anlass zur Sorge wie das neue Sicherheitsgesetz in
Hongkong, mit dem Peking nicht nur die chinesisch-britische Erklärung de facto
bricht, sondern auch seinen Einfluss in der Sonderverwaltungszone so ausbaut,
dass die Menschen in Hongkong nicht mehr in Freiheit leben können.
Deutschland muss sich für eine enge Abstimmung der EU mit dem zukünftigen
US-Präsidenten Biden über den Umgang mit der chinesischen Politik in
Menschenrechtsfragen insgesamt, gegenüber religiösen und ethnischen
Minderheiten in China sowie gegenüber Wertepartnern wie Hongkong und
Taiwan einsetzen. Gleichzeitig darf Deutschland nicht zulassen, dass Formate
wie 17+1 den europäischen Zusammenhalt untergraben oder eine
schleichende Untergrabung der europäischen Wettbewerbsregeln hinnehmen.
Auch liegt es im Interesse der USA und der EU, wirtschaftlich schwächeren
Staaten in der europäischen Nachbarschaft oder in Afrika Alternativen zu den
chinesischen Infrastrukturprojekten und Wirtschaftskooperationen anzubieten,
um zu verhindern, dass diese Länder sich dauerhaft finanziell an China
binden.Dabei sollte die Achtung der Menschenrechte eine wichtige Rolle in der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit spielen.

                                                                              8
Unsere Forderungen:
  • Wir sehen im Systemwettbewerb der USA mit China auch für Europa die
    größte geopolitische Herausforderung unserer Zeit.
  • Wir wollen deshalb einen EU-US-Strategiedialog auf Ministerebene zu
    China und dem Indo-Pazifik einführen.
  • Wir wollen den deutschen und europäischen Einsatz für Menschenrechte
    eng mit den Vereinigten Staaten abstimmen.
  • Wir wollen zügige Konsultationen mit der Biden-Administration zu
    Hongkong und Taiwan, um eine gemeinsame Position des Westens zu
    entwickeln.

Ansprechpartner:
Alexander Graf Lambsdorff, stellv. FDP-Fraktionsvorsitzender
Telefon: 030 227 - 78360 – E-Mail: alexander.graflambsdorff@bundestag.de

                                                                           9
Sie können auch lesen