Diskriminierung aus anderen Gründen: Rasse, Religion, sexuelle Ausrichtung
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Diskriminierung aus anderen Gründen: Rasse, Religion, sexuelle Ausrichtung Adam Bodnar, LL.M., LL.D. Helsinki-Stiftung für Menschenrechte, Polen Zentrum für Menschenrechte, Rechts- und verwaltungswissenschaftliche Fakultät an der Universität Warschau Trier, 4. Juni 2012
Rechtsgrundlage Art. 19 AEUV – Rechtsetzungsbefugnis der EU Art. 21 der EU-Charta - Diskriminierungsverbot Richtlinie 2000/43/EG – Verbot von Diskriminierungen wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft in allen Bereichen des gesellschaft- lichen Lebens Richtlinie 2000/78/EG – u.a. Verbot von Diskriminierungen wegen der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf Inländisches Recht zur Bekämpfung der Diskriminierung – Anwendungsbereich kann weiter gefasst sein als der Geltungsbereich der Richtlinien Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (nur anwendbar bei Verletzung anderer, von der Konvention geschützter Rechte) Protokoll Nr. 12 EMRK (wurde nur von wenigen Staaten ratifiziert)
Anwendungsbereich der Richtlinien Zugang zu Berufs- Sozial- Gesundheits- Beschäftigung Bildung Gütern und ausbildung versicherung schutz Dienstleistungen Geschlecht x x x Rasse x x x x x x Religion x x Behinderung x x Alter x x Sexuelle Ausrichtung x x
Rasse oder ethnische Herkunft Richtlinie 2000/78 enthält keine konkrete Definition von Rasse oder ethnischer Herkunft Sprache, Hautfarbe oder ethnische Zugehörigkeit werden in der Richtlinie nicht ausdrücklich erwähnt, aber die Konzepte “Rasse oder ethnische Herkunft” sollten weit ausgelegt werden, z.B. Definition von Rassendiskriminierung des UN-Ausschuss zur Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) und der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz Timishev gegen Russland (EGMR, Anträge Nr. 55762/00 und 55974/00, 13. Dez. 2005), Rn. 55: „Ethnizität und Rasse sind miteinander verbundene und sich überschneidende Konzepte. Während der Begriff der Rasse seine Wurzeln in der Vorstellung einer biologischen Klassifizierung der Menschen in Untergruppen gemäß morphologischen Merkmalen wie Hautfarbe oder Gesichtsmerkmalen hat, ist der Begriff Ethnizität der Vorstellung gesellschaftlicher Gruppen entnommen, die durch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, Stammeszugehörigkeit, einen gemeinsamen religiösen Glauben, eine gemeinsame Sprache oder gemeinsame Ursprünge in Kultur und Tradition sowie einen gemeinsamen Hintergrund gekennzeichnet sind.“ Anwendungsbereich von Richtlinie 2000/78/EG ist weit gefasst – im Grunde alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (aber nicht im Privatleben, z.B. private Parteien) Differenzierte Behandlung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft nur in sehr beschränktem Rahmen möglich (Erwägungsgrund 18 in der Präambel)
Rasse oder ethnische Herkunft - Rechtsprechung Rechtssache C-54/07, Feryn NV, Urteil vom 10. Juli 2008 Belgisches Zentrum für Chancengleichheit und für die Bekämpfung des Rassismus reichte eine Klage gegen die Fa. Feryn NV ein, weil einer der Direktoren des Unternehmen geäußert hatte, dass die Firma keine „Immigranten“ einstellen würde Das Hauptgeschäft der Fa. Feryn NV ist der Einbau von Türen in Garagen und Privathäusern Problematisch war in diesem Fall das Fehlen einer identifizierbaren beschwerten Person EuGH – öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers kann bestimmte Bewerber davon abhalten, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern EuGH – solche öffentlichen Äußerungen begründen eine Vermutung für das Vorliegen einer unmittelbar diskriminierenden Einstellungs- politik
