Eckpunkte der Behindertenhilfe im Deutschen Roten Kreuz Eine Orientierungshilfe
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Vorwort Vorwort „Nichts über uns ohne uns.“ – So lautet in aller Kürze die Kernbotschaft der UN-Behindertenrechtskonventi- on, die am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft ge- treten ist. Die von den Vereinten Nationen gegebenen neuen Impulse sind auch für das Deutsche Rote Kreuz Herausforderung und Ermutigung, die weitere Ent- wicklung hin zu einer inklusiven Gesellschaft – auch für Menschen mit Behinderungen – konsequent mit zu gestalten. Auf diesem Weg ist in den vergangenen Jahren schon viel erreicht worden. 1994 erhielt die Gleichberechti- Fürsorgeprinzip und hin zu Selbstbestimmung und gung behinderter Menschen Verfassungsrang: Der Ar- gesellschaftlicher Teilhabe – vollzogen. tikel 3 des Grundgesetzes wurde um den Satz „Nie- mand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt Das Deutsche Rote Kreuz setzt sich seit seiner Grün- werden.“ ergänzt. 2001 wurde das Neunte Sozialge- dung für ein gleichberechtigtes Miteinander von be- setzbuch, 2002 das Behindertengleichstellungsgesetz hinderten und nicht behinderten Menschen auf der und 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Grundlage von gegenseitigem Verständnis und Rück- verabschiedet. sichtnahme ein. Unsere Grundsätze sind uns seit jeher Verpflichtung, der Würde eines jeden Menschen Ach- Seit März 2009 ist mit dem Inkrafttreten der UN- tung zu verschaffen. Dies umfasst auch das Recht al- Behindertenrechtskonvention in Deutschland der ler Menschen mit Behinderung auf Selbstbestimmung Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe – weg vom und Inklusion in allen Lebensbereichen. 2
Vorwort Im Deutschen Roten Kreuz ist die Arbeit mit und für senen Bedeutung der Behindertenhilfe bewusst Menschen mit Behinderung stetig gewachsen. Heu- und nimmt diese satzungsgemäße Aufgabe enga- te sind wir mit 400 Behindertenfahrdiensten bundes- giert im Sinne der behinderten Menschen auf der weit einer der größten Anbieter. Mehr als 50 inte- Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention grative Kindertageseinrichtungen, 70 Beratungsstel- wahr. len für Menschen mit Behinderungen und ihre Ange- hörigen, weit über 150 stationäre und ambulant be- Die vorliegende Broschüre skizziert Selbstverständnis, treute Wohnangebote, drei Berufsbildungswerke und Arbeitsweise und Ziele der DRK-Behindertenhilfe. Mit etwa 30 Werkstätten für behinderte Menschen so- den „Eckpunkten der Behindertenhilfe“ wollen wir allen wie eine Vielfalt weiterer Angebote und Aktivitäten Menschen, die im Rahmen der verschiedenen Ange- machen das Deutsche Rote Kreuz zu einem wichtigen bote im DRK ehren- und hauptamtlich tätig sind, eine Träger von Einrichtungen und Diensten der Behinder- Orientierungshilfe an die Hand geben. Allen Interes- tenhilfe. sierten wollen wir einen ersten Eindruck von unserer Arbeit vermitteln. Bürgerschaftliches Engagement ist dabei ein unver- zichtbarer Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Viele Allen, die sich mit uns für Menschen mit Behinderung Ehrenamtliche unterstützen Menschen mit Behinde- engagieren und an der Entwicklung einer inklusiven rungen im Alltag und leisten damit unverzichtbare Bei- Gesellschaft arbeiten, wünsche ich viel Erfolg! träge zu Verbesserung ihrer Lebensqualität. Und für viele Menschen mit Behinderung bieten wir Möglich- keiten der ehrenamtlichen Mitwirkung in unseren Dien- sten und Einrichtungen. Als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg ist sich das Deutsche Rote Kreuz der gewach- Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes 3
