DAS GOOGLE-URTEIL DES EUGH UND DIE ENTFERNUNGSPFLICHT VON SUCHMASCHINEN NACH SCHWEIZERISCHEM RECHT

Die Seite wird erstellt Hellfried Junker
 
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Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht
von Suchmaschinen nach schweizerischem Recht
Daniel Hürlimann*

Das Google-Urteil des EuGH verstösst gegen die Informationsfreiheit, die sowohl von der
EU-Grundrechtecharta als auch in der EMRK und BV garantiert wird. Mit dem Urteil wird
Suchmaschinenbetreibern eine Richterfunktion zugewiesen, die in einem Rechtsstaat nicht an
Private delegiert werden darf.

        I. Einleitung
        II. Das Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014
        III. Die Beurteilung durch den Generalanwalt
             1. Suchmaschinenbetreiber ist kein «für die Verarbeitung Verantwortlicher»
             2. Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit geopfert
        IV. Offene Fragen
             1. Kriterien zur Entfernung
             2. Betroffene Dienste
             3. Form der Mitteilung
             4. Umfang der Entfernung
        V. Die Rechtslage in der Schweiz
             1. Datenschutzrecht
             2. Grundrechte
             3. Rechtfertigungsgründe
             4. Kartellrecht
        VI. Ausblick
             1. Weiterzug an den EGMR
             2. Rückzug aus EU-Staaten
             3. Korrektur durch den Gesetzgeber
             4. Alternative Lösungsmöglichkeiten
        VII. Fazit

Zitiervorschlag: Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht
                 von Suchmaschinen nach schweizerischem Recht, in: sui-generis 2014, S. 1

URL:                sui-generis.ch/1

 _________________________________________________________________________
 *
     Dr. iur., Rechtsanwalt, CAS Judikative. Forschungsmitarbeiter an den Universitäten Luzern und Zürich.
     twitter.com/dhuerlimann Themenbezogene Interessen(-bindung) des Autors: keine

     Der Autor dankt Prof. Dr. Astrid Epiney, Prof. Dr. Monika Pfaffinger und MLaw Danielle Schneider für
     die kritische Durchsicht des Manuskripts.

     Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen
     Bedingungen 4.0 International Lizenz.
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

I. Einleitung                                                       qualifiziert5 und dass darüber hinaus der
1                                                                   räumliche Anwendungsbereicht der Richtlinie
    Mit einem Recht auf Vergessenwerden «wür-
                                                                    bejaht wurde6, obwohl Google nicht offenge-
    den entscheidende Rechte wie die Freiheit der
                                                                    legt hat, in welchem Staat sich die fraglichen
    Meinungsäusserung und die Informationsfrei-
                                                                    Server befinden7. Das gestützt auf Daten-
    heit geopfert»1. Gestützt auf diese Argumen-
                                                                    schutzrecht ergangene Urteil kam unerwartet,
    tation hat der Generalanwalt in einem Verfah-
                                                                    zumal die Schlussanträge des Generalanwalts
    ren gegen Google dem EuGH davor abgera-
                                                                    in eine andere Richtung gingen und auch des-
    ten, ein solches Recht zu bejahen. Die War-
                                                                    halb, weil die Veröffentlichung der fraglichen
    nung wurde nicht erhört: Mit Urteil vom 13.
                                                                    Information in diesem Fall nicht nur recht-
    Mai 2014 hat der EuGH festgehalten, dass
                                                                    mässig war, sondern sogar auf Anordnung ei-
    Google verpflichtet ist, Links mit Informatio-
                                                                    ner staatlichen Behörde erfolgte8.
    nen zu einer Person zu entfernen, «auch wenn
    der Name oder die Informationen auf diesen
                                                                4   Im Folgenden wird zunächst das Urteil des
    Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig
                                                                    EuGH zusammengefasst (II.), bevor auf die
    gelöscht werden und gegebenenfalls auch
                                                                    abweichende Beurteilung des Generalanwalts
    dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den In-
                                                                    (III.) und auf ein paar offene Fragen (IV.) ein-
    ternetseiten als solche rechtmäßig ist.»2
                                                                    gegangen wird. Im Anschluss daran soll die
2                                                                   Rechtslage in der Schweiz dargestellt werden
    Konkret ging es in diesem Verfahren um einen
                                                                    (V.), um abschliessend einen Ausblick auf
    Spanier, der sich dagegen wehrte, dass nach
                                                                    mögliche Entwicklungen (VI.) zu wagen. Bei
    einer Google-Suche mit seinem Namen eine
                                                                    der vorliegenden Darstellung liegt der Fokus
    bestimmte Seite angezeigt und verlinkt wurde.
                                                                    vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils auf
    Diese Seite enthielt die Information, dass sein
                                                                    dem Datenschutzrecht9.
    Grundstück wegen ausstehenden Forderungen
    der Sozialversicherung versteigert wurde3.
    Die Publikation der Anzeige erfolgte im Jahre             II. Das Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014
    1998 in einer gedruckten Zeitung und wurde                  5   Ein Spanier erhob 2010 bei der spanischen
    später durch den Verleger auch online veröf-
                                                                    Datenschutzbehörde gegen die Herausgeberin
    fentlicht4.
                                                                    einer Tagesezeitung sowie gegen Google
3
                                                                    Spain und Google Inc. eine Beschwerde, mit
    Voraussetzung für die Bejahung einer Ver-
                                                                    der er beantragte, die Tageszeitung «anzuwei-
    pflichtung zur Entfernung war, dass der Such-
                                                                    sen, entweder die genannten Seiten zu löschen
    maschinenbetreiber als Verantwortlicher für
                                                                    oder zu ändern, so dass die ihn betreffenden
    die Verarbeitung personenbezogener Daten

    –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
    1                                                                   2013 in der Rechtssache C-131/12, Rn. 18.
        Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen
                                                                    5
        vom 25. Juni 2013 in der Rechtssache C-131/12,                  Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 41.
        Rn. 133.                                                    6
                                                                        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 60.
    2                                                               7
        Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014                       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 43.
        (Google Spain SL und Google Inc. gegen Agencia              8
                                                                        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 16.
        Española de Protección de Datos [AEPD] und Ma-              9
                                                                        Für die Beurteilung der Haftung von Suchmaschi-
        rio Costeja González), Rn. 88.
    3                                                                   nen aus Urheber-, Marken-, Lauterkeits-, Kartell-
        Urteil des EuGH C-131/12 vom 13. Mai 2014,
                                                                        und Persönlichkeitsrecht siehe Daniel Hürlimann,
        Rn. 14.                                                         Suchmaschinenhaftung, Diss. Bern 2012.
    4
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni

                                                   sui-generis 2014, S. 2
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

    personenbezogen Daten dort nicht mehr ange-                   der Audiencia Nacional Klage erhoben; die
    zeigt würden, oder zum Schutz der Daten von                   Audiencia Nacional hat das Verfahren ausge-
    bestimmten, von den Suchmaschinen zur Ver-                    setzt und dem EuGH die Fragen vorgelegt, de-
    fügung gestellten technischen Möglichkeiten                   ren Beantwortung davon abhänge, wie die
    Gebrauch zu machen. Er beantragte ferner,                     EU-Datenschutzrichtlinie14 im Kontext von
    Google Spain oder Google Inc. anzuweisen,                     Technologien, die nach ihrer Bekanntma-
    ihn betreffende personenbezogene Daten zu                     chung aufgekommen seien, auszulegen sei.
    löschen oder zu verbergen, so dass diese we-
    der in den Suchergebnissen noch in Links zu               7   Die insgesamt neun Vorlagefragen der Audi-
    La Vanguardia [eine insbesondere in Katalo-                   encia Nacional wurdem vom EuGH in vier
    nien weitverbreitete Tageszeitung10] erschie-                 Abschnitten zu den folgenden Themen beant-
    nen»11. Die fraglichen Seiten enthielten eine                 wortet:
    Anzeige, in der unter Nennung des Namens
    des Betroffenen auf die Versteigerung eines                    1. sachlicher Anwendungsbereich der
    Grundstücks im Zusammenhang mit einer we-                         Richtlinie,
    gen Forderungen der Sozialversicherung er-                     2. räumlicher Anwendungsbereich der
    folgten Pfändung hingewiesen wurde.                               Richtlinie,
                                                                   3. Umfang der Verantwortlichkeit des
6   Die spanische Datenschutzbehörde wies die                         Suchmaschinenbetreibers nach der
    Beschwerde, soweit sie sich gegen die Her-                        Richtlinie,
    ausgeberin richtete, mit der Begründung zu-                    4. Umfang der durch die Richtlinie garan-
    rück, die Veröffentlichung der betreffenden                       tierten Rechte der betroffenen Person.
    Informationen durch diese Gesellschaft sei
    rechtlich gerechtfertigt gewesen, da sie auf   1. Tätigkeit einer Suchmaschine ist eine
    Anordnung des Arbeits- und Sozialministeri-        Verarbeitung personenbezogener Daten
    ums und mit dem Ziel einer höchstmöglichen    8   Die EU-Datenschutzrichtlinie gilt gemäss de-
    Publizität der Zwangsversteigerung und somit
                                                      ren Art. 3 «für die ganz oder teilweise automa-
    einer höchstmöglichen Zahl an Bietern erfolgt
                                                      tisierte Verarbeitung personenbezogener Da-
    sei12. Soweit sie sich gegen Google Spain und
                                                      ten sowie für die nicht automatisierte Verar-
    Google Inc. richtete, wurde der Beschwerde
                                                      beitung personenbezogener Daten, die in einer
    hingegen stattgegeben. Die Datenschutzbe-
                                                      Datei gespeichert sind oder gespeichert wer-
    hörde begründete dies damit, dass Suchma-
                                                      den sollen.» Bei der Prüfung des sachlichen
    schinenbetreiber eine Datenverarbeitung vor-
                                                      Anwendungsbereichs hatte der EuGH demzu-
    nähmen, für die sie verantwortlich seien, und
                                                      folge zu untersuchen, ob die Tätigkeit einer
    als Mittler der Informationsgesellschaft fun-
                                                      Suchmaschine als «Verarbeitung personenbe-
    gierten; sie unterlägen deshalb den Daten-
                        13
                                                      zogener Daten» einzustufen ist15. Er bejahte
    schutzvorschriften . Gegen diese Entschei-
                                                      die Frage unter Hinweis darauf, dass mit dem
    dung haben Google Spain und Google Inc. bei
    –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
    10                                                               natürlicher Personen bei der Verarbeitung perso-
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 14.
    11
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 15.                     nenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr
    12                                                               (ABl. L 281 S. 31–50).
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 16.                  15
    13                                                               Dieser Begriff ist in Art. 2 lit. b der Richtlinie fol-
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 17.
    14
                                                                     gendermassen definiert: «Im Sinne dieser Richtli-
       Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments
       und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz

                                                 sui-generis 2014, S. 3
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

    Betrieb einer Suchmaschine zahlreiche Vor-                     gliedstaat [sind] untrennbar miteinander ver-
    gänge einhergehen, die gemäss Datenschutz-                     bunden, da die die Werbeflächen betreffenden
    richtlinie explizit als Verarbeitung personen-                 Tätigkeiten das Mittel darstellen, um die in
    bezogener Daten gelten, namentlich das Erhe-                   Rede stehende Suchmaschine wirtschaftlich
    ben, das Auslesen, das Speichern, die Organi-                  rentabel zu machen, und die Suchmaschine
    sation, die Aufbewahrung, die Weitergabe                       gleichzeitig das Mittel ist, das die Durchfüh-
    und die Bereitstellung16. Daran ändere auch                    rung dieser Tätigkeiten ermöglicht»20.
    nichts, dass die personenbezogenen Daten be-
    reits im Internet veröffentlicht worden sind               3. Suchmaschinenbetreiber ist auch zur Ent-
    und von der Suchmaschine nicht verändert                      fernung rechtmässig veröffentlichter In-
    werden17.                                                     halte verpflichtet
                                                              10   Nach der Bejahung des sachlichen und räum-
2. Auf Werbung ausgerichtete Tochterge-                            lichen Anwendungsbereichs der EU-Daten-
   sellschaft genügt für Anwendbarkeit des                         schutzrichtlinie kommt der EuGH zur materi-
   Rechts des betreffenden Staates                                 ellen Kernfrage, d.h. der Frage nach dem Um-
9   In einem nächsten Schritt stellte sich die                     fang der Verantwortlichkeit des Suchmaschi-
    Frage, ob die EU-Datenschutzrichtlinie räum-                   nenbetreibers. Der Gerichtshof weist zunächst
    lich anwendbar ist, wenn die eigentliche Ver-                  darauf hin, dass die Bestimmungen der Richt-
    arbeitung (möglicherweise18) nicht im betref-                  linie, soweit sie Verarbeitungen personenbe-
    fenden EU-Staat vorgenommen wird, der                          zogener Daten betreffen, im Licht der Grund-
    Suchmaschinenbetreiber dort aber eine für                      rechte auszulegen sind, und hebt insbesondere
    Werbung zuständige Tochtergesellschaft hat.                    Art. 7 (Recht auf Achtung des Privatlebens)
    Obwohl diese Frage bei streng grammatikali-                    und 8 (Recht auf Schutz der personenbezoge-
    scher Auslegung auch anders beantwortet                        nen Daten) der Charta der Grundrechte der
    werden könnte19, wird sie vom EuGH mit der                     Europäischen Union21 hervor.
    folgenden Begründung bejaht: «die Tätigkei-
    ten des Suchmaschinenbetreibers und die sei-              11   Art. 8 Abs. 2 der Charta hält fest, dass perso-
    ner Niederlassung in dem betreffenden Mit-                     nenbezogene Daten «nur nach Treu und Glau-