Rassendiskriminierung - Rechtsprechung Sejdić und Finci gegen Bosnien und Herzegowina (EGMR, Beschwerde Nr. 27996/06, 34836/06, Urteil v. 22. Dezember 2009) - Ausschluss von Roma und Juden von der Teilnahme an Präsident- schaftswahlen – Verfassung basiert auf Friedensabkommen von Dayton und spiegelt die nationale Zusammensetzung des Staates wider. Nachova u.a. gegen Bulgarien (EGMR, Beschwerde Nr. 43577/98 und 43579/98, Urteil v. 6. Juli 2005) – Beweislast bei Gewalt aus Gründen der Diskriminierung Paraskeva Todorova gegen Bulgarien (EGMR, Beschwerde Nr. 37193/07, Urteil v. 25. März 2010) – Rassendiskriminierung durch inländisches Gericht. Das Gericht weigerte sich, die einer Roma-Frau auferlegte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Im Urteil verwies das Gericht insbesondere auf „einen Eindruck von Straflosig- keit, insbesondere bei Angehörigen von Minderheiten, die der Auf- fassung sind, dass eine Bewährungsstrafe keine Strafe sei.“
Religion und Weltanschauung Nur Richtlinie 2000/78 enthält ein Verbot von Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung Rechtssache C-130/75, Prais gegen Rat – Prüfungstermin an jüdischem Feiertag Übliche Konflikte: Kleiderordnung am Arbeitsplatz und Bekundung religiöser Überzeugungen (Slg. 2008), wie z.B. Tragen von Kopftüchern und Arbeitssicherheit, Tragen eines Schleiers in der Schule Es gibt noch weitere Beispiele für Diskriminierungen, aber diese liegen außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien (werden aber eventuell von nationalem Recht oder EGMR abgedeckt), wie z.B. Jakóbski gegen Polen (Beschwerde Nr.18429/06, Urteil v. 7.12.2010) – Recht auf vegetarisches Essen in Gefängnissen Besondere Ausnahmeregelungen gelten gemäß Richtlinie 2000/78 für religiöse Einrichtungen
Religion und Weltanschauung - Fallstudie Lillian Ladele und Gary McFarlane gegen Vereinigtes Königreich (Beschwerde Nr. 51671/10 und 36516/10) Zwei Beamte, die der Auffassung sind, dass die Ehe eine Verbindung zwischen einer Frau und einem Mann ist und die sich daher geweigert haben, eingetragene Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare zu registrieren bzw. als Eheberater einem homosexuellen Paar eine Sexualtherapie zu verordnen. Nadia Eweida und Shirley Chaplin gegen Vereinigtes Königreich (Beschwerde Nr. 48420/10 und 59842/10) Angestellte einer Fluggesellschaft und eine Krankenschwester durften aufgrund der internen Politik des Arbeitgebers kein Kettchen mit einem Kreuz sichtbar am Hals tragen Beide Fälle sind noch vor der Großen Kammer des EGMR anhängig (Verhandlung findet am 3. September 2012 statt) Vgl.: Politik der polnischen Fluggesellschaft LOT
Sexuelle Ausrichtung Sexuelle Ausrichtung – wird abgedeckt von Richtlinie 2000/78/EG und von Art. 14 EMRK (meistens in Verbindung mit Art. 8) Nicht nur einzelne Fälle von Entlassungen und mangelnden Aufstiegs- chancen, sondern auch Folgen auf dem Arbeitsmarkt für gleich- geschlechtliche Paare, z.B. Stellenanzeigen (… suchen jemanden in einer dauerhaften Beziehung, suche jemanden zwecks Heirat, um Familienunternehmen zu führen …) In Ländern mit Rechtsvorschriften zu gleichgeschlechtlichen Lebens- gemeinschaften – Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 auf mit der Erwerbstätigkeit verbundene Leistungen für Paare Diskriminierung durch Assoziation; so wird z.B. jemand als homosexuell anerkannt, ist tatsächlich aber heterosexuell oder setzt sich aktiv für die Förderung der LGBT-Rechte ein (Rs. Miroslaw Sielatycki) Äußerst seltene Beispiele von Fällen, bei denen die „sexuelle Ausrichtung“ als sachliche Rechtfertigung für Diskriminierung dient (Rs. HomO in Schweden, bei der ein heterosexueller Bewerber abgewiesen wurde, weil es bei der ausgeschriebenen Stelle darum ging, die LGBT-Gemeinschaft für „Safer Sex“ zu sensibilisieren
