Echternacherbrück im Spiegel der luxemburgischen Tagespresse (1920-1950)

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Echternacherbrück im Spiegel der luxemburgischen Tagespresse (1920-1950)
Echternacherbrück im Spiegel der luxemburgischen Tagespresse (1920-1950)

                                        Jos. A. Massard

  (veröffentlicht in: Heimatkalender 2011 Eifelkreis Bitburg-Prüm, Bitburg 2010, S. 252-261)

Während jeder Luxemburger Echternach kennt, dürfte vielen das mit ihm über die Sauerbrücke
verbundene Echternacherbrück nicht so geläufig sein. Die Verbundenheit der Echternacher mit ihrer
deutschen Nachbarortschaft, die auf ehemaligem Echternacher Gebiet liegt und ihre Entstehung
dem Wiener Kongress verdankt, lässt sich leicht aus dem historischen Kontext verstehen. Im
„Echternacher Anzeiger“, der von 1863 bis 1940 zweimal in der Woche erscheinenden Echternacher
Lokalzeitung, fehlt es dementsprechend auch nicht an Notizen über Geschehnisse jenseits der
Sauerbrücke.

Wie aber wurde Echternacherbrück von den luxemburgischen Tageszeitungen, insbesondere
auch in der Vor- und Nachkriegszeit, wahrgenommen? Zur Beantwortung dieser Frage habe ich
das „Tageblatt“ (sozialdemokratisch) von 1920 an bis 1950 durchgeblättert, zusätzlich auch die
Jahrgänge 1938-1950 des „Luxemburger Wort“ (katholisch).

Im solcherart definierten Rahmen taucht der Name von Echternacherbrück erstmals Anfang 1923 auf,
wo bekannt gemacht wird, dass die Jagd in dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk Echternacherbrück
am Montag, den 5. März, vormittags 11 Uhr, in Echternacherbrück auf dem Bürgermeisteramte
öffentlich meistbietend verpachtet werden soll. Der Jagdbezirk umfasse ungefähr 389 Hektar Feld
und 92 Hektar Wald. Vorkommende Wildarten: Reh, Fuchs, Hase, Marder, Fasanen, Haselwild,
Feldhühner, wilde Enten und Fischotter. Letzteren gab es damals sicherlich auch noch auf der
Luxemburger Seite, worauf nicht zuletzt der aktenkundig gewordene Fang eines Fischotters am
24. Juli 1908 auf dem rechten Sauerufer oberhalb Echternacherbrück, im Ort genannt „Teuten“,
hindeuten dürfte. 1

Tod in der Sauer

In normalen Zeiten sieht die Sauer eigentlich recht harmlos aus. Wie gefährlich sie aber dem
Menschen bei Hochwasser werden kann, geht aus einer Korrespondenz aus Echternach, die am 29.
März 1924 veröffentlicht wurde, hervor: „Ein Ackerer aus Gilzem (Reg.-Bezirk Trier), der dieser
Tage hier weilte, um verschiedene Einkäufe, zu besorgen, verließ Echternach mit verschiedenen
Landsleuten, um zu Fuß nach Hause zu gehen. Auf der Landstraße Echternacherbrück-Trier, im
Ort genannt ‚Minderlay‘, ging der Betreffende abseits und bat seine Begleiter, langsamer zu gehen,
damit er sie wieder einholen könne. Letztere gingen etwas weiter und warteten, aber vergebens.
Sie gingen zurück und fanden am Ufer der hochgehenden Sauer den Hut und eine Rolle Leder,
welche der Verschwundene bei sich getragen hatte. Sie gingen nach Echternach zurück, konnten
ihren Begleiter aber nirgends treffen. Allem Anschein nach ist der Ackerer in die Sauer gefallen
und ertrunken. Bis jetzt konnte die Leiche nicht geborgen werden.“ 2
Echternacherbrück im Spiegel der luxemburgischen Tagespresse (1920-1950)
2

Dieser Vorfall erinnert an den tragischen Tod des Holzhändlers Johann Rodange, des Bruders des
luxemburgischen Nationaldichters Michel Rodange, der sich am 28. Januar 1865, gegen 8 Uhr
abends, am rechten Sauerufer oberhalb von Wasserbillig, Mesenich gegenüber, „zur Befriedigung
eines Bedürfnisses“ allzu sehr dem Sauerflusse genähert hatte, das Gleichgewicht verlor und den
Tod „in den hochangeschwollenen Wellen des Flusses“ fand. 3

