Dpr # 20/2019 - buchmesse-ausgabe audio, podcast und mehr verlage müssen sich ändern wichtige termine für digitalmenschen
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dpr das magazin zur digitalen transformation der medienbranche ISSN 2512–9368 # 20/2019 digital publishing report buchmesse-ausgabe audio, podcast und mehr verlage müssen sich ändern wichtige termine für digitalmenschen
medium mehr sind und nie mehr sein werden“. Die Frage, ob das Buch wirklich noch Leitmedi- um sei, haben wir prompt unseren Leserinnen und Lesern gestellt – und waren von den Ant- worten überrascht: Immerhin die Hälfte meinte, das gedruckte Buch sei und bleibe Leitmedium, 40 Prozent vertraten die Ansicht, das Buch sei es zwar im Moment noch, werde diese Funkti- on aber verlieren. 10 Prozent meinten, das Buch habe diese Rolle schon lange verloren. Doch selbst unter den Leitmedium-Hardlinern waren Zweifel und Einschränkungen verbreitet, etwa mit der Einschränkung, das gelte nur für die Belletristik, nicht aber für Wissenschaft, Rat- geber oder den Fachinformationsbereich. Diese Unterscheidung ist insofern nachvollziehbar, schaut man sich die Nutzung in diesen Bereichen an – Gedrucktes ist ein Bestandteil unter vielen Medienkanälen und Endgeräten. Letzten Endes ist das gedruckte Buch nämlich nichts anderes ein paar als ein „Device“. Insofern ist es sinnvoll, daran zu denken, dass wir heute durchaus noch tele- fonieren – das nötige Zubehör aber nicht mehr auf dem Tisch steht, ein immer zu kurzes Kabel worte zum und eine Wählscheibe hat. Wir bewegen uns auch heute noch von A nach B – müssen aber weder auf das entsprechende Schuhwerk oder geleit einen Sattel achten. Eines jedenfalls ist so sicher wie Weihnach- ten und Buchmesse: In Frankfurt wird das Buch auf jeden Fall als Leitmedium gefeiert. Das ist schön. Allen, die aber gerade über einen Plan B D as Weihnachten der Buchbranche steht vor der Tür: die Frankfurter Buchmesse. Und trotz aller begleitender Aktivitäten und Schwer- nachdenken, sei zur Neugierde, Offenheit, Ex- perimentierfreude und zur Lektüre des digital publishing report geraten. punkte (dieses Jahr löblicherweise auch endlich Apropos: Der digital publishing report feiert in adäquatem Umfang das Thema Audio) wird mit dieser Ausgabe auch ein ganz besonderes natürlich wieder das gedruckte Jubiläum: Vor 3 Jahren, just zur Buch- Buch im Mittelpunkt stehen. In der messe, erschien die erste Ausgabe letzten Ausgabe hatten wir uns des #dpr. Das Team ist gewachsen, bereits mit dem Buchmarkt be- wir haben mit unseren Webinaren, schäftigt. Redaktionskollege Da- Studien, Podcasts und monogra- niel Lenz meinte dazu in seinem fischen Ausgaben unsere Ange- Vorwort, das „traditionelle Medi- botspalette erweitert und werden en wie das Buch den Wettbewerb dies auch weiter tun. Das konnten ums Zeitbudget gegenüber Inter- und können wir aber nur mit der Hilfe netdiensten, Social Media, Film- eines tollen Teams und Netzwerks, und Musik-Streaminganbietern unseren vielen Autoren und Auto- längst verloren haben … Die jun- rinnen und natürlich unserer Leser- gen Mediennutzer, die viel Zeit mit und Leserinnen-Community. Wir Serien und YouTube-Filmen ver- freuen uns jedenfalls darauf, in den bringen, mit gedruckten Büchern oder E-Books nächsten Jahren mit spannenden Projekten und jeglicher Couleur zurückzuholen, den Anteil an Produkten den Begriff „Medienunternehmen“ ihrem Budget zurückzuerobern – schwierig, noch sehr viel weiter zu denken. vielleicht auch unrealistisch.“ Verlage sollten akzeptieren, dass „Bücher längst kein Leit- Ihr Steffen Meier 2
in ha lt impressum Der digital publishing report ist ein 14-tägig erscheinendes Magazin zur digitalen Transformation der Medienbran- che. Format: PDF. Herausgeber und V.i.S.d.P.: Steffen Meier. Redaktion: dpr / Postfach 12 61 / 86712 Nördlingen. Co-Herausgeber: Daniel Lenz. Art Direction: Cornelia Zeug. Textredaktion: Nikolaus Wolters - ISSN zu- geteilt vom Nationalen ISSN-Zentrum für Deutschland: Digital publishing report ISSN 2512–9368 bildquellen Alle Bilder sind entweder im Artikel direkt vermerkt oder von den Autoren 4 weil der verlag sich ändern muss – 28 was sind vanity metrics? // version 2019 // thomas knüwer gero pflüger 20 profitabel nach 21 jahren. wie dem 31 leselounge guardian mit einer unkonventionellen digitalstrategie der turnaround gelang 34 „microsoft 365 ist ein hub für die // nils jacobsen digitalisierung“ // interview mit marc reemers 22 corporate podcasts . instrument der strategischen unternehmens- 36 buchmesse frankfurt. veranstaltungs- kommunikation // dominic multerer kalender für digitalmenschen 26 "der audiobereich bietet viel potenzial, das noch nicht ausgeschöpft ist!" // interview mit matthäus cygan 66 heftübersicht 3
weil der verlag sich ändern muss – version 2019 thomas knüwer E s gibt einen Satz, den ich nicht mehr hören kann: „Wie sollen wir denn Geld verdienen?“ Denn eigentlich ist es ja nicht an mir, sie zu be- antworten. Eigentlich müsste sie von jenen be- antwortet werden, die sie stellen. Schließlich ist Gesprochen, besser: geschrieben, noch besser: nirgends ein Naturgesetz festgeschrieben, nach getweetet wird er von Journalisten und Verlags- dem es immer und grundsätzlich eine Finan- vertretern immer dann, wenn ich ihre Arbeitge- zierung journalistischer Inhalte gibt. Wenn ich ber kritisiere. also beispielsweise am Paid Content für große Wenn ich Personen des öffentlichen Lebens Nachrichtenseiten zweifele, können wir gern rate, keine Interviews zu geben, die hinter über diese These diskutieren – doch genau das Bezahlschranken verschwinden – „Wie sollen passiert ja nicht. Stattdessen wird Paid Content wir denn Geld verdienen?“ als richtige Option dargestellt, weil es den Wie- Wenn ich mutmaße, dass Paid Content Verlage sollenwirdenngeldverdienenfragern an eigenen nicht ausreichend finanzieren wird – „Wie sol- Ideen mangelt. len wir denn Geld verdienen?“ Ich halte diese Frage deshalb auch für grund- Wenn ich das Leistungsschutzrecht kritisiere – legend falsch, weil sie Journalismus und Medi- „Wie sollen wir denn Geld verdienen?“ en auf eine Finanzstrom-Betrachtung reduziert. Ich kann diese Frage nicht mehr hören. Wir erleben einen disruptiven Medienwandel, 4
