Die Weichen für mehr Organspenden sind gestellt
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Thema Die Weichen E s ist noch dunkel, als Franziska an einem Ja- nuarmorgen im Süden von Berlin das Haus verlässt. Die 14-Jährige ist auf dem Weg zur für mehr Schule, als sie von einem Auto erfasst wird. „Wir waren noch zu Hause, als die Polizei kam“, erin- nert sich Franziskas Vater, Roland Ilzhöfer, an den 17. Organspenden Januar vor acht Jahren. Er und seine Frau Dorit, eine Kinderärztin, machen sich sofort auf den Weg ins Kli- nikum Neukölln, wo Franziska zu diesem Zeitpunkt sind gestellt noch operiert wird. Doch schnell ist klar, die Kopfver- letzungen, die die Schülerin bei dem Unfall davonge- tragen hat, sind so schwer, dass man sie nicht retten kann. Die Ilzhöfers entscheiden sich dafür, die Organe Bei den Organspenden gehört Deutschland seit Jahren zu des gesunden, sportlichen Mädchens zu spenden. den Schlusslichtern in Europa. Während hierzulande Organspende: ja oder nein? Angesichts des Todes eines geliebten Menschen ist diese Frage eine Heraus- 11,2 Spender auf eine Million Einwohner kommen, sind es forderung, vielleicht sogar eine Zumutung für Ange- beim Spitzenreiter Spanien 48,9. Verbesserte Abläufe in hörige, aber auch für Pflegekräfte sowie Ärztinnen und den Entnahmekrankenhäusern und die regelmäßige Ärzte in den sogenannten Entnahmekrankenhäusern. Aufforderung an die Bevölkerung, sich mit dem Thema zu Doch sie muss gestellt werden. Denn, von Kindern ganz absehen, haben Studien zufolge auch nur etwa zehn befassen, sollen die Wende bringen. Die gesetzlichen Prozent der erwachsenen Patientinnen und Patienten, Grundlagen dafür wurden 2019 und 2020 geschaffen. die aufgrund eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls Transplantationsexperten zeigen sich nach knapp zwei für eine Organspende infrage kommen, ihre Einwilli- Jahren optimistisch. Der Rahmen sei gesetzt, jetzt müsse gung dazu schriftlich dokumentiert. In den meisten man etwas daraus machen. Fällen müssen deshalb die Angehörigen im Sinne des Verstorbenen nach dessen mündlichem oder mutmaß- lichem Willen entscheiden. von Heike Korzilius „Die Verantwortlichen in der Klinik haben das T hema Organspende sehr sachlich und angemessen angespro- chen“, erinnert sich Roland Ilzhöfer. „Wobei man dazu sagen muss, dass meine Frau und ich uns schon vorher mit dem Thema beschäftigt hatten – allerdings immer mit Blick auf uns beide, nicht bezogen auf eines unserer Kinder.“ Er selbst besitze schon seit Anfang der 1990er-Jahre einen Organspendeausweis. Dazu kommt eine gewisse Nähe zu medizin-ethischen und gesund- heitspolitischen Themen. Ilzhöfer ist Abteilungsleiter bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Berlin. Den Umgang mit den Angehörigen im Krankenhaus in Neukölln habe er als durchweg positiv empfunden, sagt Ilzhöfer. Das lag vor allem am Engagement zweier Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplanta- tion (DSO), die die Klinik hinzugezogen habe, als klar war, dass Franziska als Organspenderin infrage kommt. Ein Arzt der DSO sei in die Hirntoddiagnostik und die Vorbereitungen für die Organentnahme eingebunden gewesen. Denn Franziska wird von Donnerstag, dem Tag des Unfalls, noch bis zum Sonntag, dem Tag der Organentnahme, auf der Intensivstation beatmet und organerhaltend versorgt. „Die Angehörigenbetreuerin der DSO hat sich in dieser Zeit um meine Frau und mich gekümmert. Wichtig war vor allem, dass sie unermüd- lich auf sämtliche unserer Fragen eingegangen ist“, erinnert sich Ilzhöfer. Was genau passiert vor der Organentnahme? Was passiert im OP? Wie geht es nach der Organentnahme weiter? „Die Betreuerin der DSO war gefühlt Tag und Nacht für uns da.“ Tage und Näch- Foto: DSO/Andreas Steeger te, in denen die Eltern entgegen aller Vernunft und 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2021