Von Dieben und Einbrechern

Anfang September 1923 betrat ein marokkanischer Hausierer eine Echternacher Schenke und
begab sich nach einiger Anwesenheit daselbst nach dem jenseitig gelegenen Echternacherbrück,
um dort einige in französischen Militärdiensten stehende Landsleute zu besuchen. Bei seiner
Rückkehr stellte er fest, dass ihm, während er abwesend war, aus einem zurückgelassenen Mantel
zwei wertvolle lederne Portefeuilles, die er zum Verkaufe mit sich führte, abhanden gekommen
waren. 4

Nicht nach Echternach, sondern nach Echternacherbrück, führte die Spur eines im September 1934
in Diekirch verübten Diebstahls, dessen Opfer der Mühlenbesitzer Zettinger aus Möstroff war,
der in Diekirch auf der Kirmes weilte und dem nachts sein vor einem Lokale zurückgelassenes
Motorrad gestohlen worden war. „Später fand man das Vehikel außerhalb der Stadt in beschädigtem
Zustande wieder. Die polizeilichen Nachforschungen ergaben, daß ein betrunkener Mann auf
demselben gefahren war. Als ihn hierob die Gesetzeswächter zur Rede stellten, wandte er den alten
Trick des falschen Namens an, mußte jedoch schließlich Farbe bekennen. Es handelt sich um einen
in Echternacherbrück beheimateten Deutschen. Derselbe spazierte ins Gefängnis.“ 5

Echternacherbrück. Postkarte. Verlag J.R. Waeger, Echternach, Nr. 113. Poststempel von 1913.
3

Einen Text aus der „Trierischen Landeszeitung“ übernehmend berichtet das „Tageblatt“ am
4. Februar 1931 über die Aufklärung einer wahren Einbruchserie durch den Landjäger aus
Echternacherbrück und die Luxemburger Gendarmen: „Einige Tage vor Weihnachten ist in dem
friedlichen Mohn bei Welschbillig von einer Einbrecherbande schwer gehaust worden. Zunächst
drangen sie in ein Gehöft ein, durchstöberten dort alles und verließen es dann wieder, ohne etwas
mitzunehmen, da sie anscheinend verscheucht wurden oder das nicht fanden, was sie gesucht hatten.
Dann begaben sie sich in eine Wirtschaft, wo sie durch ein Fenster, das sie erbrachen, eindrangen.
Hier haben sie ganz erheblichen Schaden angerichtet. Zuerst gingen sie in den Keller, stahlen hier
mehrere Flaschen Likör und ließen u. a. sogar 1300 Liter Viez auslaufen. Dann begaben sie sich in
das Wirtslokal, warfen dort alles durcheinander und tranken u. a. nicht weniger als 40 Liter Bier.
Den Rest des Bieres ließen sie einfach in die Stube laufen. Sie nahmen dann noch Rauchwaren,
Fleisch, Wurst, sogar Heringe und sonstige Lebens- und Genußmittel mit sich und machten sich
dann aus dem Staube. (…) Einige Tage später sind in der Eifel noch mehrere Einbrüche verübt
worden und bei zweien wurde sogar versucht, die Häuser in Brand zu setzen. Schließlich gelang es
dem Landjäger von Echternacherbrück mit Hilfe der Luxemburger Gendarmerie, den 26jährigen
Graf aus Limbach (Kreis Saarlouis) festzunehmen und ihn auch wegen einer Reihe von Diebstählen
und zwei vorsätzlichen Brandstiftungen zu überführen.“

Graf kam ins Gefängnis in Trier. Da bei den ihm nachgewiesenen Einbrüchen meistens auch
Zerstörungen stattgefunden hatten, vermutete man, dass er auch der Einbrecher von Mohn gewesen
sein könnte, was er zunächst hartnäckig leugnete, später aber eingestand. 6