bei dem das Aus von Tageszeitungen eine der Äußerung von Funke-Geschäftsführer Thomas Folgen ist. Deshalb wäre es sinnvoller, die Sicht Kloß, der gegenüber „kress“ erklärte, die kon- des Marketings in den Mittelpunkt zu stellen, zerninterne Prognosen für die Jahre bis 2021 um Verlage so aufzustellen, dass sie eine Zu- hätten für ganz NRW ergeben, dass „wir dann kunft haben. Von dieser Seite aus betrachtet kein Geld mehr mit Tageszeitungen verdienen“. wäre die richtige Frage: „Was wollen unsere 2021 – das ist in zwei Jahren. Kunden – und unsere Nicht-Kunden – eigent- Und: Diesmal beziehe ich auch Zeitschriften mit lich?“ ein. 2013 sah es noch nicht so aus, als könnten Sie zu beantworten, fällt sehr vielen Men- Magazine derart heftig vom Medienwandel ge- schen in sehr vielen Verlagskonzernen immens troffen werden wie Zeitungen. Jetzt aber schon, schwer. Es gibt viel zu wenig breit erhobenes weshalb das Folgende auch für Zeitschriften- Marktforschungsmaterial in Print-Häusern. verlage gelten soll. Und selbst wenn, ist es den Schreibenden meist unbekannt. In Redaktionen wabert seit Jahr- Vorab ein paar grundsätzliche, subjektive The- zehnten der Satz „Meine Leser wollen das – und sen: das nicht“ herum. „Meine Leser“ generieren sich • Zeitungen und Zeitschriften sind eine Tech- aus den anekdotischen Beobachtungen und Er- nologie, Technologien werden von besse- lebnissen der Redaktionsmitglieder. ren Technologien abgelöst. Ergo: Tages- Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Bege- zeitungen sterben – Magazine haben ein benheit, als ich Ressortleiter der Wochenend- Überlebensproblem. beilage des „Handelsblatt“ war. Eine altgediente • Journalismus muss sich selbst finanzieren. Redakteurin kritisierte, dass ich eine Titelstory Verlage sind zunehmend in nicht-journa- über die „Neue, Neue Deutsche Welle“ machte, listischen Feldern unterwegs, die „NOZ“ hält in der wir damals frische Künstler wie Tomte sich eine Reitpferde-Verkaufsplattform, oder Wir sind Helden portraitierten. Es ent- Burda investierte in einen Abo-Anbieter von spann sich folgender Dialog: Bio-Tampons (kein Scherz). Das ist gut und Redakteurin: „Meine Leser interessiert das richtig. Doch wenn der Journalismus von nicht.“ diesen Feldern querfinanziert wird, hat er Ich: „Und was ist mit den Jüngeren?“ ein Überlebensproblem. Denn irgendwann Redakteurin: „Die sollen Jazz und Klassik hö- kommen Anteilseigner oder neue Familien- ren.“ generationen und fragen sich, warum sie die Ich: „Und wenn die das nicht wollen?“ Redakteure subventionieren sollen. *Schweigen* • Online-Journalismus ist aus sich heraus re- Der Leser hat sich an den Vorlieben der Autoren finanzierbar. Er wird aber nicht den gesam- zu orientieren – diese Haltung ist keinesfalls ten Apparat finanzieren, der sich heute Ver- selten in Print-Häusern. Das ging so lange gut, lag nennt. wie keine Alternativen zum Gedruckten exis- • Die Margen von Verlagen werden nie wieder tierten. Seitdem jedoch dieses World Wide Web so hoch sein wie in den goldenen Print-Ta- die Konkurrenzsituation disruptiert hat, ist sol- gen. Jene Margen resultierten aus der Dys- ch eine Herangehensweise an das eigene Tun funktionalität des Marktes – wer in diesen ein sicheres Mittel, um sich obsolet zu machen. hineinwill, braucht Druckereien und einen All dies ist nicht neu: Jene beschriebene Szene Vertriebsapparat. spielte sich vor 18 Jahren ab. Und doch ändert • Tageszeitungen und Magazin sind auf Pa- sich so erschreckend wenig. Vor 6 Jahren hatte pier gedruckte, periodisch erscheinende ich deshalb schon mal einen Artikel geschrie- Produkte. Online-Nachrichtenseiten sind ben mit dem Titel „Weil der Verlag sich ändern keine Zeitungen und keine Zeitschriften. Sie muss". Und weil sich seit 2013 einiges geändert haben ein anderes Geschäftsmodell, ihre In- hat – nicht aber die Argumentationsweise der halte werden anders konsumiert. oben genannten Gruppen – wird es Zeit für eine Neuauflage. Was muss sich in Verlagen ändern? Die wird länger als das Original, denn der Hand- Zunächst einmal ist es Zeit für radikale Rationa- lungsdruck ist weiter gestiegen. Ich schrieb hier lität – und das Aufräumen mit drei Mythen. früher schon mal vom strategischen Handlungs- fenster von Verlagen, das sich langsam schlie- Mythos I: „Das Internet ist schuld am ße. Für viele Verlage ist es 2019 schon zu. Davon Auflagenverfall“ zeugen die Bemühungen der DuMont-Gruppe, Zu den großen Mythen der Verlagswelt zählt, ihre Zeitungen zu verkaufen, genauso aber die dass eine heile Journalismus-Welt durch das 5
Internet zerschmettert wurde. Tatsächlich wa- re fabulierten von internen Subventionen. ren die Leser mit der Qualität der Zeitung schon Somit wären die Onlinetöchter von Verlagen unzufrieden, bevor Boris Becker „drin“ war. die ersten Unternehmen gewesen, die freiwillig Die verkaufte Auflage (Ost und West) deut- Steuern zahlten. Denn wenn sie rote Zahlen ge- scher Tageszeitungen erreichte im Jahr 1983 (!) schrieben hätten, wären ja keine Steuern fällig ihren Höhepunkt. Danach ging es nicht in allen gewesen. Jahren nach unten – aber in den meisten. De- Aber mehr noch: Wenn die wirtschaftliche tailstatistiken zu den 80ern sind natürlich we- Lage der Onlinetöchter diametral entgegenge- gen der Situation in der DDR schwierig, deshalb setzt zur dargestellten in der Bilanz war, dann hier die Entwicklung nach der Wiedervereini- müssen wir über Bilanzfälschung reden. Es ist gung. Interessant: Das Web beschleunigte diese bezeichnend, dass weite Teile der Verlagsbran- Entwicklung nicht mal so dramatisch, wie man che glauben, Onlinegewinne seien nur über glauben könnte. Straftaten möglich. Das Netz aber sorgte dafür, dass Leser er- Aus dieser Haltung heraus werden dann die kannten: Da draußen gibt es eine Welt, die falschen Entscheidungen getroffen. Denn vielfältiger ist und die anders läuft als meine Controlling mit all seinen Instrumenten, Zeitung mir erzählt. Und sie bekamen in Digita- die Bilanz ist eines davon, dient ja nicht der listan Informationen, die sie viel mehr interes- platten Abrechnung, sondern der Steuerung sierten als das, was im Print-Produkt zu lesen eines Unternehmens über Finanzströme: Hier war. wird entschieden, welches Geschäftsfeld welche So entstand ein neuer Qualitätsanspruch. Es Investitionen erhält. reicht einem Handball-Fan eben nicht, die dür- Wenn ich aber gedankenflexibel wie ein Klein- re 10-Zeilen-Meldung im Sportteil, wenn eine kind in der Suppenkasper-Phase negiere, dass Handball-Fachseite ihm tiefe Informationen lie- Digitaljournalismus eine wirtschaftliche Zu- fert. Dem aktiven Anleger reicht vielleicht nicht kunft hat, dann verweigere ich diesem Teil mal mehr der Anlage-Teil des „Handelsblatt“, meines Unternehmens