Die Vermögensteuer - Eine Wachstumsbremse für das deutsche Startup-Ökosystem: Existenzgefährdung, Abwanderung ins Ausland, weniger Investitionen ...
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Die Vermögensteuer – Eine Wachstumsbremse für das deutsche Startup-Ökosystem: Existenzgefährdung, Abwanderung ins Ausland, weniger Investitionen
Inhaltsverzeichnis Startups, ein Wachstumsmotor für Deutschland 2 Die Vermögensteuer, eine Antwort auf die Krise? 3 Vier Thesen zu den Folgen für das Startup-Ökosystem 7 Fazit 13 Executive Summary: Der deutsche Staat hat im Rahmen der Co- Ferner ist es nicht ungewöhnlich, dass Startups rona-Krise erhebliche finanzielle Mittel auf- initial hoch bewertet werden, aber letztlich gebracht, um die schwerwiegendsten Folgen trotzdem scheitern. Dementsprechend könnte für Gesellschaft und Wirtschaft einzudämmen. im Extremfall über Jahre hinweg Vermögensteu- Nicht zuletzt die Frage nach der Refinanzierung er anfallen, ohne dass weder das Startup noch entstandener Mehrausgaben hat zu einer be- die Gründer*innen Geld verdient hätten. schleunigten Diskussion rund um die Wiederein- führung der Vermögensteuer geführt. Welche Basierend auf einer Umfrage skizziert das vor- Auswirkungen hätte das für Startups? Anders liegende Papier die Folgen einer Vermögens- als bei etablierten Unternehmen bedeutet die besteuerung für Startups und beleuchtet, wie Vermögensbesteuerung für Startups eine Be- und in welcher Form eine Wiedereinführung der steuerung a) von Unternehmen, die noch hohe Vermögensteuer die allgemeine Gründungs- Verluste machen und von externen Investoren aktivität reduzieren, Startups in den Frühpha- abhängig sind, sowie b) von Gründer*innen, de- sen gefährden, Startups oder Neugründungen ren Vermögen aus ihrer Startup-Beteiligung bis ins Ausland verlagern und damit das deutsche zu einem etwaigen Verkauf nur auf dem Papier Startup-Ökosystem im internationalen Wettbe- existiert. Ein etabliertes Unternehmen könnte werb insgesamt schwächen würde. Und zugleich eine Vermögensteuer aus seinen Gewinnen und wird sehr klar: Startups wollen Verantwortung seine Gesellschafter aus Dividenden bezahlen. für unseren Staat übernehmen – neben den von Startup-Unternehmen hingegen müssten ver- ihnen ausgehenden dringend erforderlichen suchen, zusätzliches Geld von Investor*innen Modernisierungsimpulsen für Wirtschaft und einzuwerben, um damit die Vermögensteuer zu Verwaltung sind sie gewillt, mit einer fairen Be- bezahlen. Auch Startup-Gründer*innen selbst steuerung auch einen finanziellen Beitrag zur wären mehrheitlich kaum in der Lage, die an- Krisenbewältigung zu leisten. fallende zusätzliche Steuerlast zu begleichen. 1
Startups, ein Wachstumsmotor für Deutschland Startups haben in den vergangenen Jahren Die Politik hat in Reaktion auf die Corona-Pan- verändert, wie wir einkaufen, was wir essen, demie – wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg wie wir bezahlen und uns fortbewegen. Als – hohe Summen mobilisiert, um die entstan- unverzichtbare Innovationstreiber sind sie die denen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft bestimmende Wirtschaftskraft unserer Zukunft. aufzufangen. Dazu zählen auch Rettungsmaß- Das enorme Potenzial im deutschen Startup- nahmen, die sich speziell an Startups richten. Ökosystem unterstreichen u. a. der erfolgreiche Es stellt sich die Frage, wie die Mehrausgaben Börsengang von Auto1 im Februar 2021 und die aufseiten des Staates nachhaltig refinanziert Aufnahme von Delivery Hero in den DAX im Som- werden können. Neben dieser Refinanzierungs- mer 2020, aber auch die beiden Anbieter von frage ist auch die als ungleich empfundene COVID-19-Impfstoffen BioNTech und CureVac Vermögensverteilung in Deutschland Grundlage sind innovative Gründungen der vergangenen 25 für Überlegungen zur Wiedereinführung der Jahre. Startups stehen für Innovation und Digi- Vermögensteuer – also eine Form der Substanz- talisierung, für Agilität und Mobilität, für gesell- besteuerung. Nicht zuletzt diese Diskussion hat schaftlichen und sozialen Fortschritt. Attribute, der Bundesverband Deutsche Startups e. V. in die die jungen Unternehmen auch als Arbeitge- Zusammenarbeit mit Rödl & Partner zum Anlass bende besonders interessant machen – allein in genommen, um Gründer*innen und Investor*in- Berlin sind fast 100.000 Arbeitnehmer*innen in