Naziprovokateure an der Sauer

Im Laufe der 1930er Jahre begann der Aufstieg Hitlers seine Schatten bis an die Sauer zu
werfen. Im August 1935 traten erstmals „Naziprovokateure“, wie das „Tageblatt“ sie einleitend
in seinem diesbezüglichen Bericht nannte, im Echternacher Grenzgebiet in Erscheinung: „In
Echternacherbrück, unmittelbar an der Sauerbrücke, gegenüber dem Echternacher Bahnhof,
wurde Sonntag nachmittag [11. August, d. Verf.] eine Nazikundgebung durchgeführt, zu der, da in
Echternacherbrück kaum Haushalte existieren, die Anhänger aus Nah und Fern herbeigeholt wurden,
mit dem alleinigen Zweck, wie die Durchführung der Kundgebung zeigte, die Luxemburger zu
provozieren. Man hielt am Ufer, wo sich die Uniformierten, dazu viel Jugend, tummelten, stramme
Reden, machte Musik und sang und scheute nicht davor zurück, an die gegenüberliegende Seite,
wo sich Luxemburger und Touristen die Komödie ansahen und erheblich lachten, geballte Fäuste
zu wenden, um denen klar zu machen, um was es in Deutschland gehe. Besonders symbolisch für
das Provokante der Deutschen war, daß eine Familie, bestehend aus Mann, Frau und Kind, sich auf
eine kleine Insel inmitten der Sauer begab, sich dort auf den letzten zu Deutschland gehörenden
Stein postierte, die Hand nach Luxemburg gewandt, das Lied des Zuhälters Horst Wessel brüllte,
ohne allerdings denen, denen diese Kundgebung galt, etwas Neues anzutun, denn man kennt ja
auf der Grenze diese neuartige Faschingsbetätigung des ‚aufbauenden Deutschlands‘. Also, wem
der Zwischenfall in Born an dem früheren Polizeiagenten Weber nicht genügt, der bekam am
gleichen Tage ein ähnliches provokatorisches Verhalten in Echternacherbrück zu sehen. Natürlich,
auf deutschem Boden können die Nazis tun was sie wollen, aber allein in der Tatsache, daß sie
ausgerechnet in einem Grenzflecken, der außer ein paar Häusern nur zolltechnischen Charakter
hat, eine Kundgebung verlegen, beweist, wie man geradezu sucht, das Ausland zu provozieren.“ 7

Bei dem erwähnten Zwischenfall in Born hatte ein Hitlerjunge am 11. August 1935 einen
Luxemburger Fischer schwer verletzt. Das „Tageblatt“ berichtete hierüber im Detail, wobei es nicht
verfehlte, den Vorfall in den größeren Rahmen der „Provokationen und Belästigungen, denen die
4

luxemburgische Bevölkerung an der deutschen Grenze ausgesetzt ist“, zu stellen: „Augen-
und Ohrenzeugen berichten uns täglich von den wüsten Schimpfworten, die von jenseits der
Sauer und Mosel zum lux. Ufer herüberschallen. Nachts führen halbreife Burschen, die am
deutschen Ufergebiet lagern, einen wahren Indianerlärm auf. Ein besonders beliebter Sport
besteht aber darin, mit Steinen ins Wasser zu schmeißen, dort wo lux. Fischer die Angel
ausgeworfen haben. Den Fischern wird dadurch die Beute selbstverständlich vertrieben.“

„Am Sonntag kam es an der Sauer zu einem Vorfall, der um ein Haar ein Menschenleben
gefordert hätte. Der frühere Polizist und jetzige Geschäftsagent Jos. Weber aus Luxemburg,
in den 40er Jahren stehend und in der Hauptstadt sehr populär unter dem Spitznamen
‚Hauptmann von Köpenick‘, huldigte auf einer Sauerinsel zwischen den Ortschaften Hinkel
und Born dem Angelsport in Gesellschaft des Geschäftsmannes Herrn Merens, ebenfalls aus
der Hauptstadt. Die friedlichen Angler wurden auf die oben erwähnte Weise von Lausejungen,
die am deutschen Ufer ihr Unwesen trieben, an der Ausübung ihres Sportes gehemmt.
Weber protestierte energisch gegen das Steineschmeißen, wodurch ihm und seinem Freund
die Fischbeute vertrieben wurde. Darauf fürchterliches Gejohl und Geschimpf bei den
hyperpatriotischen Rowdies aus dem Dritten Reich. Weber hatte sich in dem wenig hohen
Wasser bis auf etwa 2 Meter dem deutschen Ufer genähert. Da warf einer der Burschen
nach ihm, den bekannten Ehrendolch, den die ‚friedliche‘ H.J. bekanntlich immer bei sich
trägt. (…) Der Dolch drang Weber in die Unterleibgegend und rief eine tiefe, gefährliche
Wunde hervor. In schwer verletztem Zustande wurde der Luxemburger nach dem Spital von
Echternach gebracht, wo sich die Aerzte um ihn bemühten.“

„Hoffentlich kommt der Schwerverletzte mit dem Leben davon“, sorgt sich die Zeitung
und prangert zugleich die Haltung der Luxemburger Regierung an: „Der Vorfall hat in
der lux. Bevölkerung an der Sauer und der Mosel, in der Hauptstadt, ja im ganzen Lande
ungeheuere Erregung und Entrüstung hervorgerufen. Ueberall wird betont, daß endlich die
lux. Regierung aus ihrer Indolenz heraus muß, und energisch den Schutz der Luxemburger
gegen die braunen Provokateure organisieren muß. Wir verlangen Schutz gegen die braunen
Mordbanden!“ 8