logischerweise die nöti- wenn er da draußen tiefe Analysen spannender gen Finanzmittel, um ein nachhaltiges Geschäft Aktien findet. aufzubauen. Hätte es Dirk Nowitzki in die NBA geschafft, wenn er gesagt hätte: „Für die USA Mythos II: „Früher haben die Leute auch bin ich nicht gut genug"? für Journalismus gezahlt“ Mythos IV: „Wir sind super“ Haben sie das? Was wäre, wenn sie nicht für den Journalismus gezahlt haben – sondern für Über die Probleme und Herausforderungen der die Dienstleistung, diesen auf Papier zu dru- Verlags- und Journalismuswelt zu debattieren cken und wahlweise vor ihre Tür zu liefern oder kann sehr, sehr ermüdend sein. Es ist eine Un- im Kiosk verfügbar zu machen? In diesem Fall art, vor allem von Journalisten, von der eigenen wären die Leser so wirtschaftskundig, dass sie Redaktionsstube (und dies ist kein räumliches, dem physischen Prozess der Produktion eine sondern ein gedankliches Konstrukt) auf den Wertigkeit zugestanden hätten. Und diese Wer- Rest der Welt zu schließen. tigkeit würde durch die Digitalisierung natürlich Beispiel: Vor einiger Zeit debattierte ich auf drastisch sinken. Facebook über das Verhältnis von Journalis- Wäre also der Gedanke, dass die Leser früher mus und PR. Dabei schrieb ich, dass Pressemel- nur zu einem geringen Teil für Journalismus ge- dungen oft genug 1:1 abgedruckt werden, zum zahlt haben, nicht eine Erklärung für den Medi- Beispiel im Lokalbereich, oder automatisiert in enwandel? große Nachrichtenseiten einfließen. Eine jour- nalistisch arbeitende Person meldete sich zu Mythos III: „Journalismus lässt sich nicht Wort und tat dies ab, denn in ihrer eigenen Re- über Onlinewerbung finanzieren“ daktion passiere das ja nicht. Wer so argumen- Es gab eine Zeit, in der praktisch alle großen tiert, für den ist eine Scheuklappe sichtfelder- Nachrichtenseiten (und zahlreiche andere) rein weiternd. werbefinanziert profitabel waren. Das sage Doch ist diese Person ja nicht allein. Sehr, sehr nicht ich, das sagten die Verlage selbst – und zwar viele, ich möchte sagen: die meisten Journa- amtlich in den veröffentlichten Bilanzen im Bun- listen und Verlagskaufleute argumentieren so. desanzeiger. Wer mit einem Vertreter jener Berufsgruppen Dieser Fakt wurde und wird von den Ver- spricht, gewinnt den Eindruck, es gebe keine lagen selbst bestritten. Die Zahlen stimm- Medienkrise, keine Kostenkürzungen und Ent- ten nicht, war die Behauptung. Ande- lassungen, keine stürzenden Auflagen, Relotius 6
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war nur ein Einzelfall in einer ansonsten gloriös Solch eine Strategie zu bauen erfordert Zeit recherchierenden Profession. und Investments, weshalb es sinnvoller gewe- 2012 schrieb „Zeit“-Chefredakteur Giovan- sen wäre, diesen Prozess nach dem Platzen der ni di Lorenzo einen unfassbaren Leitartikel. Dotcom-Blase anzugehen. Das war vor 18 Jah- Unter anderem heißt es dort auch: „Wir sind kei- ren. Passiert ist flächendeckend – nichts. ne Holzhändler, es geht um den Inhalt, nicht um Deshalb folgt nun eine ganze Reihe von Din- die Form.“ Wenn ich aber mit dem Mythos II recht gen, die passieren müssten. Eben weil es nicht habe – ist dies nicht genau das falsche Denken? DIE Methode gibt, DAS Instrument oder DEN Immerhin hat sich bei der „Zeit“ einiges getan. zündenden Einfall. Das liegt aber weniger an di Lorenzo als viel- mehr an Jochen Wegner, dem vielleicht besten Maßnahme I: Entscheider raus aus der Online-Chefredakteur der Republik. Filterblase Diese Autosuggestion muss endlich beendet Wie viele Verlagsentscheider, wie viele Chefre- werden. Verlage und Medien insgesamt brau- dakteure gehen zur re:publica? Wie viele waren chen eine branchenoffene, selbstkritische De- auf der SXSW in Austin? Wie viele haben ein ei- batte mit dem Willen, Dinge zu verändern. genes Blog? Beide Berufsgruppen bewegen sich zuvor- Doch was ist nun zu tun? derst unter ihresgleichen und innerhalb einer In jenen ermüdenden Diskussionen schimmert Eliten-Filterblase. Sie sitzen gern auf den Kon- auch immer wieder die Hoffnung durch, dass es gressen von VDZ und BDZV, machen Stößchen das eine, alles heilende und glücklich machende auf Parteiempfängen und tanzen Discofox auf Mittel gebe, das die gute, alte Zeit der hohen dem Bundespresseball. Renditen und schönen Gehälter zurückbringt. Spricht man mit ihnen, so beschränkt sich ihr Beispiel: Einfach eine Paid Content-Schranke Medienkonsum ebenfalls auf die Klassik. Die hochfahren und – zack – ist wieder alles im Lot. „Süddeutsche“ wird intensiv studiert, der „Spie- So ist das Leben aber nun mal nicht. In einer gel“ blockiert das Wochenende. Nur wenige disruptiven Situation gibt es keine Musterlö- hören Podcasts oder lesen Blogs. Dafür bleibe sung. Vielmehr muss jeder Marktteilnehmer für keine Zeit, lautet häufig das Argument. Stimmt: sich herausfinden, welches die für ihn passende Denn gedruckte Organe sind ein wahnsinnig in- Strategie ist. Und egal wie diese Strategie aus- effizienter Weg der Informationsaufnahme. sieht: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie operativ Die eigene Medienaktivität ist – bis auf wenige aus nur einer Maßnahme besteht, ist winzig. Ausnahmen – ebenfalls gesenkt. Nun werden 8
einige Chefredakteure einwerfen, dass sie doch steller über Sektproduzenten bis zu Banken. einen Newsletter pflegen. Und ja, das ist ein Auch Medienhäuser sind (selten) darunter. Fortschritt, wir sind ja schon für wenig dankbar. In keiner anderen Branche mangelt es in einem Doch welcher Chefredakteursnewsletteraner derartigen Ausmaß an Prozessen und Struk- nimmt denn Bezug auf Zuschriften, die er be- turen wie in Verlagen. Ein offensichtliches kommt? Wer reagiert auf Mails? Wer diskutiert? Beispiel: Selbst hochrangige Verlagsmanager Nein, Newsletter sind ein probates Mittel um haben oft nur eine grobe Vorstellung über die weiter in der Filterblase Filter zu blasen. Funktionsweise von Redaktionen – und umge- Meist sieht es bei diesen Entscheidern so aus kehrt. wie bei Gabor Steingart: Steingart predigt „Inter- Oder: Selbst in Details wie Customer Service aktivität“, hält Kommentare (die er Blogs nennt) oder Anzeigenvertrieb gibt es keine klaren Zu- unter Artikeln aber für „entwürdigend“. Auch auf ständigkeiten oder definierte Prozesse. So gibt Twitter reagiert Steingart nie auf Reaktionen es noch Verlage, bei denen Onlineabos nicht in oder auf Hinweise – hier soll die Filterblase um Sekunden freigeschaltet werden, sondern erst Augsteins Willen