nen im Rahmen einer Umfrage zu den möglichen Startups beschäftigt.1 Folgen einer Wiedereinführung der Vermögen- steuer für das deutsche Startup-Ökosystem zu Während der Corona-Pandemie haben Startups befragen. An der Umfrage nahmen im Zeitraum zudem eindrucksvoll ihre entscheidende Rolle vom 27. November 2020 bis zum 6. Januar 2021 bei der Bewältigung von Krisen unter Beweis 206 Startup-Gründer*innen und 38 Investor*in- gestellt. Die Entwicklung eines wirksamen nen teil. Die Gründer*innen und Investor*innen Impfstoffes ist genauso das Arbeitsergebnis wurden über eine gezielte Ansprache im Netz- eines Startups, wie eine Vielzahl der so dringend werk und der Mitgliedschaft des Startup-Ver- benötigten digitalen Bildungsangebote und bands erreicht, sodass eine hohe Datenqualität Kommunikationsplattformen. Dennoch hat die in der Umfrage sichergestellt werden konnte.2 Pandemie – wie in fast allen Wirtschaftsberei- chen – auch für viele Startups zu erheblichen Auf dieser Basis fasst das vorliegende Thesen- Herausforderungen geführt. papier zusammen, welche Folgen eine Subs- tanzbesteuerung für das deutsche Startup-Öko- system hätte. 1) Vgl. , S. 29 ff. 2 2) Vgl. Homepage DIW: DIW Presse/DIW Glossar/Vermögensteuer.
Die Vermögensteuer, eine Antwort auf die Krise? Eine internationale Einordnung ihren Grundzügen zunächst kurz erläutert wer- den. Die Substanzbesteuerung setzt am Vermö- Auch wenn die Vermögensteuer schon seit gen einer Person (z. B. eines Gründers bzw. einer längerer Zeit diskutiert wurde, hat die Debatte Gründerin) oder eines Unternehmens (z. B. eines krisenbedingt zuletzt wieder an Fahrt auf- Startups) an, unabhängig von der Herkunft oder genommen. Die Wiedereinführung einer Ver- der Verwendung dieser Substanz. Sie existiert mögensbesteuerung in Deutschland muss aber bereits in Form der Grundsteuer (periodische immer auch im internationalen Kontext beurteilt Substanzsteuer), der Erbschaft- und Schen- werden. Die weit überwiegende Mehrheit der kungsteuer. Länder weltweit erhebt keine allgemeine (Net- to-)Vermögensteuer. Eine Ausnahme bilden z. B. Die Vermögensteuer soll hohe Vermögen fort- die Schweiz und Spanien, im Falle der Schweiz laufend besteuern und damit zur regulären allerdings verbunden mit deutlich reduzierten Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen. Ertragsteuertarifen. In allen weltweit führen- Demgegenüber wird die Vermögensabgabe ein- den Startup-Nationen wie z. B. den USA, China, malig auf den aktuellen Vermögensbestand zu Israel, Großbritannien, Frankreich, Schweden, einem Stichtag erhoben und ist auf die Deckung den Niederlanden und den Baltischen Staaten eines aus einer staatlichen Notlage resultieren- existiert hingegen keine – bzw. im Falle der USA den Finanzbedarfs ausgerichtet. Beide Steuern nur in sehr wenigen Bundesstaaten – Vermö- werden auf das Nettovermögen erhoben, also gensbesteuerung. Frankreich hat unter Emma- auf die steuerpflichtigen Vermögenswerte nuel Macron seine Vermögensteuer in eine reine (Grundvermögen, Finanzvermögen, Betriebsver- Immobiliensteuer umgewandelt. Dies knüpft mögen, Sonstiges Vermögen ohne gesetzliche an die Ambitionen Frankreichs an, führender oder gleichgestellte Altersversorgungsansprü- Startup-Standort in Europa zu sein. Insgesamt che und ohne üblichen Hausrat und persönliche ist der Anteil an Staaten mit einer regelmäßigen Gegenstände) abzüglich der Schulden, die auf Besteuerung des Nettovermögens rückläufig, dem steuerpflichtigen Vermögen liegen. Durch wohingegen die Besteuerung des unbewegli- Freibeträge soll ggf. sichergestellt sein, dass nur chen Vermögens zunimmt.3 hohe Vermögen belastet werden.4 Die Höhe des Freibetrages vermindert die steuerliche Bemes- sungsgrundlage für die Vermögensbesteuerung. Wie funktioniert Vermögens- In der Regel soll ein Freibetrag sicherstellen, dass die wirtschaftliche Grundlage der privaten besteuerung? Lebensführung nicht mit der Vermögensteuer belastet wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, Um die Wirkungen einer Substanzbesteuerung dass je nach Definition des Freibetrages durchaus und ihre Auswirkung auf Startups verständlich weite Teile des Privat- und Betriebsvermögens darzustellen, soll die Vermögensbesteuerung in einer Vermögensbesteuerung unterliegen können. 3) Vgl. , S. 29 ff. 3 4) Vgl. Homepage DIW: DIW Presse/DIW Glossar/Vermögensteuer.