Für weitere Entrüstung im „Tageblatt“ sorgte im Mai 1936 die Amtseinführung von
Amtsbürgermeister Jakob Falkenbach: „Drüben wurde am Himmelfahrtstage [21. Mai,
d. Verf.] in Echternacherbrück der neue «Amts»Bürgermeister eingeführt. Der ganze NS-
Apparat war in Bewegung gesetzt worden. Unzählige Autos begleiteten die Kreisleiter
und die Fahrt ging über Wolsfeld, Irrel, Echternacherbrück bis nach Bollendorf. In einer
Wirtschaft fanden die Honneurs statt. Falkenbach hielt eine große Ansprache und unterstrich
nachhaltigst die große Not des ganzen deutschen Grenzbezirks. Mit einem Sauf- und
Schmausabend fand die Feier ihren Abschluß. Das Grenzvolk braucht halt Ablenkung, um
die großen Enttäuschungen des Regimes zu vergessen.“ 9 Falkenbach blieb bis 1945 im Amt.
Christi Himmelfahrt war seit 1936 gesetzlicher Feiertag in Deutschland.

Versöhnlicher sollte es am 26. Juli 1936 in Echternach bei der 700-Jahrfeier der Verleihung
des Freiheitsbriefes an die Stadt durch die Gräfin Ermesinde zugehen, wo sich Vertreter jener
Städte und Gegenden zusammenfanden, die ehedem zum Lande Luxemburg gehörten, im
Laufe der Zeit jedoch abgetrennt und an Belgien, Deutschland oder Frankreich angegliedert
worden waren. Aus dem Deutschen Reich waren neben Echternacherbrück auch Vertretungen
aus Bitburg, Dudeldorf, Koerperich und Neuerburg eingeladen worden. 10
5
Krieg

Am 10. Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht das neutrale Luxemburg. Die Zeitungen
wurden „gleichgeschaltet“; nazikritische Töne waren jetzt nicht mehr zu hören. Was unser
Thema anbelangt, so beschränkten die Meldungen sich fortan auf das Tagesgeschehen, oft mit
unterschwelliger Propaganda für die neuen Machthaber, so z. B. im Juli 1940 in einem Bericht aus
Echternach über den Einsatz von luxemburgischen Arbeitslosen im Grenzgebiet: „Auf Anregung
des Arbeitsnachweisamtes aus Luxemburg und auf Einladung der hiesigen Gemeindeverwaltung
hin, meldeten sich vorgestern morgen auf dem Gemeindesekretariate an die 56 Arbeitslose,
welche in den kommenden Tagen im nahegelegenen Irrel (Deutschland) seitens der Deutschen
Reichsbahn lohnende Beschäftigung finden werden. Die Arbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag,
der Stundenlohn 60-70 Pfennig. Die Arbeiter werden jeden Morgen von Echternacherbrück aus im
Auto zur Arbeitsstätte gebracht und am Abend wieder in Echternacherbrück abgesetzt.“ 11

Luxemburg war zwar besetzt, die Zollschranke zwischen Echternach und Echternacherbrück blieb
aber bestehen, was dort am Mittwoch, den 5. November 1941, zu einem tragischen Unfall führen
sollte: „In später Abendstunde fuhr am Mittwoch ein Lastkraftwagen gegen die Zollschranke von
Echternacherbrück. Während der Fahrer in schwerverletztem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert
werden mußte, war bei dem Beifahrer infolge Brustquetschung der Tod auf der Stelle eingetreten.
Das Unglück ist darauf zurückzuführen, weil der Fahrer das Haltezeichen nicht beachtet hatte.“ 12

Der Winter 1941/42 war ziemlich kalt, mit deutlichen Minustemperaturen im Januar und Februar.
Schäden am Straßennetz waren die Folge. Mitte März 1942 wird aus Echternacherbrück gemeldet,
dass dort Wegeausbesserungen vorgenommen werden sollen: „Die Beanspruchung unserer Wege
und Straßen in den letzten Jahren war sehr groß. Trotz mehrfacher Ausbesserungen ist ihr Zustand
wieder sehr schlecht. Bei dem jetzigen Schneeabgang erhielten sie, da sämtliche Durchlässe

Blick auf Echternacherbrück und das Hotel Bitburger Hof (rechts), Besitzer: A. Wagner.
Postkarte. Poststempel von 1937.
6

zugefroren sind, den Rest. Wie verlautet, sollen nunmehr die notwendigen Vorbereitungen zwecks
Finanzierung einer allgemeinen gründlichen Generalüberholung bzw. Neuanlage abgeschlossen
sein.“ 13