    –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
       nie bezeichnet der Ausdruck ‹Verarbeitung perso-            18
                                                                      Google Search wird von der Google Inc. mit Sitz
       nenbezogener Daten› (‹Verarbeitung›) jeden mit o-              in den USA betrieben und gibt nicht bekannt, in
       der ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausge-                welchem Staat sich die Server befinden, «da diese
       führten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zu-                 Information aus Wettbewerbsgründen geheimge-
       sammenhang mit personenbezogenen Daten wie                     halten wird.» Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014,
       das Erheben, das Speichern, die Organisation, die              Rn. 43.
       Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung,               19
                                                                      Art. 4 Abs. 1 lit. a der EU-Datenschutzverordnung
       das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die                 legt fest, dass jeder Mitgliedstaat die Vorschriften,
       Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder                die er zur Umsetzung dieser Richtlinie erläßt, auf
       jede andere Form der Bereitstellung, die Kombina-              alle Verarbeitungen personenbezogener Daten an-
       tion oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Lö-               wendet, «die im Rahmen der Tätigkeiten einer Nie-
       schen oder Vernichten;».                                       derlassung ausgeführt werden, die der für die Ver-
    16
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 28.                      arbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses
    17
       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 29 f., mit               Mitgliedstaats besitzt. [...]» (Hervorhebung hinzu-
       Verweis auf das Urteil des EuGH C-73/07 vom 16.                gefügt).
       Dezember 2008 (Tietosuojavaltuutettu gegen Sata-            20
                                                                      Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 56.
       kunnan Markkinapörssi und Satamedia), Rn. 48                21
                                                                      Charta der Grundrechte der Europäischen Union
       und 49                                                         (ABl. C 364 vom 18/12/2000, S. 1–22).

                                                  sui-generis 2014, S. 4
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

     ben für festgelegte Zwecke und mit Einwilli-                      im Internet zu findenden Informationen zu er-
     gung der betroffenen Person oder auf einer                        halten, die potenziell zahlreiche Aspekte von
     sonstigen gesetzlich geregelten legitimen                         deren Privatleben betreffen und ohne die be-
     Grundlage verarbeitet werden» dürfen. Art. 6                      treffende Suchmaschine nicht oder nur sehr
     Abs. 1 der Richtlinie geht darüber hinaus, in-                    schwer hätten miteinander verknüpft werden
     dem er verlangt, dass personenbezogene Da-                        können, und somit ein mehr oder weniger de-
     ten zusätzlich «sachlich richtig und, wenn nö-                    tailliertes Profil der Person zu erstellen. Zu-
     tig, auf den neuesten Stand gebracht sind» (lit.                  dem wird die Wirkung des Eingriffs in die ge-
     d) und «nicht länger, als es für die Realisie-                    nannten Rechte der betroffenen Person noch
     rung der Zwecke, für die sie erhoben oder wei-                    durch die bedeutende Rolle des Internets und
     terverarbeitet werden, erforderlich ist, in einer                 der Suchmaschinen in der modernen Gesell-
     Form aufbewahrt werden, die die Identifizie-                      schaft gesteigert, die den in einer Ergebnisliste
     rung der betroffenen Personen ermöglicht»                         enthaltenen Informationen Ubiquität verlei-
     (lit. e). Sodann regelt Art. 7 der Richtlinie die                 hen»22.
     Zulässigkeit der Verarbeitung von personen-
     bezogenen Daten, wobei für eine von einem                    13   Leider geht das Urteil auf die gegenüberste-
     Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verar-                         henden Grundrechte nicht in gleicher Weise
     beitung als Zulässigkeitsgrund Art. 7 lit. f ein-                 ein. Die eigentliche Abwägung fällt dann auch
     schlägig ist. Nach dieser Bestimmung darf die                     erstaunlich kurz aus: Die wirtschaftlichen In-
     Verarbeitung personenbezogener Daten erfol-                       teressen des Suchmaschinenbetreibers über-
     gen, wenn «die Verarbeitung [...] erforderlich                    wiegen für sich gesehen nie und das Interesse
     [ist] zur Verwirklichung des berechtigten In-                     der Allgemeinheit am Zugang zu Informatio-
     teresses, das von dem für die Verarbeitung                        nen überwiegt im Allgemeinen auch nicht – es
     Verantwortlichen oder von dem bzw. den                            sei denn, es gehe um Informationen zu einer
     Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten                        Person des öffentlichen Lebens. In den Wor-
     übermittelt werden, sofern nicht das Interesse                    ten des EuGH23:
     oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der
     betroffenen Person, die gemäß Artikel 1 Ab-                             «Wegen seiner potenziellen Schwere
     satz 1 geschützt sind, überwiesen [sic].»                               kann ein solcher Eingriff nicht allein mit
                                                                             dem wirtschaftlichen Interesse des Such-
12   Im Rahmen der Grundrechtsabwägung hält                                  maschinenbetreibers an der Verarbeitung
     der EuGH zunächst fest, dass die Tätigkeit der                          der Daten gerechtfertigt werden. Da sich
     Suchmaschinenbetreiber «die Grundrechte                                 die Entfernung von Links aus der Ergeb-
     auf Achtung des Privatlebens und Schutz per-                            nisliste aber je nach der Information, um
     sonenbezogener Daten erheblich beeinträchti-                            die es sich handelt, auf das berechtigte In-
     gen [kann], wenn die Suche mit dieser Such-                             teresse von potenziell am Zugang zu der
     maschine anhand des Namens einer natürli-                               Information interessierten Internetnut-
     chen Person durchgeführt wird, da diese Ver-                            zern auswirken kann, ist in Situationen
     arbeitung es jedem Internetnutzer ermöglicht,                           wie der des Ausgangsverfahrens ein an-
     mit der Ergebnisliste einen strukturierten                              gemessener Ausgleich u. a. zwischen die-
     Überblick über die zu der betreffenden Person                           sem Interesse und den Grundrechten der

     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     22                                                                23
          Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 80.                         Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 81 (Her-
                                                                            vorhebung hinzugefügt).

                                                      sui-generis 2014, S. 5
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

          betroffenen Person aus den Art. 7 und 8                 15   Das Zwischenfazit des EuGH lautet demzu-
          der Charta zu finden. Zwar überwiegen                        folge, dass der Suchmaschinenbetreiber «dazu
          die durch diese Artikel geschützten                          verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im
          Rechte der betroffenen Person im Allge-                      Anschluss an eine anhand des Namens einer
          meinen gegenüber dem Interesse der In-                       Person durchgeführte Suche angezeigt wird,
          ternetnutzer; der Ausgleich kann in be-                      Links zu von Dritten veröffentlichten Internet-
          sonders gelagerten Fällen aber von der                       seiten mit Informationen zu dieser Person zu
          Art der betreffenden Information, von de-                    entfernen, auch wenn der Name oder die In-
          ren Sensibilität für das Privatleben der be-                 formationen auf diesen Internetseiten nicht
          troffenen Person und vom Interesse der                       vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und
          Öffentlichkeit am Zugang zu der Infor-                       gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröf-
          mation abhängen, das u. a. je nach der                       fentlichung auf den Internetseiten als solche
          Rolle, die die Person im öffentlichen Le-                    rechtmäßig ist.»28
          ben spielt, variieren kann.»