Hintergrund: Substanzbesteuerung bei jungen Wachstumsunternehmen Startups sind junge Wachstumsunternehmen mit § 9 Abs. 2 BewG der Preis, der im gewöhnlichen einem meist innovativen, disruptiven und/oder Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des schnell skalierbaren Geschäftsmodell und auf Wirtschaftsgutes und unter Berücksichtigung al- starkes Wachstum ausgerichtet. Das Geschäfts- ler den Preis beeinflussenden Umstände bei einer modell muss sich am Markt erst noch durchsetzen Veräußerung zu erzielen wäre. und das Risiko des Scheiterns ist real.5 Startups verzeichnen typischerweise in den Anfangsjahren Bei börsennotierten Kapitalgesellschaftsanteilen (hohe) Verluste, es besteht daher keine Möglich- ist als gemeiner Wert der Aktienkurs maßgeblich. keit, Gewinne auszuschütten oder aus erwirt- Startups sind jedoch in den frühen Phasen nicht schafteten Gewinnen Steuern zu bezahlen. Für die an einer Börse notiert. Das Bewertungsgesetz Finanzierung des laufenden Geschäfts und des regelt bei nicht notierten Kapitalgesellschaftsan- Wachstums ist Kapital externer Investoren erfor- teilen zur Bestimmung des gemeinen Wertes eine derlich. Bankenfinanzierungen sind vor dem Hin- Verfahrenshierarchie. Danach ist der gemeine tergrund des noch nicht „bewährten“ Geschäfts- Wert einer Beteiligung in erster Linie aus Verkäu- modells im Normalfall unmöglich. Gerade in fen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger frühen Entwicklungsphasen von Startups wie der als ein Jahr zurückliegen.6 Ist dies nicht möglich, sog. Seed- und Startup-Stage werden meist noch so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung keine oder nur sehr geringe Umsätze erwirtschaf- der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer tet, aber auch in der Growth-Stage ist externes anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Ge- Kapital Möglichmacher schnellen Wachstums. schäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke übli- Profitabilität auf Gesamtunternehmensebene chen Methode zu ermitteln. Dabei ist die Methode steht dagegen in der Regel erst in der Later-Stage anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung im Fokus der Unternehmensstrategie. des Kaufpreises zugrunde legen würde.7 Eine Substanzbesteuerung in Form einer Ver- Bei der Ermittlung des gemeinen Wertes anhand mögensbesteuerung würde – neben dem Be- der Ertragsaussichten existiert für den Steuer- steuerungssubjekt des Startup-Unternehmens pflichtigen in gewissen Grenzen ein gesetzliches (regelmäßig eine Kapitalgesellschaft) selbst – Methodenwahlrecht. Von Bedeutung könnte hier auch bei Gründer*innen, den Gesellschafter*innen das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ wirken. Deren Vermögen in Form der Beteiligung 199 ff. BewG werden. Das aus der reformierten an der Gesellschaft, i. d. R. einer Kapitalgesell- Erbschaftsteuer bekannte vereinfachte Ertrags- schaft, wäre bei ihnen persönlich steuerbar, wertverfahren unterstellt einen in der Vergangen- neben der Gesellschaftsebene. Den allgemeinen heit erzielten Ertrag als zukünftig nachhaltig. Der und primären Wertmaßstab im Bewertungsgesetz Steuerpflichtige hat das Wahlrecht, auf dieses (BewG) für Kapitalgesellschaftsbeteiligungen Bewertungsverfahren zurückzugreifen, wenn es stellt der sog. „gemeine Wert“ dar. Das ist gemäß nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergeb- 5) Bisher gibt es kaum Untersuchungen zur Überlebenswahrscheinlichkeit von Startup-Gründungen, auch wenn allgemein davon ausgegangen wird, dass eine Vielzahl der Gründungen scheitert. Eine Untersuchung der Harvard Business School von 2013 ermittelte eine Misserfolgsquote von 75 %. 6) § 11 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz BewG 4 7) § 11 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BewG
