EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...

Die Seite wird erstellt Judith Stolz
 
WEITER LESEN
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST
                                                                 7-8  /2018

Aus dem Inhalt:
●   NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin
●   FSI-Vortragsveranstaltung zur EU-Datenschutzgrundverordnung
●   Schwerpunkt: Aus– und Weiterbildung in den Kreisverwaltungen
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST 7-8/2018                                                                                                   Auf ein Wort

                                           Neuausrichtung der schulischen
                                           Inklusion:
                                           Bündelung der Ressourcen ist richtig,
                                           flexible Lösungen vor Ort bleiben
                                           notwendig
                                             Menschen mit Förderbedarf die Einbindung in Alltag, Gesellschaft und Berufsleben zu
                                             ermöglichen, ist ein Kernauftrag an Staat und Kommunen. Es ist ein Auftrag, den die
                                             Kommunen selbstverständlich annehmen und in ihren Lebenswelten vor Ort im Aus-
                                             tausch mit den Betroffenen ausgestalten wollen. Es ist zudem natürliche Selbstverpflich-
                                             tung für die Politik, dort eine effektive Hilfestellung zu geben, wo sie notwendig ist.
                                             Inklusion ist das Bestreben, unter Anerkennung der Vielfalt der Menschen institutionelle
                                             Gemeinsamkeiten zu bilden.
                                             Mit Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes zur Umsetzung der UN-Behin-
                                             dertenrechtskonvention in den Schulen vom November 2013 ist in der Vergangenheit
                                             versucht worden, die Realität einer gewachsenen, starken und differenzierten Schul-
landschaft mit der Maxime des voraussetzungslosen gemeinsamen Lernens aller Kinder an allen Schulformen zu verdrängen.
Die Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf beschränkt sich jedoch nicht auf die Schule. Ziel der Inklusion
ist nicht Selbstzweck, sondern die bestmögliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich in
Nordrhein-Westfalen ein funktionierendes Förderschulsystem entwickelt. Grundüberlegung dieses Systems ist es, jedem Kind die
bestmögliche Förderung aufgrund seines individuell festgestellten Förderbedarfs zu Gute kommen zu lassen. Naheliegender Weise
erfordert dies einen erheblichen und gezielten Ressourceneinsatz.
Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen begrüßt daher ausdrücklich die Leitidee der Landesregierung bei der Neuausrichtung der
schulischen Inklusion: Ressourcenbündelung.
Das „Gemeinsame Lernen“, also die Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen, soll in
Zukunft nicht mehr an allen weiterführenden Schulen durchgeführt werden. Stattdessen soll an Schulen, die das notwendige Per-
sonal, die baulichen Gegebenheiten und die hinreichende Spezialausstattung haben, Eltern die Wahl gegeben werden, ihre Kinder
dort gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf unterrichten zu lassen.
Das ist richtig, denn dies gibt den Kommunen als Schulträgern und dem Land als Personalherr die Chance, effektiv eine Ressour-
censteuerung vorzunehmen und die grundgesetzlich geschützten Rechte der Kinder und ihrer Eltern auf eigenverantwortliche
Erziehung und Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zur bestmöglichen Bildung sicherzustellen.
Hierbei darf aber nicht der Fehler der Vergangenheit wiederholt werden, zu schnell und von oben herab ohne Rücksicht auf lokale
Besonderheiten und individuelle Anforderungen Entscheidungen über die zukünftige Schullandschaft zu treffen.
Deshalb ist es erforderlich, klar und deutlich im Schulgesetz zu verankern, dass Förderschulen und inklusive Schulen gleichwertig
nebeneinanderstehen. Es ist klarzustellen und dauerhaft abzusichern, dass gerade die Existenz beider Schularten notwendig ist, um
das eigentliche Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention, Inklusion in die Gesellschaft, zu erreichen. Durch verbesserte gesetzliche
Regeln könnten langfristige Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in ein System einkehren, das vor einigen Jahren überschießend und
ohne hinreichenden Vorlauf eingerichtet worden ist und entsprechende heftige Kritik fast aller Beteiligter ausgelöst hat.
Im Schulgesetz muss zudem die Gestaltungsfreiheit der Kommunen als Schulträger festgeschrieben werden, an welchen Schulen
Gemeinsames Lernen eingerichtet wird. Es ist nicht Aufgabe des Landes, über die Belange der örtlichen Gemeinschaft zu entschei-
den. Selbstverständlich muss sichergestellt werden, dass jeder Schülerin und jedem Schüler eine echte Chance auf Beschulung in
einer inklusiven Schule gegeben wird. Hierzu ist in Form interkommunaler Zusammenarbeit und auch in Abstimmung mit den
Bezirksregierungen eine regionale Schulentwicklungsplanung vorzunehmen. Nach den derzeitigen Überlegungen des Landes soll
jedoch die Entscheidung, wo Gemeinsames Lernen eingerichtet wird, nicht wesentlich von den Schulträgern, sondern von der
Schulaufsicht getroffen werden. Dem ist zu widersprechen, da hiermit der ausdrückliche Wunsch von Eltern, Lehrkräften und
Kommunen untergraben wird, mehr Flexibilität für individuelle Lösungen vor Ort und ausreichende Gestaltungsspielräume zu
wahren.
Die inklusive Beschulung stellt eine enorme Herausforderung für das System Schule dar, in dem auch die Kinder ohne Förder-
bedarf das Recht auf die Verwirklichung bester Bildungschancen haben. Deshalb bleibt das Land in der Pflicht, das notwendige
Personal bereitzustellen. Ohne zusätzliche sonderpädagogische Kräfte und weitere Inklusionshelfer wird die Ressourcenbündelung
schnell an ihre Grenzen stoßen.