Derweil wird die administrative Trennung zwischen dem reichsdeutschen und dem luxemburgischen
Gebiet im Sinne der Besatzer gelockert. Das Zweigpostamt Echternacherbrück wird mit Wirkung
ab 1. März 1943 aufgehoben und Echternach zugeteilt. „Alle Zustellungen erfolgen von jetzt
ab durch das Postamt Echternach, das auch alle übrigen Postgeschäfte von Echternacherbrück
wahrnimmt“, heißt es amtlicherseits. 14

Nachkriegszeit, Schmuggelzeit

Nach dem Ende des Krieges lag Echternach in Trümmern, was nicht verhinderte, dass der
Echternacher Stadtrat sich am 28. Januar 1946 mit acht gegen eine Stimme „im Prinzip“ damit
einverstanden erklärte, Echternacherbrück mit Strom zu versorgen. Derselbe sollte bis in einen
Sammelmesser geliefert werden; die Verteilung sollte Echternacherbrück selbst übernehmen. Als
Gegenwert kam namentlich Lieferung von Holz in Betracht. 15

Die Lage in Echternacherbrück blieb trotzdem recht prekär. „Das Schmuggeln war der einzige
Luxus, den sich die Echternacherbrücker in dieser schweren Zeit leisteten. Dies geschah oft bei
Nacht durch den Grenzfluss schwimmend, da erhebliche Strafen darauf bestanden.“ 16 Manchmal
konnte man aber auch zu Fuß von einer Seite zur anderen gelangen. So berichtet das „Tageblatt“
vom 4. Februar 1947, dass Mosel und Sauer zugefroren sind, und der Schmuggel, insbesondere an
der Sauer, hierdurch beflügelt wird: „Die von der andern Seite freuen sich offensichtlich über den
Gefrierzustand der Sauer. Dieser und jener hat schon versucht, diesseits Fuß zu fassen, für irgend
etwas eventuell Glück zu haben. Und so haben die Douaniers vollauf zu tun, um Hungrige von
drüben und Schieber von dieser und jener Seite in Schranken zu halten.“ 17

Die Währungsreform vom 20. Juni 1948 verschärfte noch die Maßnahmen an der Grenze, wie
dies aus folgender Notiz im „Tageblatt“ vom 23. Juni hervorgeht: „Nach einer Bekanntmachung
des französischen Administrateur délégué für den Bezirk Trier bleibt während der Dauer der
Währungsreform und bis auf weiteres der Grenzübertritt zwischen Rheinland-Pfalz und Luxemburg
auf nachstehende Uebergangsstellen beschränkt: Wasserbilligerbrück (Großer Grenzübergang),
Echternacherbrück (Großer Grenzübergang), Igel (Bahnhof) (Großer Grenzübergang), Bollendorf
(Kleiner Grenzübergang). Gemäß derselben Bekanntmachung eröffnen die [französischen, d. Verf.]
Ueberwachungsposten, nach den vorschriftsmäßigen Aufforderungen, das Feuer auf jede Person,
die versuchen sollte, die Grenze auf unregelmäßige Weise zu überschreiten oder der Kontrolle zu
entgehen. 18

Am Pfingstdienstag 1949, der auf den 7. Juni fiel, waren die Pilger aus den deutschen
Grenzortschaften und den Eifeldörfern erstmals seit Kriegsende wieder zur 1941 von den
Nazis verbotenen und 1945 wieder aufgelebten Echternacher Springprozession zugelassen.
Unerwartet groß war die Zahl derer, die davon profitierten: „Jenseits der Sauer, an den Straßen
nach Echternacherbrück, standen in langen Reihen die Fahrzeuge, welche die Pilger, deren Zahl
man auf 5000 veranschlagte, herangebracht hatten. Nach der Prozession standen die deutschen
Besucher dann bis in den Nachmittag Schlange vor den Lebensmittelhandlungen, die am Abend
zum Teil ausverkauft hatten.“ 19
7