nissen führt. Befürchtet der Steuerpflichtige ein findet. In der sog. Seed- und Startup-Stage, in der unzutreffendes Ergebnis, kommt alternativ zur in der Regel keine, wenn überhaupt nur sehr ge- Anwendung des vereinfachten Ertragswertver- ringe steuerliche Erträge generiert werden, würde fahrens ein Verkehrswertgutachten im Bewer- das vereinfachte Ertragswertverfahren, das auf tungsstandard der Wirtschaftsprüfer nach den vergangenheitsbezogenen Erträgen basiert, Grundsätzen des IDW S1 (Institut der Wirtschafts- zu einem deutlich anderen Unternehmenswert prüfer in Deutschland e. V.) in Betracht. Ein führen als der Wert, der nach IDW S1 ermittelt solches Verkehrswertgutachten orientiert sich an würde, wenn zukünftig von einer Profitabilität des zukünftig zu erwartenden Ertragsaussichten des Startups auszugehen wäre. Ein Verkehrswertgut- Unternehmens. Als sogenanntes „qualifiziertes achten nach IDW S1 orientiert sich an zukünftig Ertragswertverfahren“ ist ein typisierter Verkehrs- zu erwartenden Erträgen des Unternehmens. wert nach IDW S1 Bestandteil der Bewertungs- Diese Unterschiede zwischen den Bewertungs- hierarchie des BewG und kann grundsätzlich zur methoden, die in beide Richtungen gehen können, Bestimmung des gemeinen Wertes der Kapital- könnten auch mit der jeweiligen Lebenszyklus- gesellschaftsanteile herangezogen werden. Die phase zusammenhängen. In den ersten Phasen Finanzverwaltung erkennt Wertermittlungen nach des Startups stehen der Gewinn von Marktantei- den Grundsätzen des IDW S1 zur Bestimmung des len, mithin das Umsatzwachstum im Vordergrund. gemeinen Wertes grundsätzlich an. Profitabilitätsziele sind nachrangig. In der Later- Stage-Phase gewinnt das Erreichen von Profi- Was bedeutet diese Bewertungshierarchie für tabilitätszielen stärker an Bedeutung. Die Wahl eine potenzielle Vermögensbesteuerung? der Bewertungsmethodik würde ceteris paribus zu deutlich verschiedenen Unternehmenswerten Erstens: Finanzierungsrunden können Bedeutung führen, je nachdem, ob vergangenheitsbezogene für die Wertermittlung der Anteile an Kapital- oder zu erwartende Ertragsaussichten der Be- gesellschaften für Zwecke der Vermögensteuer wertung zugrunde gelegt werden. haben. Leitet sich der Unternehmenswert aus Fi- nanzierungsrunden ab, in deren Zusammenhang Drittens: Bei Startups herrscht eine höhere Unternehmensanteile durch Kapitalerhöhung neu Ungewissheit bezüglich der Zukunftsprogno- ausgegeben oder an fremde Dritte übertragen se mangels vorhandener Markterfahrung und werden, könnten diese Preise maßgeblich für die Markterprobung des Geschäftsmodells gegen- Vermögensbesteuerung sein. Es würde letzt- über etablierten Unternehmen. Es liegt auf der lich die Risikoaffinität eines Finanziers über den Hand, dass diese Unsicherheiten zu Differenzen Unternehmenswert und damit über die Höhe der bezüglich des Unternehmenswertes zwischen Vermögensteuerpflicht entscheiden. Risikoaffine der steuerpflichtigen Person und dem Finanzamt Investierende wären eher bereit, einen höheren auf Basis eines solchen Verkehrswertgutachtens Preis für einen Unternehmensanteil zu zahlen. führen. Im Vergleich zu etablierten Unternehmen Eine Substanzbesteuerung auf einem sich unter dürften diese spezifischen Unsicherheiten zudem diesen Umständen ergebenden Unternehmens- ein stärkeres Gewicht bei der Ermittlung des für wert würde ersichtlich das Risiko einer unsachge- die Vermögensteuer relevanten Unternehmens- rechten Besteuerung zur Folge haben. wertes besitzen. Auch aus diesem Umstand dürfte ein höheres Streitpotenzial zwischen den Zweitens: Bewertungsrelevant ist mitunter, in Steuerpflichtigen und dem Finanzamt resultieren. welcher Lebenszyklusphase sich das Startup be- 5