nicht zum Platzen gebracht nach Tagen. werden. Diese Haltung ist nicht zeitgemäß, „Ach, diese Bürokratie“, werden manche das weder bei Journalisten noch bei Kaufleuten. nun abtun, vor allem in Redaktionen, die sich so Beide Gruppen müssen raus aus ihrer Blase. gern als nonkonformistische Freigeister sehen. Sie müssen auf die SXSW, auf die re:publica, auf Doch Prozesse und Strukturen sorgen eben da- Barcamps, auf den Mobile World Congress. Am für, dass kündigungswillige Abonnenten mehr besten nehmen sie auch noch eine Assistenz als eine Standardreaktion bekommen (und viel- mit, die notfalls über das Mittel der körperlichen leicht gehalten werden) oder ein kreativer Wer- Gewalt ihren Chef davon abhält, mit anderen bewilliger mit einer besonderen Idee diese auch Verlagsmenschen zu kommunizieren. umsetzen kann. Und sie müssen rein in die größte Filterblasen- Und deshalb müssen praktisch alle Verlage zerplatzmaschine der Menschheitsgeschichte: umfangreiche Strategie- und Prozessprojekte das Social Web. Dort müssen sie diskutieren, anstoßen – und das schnell. Denn solche Pro- müssen ihre Thesen zur Debatte stellen und jekte sind nicht eben in zwei Wochen erledigt, auch bereit sein, im Kopf umzuparken – auf sie dauern Monate, wenn nicht Jahre. Twitter, auf Facebook, auf LinkedIn, auf dem eigenen Blog. Nur durch die Debatte mit unter- Maßnahme IV: Radikale Kunden- schiedlichsten Köpfen können in einer komple- orientierung xen und vernetzten Welt Lösungen gefunden Kunden genießen in Verlagen traditionell wenig werden. Aufmerksamkeit. Im Anzeigenbereich saßen die „Außendienstler“ bis zur Krise des Jahres 2001 Maßnahme II: Mehr Diversität vor dem Faxgerät und warteten auf Aufträge. Eigentlich wollte ich diesen Artikel in gender- Nach 2001 sollten sie selbst aktiv werden – und neutraler Sprache schreiben. Lohnt aber den wussten nicht, wie das geht. Ich erinnere mich Aufwand nicht: Die Alten Weißen Männer stel- zum Beispiel an den hervorragend beleumun- len die erdrückende Mehrheit in Verlagsma- deten Anzeigenvertreter, der im Rahmen eines nagement und Chefredaktionen. Ja, es gibt klei- Verlagsprojektes, bei dem ich tätig war, versu- ne Tippelschritte in eine andere Richtung, doch chen sollte, bei Sonys Filmsparte um Anzeigen mehr als Tippelschritte sind es nicht. zu werben – nach zwei Wochen hatte er dies Die „FAZ“ besetzte dieses Jahr einen Herausge- nicht getan: „Ich weiß ja nicht, wen ich da anru- berposten neu. Sie hatte die Chance, eine Frau fen soll. Haben Sie einen Kontakt?“ oder einen Digitalkompetenten zu wählen und Nicht anders läuft es in der Betreuung von Le- entschied sich – für einen weiteren Alten Wei- sern. Mit Kleingedrucktem werden ihnen Abos ßen Mann. Das Schmoren im eigenen Saft wirkt aufgeschwatzt, die nur mit langen Fristen künd- wie eine frische Morgendusche dagegen. bar sind. Wer ein Bild+-Abo kauft, sollte natür- Verlage brauchen mehr Frauen, viel mehr Ent- lich einerseits wissen, dass diese Inhalte mit scheider mit Migrationshintergrund, viel, viel Journalismus exakt nichts zu tun haben, ande- mehr Jüngere und viel, viel, viel mehr Digital- rerseits aber, dass er zum Kündigen telefonie- köpfe. ren muss. Auf der nächsten Seite zwei Beispiele aus der Maßnahme III: Prozesse und Strukturen jüngsten Zeit. Einmal wird der tatsächliche Preis Seit 10 Jahren berät unser Team von kpunktnull verschleiert, einmal bekommt man ihn erst ge- Unternehmen aus zig Branchen, vom Autoher- nannt, nachdem man seine Daten abgeliefert hat: 9
ternehmen sich nicht fragen sollten, wie sie ein Produkt verbessern oder verkaufen, sondern mit welchem Job es von Seiten der Kunden be- treut wird. Diese Grundidee ändert nicht alles – aber sie sorgt dafür, dass Entscheider mit einem frischen Blick auf ihre Situation blicken. Welche Aufgabe also hatten Zeitungen? Viel- leicht sollten sie Eltern beim Frühstück bewusst von den Kindern abschirmen, damit sie ihre Ruhe hatten? Vielleicht hatten sie eine Erinne- rungsfunktion, weil man Artikel ausschneiden konnte? Und welche Aufgabe haben dann heute Online-Angebote? Maßnahme V: Denken in Marken – nicht in Produkten Aus dieser Kundenorientierung heraus muss dann eine Strategie mit klaren Positionierungen entstehen. In meinem Studium hieß es immer: „Between the chairs funktioniert nicht.“ Sprich: Wer keine klare Positionierung im Markt ein- nimmt, wird scheitern. Heute gilt das noch viel stärker als in den 90ern. Es scheint, als ob stei- gende Transparenz Märkte in solche eine Ent- wicklung drängt, die keinen Raum mehr lässt für Mittelpositionen. Verlage aber bewegten sich lange in dysfunk- tionalen Märkten. Deshalb konnten sich Ta- geszeitungen leisten, „Between the chairs“ in Reinkultur zu bieten: Sie versuchen allen alles zu liefern, selbst Lokalblätter kommentieren die große Politik und rezensieren die Wagner-Fest- spiele – obwohl klar ist, dass andere Medien Das ist im Jahr 2019 komplett absurd. Wird ein das besser könnten. Kunde, der diesen Prozess einmal durchmachte, Aus dieser Zeit stammt auch noch das Denken zurückkehren? Und besteht nicht die Gefahr, in Produkten. Häufig betrachten Entscheider dass dieses Verhalten eines Verlags von Kunden einen Onlineauftritt so, wie sie früher auf die übertragen wird auf alle Verlage? Zeitung des Tages blickten. Dies ist anachroni- Deshalb auch wissen Verlage heute über ihre stisch in einer Zeit, da ein Leser auf jeden ein- Kunden – nichts. Persönliche Kontakte, ja, gut. zelnen Artikel treffen kann, ohne vorher eine Doch das sind anekdotische Beobachtungen. Startseite erblickt oder eine Rubrikennavigation Dies ist einer der Hauptgründe, warum so viele angeklickt zu haben. Verlagsentscheider und Redaktionsmitglieder Wer in Produkten denkt, will zum Beispiel eine auf eine mitleiderregende Weise hilflos sind: Sie vollständige Nachrichtenabdeckung. Denn der wissen nicht mal im Ansatz, was die Menschen Käufer soll ja das Gefühl haben, nichts zu ver- wollen, denen sie ihre Dienste andienen möch- säumen. Eine solche Abdeckung ist heute aber ten. Sie sollen ihnen die Welt erklären, leben nicht mehr realistisch. Einerseits ist die Zahl der aber auf einem anderen Planeten. Themen und auch der Interessen von Menschen Ein Ansatz relativ schnell voranzukommen angestiegen. Andererseits lassen geschrumpfte könnte Clayton Christensens „Jobs to be Redaktionen ohne Reisekosten eine seriöse Ab- done“-Theorie sein. Christensen ist Manage- deckung vieler Themen nicht mehr zu. ment-Professor in Harvard und Erfinder der Dieses Produktdenken sorgt dann dafür, dass Disruptions-Theorie (ja, dahinter steckt ein viele prominente Nachrichtenhäuser Artikel richtiges Modell, ich verwende den Begriff der publizieren, die ihre Marke schädigen ob ihrer Disruption deshalb sehr ausgewählt) und Autor fragwürdigen Qualität. etlicher Bücher, darunter „Besser als der Zufall“. Ein Denken in der Markendimension führt In diesem Werk schildert er die Idee, dass Un- dazu, dass jeder einzelne Artikel, jedes Video, 10