Leitlinien der Behindertenhilfe Leitlinien der Behindertenhilfe © DRK Behindertenwerkstätten Potsdam gGmbH Menschlichkeit: Das Deutsche Rote Kreuz tritt aktiv für die Würde aller Menschen ein. Es setzt sich für ein Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen auf der Grundlage von gegenseitigem Verständnis und Rück- sichtnahme und die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein. Die Aufgabe des Deutschen Roten Kreuzes ist, menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern; es ist bestrebt, Leben und Gesundheit aller Menschen zu schützen. Not und des Möglichen; es stellt allein den Men- schen in den Mittelpunkt seines Handelns, achtet Unparteilichkeit: die Selbstbestimmung und fördert seine Eigenver- Unverwechselbares Merkmal des Deutschen Roten antwortung. Kreuzes ist die Unparteilichkeit: Es unterscheidetbei seiner Arbeit mit und für Menschen mit Behinderung Neutralität: weder nach Geschlecht und sexueller Orientierung, Das Deutsche Rote Kreuz ist dem Grundsatz der par- noch nach ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, teipolitischen, religiösen und ideologischen Neutralität Religion, sozialer Stellung oder politischer Überzeu- verpflichtet. Es ergreift die Initiative und setzt sich dort gung. anwaltschaftlich ein, wo gesellschaftliches und politi- sches Denken und Handeln einer gleichberechtigten Das Deutsche Rote Kreuz unterstützt Menschen mit Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Leben in Behinderung unterschiedslos nach dem Maß der der Gesellschaft entgegenstehen. 4
Leitlinien der Behindertenhilfe Unabhängigkeit: Universalität Das Deutsche Rote Kreuz gestaltet seine Arbeit auf Das Deutsche Rote Kreuz und seine Gliederungen der Basis der UN-Konvention über die Rechte von sehen die Arbeit für und mit Menschen mit Behinde- Menschen mit Behinderungen, des Grundgesetzes rung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und bun- der Bundesrepublik Deutschland, der geltenden Ge- desweite Notwendigkeit. Egal an welchem Ort sich setze und der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. Menschen mit Behinderung mit ihren Anliegen und Es ist unabhängig von ideologischer Einflussnahme Bedürfnissen an das Deutsche Rote Kreuz wenden, und handelt auf der Grundlage der Grundsätze der erfahren sie Hilfe und Unterstützung. Die Gliederun- Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewe- gen des Deutschen Roten Kreuzes stehen in fachlichem gung. Es wird tätig unter Beachtung der aktuellen Austausch untereinander und sichern so die ständige wissenschaftlich fachlichen Erkenntnisse der Behin- Weiterentwicklung ihrer Arbeit, welche sich an den gülti- dertenhilfe. gen fachlichen und qualitativen Standards orientiert. © Winfried Eberhardt Freiwilligkeit Das Deutsche Rote Kreuz bietet Menschen mit Be- hinderungen zur Förderung ihrer Selbsthilfepotenziale engagierte und menschlich qualifizierte Hilfe an. Es schafft Raum für uneigennütziges bürgerschaftliches Engagement nach dem Grundsatz der Gleichwertig- keit und des gegenseitigen Vertrauens. Hierin werden die freiwilligen Helferinnen und Helfer von hauptamtlichen Fachkräften unterstützt. 5