Thema „Wir hatten uns schon schaft für oder gegen eine Organspende in der Bevöl- vor dem Tod unserer kerung sehr viel stärker fördern können. „Diesen Per- Tochter mit dem spektivwechsel hätten wir uns im Sinne der Patienten Thema Organspende auf den Wartelisten sehr gewünscht“, sagt deren Medi beschäftigt.“ zinischer Vorstand Dr. Axel Rahmel gegenüber dem Rheinischen Ärzteblatt. 2020 standen den rund 10.000 Patientinnen und Patienten, die dringend auf ein Spenderorgan warteten, 913 Spender gegenüber. Roland Ilzhöfer hat sich Entscheidender als die Einführung der Wider- gemeinsam mit seiner Frau spruchslösung zur Steigerung der Spenderzahlen ist entschieden, die Organe seiner tödlich verunglückten Tochter es aus Sicht der Experten jedoch, die Abläufe zur Spen- zu spenden. dererkennung, die Betreuung der Angehörigen und den Foto: privat finanziellen Rahmen für die Organentnahmen zu op- timieren. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Struk- Gewissheit immer noch hoffen, dass Franziska wieder turen bei der Organspende (GZSO) hat der Gesetzgeber aufwacht, obwohl das EEG eine Nulllinie zeichnet. dafür im April 2019 die Weichen gestellt. Es bildet aus Die Ilzhöfers haben an der Entscheidung für die Sicht der DSO die „zunächst wichtigste Voraussetzung Organspende nie gezweifelt. „Zumindest einige Organe für mehr Transplantationen in Deutschland“. von Franziska leben weiter. Das ist schon ein tröstlicher Erstmals gibt das Gesetz der Angehörigenbetreuung Gedanke“, sagt der Vater. Einmal habe die Familie einen durch die DSO, die für das Elternpaar Ilzhöfer so ent- Dankesbrief von einem Patienten erhalten, dem ein scheidend war, einen verbindlichen Rahmen. Von be- Organ der Tochter transplantiert wurde – anonym über sonderer Bedeutung für die Förderung der Organspende die DSO. „Es war schön zu hören, dass die Spende tat- sei auch die gesetzlich festgelegte Freistellung der sächlich etwas bewirkt hat“, meint Ilzhöfer. Transplantationsbeauftragten in den Kliniken, sagt Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche DSO-Vorstand Rahmel. Deren Aufgabe ist es, mögliche Aufklärung zufolge, haben über 80 Prozent der Bevöl- Organspender zu erkennen, klinikinterne Richtlinien für kerung in Deutschland eine positive Haltung zur den Ablauf einer Organspende zu erarbeiten und die Organspende. Dennoch gehört die Bundesrepublik mit Kolleginnen und Kollegen im eigenen Haus fortzubilden. 