Dass dabei auch manch Unerlaubtes über die Grenze geschmuggelt wurde, liegt auf der Hand.
Wichtig war, sich nicht erwischen zu lassen. Dass dies nicht immer gelang, zeigt folgende
Begebenheit, die 1950 aus Echternach als Nachklang zur Springprozession gemeldet wurde: „War
da der Trommelschläger einer deutschen Musikkapelle, der die günstige Gelegenheit ausnützen
und mehr als das erlaubte Quantum Mangelware mit nach drüben nehmen wollte. In einem
hiesigen Geschäft erstand er 100 Päckchen Zigaretten, 50 Pakete Tabak und 5 kg Kaffee, ließ
sich das Ganze hübsch verpacken und verstaute es dann im Bauch seiner dicken Trommel. Später
am Nachmittag marschierte die Kapelle unter klingendem Spiel über die Echternacher Brücke,
marschierte weiter durch Echternacherbrück ohne sich eine Pause zu gönnen. Auf beiden Seiten
standen die Zöllner und hörten vergnügt den schmissigen Weisen zu. Der Zufall, der manchmal
eine große Rolle, spielt, wollte es nun, daß am Ausgang von Echternacherbrück ein deutscher
Zollbeamter, der außer Dienst war, vor seinem Hause saß und der Ruhe pflegte. Als der Zug an
ihm vorbeikam, fiel ihm, da die Sonne von der entgegengesetzten Seite schien, der sonderbare
Schatten auf dem diesseitigen Fell der Trommel auf. Der Schatten hatte tatsächlich die Form eines
großen Paketes. Er ließ den Trommler beiseitetreten und die Trommel öffnen. Das Schmuggelgut
kam zum Vorschein und wurde beschlagnahmt. Der Trommler jedoch mußte den Weg nach der
Windstraße [Gefängnis, d. Verf.] in Trier antreten.“ 20

Aus welcher Ortschaft der erwischte Trommler stammte, geht nicht aus dem Artikel hervor.
Sollte er etwa aus Speicher gewesen sein, von dessen Musikkapelle gewusst ist, dass sie in
den Nachkriegsjahren nicht nur aus reiner Frömmigkeit zur Springprozession nach Echternach
fuhr? Wie Hedwig Billen aus Speicher in einem Heimatkalender-Artikel erzählt, führte besagte
Musikkapelle mehrere große Trommeln mit, über deren falsche Töne manch frommer Pilger sich
gewundert haben mag. Die dicken Trommeln waren nämlich immer mit Bohnenkaffee, einem
heißbegehrten Tauschartikel, gefüllt. 21

Die neue Sauerbrücke

Die Sauerbrücke war am 12. September 1944 von den Deutschen gesprengt worden. Nach dem
Krieg waren Echternach und Echternacherbrück nur über eine von den Amerikanern errichtete
Behelfsbrücke verbunden, die rund fünf Jahre lang im Betrieb blieb. Am 19. Juli 1949 schrieb ein
Korrespondent aus Echternach, nun habe man am jenseitigen Ufer mit den Vorbereitungsarbeiten
begonnen, um die von den Amerikanern erbaute Notbrücke durch eine dem Verkehr entsprechende
modernere zu ersetzen. Die Bohrungsarbeiten zur Ermittlung der Festigkeit seien in vollem
Gang. 22

Die Arbeiten schritten zügig voran, und am 5. Januar 1950 konnte die neue Sauerbrücke
eingeweiht werden; „in aller Stille, sozusagen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit,“ bemängelte
der Berichterstatter des „Luxemburger Wort“, der Echternacher Geistliche Georges Kiesel. „Zwar
fehlte der Zeremonie nicht jedweder Glanz. Im Gegenteil, das Aufgebot des Festapparates war,
besonders was Zahl und Rang der Ehrengäste betrifft, alles andere denn alltäglich. Offen gestanden
aber hatten wir uns dieses Fest in den sechs langen Monaten, die den Brückenbau allmählich vor
unsern gespannt miterlebenden Augen erstehen ließen, etwas anders vorgestellt: reicher, gesättigter
an Klang und Farbe.“ 23

Auf der Echternacher Seite hatten sich die Vertreter der Luxemburger Regierungs- und
Verwaltungsstellen eingefunden, allen voran die Minister Joseph Bech und Robert Schaffner.
Zu ihrem Empfang hatte sich Bürgermeister Elsen mit den Beigeordneten Artois und Selm,
Dechant Biermann und Baukondukteur E. Goedert eingefunden. Die französischen und deutschen
8

Ehrengäste hatten sich am anderen Ufer versammelt. Und Punkt elf bewegten sich die Gruppen
von beiden Seiten in würdevollem Schreiten der Mitte der Brücke zu.

An deutschen Notabilitäten wohnten der Feier u. a. bei: Peter Altmeier, Ministerpräsident
und Innenminister von Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Wilhelm Steinlein (Koblenz),
Landtagsabgeordneter Theodor Asholt, Landrat Josef Hammes und Amtsbürgermeister Walter
Spangenberger (Echternacherbrück).