Sexuelle Ausrichtung - Rechtsprechung Rs. C-267/06, Tadao Maruko gegen Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, Urteil v. 1. April 2008 Nach deutschem Recht eingetragene Partnerschaft von zwei Männern Lebenspartner von Tadao Maruko arbeitete in einem Theater und war aufgrund eines Tarifvertrags in der VddB sozialversichert Als sein Partner 2005 starb, beantragte Tadao Maruko eine “Witwen”- Rente Nach den internen VddB-Bestimmungen bestand diese Möglichkeit für eingetragene Lebenspartner nicht und so verweigerte die VddB die Zahlung einer Witwenrente Tadao Maruko leitete gerichtliches Verfahren ein – deutsches Gericht legte EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor
Sexuelle Ausrichtung - Rechtsprechung Zahlung einer Witwenrente ist eng mit dem Arbeitsvertrag verknüpft und zählt nach Richtlinie 2000/78/EG zur „Entlohnung“; Anspruch auf Witwenrente nach Tod des Partners Unmittelbare Diskriminierung – hinterbliebene Ehegatten im Vergleich zu hinterbliebenen Partnern bei eingetragenen Lebenspartnerschaften Sieht ein Rechtssystem eingetragene Partnerschaften mit ehe- ähnlichen Rechten vor, so ist eine rechtlich unterschiedliche Behandlung von hinterbliebenen Partnern diskriminierend (im Vergleich zu hinterbliebenen Ehegatten) Deutsche Gerichte aufgefordert, die Vergleichbarkeit zu prüfen Ähnlich gelagerter Fall: C-147/08, Römer gegen Freie und Hansestadt Hamburg, Urteil des EuGH v. 10. Mai 2011 Gilt aber nur für Staaten mit Gesetzen zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Noch fortschrittlicher der Schlussantrag des Generalanwalts in der Rechtssache Römer
EGMR - Entwicklungen Karner gegen Österreich (EGMR, Beschwerde Nr. 40016/98, Urteil v. 24. Juli 2003) – Recht auf Eintritt in einen Mietvertrag nach dem Tod des gleichgeschlechtlichen Partners – Anwendbarkeit von Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK Kozak gegen Polen (EGMR Beschwerde Nr. 13102/02, Urteil v. 2. März 2010); Entwicklung einer neuen Vorstellung von Familie im gesellschaftlichen Leben; siehe auch Rs. „Kozak II“ (Landgericht Warschau) Schalk und Kopf gegen Österreich (EGMR, Beschwerde Nr. 30141/04, Urteil v. 24. Juni 2010); Chaplin und Charpentier gegen Frankreich (Beschwerde Nr. 40183/07 – anhängiger Fall) – Entwicklung der Rechtsprechung zum Recht auf gleichgeschlecht- liche Eheschließung und zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare; bleibt im Ermessen der Staaten E.B. gegen Frankreich (EGMR, Beschwerde Nr. 43546/02, Urteil v. 22. Januar 2008) Verbot der Diskriminierung einer einzelnen homosexuellen Person, die ein Kind adoptieren möchte; X u.a. gegen Österreich, (EGMR, Beschwerde Nr. 19010/07, anhäniger Fall – Gibt es einen Anspruch auf Adoption eines Kindes durch die Stiefmutter (lesbische Partner)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontaktangaben: a.bodnar@hfhr.org.pl Mobil: + 48 603 608 400 www.hfhr.org.pl www.zpc.wpia.uw.edu.pl
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