Selbstverständnis der Behindertenhilfe Einheit © Bernd Lord (DRK-Sozialwerk Bernkastel-Wittlich gGmbH) Alle Gliederungen bilden die organisatorische Einheit des Deutschen Roten Kreuzes unter dem Primat der Grundsätze der Internationalen Rotkreuz- und Rothalb- mondbewegung. Das Deutsche Rote Kreuz steht Men- schen mit und ohne Behinderung als Mitgestaltenden offen. Selbstverständnis der Behindertenhilfe Behindertenhilfe im Selbstverständnis des Deutschen Roten Kreuzes zielt auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen, innerhalb und außerhalb des Deutschen Roten Kreuzes. Menschen mit Behinderung gestalten als Nutzerinnen Die Behindertenhilfe im Deutschen Roten Kreuz als und Nutzer mit ihren persönlichen Lebensentwürfen Fachaufgabe unterstützt Menschen mit Behinderung Angebote und Dienste des Deutschen Roten Kreuzes und ihre Angehörigen bei der Verwirklichung individu- mit. eller Lebensentwürfe. Durch regelmäßige Fortbildung sichern wir das Wissen Menschen mit Behinderung können Partnerinnen und und Können unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Partner in der haupt- und ehrenamtlichen Arbeit in den Rotkreuzgemeinschaften wie der Sozialarbeit, im Jugendrotkreuz u.a. sein. 6
Aufgabe der Behindertenhilfe Aufgabe der Behindertenhilfe Lebensort ein. Die Einrichtungen und Dienste im DRK setzen diese Grundsätze zu ihren Angeboten passend Die Behindertenhilfe im Deutschen Roten Kreuz will um. sowohl die Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft in ihren individuellen Aspekten un- Die Behindertenhilfe im Deutschen Roten Kreuz ori- terstützen als auch die gesellschaftlichen Bedingun- entiert sich am individuellen Hilfebedarf und den Be- gen weiterentwickeln, um Chancengleichheit und Teil- dürfnissen von Menschen mit Behinderung und ihrer habe zu fördern. Angehörigen. Sie umfasst • berufsfördernde, pädagogische, pflegerische und Menschen mit Be- technische Angebote durch Einrichtungen und hinderung sollen Dienste, ein Leben in ge- • Information, Beratung und Vermittlung, sellschaftlicher Teil- • Begleitung, Assistenz und Betreuung, habe selbständig • Kommunikation, und selbstbestimmt • Freizeitangebote, nach ihren Vorstel- • Unterstützung der Selbsthilfe. lungen führen kön- nen. Dies schließt Um dem Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit alle behinderten Behinderung gerecht zu werden, ist es notwendig, die und von Behinde- unterschiedlichen fachlichen Angebotsstrukturen in rung bedrohten ausreichendem Maß bereitzustellen. © Winfried Eberhardt Menschen unab- hängig von Art und Die Qualität der Angebote wird beschrieben, regelmä- Schwere der Behin- ßig überprüft und am Bedarf der Nutzer und Nutzerin- derung oder ihrem nen weiterentwickelt. 7
Ganzheitlichkeit und individuelle Weiterentwicklung Ganzheiltlichkeit und individuelle Perspektive / Weiterentwicklung Perspektive Die sich verändernden Bedürfnisse, Bedarfe und Die Behindertenhilfe im Deutschen Roten Kreuz wen- Lebensstrategien von behinderten Menschen sind det sich an alle Menschen mit Behinderung in unter- Grundlage für die konzeptionelle Entwicklung aller An- schiedlichen Lebensphasen und Lebenssituationen gebote im Bereich der Behindertenhilfe. Dafür werden und stellt die jeweils erforderlichen Angebote zur Un- die notwendigen Kommunikations- und Hilfesysteme terstützung zur Verfügung. Damit trägt sie der Tatsache weiter entwickelt. Rechnung, dass das Leben von Menschen mit Behin- derung ganzheitlich geprägt ist durch ihre Persönlich- keit und Biographie, durch ihr soziales und kulturelles Umfeld. Unabhängig von Art und Schwere der Behin- derung wird die Lern- und Entwicklungsfähigkeit eines jeden Menschen betont. © DRK-Sozialwerk Bernkastel-Wittlich gGmbH © DRK Behindertenwerkstätten Potsdam gGmbH © Winfried Eberhardt 8