Besteuerung (ungewisser) Zukunftserwartungen Eine Substanzbesteuerung stellt wie erläutert quantitative Frage und Bewertung, nämlich für Startups eine Besteuerung einer (ungewis- mit welchen Ertragsaussichten auf Grundlage sen) Zukunftserwartung dar: Zwar herrscht auch einer Unternehmensbewertung zu rechnen ist. bei etablierten Unternehmen Unsicherheit über Folglich sind Situationen vorstellbar, in denen zukünftige Erträge, allerdings besteht der Unter- durch das Investment dem Startup erst ein Wert schied zu Startups insbesondere darin, dass bei beigemessen wird, der dann Grundlage der Ver- diesen in der Regel kaum Markterfahrung und mögensteuer ist. Auf Ebene der investierenden -erprobung vorliegen. Prognosen über eine Be- Person, deren Vermögen durch das Investment messungsgrundlage für die Unternehmensbe- in das Startup unverändert bleibt, ergeben sich wertung sind ungleich schwieriger zu beurteilen zwar kurzfristig keine Auswirkungen in Bezug als bei am Markt etablierten Unternehmen. Zu- auf eine potenzielle Vermögensteuer. Für das kunftschancen und -risiken sind immer in einer Startup kann sich aber, wenn für die Bewer- Bewertung abzuwägen, unabhängig von der Art tung des Unternehmens selbst auf marktnahe des Unternehmens. Trotzdem ist offensichtlich, Anteilswerte zurückgegriffen werden würde, dass bei Startups ein höheres Risiko in Abhän- eine vermögensteuerrelevante Bewertung er- gigkeit von der Lebenszyklusphase vorliegt. In geben, die auch für die übrigen Investierenden/ der Seed-Phase herrscht hohe Ungewissheit, Anteilsinhabenden bindender Maßstab unter ob das Geschäftsmodell erfolgreich am Markt vermögensteuerrechtlichen Gesichtspunkten etabliert werden kann. Erst in der Later-Stage- sein kann. Phase wird aus der Frage des „Ob“ eher eine 6
Vier Thesen zu den Folgen für das Startup-Ökosystem Die Gründung und der Aufbau von Startups ist Freibeträge an, entsprechend etwas darunter). für Gründer*innen mit einem immensen persön- Gleichzeitig verdienen Gründer*innen insbe- lichen Risiko und Aufwand verbunden. sondere in den Frühphasen, bedingt durch die Kann ein erfolgversprechendes Startup zur oftmals geringe Liquidität und hohe Investitio- Umsetzung seines Vorhabens Investorengelder nen, schlechter als Mitarbeitende in etablierten einwerben, kann dies trotz fehlender oder nur Wirtschaftszweigen.8 Gründer*innen müssten geringer Umsätze (z. B. im Biotech- oder Tech- die Vermögensteuer entrichten, ohne einen nologiebereich) und hoher Anlaufverluste zu Liquiditätszufluss aus einem Veräußerungserlös hohen Unternehmensbewertungen führen, die oder einem Dividendenzufluss aus dem Startup wie gezeigt als Bemessungsgrundlage für eine gehabt zu haben. Ihr Gehalt als Angestellte des Vermögensteuer sowohl des Startups als auch Startups würde durch Einkommensteuer und der Gründer*innen dienen. Die Vermögensteuer Vermögensteuer aufgezehrt werden. Das führt würde dabei fällig, auch ohne dass Gewinne in- zu einer unverhältnismäßig hohen prozentualen nerhalb des Unternehmens oder der Gründer*in- Gesamtsteuerbelastung. Gründer*innen hätten nen je realisiert wurden. zusätzlich zum unternehmerischen Risiko ein Liquiditätsrisiko. Auch dann, wenn der Wert des Das soll an folgendem Beispiel illustriert werden: Startups sich im Laufe der Jahre erst verviel- Der Unternehmenswert beträgt 10 Mio. € und der facht hat und das Startup danach gleichwohl Unternehmensanteil der Gründer*innen liegt bei - wie nicht unüblich - scheitert. Gründer*innen 50 %. Das Unternehmen macht aufgrund der ho- müssten, wenn sie weitere Finanzierungsrunden hen Forschungs- und Entwicklungsaufwendun- für weiteres Wachstum anstreben, zudem be- gen sowie der Markteintrittskosten noch einen rücksichtigen, dass es mit jeder Finanzierungs- hohen Verlust. In diesem Beispiel ergibt sich ein runde zu einer höheren Bewertung des Startups anteiliger Unternehmenswert der Gründer*in- kommt, die die private Vermögensteuerlast und nen von 5 Mio. €. Bei einer Vermögensteuer in das einhergehende Finanzierungs- und Liquidi- Höhe von 1 % würde die jährliche Vermögen- tätsrisiko weiter steigen lässt. steuerbelastung bei 50.000 € liegen (nimmt man 7 8) Vgl. .