14   Sodann begründet der EuGH überzeugend,                        4. Die Grundrechte der betroffenen Person
     warum die Verpflichtung zur Entfernung von                       überwiegen gegenüber dem Interesse der
     Suchtreffern durch den Suchmaschinenbetrei-                      Öffentlichkeit
     ber auch dann möglich sein muss, wenn die                    16   Schliesslich äussert sich der EuGH zur Frage,
     betreffenden Webseiten weiterhin online blei-
                                                                       ob die betroffene Person nach der Richtlinie
     ben: Erstens erfolgt durch Suchmaschinen
                                                                       verlangen kann, dass Links zu rechtmässig
     eine zusätzliche Beeinträchtigung der Grund-
                                                                       veröffentlichten Webseiten vom Suchmaschi-
     rechte24, zweitens unterliegen die Herausge-
                                                                       nenbetreiber entfernt werden, weil sie
     ber dieser Webseiten nicht zwingend dem
                                                                       wünscht, dass die darin über sie enthaltenen
     Unionsrecht25, drittens können diese Websei-
                                                                       Informationen nach einer gewissen Zeit ver-
     ten unter dem Schutz des Journalistenprivilegs
                                                                       gessen werden.
     gemäss Art. 9 der Richtlinie stehen26 und vier-
     tens kann die Interessenabwägung je nach-                    17   Der Gerichtshof hält zunächst unter Verweis
     dem, ob es sich um einen Suchmaschinenbe-
                                                                       auf Art. 6 der EU-Datenschutzrichtlinie fest,
     treiber oder den Websitebetreiber handelt, an-
                                                                       «dass auch eine ursprünglich rechtmäßige
     ders ausfallen27.
                                                                       Verarbeitung sachlich richtiger Daten im

     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     24                                                                   Buchst. c und d zu antworten, dass Art. 12 Buchst.
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 83.
     25
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 84.                         b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46
     26                                                                   dahin auszulegen sind, dass der Suchmaschinenbe-
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 85.
     27
                                                                          treiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 86; dies                    vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzun-
        deshalb, weil «[d]ie Aufnahme einer Internetseite                 gen erfüllt sind, dazu verpflichtet ist, von der Er-
        [...] in die Liste mit den Ergebnissen einer anhand               gebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des
        des Namens der betreffenden Person durchgeführ-                   Namens einer Person durchgeführte Suche ange-
        ten Suche [...] einen stärkeren Eingriff in das                   zeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten
        Grundrecht auf Achtung des Privatlebens der be-                   Internetseiten mit Informationen zu dieser Person
        troffenen Person darstellen [kann] als die Veröf-                 zu entfernen, auch wenn der Name oder die Infor-
        fentlichung durch den Herausgeber der Internet-                   mationen auf diesen Internetseiten nicht vorher o-
        seite.» (Rn. 87).                                                 der gleichzeitig gelöscht werden und gegebenen-
     28
        Ungekürzt lautet das Fazit im Urteil des EuGH                     falls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf
        vom 13. Mai 2014, Rn. 88: «Somit ist auf Frage 2                  den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.»

                                                      sui-generis 2014, S. 6
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

     Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen                     Gericht aufgeworfene Frage, ob die betroffene
     der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Da-                  Person die Indexierung verhindern kann32,
     ten für die Zwecke, für die sie erhoben oder                   nicht beantwortet wird.
     verarbeitet worden sind, nicht mehr erforder-
     lich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn            19   Bezogen auf den konkreten Fall hält der Ge-
     sie diesen Zwecken in Anbetracht der verstri-                  richtshof abschliessend fest, dass «die be-
     chenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht o-                  troffene Person wegen der Sensibilität der in
     der nicht mehr erheblich sind oder darüber                     diesen Anzeigen enthaltenen Informationen
     hinausgehen»29. Die Pflicht zur Löschung der                   für ihr Privatleben und weil die ursprüngliche
     betreffenden Informationen und Links der Er-                   Veröffentlichung der Anzeigen 16 Jahre zu-
     gebnisliste auf Antrag der betroffenen Person                  rückliegt, ein Recht darauf hat, dass diese In-
     gelte somit auch für rechtmässig veröffent-                    formationen nicht mehr durch eine solche Er-
     lichte Internetseiten, die wahrheitsgemässe In-                gebnisliste mit ihrem Namen verknüpft wer-
     formationen enthalten30.                                       den»33.

18   Es folgt dann die bereits bekannte Abwägung,
                                                             III. Die Beurteilung durch den Generalanwalt
     die eigentlich keine ist: «Da die betroffene
                                                               20   Im Unterschied zum Urteil des EuGH finden
     Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus
     den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann,                    sich in den Schlussanträgen des Generalan-
     dass die betreffende Information der breiten                   walts vom 25. Juni 2013 ausführliche Überle-
     Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung                   gungen zur grundrechtlichen Dimension die-
     in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung                  ses Falles34.
     gestellt wird, ist [...] davon auszugehen, dass
                                                               21   In den Vorbemerkungen weist der Generalan-
     diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegen-
     über dem wirtschaftlichen Interesse des Such-                  walt zunächst darauf hin, dass der Gerichtshof
     maschinenbetreibers, sondern auch gegenüber                    gehalten ist, «bei der Auslegung des Anwen-
     dem Interesse der breiten Öffentlichkeit da-                   dungsbereichs der Richtlinie Vernunft walten
     ran, die Information bei einer anhand des Na-                  zu lassen, mit anderen Worten den Grundsatz
     mens der betroffenen Person durchgeführten                     der Verhältnismäßigkeit anzuwenden, um un-
     Suche zu finden, überwiegen»31. Auch hier                      angemessene und übermäßige Rechtsfolgen
     wird als einzige Ausnahme das Interesse an                     zu vermeiden»35. Sodann verneint er die
     Personen des öffentlichen Lebens genannt.
     Zudem fällt auf, dass die vom vorlegenden
     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     29                                                                gener Informationen zu verhindern, die auf Websi-
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 93.
     30
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 94.                      tes Dritter veröffentlicht sind, und sie sich hierzu
     31                                                                auf ihren Willen berufen kann, dass sie den Inter-
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 97.
     32
                                                                       netnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der An-
        Die Frage lautet gemäss Urteil des EuGH C-                     sicht ist, dass sie ihr schaden können, oder sie sich
        131/12 vom 13. Mai 2014, Rn. 20: «Sind das                     wünscht, dass sie vergessen werden, selbst wenn es
        Recht auf Löschung und Sperrung personenbezo-                  sich um Informationen handelt, die von Dritten
        gener Daten gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtli-               rechtmäßig veröffentlicht wurden?».
        nie 95/46 und das Recht auf Widerspruch gegen               33
                                                                       Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 98.
        eine Verarbeitung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a            34
                                                                       Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass sich
        die betroffene Person an die Suchmaschinenbetrei-              2013, Rn. 112-137.
                                                                    35
        ber wenden kann, um die Indexierung auf sie bezo-              Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
                                                                       2013, Rn. 30.