Selbstbestimmung und Vielfalt Selbsbestimmt leben als Ziel und Prozess / Selbstbestimmung und Vielfalt Menschen mit Behinderung wirken am Gemeinwesen mit und erwarten zu Recht dessen barrierefreie Ge- © Winfried Eberhardt staltung. Die Angebote des Deutschen Roten Kreuzes sind ge- meinwesenorientiert und „bürgernah“. Sie unterstüt- zen Menschen mit Behinderung dabei, ihr Leben mög- Selbstbestimmt leben als Ziel und lichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich in ihrem Prozess Lebensumfeld zu führen. Individuelle Lebensentwürfe nach seinen Möglichkei- Das Deutsche Rote Kreuz geht Kooperationen mit ge- ten zu realisieren, ist Lebensprinzip für jeden Men- eigneten Partnern in allen gesellschaftlichen Bereichen schen in unserer Gesellschaft. Daher müssen die Ge- ein. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit und Ver- gebenheiten vorhanden sein, gemeinsam zu wohnen, netzung mit Selbsthilfeorganisationen und ehrenamtli- zu lernen, zu arbeiten und seine Freizeit zu verbringen. chen und nachbarschaftlichen Hilfesystemen. So wird die Vielfalt der Angebote erhöht, die eine wesentliche Das Deutsche Rote Kreuz begleitet und unterstützt Bedingung zur Ausübung des Wunsch- und Wahl- Menschen mit Behinderung insbesondere rechts erfüllt. • durch anwaltschaftliche Vertretung, • mit Möglichkeiten zur Teilhabe und Teilnahme, Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht das Vertrauen • bei der Wahrnehmung und Ausübung ihrer Rechte in die Fähigkeiten der Menschen, ihre Lebenswelt zu und Pflichten und der Stärkung von Eigenverant- gestalten. wortung. 9
Gleichstellung Gleichstellung © Winfried Eberhardt, rechtigung an, sondern auf Das Deutsche Rote Kreuz tritt für die Gleichstellung die tatsächli- von Menschen mit Behinderungen gemäß der UN- che Umsetzung Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin- dieses Grund- derungen1 und des Bundesgleichstellungsgesetzes2 satzes im Zu- ein und wendet sich aktiv gegen jede Benachteiligung sammenleben behinderter Menschen in der Gesellschaft. von behinderten und nicht be- Dem Rotkreuz-Grundsatz der Menschlichkeit ent- hinderten Men- spricht in der Verfassung der Bundesrepublik Deutsch- schen. land der Grundsatz der Menschenwürde und Gleich- heit aller Menschen vor dem Gesetz. Seit 1994 schützt Die vorliegen- der Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ausdrücklich den Eckpunkte Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligungen. unterstützen die Einrichtungen Das Bundesgleichstellungsgesetz setzt sich zum Ziel und Dienste im Deutschen Roten Kreuz, dieses Ziel zu “die Benachteiligung von behinderten Menschen zu erreichen. beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberech- tigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben 1 „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderun- in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine gen“, in Deutschland in Kraft getreten am 26. März 2009 selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.“3 2 »Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze« (BGG), in Kraft getreten am 1. Mai 2002 In der Arbeit für und mit behinderten Menschen kommt es nicht nur auf die formelle gesetzliche Gleichbe- 3 § 1 BGG 10
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Impressum Impressum DRK-Generalsekretariat Team Migration und Integration Carstennstrasse 58, 12205 Berlin Telefon 030 / 85 404-0, www.drk.de Redaktion Verena Werthmüller und DRK-Bundesarbeitskreis Behindertenhilfe Leichte Sprache Übersetzung: Sprachflügel - Annette Flegel. E-Mail: info@sprachfluegel.de Geprüft von einem Menschen mit Behinderung: Björn Schneider. Bilder: Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V. E-Mail: info@menschzuerst.de Titelbild Das Kunstatelier, Behindertenwerkstätten Oberpfalz Betreuungs-GmbH, info@wfb-cham.de 12
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