These 1: Vermögensteuer bedeutet: Weniger Gründungsaktivitäten Durch die vorstehend gezeigten, mit einer Vermögensbesteuerung einher- gehenden Risiken würde das Gründen in Deutschland deutlich an Attrak- tivität verlieren: 86 % der befragten Gründer*innen antworten, dass es als Folge einer Wiedereinführung der Vermögensteuer zu weniger Grün- dungen käme (vgl. Abb.1). Die Gründer*innen selbst würden zu knapp drei Vierteln wieder gründen – knapp 55 % täten das aber im Ausland.9 Abb. 1: Auswirkungen auf die Anzahl der Startup-Gründungen in Deutschland Deutlich weniger Gründungen 48,4 % Weniger Gründungen 38,1 % Keine Auswirkung 12,3 % Mehr Gründungen 1,3 % Deutlich mehr Gründungen 0,0 % Die Investor*innenseite bestätigt diesen Eindruck: Mehr als 70 % erwarten nach einer Wiedereinführung der Vermögensbesteuerung weniger bis deutlich weniger Gründungen.10 Eine Wiedereinführung der Vermögensbe- steuerung würde ambitionierte Gründer*innen stark ausbremsen und die Gründungsaktivität reduzieren. Damit würde eine Vermögensbesteuerung auch die mittlerweile zahlreichen bestehenden Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene zur Förderung von Startups konterkarieren. 9) Frage: „Würdest du nochmal ein Startup gründen, wenn eine Vermögensteuer in Deutschland eingeführt werden würde?“, Fragencode V009. 10) Frage: „Wie würde sich deiner Einschätzung nach die Einführung einer Vermögensteuer auf Startup-Gründungen in 8 Deutschland auswirken?”, Fragencode VI003.
These 2: Vermögensteuer bedeutet: Existenzielle Gefährdung von Startups in den Frühphasen Wie dargelegt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Substanz- besteuerung bei Startups allein auf Basis von Firmenbewertungen durch Risikokapitalgeber erfolgt. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollzieh- bar und gleichzeitig alarmierend, dass über die Hälfte der Gründer*innen derzeit nicht in der Lage wären, die Zahlung der Vermögensteuer auf ihr Vermögen – inklusive ihrer Anteile – in Höhe von 1 % zu leisten. Für fast 17 % der Befragten würde dies sogar bedeuten, Unternehmensanteile verkaufen zu müssen, sofern ihnen dies denn überhaupt möglich ist (vgl. Abb. 2). Auch für die Unternehmen dieser Gründer*innen, die sich wie fast 40 % der Befragten in der Seed- oder sogar in der Startup-Stage befin- den,11 hätte das fatale Folgen, weil die Steuerzahlung die Liquidität des Unternehmens reduzieren würde, ohne dass das Unternehmen Erträge erwirtschaftet, aus denen die Vermögensteuerzahlung finanziert werden könnte. Abb. 2: Finanzierung einer möglichen Vermögensteuer Nicht mäglich 51,0 % Möglich 49,0 % durch Vorhandenes privates Vermögen 20,0 % Veräußerung von Unternehmensanteilen 16,8 % Aktuelles Einkommen 12,9 % Gewinnausschüttungen aus dem Unternehmen 12,3 % Ausnahme von Krediten 12,3 % 11) Frage: „In welcher Phase befindet sich derzeit dein Startup?“, Zeile 246 Screeningfragen. 12) Frage: „Könnte ein Vermögensteuer im Ergebnis zu niedrigeren Unternehmensbewertungen durch Investor*innen 9 und dadurch zu niedrigeren Finanzierungsrunden führen?“, Fragencode VI005.