11,2 Spendern je eine Million Einwohner zu den Schluss- „Eine Umfrage unter 400 Transplantationsbeauftragten lichtern in Europa (siehe Kasten „Fakten zur Organ- auf dem DSO-Jahreskongress im vergangenen November spende“ auf Seite 15). Spitzenreiter Spanien kommt auf ergab jedoch Hinweise darauf, dass hier in der Praxis 48,9 Spender je eine Million Einwohner. Warum das so noch Verbesserungsbedarf besteht“, räumt Rahmel ein. ist und wie man in Deutschland die Spenderzahlen Denn diese stichprobenartige Umfrage habe gezeigt, dass steigern kann, ist auch unter Experten umstritten. die Freistellung bisher wohl nur in wenigen Kliniken im vollen Umfang umgesetzt wurde. Ob die Klinikleitungen Es bleibt bei der Zustimmungslösung hierbei stärker in die Pflicht genommen werden sollten oder ob zunächst das Problem des Pflege- und Ärzteman- Viele Ärzte, Transplantationsexperten und Politiker gels zu lösen wäre, um die Entlastung überhaupt erst zu quer durch die Parteien haben sich in der Vergangenheit ermöglichen, sei eine Frage, die die DSO in den kommen- für eine sogenannte Widerspruchslösung ausgespro- den Monaten noch beschäftigen werde. chen, wie sie beispielsweise in Spanien gilt. Das heißt, Gesetzlich vorgesehen ist eine Freistellung von 0,1 dass jeder, der nicht zu Lebzeiten einer Organspende Stellen je zehn Intensivbetten. Die Kliniken erhalten widersprochen hat, automatisch als Spender gilt. Durch- dafür 13.000 Euro je 0,1 Stellen erstattet. Auch die Auf- setzen konnten sich die Befürworter nicht. Im Januar wandserstattung für die Organentnahme hat sich deut- 2020 hat sich der Deutsche Bundestag gegen die Wider- lich erhöht. Wurden für die Mehrorganentnahme im spruchslösung und für eine erweiterte Zustimmungsre- gelung entschieden. Es bleibt in Deutschland dabei, „Wir vermuten, dass dass Menschen einer Organentnahme ausdrücklich die niedrigen Ergeb- zustimmen müssen. Das Gesetz zur Stärkung der Ent- nisse im November scheidungsbereitschaft, das 2022 in Kraft tritt, sieht und Dezember 2020 jedoch vor, die Öffentlichkeit verstärkt über Organspen- mit der verschärften de aufzuklären und die Auseinandersetzung mit dem Situation in den Thema zu fördern. Künftig soll jeder Bürger, wenn er Kliniken zusammen- alle zehn Jahre einen Reisepass oder einen Personal- hängen.“ ausweis beantragt, auf das Thema angesprochen wer- den und seinen Willen niedrigschwellig in einem zen- tralen Online-Register hinterlegen können. Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Nach Einschätzung der DSO hätte die Einführung Stiftung Organtransplantation der Widerspruchslösung die Entscheidungsbereit- Foto: DSO Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2021 13
Thema „Bei uns sind die und zu entlasten“, meint DSO-Vorstand Rahmel. Zum strukturellen Ende des Jahres 2020 habe man das Spendenniveau Anforderungen an die der Vormonate allerdings nicht mehr halten können. Spendererkennung in „Wir vermuten, dass die vergleichsweise niedrigen die täglichen Visiten Ergebnisse im November und Dezember vor allem mit eingebunden.“ der verschärften Situation in den Kliniken zusammen- hängen“, sagt der Arzt. Hohe Infektionszahlen mit COVID-19 hätten nun auch hier ihre Auswirkungen. Insgesamt seien 2020 bundesweit 913 Organspenden Dr. Gero Frings, Chefarzt und durchgeführt worden, 19 weniger als 2019. Transplantationsbeauftragter am St. Bernhard Hospital in Dennoch sei das Engagement in den Kliniken groß. Kamp-Lintfort Einen zuverlässigen Hinweis darauf lieferten die Zah- Foto: SBK len der organspendebezogenen Kontakte zur DSO. Die Zahl der Fälle, in denen Kliniken sich an die DSO ge- Jahr 2019 noch pauschal 5.310 Euro gezahlt, können wendet hätten, um über eine mögliche Organspende die Krankenhäuser der DSO zufolge von 2020 an je zu sprechen, habe sich im Jahr 2020 mit 3.099 erneut nach Aufwand im Maximalfall mit einer Vergütung in erhöht. 