dpr.webinare Webinar: Corporate Influencer - Authentische Markenbotschafter aus den eigenen Reihen. 09.10.2019 // 11:00 Uhr Webinar: Multi Channel mit WordPress - von InDesign bis Social Media. 22.10.2019 // 10:00 Uhr Webinar: Das kleine 1 x 1 des YouTube-Kanals. 26.10.2019 // 14:00 Uhr Webinar: Mit Storytelling Botschaften besser vermitteln. 28.10.2019 // 11:00 Uhr Webinar: Mit Buyer Personas (digitale) Geschäftsmodelle entwickeln. 04.11.2019 // 14:00 Uhr Webinar: InDesign im Internet – Cloud Dienste in Satzworkflows integrieren. 11.11.2019 // 11:00 Uhr Webinar: Mehr als nur Newsletter – wie Unternehmen mit E-Mail-Marketing den Umsatz erhöhen. 14.11.2019 // 11:00 Uhr Webinar: WebCMS- und Redaktionssystemauswahl - schnell, einfach und interaktiv mit Canvas. 21.11.2019 // 10:00 Uhr Webinar: In 5 Schritten zu einer effektiven Content-Strategie für Pinterest. 25.11.2019 // 14:00 Uhr Webinar: Facebook Messenger & WhatsApp – was geht (noch) im Bereich Messenger Marketing? 09.12.2019 // 11:00 Uhr Webinar: So nutzen Sie LinkedIn und Xing zur Unternehmens- kommunikation. 10.02.2020 // 14:00 Uhr s mehr infos t https://digital-publishing-report.de/webinare/ 11
jeder Podcast einem Qualitätsanspruch genü- Doch gibt es eben auch viele Getriebene, Über- gen muss. Und dieser Anspruch steht über der zeugungstäter, Herzblutjournalisten. Und die Idee, ein „vollständiges“ Produkt zu publizieren werden in solch einem Konstrukt nicht glücklich – sowohl in der Redaktion wie auch im Verhal- werden. Wollen Verlage diese guten Leute hal- ten gegenüber Anzeigenkunden oder Käufern. ten, werden sie das Redaktionsmodell neu bau- en müssen – ansonsten werden diese Kollegen Maßnahme VI: Disruption des Redaktions- kündigen und es selbst machen. aufbaus Und sie haben gute Chancen auf Erfolg. Denn Redaktionen werden wahrscheinlich nie wieder Menschen vertrauen eben Personenmarken eher so groß, wie sie einmal waren. Und wenn Re- als Produktmarken. Das spüren Chefredakteure daktionen so geführt werden wie aktuell, sollte ja heute schon mit ihren Newslettern – über de- jeder Redakteur sich darüber bewusst sein, nen eben ihr Name steht. Oder Günther Kress, der dass er austauschbar ist. Wer Schichtdienste Begründer des Medienjournalismus der Nach- verrichtet, aus Kostengründen nicht mehr rei- kriegszeit, der seinen „Report“ mit Schreibmaschi- sen kann und so viele Bereiche betreut, dass er ne auf gelbes Papier tippte. keine Kontaktnetze mehr bauen kann, der kann Wer in einem bestimmten Gebiet so gut ist, jeden Tag durch den nächstjüngeren Kollegen dass er aus Sicht der Interessenten hoch qua- ersetzt werden, der im Tarifvertrag zwei Etagen litative Inhalte liefert, muss zur Personenmarke unter ihm angesiedelt ist. mutieren. Warum sich Verlage seit 15 Jahren – Das kann Journalist dann so hinnehmen wie so alt ist diese These und schon damals wur- Gabor Steingart, der in seinem Interview mit de sie von Online-Kundigen an Chefredakteure Turi2 nonchalant einwirft, dass ja ein Kurt Tu- herangetragen – dagegen sträuben? Ich zitiere cholsky auch „ärmer gelebt“ habe. Tatsächlich einen jener Chefs: „Ja, aber wenn der kündigt…“ habe ich in meinen 14 Jahren beim „Handels- Tja, dann ist das blöd. blatt“ auch viele Redakteure kennengelernt, die Aber einerseits: Wie sieht man sich selbst als einfach einen 9-to-5-Job haben wollen – und Arbeitgeber, wenn man auf eine Geschäftsidee das möge man ihnen nicht vorwerfen. verzichtet, weil man die Kündigung des Mitar- Make Du publizierst regelmässig Bücher, Magazine, Broschüren, Kataloge oder Loseblattwerke und suchst nach einer Lösung, um deine Inhalte an publishing einer Stelle zu organisieren und sie dann entwe- der digital oder als Print-Produkt zu publizieren? great Prima! Dein Workflow ist unsere Challenge Wir machen deine Publikation zukunftssicher und again. rentabel – mit einem medienneutralen Workflow und dem Redaktionstool Xpublisher. Was wäre, wenn kollaboratives und intuitives Arbeiten unter Autor*innen und Redaktoren mit jedem gängigen Browser und von überall aus zu erledigen wäre? Mit uns kannst du deinen Workflow verbessern und bist auch in Zukunft effizient. Triff’ uns auf der Termin vereinbaren 12 www.xml-first.com
beiters schon antizipiert? Wie – par- don – scheiße findet man sich dann selbst? Und ist dann der eine, poten- ziell kündigende Kollege das eigent- liche Problem? Anlässlich der SXSW interviewte ich für „kress“ den Trendforscher Rohit Bhargawa und der lieferte eine schöne Replik auf die Angst vor der Kündigung des Stars: „Ich halte es nicht für realistisch, dass ein Leser sich von einer ganzen Publikation verabschiedet, weil ein Redakteur geht. Auf der anderen Seite gibt es im TV-Geschäft die La- te-Night-Show-Moderatoren. Die Menschen schalten wegen dieser Su- perstars ein. Ich verstehe nicht, wa- rum Medienunternehmen nicht viele solcher Superstars in ihren Reihen aufbauen wollen und sie stattdessen hinter den Kulissen verstecken. Das ist eine alte Mutter. Ein gewichtiger Grund dafür war meine Art zu denken. Denn wir Menschen wollen eine Liebe zum SC Preußen Münster. Beziehung zu den Autoren haben, die wir lesen. Denn es war 1995. Internet gab es schon, ich Je mehr dieser Beziehungen es gibt, desto treu- surfte am Rhein via AOL (meine Mutter übri- er bleiben wir bei einer Publikation.