In der Auswertung der Umfrageergebnisse der Investor*innen wird eine weitere Folge einer Wiedereinführung der Vermögensteuer deutlich, die ebenfalls Startups in Frühphasen besonders beträfe. Mehr als zwei Drittel bestätigen, dass eine Wiedereinführung im Ergebnis zu niedrigeren Unter- nehmensbewertungen, zu niedrigeren Finanzierungsrunden und damit zu geringeren Investitionen in junge Unternehmen führen wird.12 Gerade für Startups in der Frühphase würde das zu einem erheblichen Wettbewerbs- nachteil gegenüber internationalen Wettbewerbern führen, die mit stärke- ren finanziellen Ressourcen deutlich schneller wachsen können. These 3: Vermögensteuer bedeutet: Weniger Investitionen, geringere Wettbewerbsfähigkeit, Verlagerung ins Ausland Ein konstantes Wachstum des deutschen Startup-Ökosystems ist unver- zichtbar für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung. In diesem Licht sind auch die wachsenden zahlreichen staatlichen Maßnahmen auf sämtli- chen Ebenen zur Gründungsförderung zu sehen. Eine positive Entwicklung einzelner Startups hängt entscheidend von Unternehmensbewertungen und hierauf basierenden Finanzierungsrunden ab. Eine negative Entwick- lung der Bewertungen hätte für deutsche Startups weitreichende Folgen, da diese im internationalen Wettbewerb schon heute mit besser finanzier- ten Startups beispielsweise aus den USA kaum mithalten können. Den Umfrageergebnissen folgend erwarten über 86 % der Gründer*innen im Falle einer Wiedereinführung der Vermögensbesteuerung einen In- vestitionsrückgang.13 Im Falle einer Vermögensteuer ist für jedes zweite Startup die Verlagerung des Unternehmens eine Option – ein Fünftel denkt sogar über die Unternehmensaufgabe nach. Zugleich sehen 35 % Schwie- rigkeiten bei der Investor*innensuche sowie knapp 30 % einen möglichen Rückgang bei Finanzierungsrunden (vgl. Abb. 3). Gerade im internationalen Wettbewerb wären geringere Unternehmensbewertungen ein erhebliches Problem für das deutsche Ökosystem. 13) Frage: „Die Vermögensteuer wirkt auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene. Was denkst du, wie sich das Verhalten von Investoren, die entweder direkt als Gesellschafter oder deren Gesellschafter ebenfalls von einer Vermögensteuer betroffen 10 wären, bei der Finanzierung von Startups nach der Einführung einer Vermögensteuer verändern würde?“, Fragencode V011.
Abb. 3: Finanzierung einer möglichen Vermögensteuer Keine 11,6 % Auswirkung vorhanden 88,4 % konkret Verlagerung des Unter- nehmens ins Ausland 55,5 % Schwierigkeiten bei der Investorensuche 34,8 % Keine Finanzierungsrunden und ge- ringere Unternehmensbewertungen 29,7 % Aufgabe des Startups 21,9 % Das negative Echo der Folgen einer Wiedereinführung der Vermögens- besteuerung für den Standort Deutschland spiegelt sich auch bei den befragten Investoren*innen wider: Über ein Drittel geben an, dass sie in diesem Falle stärker im Ausland und weniger in Deutschland investieren würden.14 Eine daraus folgende schlechte oder sogar deutlich schlechte Veränderung des Investitionsklimas wird von über zwei Dritteln der befrag- ten Investor*innen erwartet.15 Mehr als zwei Drittel der Gründer*innen und der Investor*innen geben an, dass eine Wiedereinführung der Vermögens- besteuerung im Ergebnis zu niedrigeren Unternehmensbewertungen und dadurch zu niedrigeren Finanzierungsrunden führe.16 Deutschland verliere dadurch als Startup-Standort insgesamt enorm an Attraktivität und fiele im internationalen Vergleich zurück. 14) Frage: „Wie würdest du dein Investitionsverhalten durch die Einführung einer Vermögensteuer anpassen?“, Fragencode VI004. 15) Frage: „Was für eine Veränderung des Investitionsklimas würdest du durch eine Vermögensteuer erwarten?“, Fragencode VI007. 16) Frage: „Könnte eine Vermögensteuer im Ergebnis zu niedrigeren Unternehmensbewertungen durch Investoren und da- durch zu niedrigeren Finanzierungsrunden führen?“, Fragencode VI005. 11 17) Vgl. Deutscher Startup Monitor 2020, unter: https://deutscherstartupmonitor.de/wp-content/uploads/2020/09/dsm_2020.pdf.