2019 habe es 3.023 Kontakte gegeben. „Das ist Höhe von 20.376 Euro rechnen. gerade auch vor dem Hintergrund der Pandemie eine Ein wichtiges Instrument zur Spendererkennung sehr erfreuliche Entwicklung“, meint Rahmel. Die DSO und damit zur Steigerung der Organspendezahlen ist hoffe jetzt auf eine baldige Entspannung der Lage auf nach Ansicht von DSO-Vorstand Rahmel die im Gesetz den Intensivstationen. „Und wir appellieren an die vorgeschriebene Todesfallanalyse. Demnach sind Ärzte und Pflegenden, die sich als Transplantations- alle Entnahmekrankenhäuser verpflichtet, sämtliche beauftragte für die Organspende einsetzen, dass sie Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädi- trotz der angespannten Situation die Patienten auf den gung zu erfassen und die Gründe zu ermitteln, die eine Wartelisten für ein Spenderorgan nicht aus dem Blick Organspende verhindert haben. „Eine erste Auswer- verlieren“, sagt Rahmel. tung der bisher erstmals bundesweit eingegangenen Einer dieser Transplantationsbeauftragten ist Dr. pseudonymisierten Daten an die DSO zeigt, dass bei Gero Frings, Chefarzt der Anästhesiologischen Klinik einer ganzen Reihe dieser Todesfälle vor einer Thera- am St. Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort. Das Kran- pielimitierung nicht die Möglichkeit einer Organspen- kenhaus am Niederrhein verfügt über 356 Betten, da- de mit den Angehörigen besprochen wurde und bei von 14 auf der Intensivstation. Es ist ein sogenanntes anderen die Diagnostik zur Feststellung des irreversib- C-Krankenhaus ohne Neurologie oder Neurochirurgie len Hirnfunktionsausfalls nicht durchgeführt wurde, und eines von insgesamt 304 Entnahmekranken obwohl sie angezeigt gewesen wäre“, sagt Rahmel. „Das häusern in Nordrhein-Westfalen (NRW). Mit zehn heißt, wir bekommen durch diese Daten eine genauere Organspendern je eine Million Einwohner liegt das Erkenntnis darüber, in wie vielen Fällen der Möglichkeit Land noch unter dem Bundesdurchschnitt. 179 post- einer Organspende hätte nachgegangen werden sollen mortale Organspender zählte man hier im Jahr 2019. und der Gründe, warum dies nicht geschehen ist.“ Sören Melsa, DSO-Koordinator für die Region Mitte, Einmal im Jahr kommt es zur Spende hatte beim DSO-Kongress im November ausgeführt, eine Analyse der Daten lege nahe, dass man die Zahl Es sind vor allem Patientinnen und Patienten mit der Organspenden potenziell hätte verdoppeln können. sekundären Hirnschädigungen zum Beispiel nach Inwieweit sich die vor zwei Jahren auf den Weg ge- Hirnblutungen oder Schlaganfällen, die am St. Bern- brachten strukturellen Veränderungen bereits positiv hard Hospital als potenzielle Organspender infrage auf die Entwicklung der Organspenderzahlen auswirken, kommen, berichtet Frings, der zugleich Mitglied der lässt sich für das Pandemie-Jahr 2020 kaum verlässlich Ständigen Kommission Organtransplantation der sagen. Der DSO zufolge nahm vor allem im Januar und Bundesärztekammer ist. „Meine Hauptaufgabe als Februar im Vergleich zu den Vorjahresmonaten die Zahl Transplantationsbeauftragter ist, dafür zu sorgen, dass der Organspenden deutlich zu. Bis in den Herbst hinein die Spendererkennung möglichst reibungslos abläuft“, lagen die Zahlen dann in etwa auf dem Niveau von 2019. erklärt der Intensivmediziner. Das sei gerade an einem Dabei stand Deutschland deutlich besser da als einige Krankenhaus wie dem St. Bernhard Hospital