Der kleine Grenzverkehr

Aus dem Bericht über die Sitzung des Echternacher Gemeinderats vom 3. Februar 1950 geht
hervor, dass die Einwohner von Echternacherbrück in einem Petitionsschreiben darum gebeten
haben, sonntags dem katholischen Gottesdienst in der Pfarrkirche von Echternach beiwohnen zu
dürfen. Der Gemeinderat ist im Prinzip einverstanden, hierfür die Zeit von 7-9 Uhr zu bewilligen,
doch soll vorher Rücksprache mit dem Hrn. Dechanten genommen werden. 24

Derweil bemüht sich der Eifelverein im April 1950 um Erleichterungen im kleinen Grenzverkehr:
„Nachdem neuerdings wieder der kleine Grenzverkehr eingerichtet ist, hat sich auch die Ortsgruppe
Echternacherbrück des Eifelvereins veranlaßt gesehen, sich den neuen Verhältnissen anzupassen.
Leider ist der kleine Grenzverkehr in seiner jetzigen Art dem Fremdenverkehr wenig oder gar
nicht förderlich. Eine Versammlung der Bürgermeister der luxemburgischen Grenzgemeinden hat
denn auch mit Recht (…) eine Aenderung der Bestimmungen dahingehend gefordert, daß allen
Grenzbewohnern, die beiderseits in der 10-km-Zone wohnen, mit einfachen von den Bürgermeistern
ausgestellten Grenzausweisen der Grenzübertritt gestattet werden soll. Es wäre im Interesse aller
Gemeinden diesseits und jenseits der Grenzpfähle, wenn diesem Vorschlag stattgegeben würde.
Der Eifelverein, der sich auch die Hebung des Fremdenverkehrs als Aufgabe gestellt hat, wird
die Bestrebungen der luxemburgischen Grenzgemeinden unterstützen und an den maßgebenden
Stellen für eine Aenderung des jetzigen Zustandes eintreten.“ 25

Nebenbei erfahren wir auch noch, wie die touristische Lage im deutschen Grenzgebiet aussieht: „An
den vom Eifelverein unterhaltenen Anlagen ist im Kriege vieles zerstört worden. Um insbesondere
die Sauer-Schweiz wieder zu erschließen, sind umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten zu
leisten, die große Geldmittel erfordern. So sind im Bereich der Echternacherbrücker Eifelvereins-
Ortsgruppe folgende Arbeiten dringend notwendig: Aufräumung von etwa 18 km Wanderwegen
und Pfaden, Bau eines Brückensteges an den Wasserfällen der Prüm, Aufbau der zerstörten
Liboriuskapelle, Aufstiegtreppen zum Ernzerberg, in den Bollendorfer Wäldern und an den Irreler
Felsen, Errichtung von etwa 100 Ruhebänken.“

Der Aufschwung hüben und drüben

In Echternach kommt der Tourismus langsam wieder in Schwung, wovon auch Echternacherbrück
profitieren kann. „Der Fischfang in der Sauer“ heißt es im August 1950 aus Echternach, „ist heuer
recht ergiebig. Das ganze Ufer ist übersät mit ausländischen Anglern, die früh am Morgen sich
ihre Stellung suchen und gegen Abend beutebeladen per Motor wieder davonsausen. Überall in
den Restaurants gibt es jetzt die viel gepriesenen Sauer-Fritüren, frisch vom Wasser. Auf der neuen
Brücke herrscht reger Verkehr. Den Touristen ist es erlaubt, bis nach Echternacherbrück zu gehen,
was viele von ihnen auch nicht versäumen, wäre es auch nur, um zu Hause erzählen zu können, sie
seien im Rheinland gewesen. Da das Leben drüben bedeutend billiger ist, kauft man dort allerhand
9

Kleinigkeiten und läßt sich auf der Terrasse des neuerstandenen Hotels nieder und trinkt Bitburger
Bier oder Unter-Moseler zu recht interessanten Preisen.“ 26

Die Gemeinde Echternacherbrück sei im Kriege zu 85 Prozent zerstört worden, heißt es im November
1950, aber der Wiederaufbau habe gute Fortschritte gemacht. Das Amtsbürgermeistereigebäude
sei wieder instand gesetzt, die Gaststätten seien renoviert worden und würden dem Fremden einen
behaglichen Aufenthalt bieten. Die Geschäftstätigkeit habe im letzten Jahr erheblich zugenommen.
Einige neue Geschäfte seien entstanden, andere im Aufbau. Dadurch habe der Grenzort
Echternacherbrück einen bemerkenswerten Aufschwung genommen und der Fremdenbesuch habe
erfreulich zugenommen. 27

Auch wenn die oben angeprangerte Visumpflicht bis zum 1. Januar 1954 aufrecht erhalten bleiben
sollte, so waren Ende 1950 die schlimmsten Kriegsfolgen doch überwunden. Echternach und
Echternacherbrück konnten wieder mit Optimismus in die Zukunft blicken!