                                                   sui-generis 2014, S. 7
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

     Frage, ob die E-Commerce-Richtlinie36 auch                     wendungsbereich der EU-Datenschutzrichtli-
     auf Suchmaschinen anwendbar sei, weist aber                    nie und schliesslich zur Frage bezüglich eines
     gleichzeitig darauf hin, dass ihre Stellung                    der betroffenen Person zustehenden «Rechts
     trotzdem «anhand der Rechtsgrundsätze zu                       auf Vergessenwerden» geäussert. Während
     prüfen [ist], die für die eingeschränkte Verant-               das Gericht seiner Einschätzung zum räumli-
     wortlichkeit der Internetdiensteanbieter gel-                  chen Anwendungsbereich folgte40, wich es
     ten»37.                                                        bereits beim sachlichen Anwendungsbereich
                                                                    von den Anträgen des Generalanwalts, der
22   Der Gerichtshof hat in seinem Urteil die Frage                 diesen verneint, ab. Da es sich um ein Vor-
     der Anwendbarkeit dieser Richtlinie nicht auf-                 abentscheidungsverfahren zur Auslegung der
     gegriffen. Dies erstaunt, zumal die Richtlinie                 Datenschutzrichtlinie handelt, mussten die
     Haftungsfreistellungsregeln für verschiedene                   Fragen auch hier an einzelnen Begriffen der
     «Dienste der Informationsgesellschaft» ent-                    entsprechenden Bestimmungen aufgehängt
     hält38 und ihre (analoge) Anwendbarkeit auf                    werden. Zunächst wird in den Schlussanträ-
     Suchmaschinen umstritten ist. Verschiedene                     gen die Anwendbarkeit des Begriffs «perso-
     Mitgliedstaaten der EU haben bei der Umset-                    nenbezogene Daten» auf einen Suchmaschi-
     zung der Richtlinie in ihr nationales Recht ex-                nenbetreiber untersucht und ohne weiteres be-
     plizit Haftungsfreistellungen auch für Such-                   jaht41.
     maschinen erlassen39.
                                                               24   Eine erste zentrale Abweichung zum Urteil
1. Suchmaschinenbetreiber ist kein «für die                         des EuGH findet sich dann aber in der Auffas-
   Verarbeitung Verantwortlicher»                                   sung des Generalanwalts, wonach ein Such-
23                                                                  maschinenbetreiber hinsichtlich personenbe-
     Im Weiteren hat sich der Generalanwalt aus-
                                                                    zogener Daten auf Quellenwebseiten Dritter
     führlich zum räumlichen und sachlichen An-
                                                                    kein «für die Verarbeitung Verantwortlicher»

     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     36                                                                kommt Ungarn, das die E-Commerce-Richtlinie
        Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parla-
        ments und des Rates vom 8. Juni 2000 über be-                  mit dem «2001. évi CVIII. törvény az elektronikus
        stimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Infor-              kereskedelmi szolgáltatások, valamint az in-
        mationsgesellschaft, insbesondere des elektroni-               formációs társadalommal összefüggõ szolgál-
        schen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt («Richt-               tatások egyes kérdéseirõl» (Act CVIII of 2001 on
        linie über den elektronischen Geschäftsverkehr»)               certain issues of electronic commerce services and
        (ABl. L 178, S. 1–16).                                         information society services) umgesetzt und dabei
     37
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                 auch die Haftung von Suchmaschinen analog den
        2013, Rn. 38.                                                  Bestimmungen für Hosting-Provider geregelt hat.
                                                                    40
     38
        Art. 12 («Reine Durchleitung», u.a. Access Provi-              Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        der), Art. 13 («Caching») und Art. 14 («Hosting»)              2013, Rn. 68; Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014,
        E-Commerce-Richtlinie.                                         Rn. 60.
                                                                    41
     39
        Erster Bericht über die Anwendung der Richtlinie               Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des                 2013, Rn. 75: «Es versteht sich von selbst, dass die
        Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche               in den vorstehenden Nummern dargestellten Vor-
        Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft,              gänge als Verarbeitungen der personenbezogenen
        insbesondere des elektronischen Geschäftsver-                  Daten gelten, die sich auf den von der Suchma-
        kehrs, im Binnenmarkt, Fn. 69: «Spanien und Por-               schine kopierten, indexierten, gespeicherten und
        tugal haben sich hinsichtlich Suchmaschinen und                angezeigten Quellenwebseiten befinden. Insbeson-
        Hyperlinks für das Vorbild des Artikels 14 ent-                dere umfassen sie das Erheben, das Speichern, die
        schieden, während Österreich und Liechtenstein                 Organisation und die Aufbewahrung solcher perso-
        Artikel 12 als Vorbild für Suchmaschinen und Ar-               nenbezogenen Daten [...]».
        tikel 14 für Hyperlinks gewählt haben.» Hinzu