wichtig. andere europäische Länder. Dort führte die Corona-Krise In einem Haus dieser Größenordnung komme es im der DSO zufolge zeitweise zu eklatanten zweistelligen Durchschnitt einmal alle ein bis eineinhalb Jahre vor, Einbrüchen bei der Organspende. dass es zu einer Mehrfachorganentnahme komme. Für „In Deutschland war dies nicht der Fall – vor allem derart seltene Ereignisse könne man kein eigenstän- dank der großen Bereitschaft der Ärzte und Pflegenden diges System zur Spendererkennung etablieren. „Bei in den Kliniken, auch weiterhin an die Organspende uns sind die strukturellen Anforderungen der Spen- zu denken und den vielfältigen politischen Maßnah- dererkennung deshalb in das tägliche Visitenwesen men, um die Kliniken in dieser Zeit zu unterstützen eingebunden“, sagt Frings. Jeweils morgens und 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2021
Thema abends werde der Zustand der Patienten auf der Inten- Manche Familien sprächen die Möglichkeit einer sivstation gemeinsam mit der Pflege gründlich bespro- Organspende selbst an. „Es gibt aber auch Angehörige, chen. Dabei gehe es natürlich zuallererst darum, für die das nicht gut verkraften“, sagt Frings. Die müsse die Patienten das Möglichste zu tun. Zugleich müsse man ganz sanft in diese Richtung führen. Er selbst gewährleistet sein, dass neue neurologische Auffällig- steige in das Thema häufig über die Frage nach einer keiten erkannt würden, die möglicherweise in Rich- Patientenverfügung ein. „Ich frage zum Beispiel, ob tung Organspende weisen. „Wenn wir die traurige der Patient einen Willen über seinen Tod hinaus ge- Gewissheit haben, dass wir für einen Patienten nichts äußert hat“, meint der erfahrene Intensivmediziner. mehr tun können, greifen die Rädchen“, erklärt Frings. In diesem Zusammenhang ist ihm eines wichtig: Wer zu Lebzeiten eine Organspende befürworte, solle in Das Thema im Haus wach halten seiner Patientenverfügung einen „Zaubersatz“ ein fügen: „Für den Fall, dass ich Organspender sein könn- Damit dies im Ernstfall funktioniert, hält der Trans- te, erlaube ich zu diesem Zweck organerhaltende in- plantationsbeauftragte das Thema am Haus wach. Er gibt tensivmedizinische Maßnahmen.“ Denn die meisten regelmäßig schriftliche Informationen heraus, bildet die Patientenverfügungen richteten sich gegen ein Zuviel ärztlichen und pflegenden Kolleginnen und Kollegen fort an Intensivmedizin. und sucht den Kontakt zu den anderen Abteilungen wie Was die weitere Entwicklung der Organspende in zum Beispiel zur Kardiologie. „Die Kollegen dürfen kein Deutschland betrifft, ist Frings angesichts der jüngsten Problem damit haben, mich anzusprechen“, schildert er Gesetzgebung vorsichtig optimistisch. „Die hat tat- sein Selbstverständnis. „Ich muss Vertrauen schaffen sächlich so etwas wie frischen Wind gebracht. Jetzt und dafür im Team werben – und zwar ganzjährig in der müssen wir etwas draus machen“, sagt er. alltäglichen Zusammenarbeit.