These 4: Alternative zur Vermögensteuer: Startups übernehmen Verantwortung Startups sind nicht nur Vorreiter in Sachen Digitalisierung und Nachhaltig- keit, sondern stellen auch immer wieder die Frage nach der gesellschaft- lichen Verantwortung von Unternehmen. Der Anteil an Startups, die an den aktuellen sozialen und ökologischen Herausforderungen arbeiten, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.17 Mehr als die Hälfte der befragten Gründer*innen wären bereit zur Gegen- finanzierung der staatlichen Corona-Unterstützungsmaßnahmen eine höhere Steuerbelastung bei realisierten Gewinnen in Form eines „Coro- na-Solidaritätszuschlags“ auf die Körperschaftsteuer mit einer zeitlichen Begrenzung, teilweise sogar dauerhaft, in Kauf zu nehmen. Das zeigt deutlich: Es geht den Gründer*innen weniger um eine pauschale Steuer- vermeidung, sondern vielmehr darum die zusätzliche Steuerbelastung so zu organisieren, dass sie nicht das Wachstum im Ökosystem reduziert bzw. verhindert. Abb. 4: Gegenfinanzierung der Corona-Maßnahmen durch eine höhere Ertragsteuerbelastung 27,1 % Nein 50,3 % Ja, aber nur zeitlich begrenzt 22,6 % Ja, dauerhaft 14) Frage: „Wie würdest du dein Investitionsverhalten durch die Einführung einer Vermögensteuer anpassen?“, Fragencode VI004. 15) Frage: „Was für eine Veränderung des Investitionsklimas würdest du durch eine Vermögensteuer erwarten?“, Fragen- code VI007. 16) Frage: „Könnte ein Vermögensteuer im Ergebnis zu niedrigeren Unternehmensbewertungen durch Investoren und dadurch zu niedrigeren Finanzierungsrunden führen?“, Fragencode VI005. 17) Vgl. Deutscher Startup Monitor 2020, unter: https://deutscherstartupmonitor.de/wp-content/uploads/2020/09/ 12 dsm_2020.pdf.
Auch bei Investor*innen würde eine Einführung eines „Corona-Solidari- tätszuschlags“ in Form einer (zeitlich befristeten) erhöhten Ertragsteuer- belastung unkritisch gesehen: Knapp drei Viertel der Investor*innen gehen von keinem Investitionsrückgang aus.18 Da die Erträge von Startups vor allem in der Zukunft liegen, hätte diese Form der Besteuerung den Vorteil, dass die Gründer*innen nicht zusätzlich dadurch belastet würden, in der Gegenwart Steuern auf etwaige spätere Erträge zu zahlen. Fazit Die Wiedereinführung der Vermögensbesteue- Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer rung würde junge und innovative Startups und würde das deutsche Ökosystem besonders im ihre Gründer*innen stark belasten. Sehr proble- internationalen Wettbewerb schwächen. Gerade matisch dürfte sein, dass in den Finanzierungs- weil immer weniger Staaten auf solche Subs- runden eingeworbenes Geld zum Teil für die tanzbesteuerungen setzen, wäre ein deutscher Bezahlung einer Vermögensteuer verwendet Alleingang ein erheblicher Schlag für deutsche werden müsste. Das Geld stünde für die Ent- Startups im weltweiten Wettbewerb. Umgekehrt wicklung des Geschäftsmodells und dessen würden benachbarte Startup Hotspots an Attrak- Durchsetzung am Markt nicht zur Verfügung. tivität gewinnen. Eine Unternehmensverlagerung Das Risiko eines sinkenden Unternehmenswer- nach Frankreich oder in die Niederlande wäre für tes und damit geringeren nachfolgenden Finan- viele Gründer*innen eine attraktive Option. zierungsrunden wäre die Folge, ebenso auch die daraus resultierende erschwerte Suche nach Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Investor*innen. Gleiches gilt für die Tatsache, ein funktionierender und leistungsfähiger Staat dass gegenwärtig über die Hälfte der befragten ist. Gründer*innen sind bereit, dafür ihren Bei- Gründer*innen nicht in der Lage wäre, die zu- trag zu leisten. Einerseits können sie mit ihren sätzliche Steuer zu bezahlen. Besonders hervor- innovativen Produkten und Dienstleistungen zur zuheben ist auch der prognostizierte Rückgang Bewältigung der Krise beitragen und wichtige in der Gründungsaktivität insgesamt – der Impulse setzen, andererseits sind sie zugleich positive Trend bei Startup-Neugründungen auch mehrheitlich gewillt, sich an der Refinan- wäre stark gefährdet. Deutschland ist aber zierung der staatlichen Hilfeleistungen zu betei- auf eine innovative und wirtschaftlich starke ligen. Die Wiedereinführung einer Vermögens- Startup-Szene angewiesen. Daher kann eine besteuerung wäre für das Startup-Ökosystem sinkende Gründungsquote politisch nicht ge- aber nicht nur ein fatales Signal und würde die wollt sein. Das gilt insbesondere angesichts der mittlerweile zahlreichen bestehenden Aktivi- vielfältigen Anstrengungen die staatlicherseits täten auf Bundes- und Landesebene zur Förde- unternommen worden sind um die Gründungs- rung von Startups konterkarieren, sondern hätte dynamik zu stärken. gravierende negative Folgen für das reifende Startup-Ökosystem in Deutschland. 18) Frage: „Wie würde sich dein Investitionsverhalten bei einer erhöhten Ertragsteuerbelastung, z. B. durch einen 13 Corona-Soli auf die Körperschaftsteuer verändern?“, Fragencode VI009.
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