Quellen und Anmerkungen
(Tageblatt: Escher Tageblatt = TE, Luxemburger Tageblatt = TL, Tageblatt = TA; Luxemburger
Wort = LW; http://www.eluxemburgensia.lu)
1 Massard, J.A.: Miscellanées historiques concernant la Loutre. Bulletin de la Société des naturalistes luxem-
bourgeois, 93 (1992): 59-69.
2 TL 1924, Nr. 75 (29. März): 3.
3 Massard, J.A.: Eine Notiz aus dem «Echternacher Anzeiger»: Wie Johann Rodange 1865 in der Sauer ertrank.
Galerie 6 (1988), Nr. 1: 69-74 [Corrigendum: S. 69, 1. Spalte, 3. Zeile: 1863 anstatt 1862].
4
    TL 1923, Nr. 205 (4. September): 7.
5
    TE 1934, Nr. 227 (26. September): 4.
6
    TE 1931, Nr. 37 (4. Februar): 3.
7
    TE 1935, Nr. 190 (14. August): 3.
8
    TE 1935, Nr. 189 (13. August): 3.
9
    TE 1936, Nr. 121 (23. Mai): 4.
10
   TE 1936, Nr. 166 (16. Juli): 9. — Für große Aufregung in Echternach sollte der Vandalenakt sorgen, bei dem in der
Nacht vom 3. auf den 4. März 1939 „Bilderstürmer von jenseits der Sauer“ ihren Mut kühlten, indem sie der Statue des
früheren Abtes Bertels, die sich in der Mitte der Sauerbrücke befand, den Kopf abschlugen (ET 1939, Nr. 54, 4. März:
4). Der Kopf konnte nachträglich „unter schwierigen Verhältnissen“, bei starker Strömung, aus 1,30 m Tiefe in noch
ziemlich intaktem Zustande aus der Sauer geborgen werden (LW 1939, Nr. 66, 7. März: 3), so dass er für eine spätere
Reparatur zur Verfügung stand. Auf der Luxemburger Seite wurden besoffene Nazis für die Schandtat verantwortlich
gemacht, während die deutschen Behörden vorgaben, einen Täter, der in geistiger Verwirrung gehandelt habe, ermittelt
zu haben. Sie entschuldigten sich für die Tat und erklärten sich bereit, auf ihre Kosten einen deutschen Bildhauer mit
der Instandsetzung der Statue zu beauftragen (ET 1939, Nr. 71, 24. März: 4; LW 1939, Nr. 83, 24. März: 6). Siehe:
Kauthen, P., 2007: Wie Abt Bertels seinen Kopf verlor und die Nazis ihr wahres Gesicht zeigten. In: Heimatkalender
2008 Eifelkreis Bitburg-Prüm, S. 237-239. Weber, H.T., 1997: Brücken über die deutsch-luxemburgische Grenze.
Blieskastel, S. 245-246.
11
     LW 1940, Nr. 192 (10. Juli): 7.
12
     LW 1941, Nr. 309 (7. November): 4. ET 1941, Nr. 263 (8./9. November): 4.
13
     TE 1942, Nr. 66 (19. März): 6.
14
     TE 1943, Nr. 54 (5. März): 4.
15
     LW 1946, Nr. 31 (31. Januar): 3.
16
   Havé, J.C. et al.: Echternacherbrück. Eine junge Gemeinde in historischer Lage. Gemeinde Echternacherbrück
2001, S. 82.
10

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     TE 1947, Nr. 28 (4. Februar), S. 7.
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     TA 1948, Nr. 143 (23. Juni): 7.
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     LW 1949, Nr. 159 (8. Juni): 4.
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     LW, 1950, Nr. 157 (6. Juni): 4.
21
     Billen, H.: Schmugglerzeit. Heimatkalender 2007 Landkreis Bitburg-Prüm, Bitburg 2006: 41.
22
     TA 1949, Nr. 164 (19. Juli): 6.
23
     LW 1950, Nr. 6 (6. Januar): 4.
24
     LW, 1950, Nr. 39 (8. Februar): 7.
25
     LW, 1950, Nr. 114 (24. April): 7.
26
     TA 1950, Nr. 192 (23. August): 6.
27
     LW 1950, Nr. 319 (15. November): 4.
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