“ Frings ist auch für die Eine gute Werbung für die Organspende ist, wenn frühzeitige Kontaktaufnahme zur DSO verantwortlich, Angehörige sich in dem Prozess gut aufgehoben fühlen wenn es darum geht abzuklären, ob ein Patient als Spen- und darüber, wie Familie Ilzhöfer, auch berichten. „Wir der infrage kommt oder die Abläufe der Hirntoddiagnos- haben uns unter anderem wegen eines konkreten Fal- tik und der Organentnahme zu koordinieren. les entschieden, unsere Geschichte zu erzählen“, sagt Der Intensivmediziner war lange Jahre als Oberarzt Roland Ilzhöfer. Vor Jahren sei der Sohn eines Bekann- an der Klinik für Anästhesie des Klinikums Duisburg- ten bei einem Urlaub im Ausland ums Leben gekom- Wedau tätig, einem Maximalversorger. Seine klinische men. Da der junge Mann seine Einstellung zur Organ- Erfahrung in der Neuroanästhesie dort qualifiziert ihn spende nirgendwo dokumentiert hatte, galt er dort zur Durchführung der Hirntoddiagnostik. Da der irre- automatisch als Spender, seine Organe wurden ohne versible Hirnfunktionsausfall jedoch unabhängig von Zustimmung der Familie explantiert. „Von diesem zwei qualifizierten Ärzten bestätigt werden muss, muss Trauma hat sich der Vater des jungen Mannes nie erholt man zur Diagnostik auch in Kamp-Lintfort neurologi- und er wird nicht müde, das zu beklagen.“ sche Kompetenz von außen hinzuziehen. Vor diesem Hintergrund verspricht sich Frings viel von der gesetz- lich vorgesehenen Einführung eines neurologischen Rufbereitschaftsdienstes, der voraussichtlich ab 2022 zur Verfügung stehen wird. „Der Konsiliardienst hat Fakten zur Organspende eine zentrale Bedeutung für die Organspende in ganz Deutschland, weil wir dann zum ersten Mal zeitnah Nach einem historischen Tiefstand sind es 304. 46 Kliniken sind als eine zuverlässige Diagnostik von höchstem Wert ge- 2017 mit 797 Organspendern Transplantationszentren zugelas- währleisten können“, sagt er. „Dann haben auch die verzeichnete die Deutsche Stiftung sen, 9 davon in NRW. Angehörigen zum frühestmöglichen Zeitpunkt Gewiss- Organtransplantation (DSO) im Mit dem Ziel, die Zahlen der heit über die Prognose des Patienten und wir haben Pandemie-Jahr 2020 bundesweit Organspender zu steigern, verab- eine verlässliche Basis für weitere Gespräche.“ 913 Spender. Das waren knapp schiedete der Deutsche Bundestag Auch Frings hat die Erfahrung gemacht, dass bei zwei Prozent weniger als 2019 mit im April 2019 das Gesetz zur Entscheidungen für oder gegen eine Organspende der 932 Spendern. In Nordrhein-West- Verbesserung der Zusammenarbeit Wille des Verstorbenen meist über die Angehörigen er- falen (NRW) gab es im selben Jahr und der Strukturen bei der Organ- mittelt werden muss. „Grundsätzlich ist der Zeitpunkt 179 Spender. Im Durchschnitt wer- spende. Zu den wichtigsten Inhal- für ein Gespräch dann gekommen, wenn wir die Gewiss- den bei den Spendern 3,2 Organe ten gehört die Analyse der Todes- heit haben, dass wir nichts mehr für den Patienten tun explantiert. 8.995 Patientinnen fälle in den Entnahmekranken können“, sagt der Arzt. In eindeutigen Fällen könne man und Patienten warteten 2019 in häusern, um die Spendererken- das Thema auch schon einmal vor der eigentlichen Hirn- Deutschland auf ein passendes nung zu verbessern, die Stärkung toddiagnostik ansprechen. Außerdem biete man immer Spenderorgan. der Transplantationsbeauftragten frühzeitig an, Mitarbeiter der DSO zu den Gesprächen Bundesweit stehen rund 1.238 durch Freistellung sowie die ge- hinzuzuziehen. Diese seien nicht in die Arbeitsabläufe Krankenhäuser für eine Organ setzliche Verankerung der Ange der Klinik eingebunden und könnten sich entsprechend entnahme zur Verfügung, in NRW hörigenbetreuung bei der der DSO. Zeit für die Angehörigen nehmen. Rheinisches Ärzteblatt / Heft 2 / 2021 15
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