                                                   sui-generis 2014, S. 8
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

ist42. Der Generalanwalt verweist in seiner Be-                      genommen … die Benutzer des Suchma-
gründung zur Verneinung dieser Frage auf ein                         schinendienstes ebenfalls als für die Ver-
anschauliches Beispiel:                                              arbeitung Verantwortliche angesehen
                                                                     werden [könnten]›, zeigt, zu welch unsin-
     «Zu denken ist etwa an einen Professor                          nigen Ergebnissen eine nicht hinterfragte
     für Europarecht, der von der Website des                        wortwörtliche Auslegung der Richtlinie
     Gerichtshofs die wesentliche Rechtspre-                         im Kontext des Internets führen kann.
     chung des Gerichtshofs auf seinen Laptop                        Der Gerichtshof darf keiner Auslegung
     herunterlädt. Nach der Richtlinie lässt                         folgen, die praktisch jede Person, die ein
     sich dieser Professor als ein ‹für die Ver-                     Smartphone, ein Tablet oder einen Lap-
     arbeitung Verantwortlicher› im Hinblick                         top besitzt, zu einem für die Verarbeitung
     auf personenbezogene Daten bezeichnen,                          von im Internet veröffentlichten perso-
     die von einem Dritten stammen. Der Pro-                         nenbezogenen Daten Verantwortlichen
     fessor besitzt Dateien mit personenbezo-                        macht»45.
     genen Daten, die bei der Suche und Ab-
     frage im Rahmen von nicht ausschließ-                 25   Der Generalanwalt schlägt zur Lösung des
     lich persönlichen oder familiären Tätig-                   Problems folgendes Verständnis des Begriffs
     keiten automatisiert verarbeitet werden.                   «für die Verarbeitung Verantwortlicher» vor:
     Tatsächlich dürfte heutzutage wohl jeder,                  Der für die Verarbeitung Verantwortliche
     der eine Zeitung auf einem Tablet liest o-                 muss die Verantwortung für die personenbe-
     der soziale Medien auf einem Smart-                        zogenen Daten tragen, d.h. ihm muss «die
     phone verfolgt, eine Verarbeitung perso-                   Existenz einer bestimmten definierten Kate-
     nenbezogener Daten mit Hilfe automati-                     gorie von Informationen, die personenbezo-
     sierter Verfahren vornehmen und könnte                     gene Daten darstellen», nicht nur bekannt
     in den Anwendungsbereich der Richtlinie                    sein, er muss diese Daten darüber hinaus in ih-
     fallen, soweit dieser Vorgang in nicht                     rer Eigenschaft als personenbezogene Daten
     ausschließlich privater Eigenschaft aus-                   verarbeiten wollen46. Für diese Auffassung
     geführt wird»43.                                           sprächen sowohl die Systematik der Richtli-
                                                                nie, als auch die meisten Sprachfassungen und
     «Entscheidet der in meinem obigen Bei-                     schliesslich die Ausgestaltung der einzelnen
     spiel genannte Professor für Europarecht                   Pflichten, die die Richtlinie dem für die Ver-
     über die Zwecke und Mittel der Verarbei-                   arbeitung Verantwortlichen auferlegt47. Ge-
     tung von personenbezogenen Daten, die                      stützt auf diese Auslegung kommt der Gene-
     in den auf seinen Laptop heruntergelade-                   ralanwalt zum Ergebnis, dass ein Suchmaschi-
     nen Urteilen des Gerichtshofs enthalten                    nenbetreiber hinsichtlich personenbezogener
     sind? Die Feststellung der Artikel-29-Da-                  Daten auf Quellenwebseiten Dritter kein für
     tenschutzgruppe[44], der zufolge ‹[s]treng                 die Verarbeitung Verantwortlicher ist, weil

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
42                                                              45
   Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                  Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
   2013, Rn. 83 ff.                                                2013, Rn. 81.
43                                                              46
   Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                  Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
   2013, Rn. 29.                                                   2013, Rn. 82.
44                                                              47
   Die Artikel-29-Datenschutzgruppe wurde im Rah-                  Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
   men der EU-Datenschutzrichtlinie eingerichtet. Sie              2013, Rn. 82.
   ist eine beratende und unabhängige Instanz.

                                               sui-generis 2014, S. 9
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

     bei der Verarbeitung von dieser Seiten zum                       betroffenen Person52.
     Zwecke des Durchsuchens, Analysierens und
     Indexierens personenbezogene Daten nicht in                 28   Zunächst weist der Generalanwalt darauf hin,
     besonderer Weise hervorstechen48.                                dass der Suchmaschinenbetreiber, sofern er
                                                                      als für die Verarbeitung Verantwortlicher qua-
26   Nach Ansicht des Generalanwalts wäre vom                         lifiziert würde, «seine Funktion als Vermittler
     Grundsatz der Qualifikation des Suchmaschi-                      zwischen den Nutzern und dem Urheber auf-
     nenbetreibers als nicht für die Verarbeitung                     geben und die Verantwortung für den Inhalt
     Verantwortlicher eine Ausnahme zu machen,                        der Quellenwebseite übernehmen und erfor-
     wenn dieser die exclusion codes in den Quel-                     derlichenfalls diesen Inhalt zensieren
     lenwebseiten nicht beachtet49. Es handelt sich                   [müsste], indem er den Zugriff darauf verhin-
     dabei um eine technische Möglichkeit zur                         dert oder beschränkt»53.
     Nichterfassung von Websites. Dazu wird im
     Stammverzeichnis der Domain eine Textdatei                  29   Sodann verneint der Generalanwalt die Exis-
     mit Namen robots.txt angelegt, welche nach                       tenz eines Rechts auf Vergessenwerden mit
     einem vorgegebenen Schema abgefasste An-                         der Begründung, dass ein solches als wichtige
     weisungen an Suchmaschinen enthält. Auf                          rechtliche Neuerung im Vorschlag der EU-
     diesem Weg können einzelne Verzeichnisse                         Kommission für eine Datenschutz-Grundver-
     und Verzeichnisbäume oder auch der gesamte                       ordnung54 vorgesehen ist und dementspre-
     Inhalt einer Domain der Erfassung durch alle                     chend im Urteilszeitpunkt noch nicht existie-
     oder einzeln definierte Suchmaschinen entzo-                     ren kann55. Im Anschluss daran prüft er, ob
     gen werden50.                                                    diese Auslegung der Bestimmungen mit der
                                                                      Charta der Grundrechte der Europäischen
2. Meinungsäusserungs- und Informations-                              Union vereinbar ist. Nach einer kurzen Dar-
   freiheit geopfert                                                  stellung des Rechts auf Schutz personenbezo-
27                                                                    gener Daten (Art. 8 der Charta) und auf Ach-
     Anders als das Gericht beurteilt der General-
                                                                      tung des Privat- und Familienlebens (Art. 7
     anwalt auch die letzte und zentrale Frage, d.h.
                                                                      der Charta) geht er auf die Meinungsäusse-
     die Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbe-
                                                                      rungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 der
     treibers. Er verzichtet dabei auch auf die
                                                                      Charta) ein, die im Urteil des EuGH nicht er-
     schwer verständliche Unterscheidung zwi-
                                                                      wähnt werden. Art. 11 der Charta schützt nicht
     schen dem Umfang der Verantwortlichkeit
                                                                      nur das Recht der Internetnutzer, im Internet
     des Suchmaschinenbetreibers nach der EU-
                                                                      verfügbare Informationen zu suchen und zu
     Datenschutzrichtlinie51 und dem Umfang der
     durch die Richtlinie garantierten Rechte der

     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     48                                                               52
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                   Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 89-99.
        2013, Rn. 84.                                                 53
                                                                         Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
     49
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                   2013, Rn. 109.
        2013, Rn. 91 ff.                                              54
                                                                         Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen
     50
        Weiterführend: Suchmaschinenhaftung, Diss. Bern                  Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher
        2012, § 5, I, 4. Zur Begründung einer entsprechen-               Personen bei der Verarbeitung personenbezogener
        den Sorgfaltspflicht der Suchmaschinenbetreiber                  Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-
        hinsichtlich der Beachtung von exclusion codes:                  Grundverordnung) (KOM[2012] 11 endgültig).
        ebenda, § 11, I, 2.                                           55
                                                                         Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
     51
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 62-88.                     2013, Rn. 110.