“ gens auch). Doch die Münsteraner Zeitungen, Sprich: Top-Autoren kümmern sich künftig mit die „Westfälischen Nachrichten“ und die „Mün- aller Leidenschaft um ein spezifisches Thema. stersche Zeitung“ waren zu jener Zeit entweder In diesem Feld dürfen sie entscheiden was und noch gar nicht im Netz oder nur rudimentär. Ge- auf welchem Kanal verbreitet wird. Ihnen zur nau erinnere ich mich nicht mehr, sicher ist: Die Seite steht ein Produktionsteam, das die Inhalte Nachrichten über den SC Preußen gab es nicht auf zahlreichen Wegen und in vielen Formaten online. vertreibt und sich um das Community Manage- So wie oben abgebildet sah übrigens die erste ment kümmert. Die Vermarktung dieser Inhalte Homepage der „Westfälischen Nachrichten“ wird dann Stück für Stück erforscht. Vielleicht aus, die vom Internet Archive gespeichert wur- ist der Newsletter nicht stark genug für Paid de, sie stammt vom November 1996: Content – aber eine wöchentliche Langversion. Aus mir unverständlichen Gründen berichte- Oder aber Veranstaltungen, in denen ein Repor- ten auch die Düsseldorfer Lokalblätter wenig ter von seinen Recherchen berichtet. über den wunderbarsten aller Fußballvereine. So entstehen Stück für Stück neue, zeitgemäße Also blieben nur Anrufe daheim, um mich auf Medienmarken. Und wenn Verlage dies nicht dem Laufenden zu halten. unter ihrem Dach zulassen – dann machen sich diese Autoren selbständig. Erste Beispiele gibt Einschub: es jetzt schon: Die Finanzszene in Frankfurt Heute ist vieles anders. Der Club selbst ist in Sa- blickt am Morgen zwar auch noch auf „Handels- chen Social Media besser unterwegs als viele blatt“, „Börsenzeitung“ oder „FAZ“ – zuvorderst Bundesligisten, produziert eigene Bewegt- aber auf Finanz-Szene.de, das als Ein-Mann- bilder via Nullsechs-TV. Die journalistische Be- Projekt begann und sich jetzt auf zwei Leute gleitung des Clubs ist ein Spiegelbild der Medi- verdoppelt hat. Diese Beiden liefern unterhalt- enwelt. Faktisch gibt es mit den „Westfälischen sam geschriebenen, tief recherchierten Jour- Nachrichten“ nur noch eine Lokalzeitung, die nalismus per Newsletter – so sieht das zeitge- schottet sich via Paywall ab. Im Gegenzug mäße Nachrichtengeschäft aus. stellte sie ihr unabhängiges Lokalsport-Portal Westline ein. Dessen Redakteur gründete am Maßnahme VII: Individualisierung des gleichen Tag 100ProzentmeinSCP, das nun an- Angebotes scheinend neben multimedialer Berichterstat- Als ich frisch vom Münsterland nach Düsseldorf tung auch noch an einer Fußball-Datenbank gezogen war, telefonierte ich täglich mit meiner arbeitet. Und in dem Moment, da die „WN“ hin- 13
ter ihrer Paywall einen interessanten Beitrag Ein Ausweg wäre das Umformulieren von veröffentlicht, berichtet 100ProzentmeinSCP Hand, wie es beim US-Gegenstück Techmeme (OK, der Name…) frei zugänglich über diese oft der Fall ist. Hier werden die Headlines von Berichterstattung. Keines dieser Themen aber einer Redaktion neu formuliert, was den Nutz- findet auf Spiegel Online statt, Kicker.de berich- wert sogar noch steigert. tet auch nur selten. Dafür ist mit Liga3 Online Es liegt nicht im Sinn des Kunden, seine Nach- ein Dienst entstanden, der Nachrichten agg- richten aus nur einer Quelle zu beziehen – allein regiert. schon, weil seine Interessen weitgehender sind, als eine Quelle abdecken könnte. Deshalb ist Dieses simple Beispiel zeigt: Die alte Heran- Nachrichtenaggregation das, was die Kunden gehensweise an Nachrichtenübermittlung ist wollen. Der größte Aggregator ist das Internet, nicht mehr zeitgemäß. Die Digitalisierung hat doch ist es eben auch wahnwitzig intranspa- dazu geführt, dass wir überall in der Welt indi- rent. vidualisierte Leistungen angeboten bekommen. Verlage könnten die wertvolle Funktion der Urlaube können heute komplett individuell zu- Nachrichtenaggregation übernehmen, so den sammengestellt werden, T-Shirts so bedruckt Kunden eine wertvolle Leistung bieten und sie werden, wie der Kunde es wünscht und Stream- an die eigene Marke binden. ingdienste schlagen mir Musik vor, die zu mir passen könnte. Maßnahme VIII: Onlinewerbung neu Nur in der Welt der Nachrichten passiert das denken nicht. Viele in der Verlagswelt haben Onlinewerbung Tatsächlich soll das bei gedruckten Zeitungen abgeschrieben. Oder besser: Sie haben sie ja nie möglich gewesen sein. Die Mitarbeiterin einer aufgeschrieben, weil sie diesen Einnahmestrom Druckerei sagte mir vor langen Jahren, es sei (siehe oben) noch nie ernsthaft angegangen überhaupt nicht futuristisch, jedem Leser seine sind. Ich halte dies für einen strategischen Feh- eigene Zeitung zu liefern – Verlage wollten das ler von drastischem Ausmaß. aber nicht hören. Ob das Strunzerei war, kann Derzeit ist die Erzählung jene: Facebook und ich nicht sagen. Google konzentrieren Onlinewerbung auf sich, da ist nichts mehr zu holen. Die Nutzer setzen Individualisierung Inhouse auf Adblocker – da dringen wir nicht mehr durch. Online aber wäre das natürlich ganz einfach Und die EU wird mit der E-Privacy-Richtlinie das möglich. Zunächst mal auf den Nachrichtensei- Targeting ruinieren. ten selbst: Warum zeigt mir Spiegel Online nicht Historisch gesehen haben sich Verlage aber das an, was mich interessiert? Deutsche Politik, nie gefragt, welche Funktion Onlinewerbung Englische Politik, Weltpolitik, Theaterkritiken, für ihre Leser erfüllen kann, oder – um mit Fußball und Eishockey, alles zum Thema Essen Christensen zu sprechen – welchen „Job“ sie er- und Trinken dazu ein wenig Wissenschaft – bitte füllen kann. Facebook und Google sind deshalb aber nichts über Formel 1, Klatsch und von Bento. so erfolgreich, weil sie Werbung erdacht ha- Dies würde natürlich nur funktionieren, wenn ben, die für Leser einen Nutzen hat. Wir können ich mich einlogge. Was bedeutet, der Verlag gern darüber lästern, dass es auch Fehl-Tar- könnte mich klar identifizieren, wüsste wie ich geting gibt. Tatsächlich aber ist Werbung im mich auf seiner Seite verhalte und könnte dies Social-Kontext so erfolgreich, dass eine gan- wieder für Online-Werbung nutzen, mir viel- ze Branche entstanden ist: Direct-to-consu- leicht gar Produkte verkaufen. mer-Versender, deren Werbung so inspirierend Dies ist so in-die-Fresse-simpel, dass es mir ist, dass Kunden kaufen, ohne dass sie die Mar- ein vollständiges Rätsel ist, warum die Auswahl ke dahinter jemals zuvor gesehen haben. Oder von Rubriken das Höchste ist, was mir Nachrich- Crowdfunder: Kickstarter ist nichts Anderes tenseiten aktuell an Individualisierung bieten. als eine Werbeplattform mit angeschlossenem Online-Shop. Und vergessen wir nicht Pod- Individualisierung aggregiert cast-Werbung: Sie registriert höchst erfreuliche Mit dem Kampf für ein Leistungsschutzrecht ha- Conversion-Raten. ben die Verlage in Deutschland ihre Interessen Facebook und Google können deshalb derart über die Interessen der Leser gestellt – denn nun viele Werbegelder auf sich konzentrieren, weil sind automatisierte Nachrichtenaggregatoren es von Seiten anderer Anbieter niemals eine praktisch unmöglich geworden. Das vorher wun- ernsthafte Konkurrenz gab. Die Medienunter- derbare Rivva, zum Beispiel, besteht nur noch nehmen betrieben Onlinewerbung halt so, wie aus dürren Überschriften ohne Kontext. sie Analog-Werbung betrieben: Platzierung von 14