                                                    sui-generis 2014, S. 10
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

     empfangen, sondern auch die Meinungsäusse-                          ein Gleichgewicht gebracht werden kön-
     rungsfreiheit der Webseitenurheber56. Die                           nen und dass die Entscheidung dem Inter-
     Suchmaschinenbetreiber ihrerseits beabsichti-                       netsuchmaschinen-Diensteanbieter über-
     gen, Werbeeinnahmen zu erzielen und ma-                             lassen bleibt. Derartige Verfahren zur
     chen daher von der unternehmerischen Frei-                          Meldung und Entfernung, sollte der Ge-
     heit (Art. 16 der Charta) Gebrauch57.                               richtshof sie vorschreiben, werden wahr-
                                                                         scheinlich entweder zu einer automati-
30   Im Unterschied zum EuGH nimmt der Gene-                             schen Löschung von Links zu beanstan-
     ralanwalt in seinen Schlussanträgen eine Ab-                        deten Inhalten oder zu einer von den be-
     wägung der einenader gegenüberstehenden                             liebtesten und wichtigsten Internetsuch-
     Grundrechte vor. Dabei verweist er zunächst                         maschinen-Diensteanbietern nicht zu be-
     auf ein Urteil des EGMR, gemäss dem auch                            wältigenden Anzahl von entsprechenden
     eine Beschränkung der Wiedergabe von Infor-                         Anträgen führen. [...]
     mationen, die bereits in die öffentliche Sphäre
     gelangt sind, unter bestimmten Umständen                            Vor allem sollten die Internetsuchmaschi-
     gerechtfertigt sein kann58. Demgegenüber                            nen-Diensteanbieter nicht mit einer sol-
     hebt er hervor, dass die mittels einer Suchma-                      chen Pflicht belastet werden. Es käme zu
     schine betriebene Suche zu den wichtigsten                          einem Eingriff in die Freiheit der Mei-
     Formen der Ausübung des Grundrechts auf                             nungsäußerung des Webseitenurhebers,
     Informationsfreiheit gehört59. Dann folgen die                      der in einem solchen Fall ohne angemes-
     zentralen Erwägungen:                                               senen Rechtsschutz bliebe, da ein ungere-
                                                                         geltes Verfahren zur Meldung und Ent-
          «Angesichts der besonders komplexen                            fernung eine privatrechtliche Angelegen-
          und schwierigen Grundrechtskonstella-                          heit zwischen der betroffenen Person und
          tion im vorliegenden Fall lässt es sich                        dem       Suchmaschinen-Diensteanbieter
          nicht rechtfertigen, die nach Maßgabe der                      wäre. Dies liefe auf eine Zensur der vom
          Richtlinie bestehende Rechtsstellung der                       Urheber veröffentlichten Inhalte durch ei-
          betroffenen Personen zu verstärken und                         nen Privaten hinaus. Auf einem ganz an-
          um ein Recht auf Vergessenwerden zu er-                        deren Blatt steht hingegen, dass den Staa-
          gänzen. Andernfalls würden entschei-                           ten die Handlungspflicht obliegt, gegen
          dende Rechte wie die Freiheit der Mei-                         einen das Recht auf Privatleben verlet-
          nungsäußerung und die Informationsfrei-                        zenden Verleger einen wirksamen
          heit geopfert. Ich möchte dem Gerichts-                        Rechtsbehelf vorzusehen, der im Kontext
          hof auch abraten, in seinem Urteil zu dem                      des Internets gegen den Webseitenurhe-
          Ergebnis zu gelangen, dass diese einander                      ber gerichtet wäre.»60
          widerstreitenden Interessen im jeweiligen
          Einzelfall auf zufriedenstellende Weise in           31   Diese Überlegungen werden vom EuGH in
                                                                    seinem Urteil mit keinem Wort erwähnt.
     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     56                                                                EGMR 24061/04 vom 16. Dezember 2010 (Alek-
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        2013, Rn. 121 f.                                               sey Ovchinnikov gegen Russland), § 50.
     57                                                             59
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                 Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        2013, Rn. 124.                                                 2013, Rn. 131.
     58                                                             60
        Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni                 Schlussanträge des Generalanwalts vom 25. Juni
        2013, Rn. 127, mit Verweis auf das Urteil des                  2013, Rn. 133 f. (Hervorhebung hinzugefügt).

                                                  sui-generis 2014, S. 11
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

IV. Offene Fragen                                                      Wie verhält es sich nun aber z.B. beim Zugang
 32                                                                    zu einer Information über ein Strafverfahren?
      Nach dem Urteil des EuGH stellt sich eine
                                                                       Nach Angaben von Google stehen 12 Prozent
      ganze Reihe von Fragen, von denen im Fol-
                                                                       der Löschanfragen im Zusammenhang mit
      genden einige herausgegriffen werden.
                                                                       Festnahmen wegen Kinderpornografie63.

 1. Kriterien zur Entfernung
                                                                  2. Betroffene Dienste
 33   Der EuGH argumentiert bei der Bejahung des
                                                                  35   Im Nachgang zum Urteil wurde darüber dis-
      Rechts auf Löschung des beanstandeten Tref-
                                                                       kutiert, welche Auswirkungen dieses auf
      fers durch den Suchmaschinenbetreiber nebst
                                                                       Dienste wie Twitter, Facebook oder auch Wi-
      der Sensibilität der Information damit, dass
                                                                       kipedia haben wird. Hierzu ist zunächst fest-
      die ursprüngliche Veröffentlichung der An-
                                                                       zuhalten, dass im Urteil jeweils von der Er-
      zeigen 16 Jahre zurückliegt61. Damit stellt sich
                                                                       gebnisliste, die im Anschluss an eine anhand
      die Frage, ob der Zugang zu Informationen ab
                                                                       des Namens durchgeführte Suche angezeigt
      einem gewissen Alter generell weniger stark
                                                                       wird, die Rede ist. Suchfunktionen und Ergeb-
      von der Informationsfreiheit geschützt wird.
                                                                       nislisten werden aber von zahlreichen Diens-
      Sodann bleibt auch offen, ob nur eindeutig ne-
                                                                       ten der Informationsgesellschaft angeboten,
      gative Informationen auf Verlangen zu entfer-
                                                                       sodass eine Geltung des Urteils z.B. für Twit-
      nen sind, oder ob z.B. auch die Verlinkung ei-
                                                                       ter und Facebook prima vista naheliegend er-
      ner Seite, die Informationen über das hohe
                                                                       scheint.
      Einkommen einer Person enthält, unterbunden
      werden kann.
                                                                  36   Schwieriger zu beantworten ist dagegen die
 34                                                                    Frage, welche Auswirkungen das Urteil auf
      Ein weiteres Problem ist darin zu erblicken,
                                                                       Wikipedia haben wird, zumal auch hier im
      dass eine Seite gleichzeitig unerwünschte und
                                                                       Anschluss an eine Namenssuche Ergebnislis-
      erwünschte Informationen enthalten kann.
                                                                       ten angezeigt werden64, sofern der Name in-
      Vor diesem Hintergrund ist auch darauf hin-
                                                                       nerhalb von Wikipedia nicht einmalig ist. Im
      zuweisen, dass ein kartellrechtlicher An-
                                                                       letzteren Fall wird man dagegen direkt zum
      spruch auf Aufnahme in den Index marktbe-
                                                                       entsprechenden Artikel weitergeleitet65. Die
      herrschender     Suchmaschinen      besteht62.
                                                                       Anwendbarkeit der Entscheidung auf Wikipe-
      Schliesslich enthält das Urteil auch kaum
                                                                       dia kann aber kaum davon abhängig gemacht
      Leitlinien für die durch den Suchmaschinen-
                                                                       werden, ob der Weg zu einer sensiblen Infor-
      betreiber vorzunehmende Güterabwägung.
                                                                       mation über eine Ergebnisliste führt oder
      Das Gericht nennt die Rolle der betreffenden
                                                                       nicht. Insofern sind die Sorgen des Wikipedia-
      Person im öffentlichen Leben als einen mög-
                                                                       Gründers66 nicht unberechtigt.
      lichen besonderen Grund, der das Interesse
      der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der
      Information als gewichtiger erscheinen lässt.
      –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
      61                                                               65
         Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 98.                        Beispiel: http://de.wikipedia.org/wiki/Till_Linde-
      62                                                                  mann.
         Suchmaschinenhaftung, Diss. Bern 2012, § 11, III.
      63                                                               66
         Siehe dazu den Beitrag vom 10. Juni 2014 auf go-                 Siehe dazu den Tweet von Jimmy Wales vom 13.
         lem.de: Google will auf gelöschte Links hinwei-                  Mai 2014: «When will a European Court demand
         sen.                                                             that Wikipedia censor an article with truthful infor-
      64
         Beispiel: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Meier.               mation because an individual doesn't like it?».

                                                     sui-generis 2014, S. 12
Daniel Hürlimann, Das Google-Urteil des EuGH und die Entfernungspflicht von Suchmaschinen

37   Während es sich bei Twitter, Facebook und                       Suchmaschinenbetreiber dürfte es aber von
     Wikipedia um Dienste mit einer grossen                          Interesse sein, solche Anträge zu bündeln, in-
     Reichweite handelt, ist fraglich, welche Aus-                   dem er ein entsprechendes Online-Formular
     wirkungen das Urteil auf Suchmaschinen oder                     bereitstellt. Sofern er dies tut, stellt sich in ei-
     Dienste mit Suchfunktionen mit kleinerer                        nem weiteren Schritt die Frage, ob auf ande-
     Reichweise zeitigen wird. Der EuGH argume-                      rem Weg eingereichte Anträge ebenfalls bear-
     tiert in nachvollziehbarer Weise damit, dass                    beitet werden müssen oder nicht. M.E. kann
     die Wirkung des Grundrechtseingriffs durch                      der Suchmaschinenbetreiber löschwillige
     die bedeutende Rolle des Internets und der                      Nutzer auf sein Online-Formular verweisen,
     Suchmaschinen in der modernen Gesellschaft                      sofern dieses einfach auszufüllen ist und nicht
     gesteigert wird67. Dies gilt aber nur für Such-                 standardmässig unnötige Angaben wie z.B.
     maschinen mit einer gewissen Reichweite,                        ein Geburtsdatum verlangt werden71.
     d.h. mit einem grossen Marktanteil; andern-
     falls würde auch die Suchfunktion der im Ver-              40   Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob
     fahren betroffenen Tagesezeitung darunter                       Google für den Identitätsnachweis ein identi-
     fallen. Betrachtet man nun die Marktanteile                     fizierendes Dokument für obligatorisch erklä-
     von Suchmaschinen in Europa, ist die Vor-                       ren darf72 oder ob nicht z.B. der Nachweis,
     machtstellung von Google (92%68) noch viel                      dass man über eine entsprechend E-Mail-Ad-
     deutlicher als im weltweiten Vergleich (ca.                     resse verfügt, genügen müsste.
     69%69). Offen ist, inwiefern das Urteil auch
     für die nächstgrösseren Suchmaschinen wie                  41   Nachdem der EuGH eine Entfernungspflicht
     z.B. Bing oder Yahoo gilt, deren Marktanteil                    bejaht hat und Google ein entsprechendes For-
     in Europa im tiefen einstelligen Prozentbe-                     mular anbietet, wird es voraussichtlich zahl-
     reich liegt.                                                    reiche Entfernungsanträge geben, deren ei-
                                                                     gentliches Ziel die vollständige Entfernung
38   Gänzlich infrage gestellt ist schliesslich das                  aus dem Internet sein müsste. Wenn z.B. je-
     Geschäftsmodell von Personensuchmaschi-                         mand im Rahmen einer beruflichen Neuorien-
     nen wie z.B. yasni.ch oder vebidoo.de (123pe-                   tierung ein Profil auf der Webseite einer Mo-
     ople hat seine Tätigkeit im April 2014 einge-                   delagentur eingerichtet, sich dann aber später
     stellt70).                                                      doch gegen diese Richtung entschieden hat,
                                                                     wird er den Auftritt auf dieser Seite womög-
3. Form der Mitteilung                                               lich bereuen. Der naheliegendste Weg wäre
39                                                                   eine entsprechende Aufforderung an die Be-
     In seinem Urteil hat sich der EuGH nicht dazu
                                                                     treiberin der Modelagentur. Bequemer ist je-
     geäussert, auf welchem Weg Löschanträge an
                                                                     doch das Ausfüllen des Entfernungsformulars
     die Suchmaschinenbetreiber zu übermitteln
                                                                     von Google und nach dem Urteil des EuGH
     sind. Naheliegend ist der Versand einer ent-
                                                                     wird dieser Entfernungsantrag unabhängig
     sprechenden Anfrage per E-Mail. Für den
     –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
     67                                                              71
        Urteil des EuGH vom 13. Mai 2014, Rn. 80.                       Suchmaschinenhaftung, Diss. Bern 2012,
     68                                                                 § 12, II, 1.
        European Travel Commission, European Search
                                                                     72
        Engine Users.                                                   Vgl. dazu das Online-Formular «Antrag auf Ent-
     69                                                                 fernung aus den Suchergebnissen gemäß Europäi-
        Netmarketshare, Global Desktop Search Engine
        Market Share, May, 2014.                                        schem Datenschutzrecht».
     70
        deutsche-startups.de vom 22. April 2014, Perso-
        nensuchmaschine 123people geht vom Netz.

                                                   sui-generis 2014, S. 13
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