dpr das magazin zur digitalen transformation der medienbranche ISSN 2512–9368 sonderheft digital publishing report publishing start-ups Der dpr Start-up-Guide Der erste umfassende Überblick über deutsche Publishing-Start-ups kostenlos hier: http://bit.ly/dpr-startups 15
Anzeigen irgendwie so, dass es schon passen vier Mitglieder-Stati. Welche ich hatte? Keine wird. Ahnung, war nirgends zu finden. Das heißt aber nicht, dass sich diese Situation Es geht auch anders, das demonstriert der nicht wieder ändern ließe. „Guardian“. Das erste Mal seit 1998 meldete Ein Beispiel (das ebenfalls nicht neu ist): On- die britische Zeitung einen operativen Gewinn. line-Anzeigenpreise ließen sich auch an der Gründe: Die Einnahmen kommen vor allem aus Verweildauer messen. In diesem Moment ver- dem Digitalen – und vor allem über die Leser. lören Clickbait-Artikel an Attraktivität, genauso Und das, obwohl alle Artikel des „Guardian“ gra- die Zerhackstückelung eines längeren Textes tis im Netz zu haben sind. auf mehrere Seiten. Sogar das nervige Popup Doch die Londoner sind weitaus kreativer im mit dem Hinweis, dass die Startseite Neuig- Community Building – und genauso in der Ein- keiten enthielte, wäre dann kontraproduktiv. nahmengenerierung. So veranstalten deutsche Deutschlands Verlage sind in der Lage, gemein- Medien recht austauschbare Events: Entweder sam sehr, sehr viel Lobbying anzustoßen. Es interviewen hochrangige Journalisten andere gehört zu den Rätseln der Branche, warum sie hochrangige Menschen, oder es gibt Fachkon- dieses Thema noch nie angegangen sind – ob- ferenzen, die häufig genug von Konferenzver- wohl die Idee nicht neu ist. anstaltungstöchtern organisiert werden, die keinerlei Beziehungen zur Redaktion pflegen. Maßnahme IX: Community Building Verlage müssen genau so denken und sie müs- Schon immer identifizierten sich regelmäßige sen die Kanäle öffnen, damit alle Bereiche ihrer Leser einer Zeitung oder Zeitschrift mit dem je- Mitarbeiter mehr Kontakt zu Kunden bekom- weiligen Objekt. „Du bist, was Du liest“, könnte men. Gleichzeitig müssen sie Plattformen grün- man sagen. Beim „Handelsblatt“ bewunderten den, die wieder die Kunden/Leser untereinan- Leser immer den Regenschirm mit Logo, zu dem der zusammenbringen. ich bei Terminen erschien. Zum Verkauf freige- Maßnahme X: Realistische Preis- geben wurde er meines Wissens nach nie. gestaltung Die Verbundenheit ist kein Wunder. Einerseits zahlen Menschen eine ordentliche Summe Geld, Der geschätzte Richard Gutjahr erstellte buchen sie ein Abo. Andererseits verbringen sie kürzlich mal eine Grafik mit verschiedenen mit einem gedruckten Objekt eine ganze Men- Abo-Preisen, siehe nächste Seite oben. ge Zeit. Würden sie keine Bindung entwickeln, Absurd, nicht wahr? (Zu einem ähnlichen Er- entstünden kognitive Dissonanzen: Warum so gebnis kommt übrigens eine Studie des Reu- viel Zeit und Geld in etwas investieren, was man ters Institute for Journalism.) nicht mag? Doch in der Fläche geht es ja noch weiter. Ein Verlage haben daraus nie so recht Kapital reines Digital-Abo jener „Westfälischen Nachrich- geschlagen. Wie das ginge, hätte der „Han- ten“ kostet (noch dazu ohne e-paper) 9,90€ – also delsblatt“-Club zeigen können. Eigentlich die genauso viel wie die „Welt“ oder ungefähr so viel richtige Idee: Es gibt keine Abonnenten mehr, wie die „New York Times“. sondern Clubmitglieder. Und die bekommen Es scheint, dass Verlage noch immer nicht re- Exklusivitäten und Veranstaltungen, sie sollen alisiert haben, in welchem Konkurrenzumfeld sich einer besonderen Gemeinschaft zugehörig sie sich bewegen. Denn werden Menschen zwi- führen. schen einzelnen Mediensparten differenzieren? Leider war die operative Ausführung desa- Oder fallen nicht all diese Digital-Abos in eine strös. So wurden mit einem Mal tausende von Gefühlswelt und ist dann nicht DAZN ein Riva- Gratis-Mitgliedern eingekauft, indem allen Mit- le für die „Süddeutsche“? Definitiv aber sind die gliedern des Deutschen Marketing-Verbandes großen Internationalen Rivalen um das Geld der (DMV) diese Möglichkeit offeriert wurde (so Leser: Jedes Abo aus Deutschland für den „Eco- wurde auch ich Mitglied des Clubs). Doch schon nomist“ gefährdet ein Abo des „Handelsblatt“, je- der Zugangsprozess zum Club war eine Kata- des für die „Washington Post“ eines für die „FAZ“. strophe, ich kenne zumindest ein DMV-Mit- Setzt man die Zahlen ins Verhältnis, wird klar, glied, das eine halbe Stunde mit der „Handels- dass die deutschen Abo-Preise so nicht funkti- blatt“-Hotline verbrachte, um die Mitgliedschaft onieren werden. Schon jetzt verschweigen die zu erhalten. Ich persönlich scheiterte ein gan- Verlage ja den Anteil jener Leser, die den vollen zes Jahr daran, den Mitglieder-Newsletter zu Preis zahlen – was darauf hindeutet, dass die bekommen. Und als ich mich für eine der Veran- Meisten dies nicht tun. staltungen anmelden wollte, stieß ich dort auf Umso sinnvoller scheint, womit die „WZ“ seit Restriktionen: Offensichtlich gab es mindestens jüngstem experimentiert: Digital-Abos für spe- 16
zifische Themenfelder, zum Beispiel für die Be- sie ein Abo abschließen für eine Marke, zu der richterstattung über die Düsseldorfer EG. sie keine Bindung empfinden? Hardcore-Paid- Dies gilt übrigens ähnlich auch für den Anzei- Content bedeutet das Melken der alten Leser, genbereich. Die Preislisten für Anzeigen, egal die dann langsam wegsterben. ob analog oder digital, sind nicht mal eine grobe Mischfinanzierung bedeutet aber auch, dass Annäherung an die Realität. Rabatte von 40, 50, die Managementqualität der Verlage steigen gar 70 Prozent sind die Normalität. Wie ernst muss. Nicht umsonst sind Mischkonzerne am nehmen Anzeigenkunden einen Anbieter, der Kapitalmarkt verrufen, weil man den Entschei- solche Rabatte gibt? dern nicht zutraut, deutlich unterschiedliche Geschäftsfelder managen zu können. Maßnahme XI: Professionelle Umsetzung Verlagsmanager müssen künftig nicht nur Blenden wir nochmal auf jenen Leitartikel von über ein exzellentes Controlling verfügen. Sie Giovanni di Lorenzo aus dem Jahr 2012. „Wir müssen auch die oft miteinander verfeindeten sind keine Holzhändler“, schrieb er. Ob er da- Verlagsteile „Redaktion“ und „Kaufmannschaft“ mit damals Recht hatte, ist egal. Fakt aber ist: miteinander versöhnen. Ein Unternehmen, des- Wer Paid Content verkaufen will, ist ein Onli- sen Teile sich nicht Grün sind, kann in einer dis- nehändler. Und somit wird er verglichen mit ruptiven Situation nicht florieren. Amazon. Was bedeutet: Der Kauf eines Abos Maßnahme XIII: Investition in oder eines Einzelartikels oder eines E-Papers Experimente muss so simpel sein wie der Einkauf eines Ar- tikels beim größten aller Onlinehändler – dies Es gibt, wie oben gesagt, keine Musterlösungen. ist der Maßstab, an dem sie sich messen las- Und das bedeutet, die Medienkonzerne müssen sen müssen. wie Wissenschaftler experimentieren. Dafür brau- chen sie zunächst einmal innovative Leute – doch Maßnahme XII: Strategische Misch- die laufen ihnen schnell davon, weil sie nichts um- finanzierung setzen dürfen. Über die Jahre hinweg begegneten Die Varianz der Einnahmequellen von Verlagen mir so viele gute Leute mit guten Ideen, die erst muss steigen, sonst können sie nicht überleben. in Verlagen anheuerten, dann immer frustrierter Es wird Paid Content geben, Einzelartikelver- waren und schließlich kündigten. kauf, Events, Onlinewerbung, Whitepaper, Pod- Podcast sind ein gutes Beispiel dafür, was cast-Werbung, und, und, und… falsch läuft. Nachdem Gabor Steingart im Rah- Wer verkündet, man müsse einfach eine hohe men seiner Selbständigkeit zu podcasten be- Bezahlmauer errichten und alles werde gut, gann, schlug das Thema anscheinend auch in sollte dann beantworten, wie er neue Leser ge- Verlagen auf. Natürlich hätte das schon frü- winnen will: Spätestens die Generation Z kann her passieren können, schließlich hatte Matze mit der Idee von Zeitungen und Zeitschriften Hielscher schon vorher eine spektakuläre Ge- wenig bis gar nichts anfangen. Wieso sollten folgschaft aufgebaut und die „Lage der Nation“ 17
schaffte das sogar mit harter Politik. Und „Seri- leadership styles that I thought would have al“… reden wir nicht drüber. been extinct in the 21st century. Und nun wollen alle den Steingart machen. I tried to change some of these things from the Das heißt aber eben nicht, dass innovative inside and, I hope, succeeded in at least some of Formate entstehen, recherchierter Investiga- them. But most of my time was, obviously, fo- tivjournalismus oder mitnehmende Klangcol- cused on the business bottom line and shipping lagen. Es heißt: Menschen sitzen um ein Mikro of products per se and in hindsight, I did not rum und reden. Das ist maximal einfach und invest enough time in cultural transformation. maximal langweilig. Wie fantastisch könnte At some point I realized that the challenge is ein deutsches „Serial“ sein? Zum Beispiel eine so much bigger than “just” transforming the Podcast-Serie über den Fall der Herstatt-Bank? product suite or strategy of one organization: Tatsächlich gibt es so was, doch es krankt un- What if it is not the new product, the hot story- ter beschränkten Mitteln: „Dunkle Heimat“ telling feature, the great conversion strategy or – aus dem Hause Antenne Bayern. ANTENNE the modern CMS that will “save” the media in- BAYERN! Gut, der „Stern“ hat sich mit „Faking dustry/the news organization in question, but Hitler“ an den Hitler-Tagebüchern versucht, if it’s rather our culture that is holding us back leider teilweise recht holprig. Allein: Das war and that will, ultimately, kill us if we don’t radi- wenigstens mal ein Anfang. cally transform? Why are we not talking openly Die guten Digitalen brauchen mehr Geld für about this elephant in the room? And who are Experimente, auch wenn diese scheitern. going to be the leaders that drive the necessary culture change, while being knowledgable Fazit: Es ist ein mieser Job – aber alle about business innovation in the media indus- müssen ihn machen try?“ Der Chefredakteur eines Medienfachorgans Zielina hat vollkommen recht: So weiterma- sagte mir schon mehrfach: „Sie glauben immer, chen wie bisher und hoffen, dass die Menschen das sei alles so leicht.“ Nö. Glaube ich nicht. Die- für inferiore, digitale Nachrichtenprodukte zah- sen Wandel zu schaffen ist sauschwer, sauhart len oder das Leistungsschutzrecht Rettung und führt die Verlage an die Grenzen dessen, bringt – das ist keine Lösung und keine ernst- was eine Organisation aushalten kann – eine hafte Option. ganze Reihe von ihnen wird daran zerbrechen. Die größte deutsche Tageszeitung – die Und schnell mal eben ist all dies auch nicht be- „Bild“ – hat realistisch noch fünf Jahre, bis ihr wältigt – es wird Jahre dauern. Druck eingestellt wird, ihrer Schwester „Welt“ Erst recht, weil das fundamentale Problem der geht es nicht anders. Die Einstellung der Bei- Branche die Unternehmenskultur ist. Anita Zieli- den wird eine Erschütterung in der Medien- na, die ehemalige Online-Chefin des „Stern“, hat welt auslösen und das Segment „Zeitung“ jüngst einen Dozentenposten an der City Uni- aus den Plänen der großen Mediaagenturen versity New York übernommen, wo sie sich um entfernen – und eventuell auch das Segment die Fortbildung von Medienmanagern kümmert. „Zeitschriften“. In ihrem lesenswerten Newsletter schrieb sie Diese fünf Jahre sind das letzte Handlungsfen- jüngst über die Gründe, nach Manhattan zu ster für Verlage. Wann werden sie anfangen, es gehen, über ihre Erfahrungen in Verlagen: zu nutzen? „There were things that I didn’t love, though: The lack of creative space and lack of appreciation for innovation. The millions of meetings. Petty political fights on the management level. But, more than anything, the share of bad leaders thomas knüwer Thomas Knüwer ist Gründer der I encountered, followed by disbelief when they Digitalberatung kpunktnull und still got rewarded with additional responsibili- bloggt seit 2005 über Digitalmar- ties by boards or CEOs. The often complete no- keting und Medienwandel. Vor der nexistence of diversity on the higher leadership Gründung von kpunktnull arbeite- te er 14 Jahre lang in der Redakti- levels, and the absence of a conscious strategy on Handelsblatt. Außerdem war to counter that problem. The lack of appreciati- er Gründungschefredakteur der on for employees – manifested in the absence deutschen Wired. Über Essen und of continuing education, growth opportunities, Reisen podcastet er unter Völlerei professional feedback and, often, empathy. The & Leberschmerz und bloggt darü- ber bei Gotorio. Außerdem gehört lack of professional and appreciative commu- er zum Ausrichterteam des ältesten deutschen Influencer-Awards, nication. Old fashioned command-and-control den Goldenen Bloggern. 18
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