                                                                                 Dr. Martin Klein
                                                                                 Hauptgeschäftsführer
                                                                                 des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

                                                                                                                                333
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
Inhalt                                                                                                       EILDIENST 7-8/2018

  Kavalleriestraße 8
                                                    AUF EIN WORT                                                         333
  40213 Düsseldorf
                                                    ______________________________________________________________
  Telefon 0211/ 300 491-0
  Telefax 02 11/ 300 491-660
  E-Mail: presse@lkt-nrw.de
  Internet: www.lkt-nrw.de
                                                    AUS DEM LANDKREISTAG

                                                    NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin                 336
  IMPRESSUM
                                                    ______________________________________________________________
  EILDIENST – Monatszeitschrift
  des Landkreistages                                FSI-Vortragsveranstaltung am 5. Juli 2018 in Münster:
  Nordrhein-Westfalen                               EU-Datenschutzgrundverordnung -
                                                    Herausforderung für Kreise und Gemeinden                 344
  Herausgeber:                                      ______________________________________________________________
  Hauptgeschäftsführer
  Dr. Martin Klein

                                                    THEMA AKTUELL
  Redaktion:
  Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn
  Beigeordneter Martin Schenkelberg
  Referentin Christine Cebin
                                                    Notfall in der Notaufnahme – Können die Leitstellen helfen?          353
  Hauptreferent Dr. Markus Faber                    ______________________________________________________________
  Referentin Dorothée Heimann
  Referent Thomas Krämer
  Pressereferentin Rosa Moya
  Referent Dr. André Weßling
  Hauptreferent Dr. Kai Zentara                     SCHWERPUNKT:
  Quelle Titelbild:
  Fotolia_172075635_L © Mattoff                     QUALIFIZIERUNG groß geschrieben                                      356
                                                    ______________________________________________________________
  Redaktionsassistenz:
  Gaby Drommershausen
  Astrid Hälker                                     Attraktiver Arbeitgeber - Laufevents, Einführungswochen
  Heike Schützmann                                  und Programm für Quereinsteiger                                      359
  Herstellung:                                      ______________________________________________________________
  ALBERSDRUCK GMBH & CO KG
  Leichlinger Straße 11
  40591 Düsseldorf
                                                    Arbeitsleben in Balance - Auszubildende aktivieren                   361
  www.albersdruck.de                                ______________________________________________________________

  ISSN 1860-3319                                    Mitarbeiterbindung ab dem ersten Arbeitstag                          362
                                                    ______________________________________________________________

                                                    Studieninstitut Aachen setzt seit Jahren auf Kooperationen           365
                                                    ______________________________________________________________

                                                    THEMEN

                                                    Thesenpapier zum Bachelor-Studiengang an der
                                                    Fachhochschule für öffentliche Verwaltung                            367
                    Kreise in Nordrhein-Westfalen

                                                    ______________________________________________________________

334
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST 7-8/2018                                                    Inhalt

27 Jahre Gleichstellungsarbeit in der Kreisverwaltung Steinfurt 370
______________________________________________________________

Digitales NRW –
Kongress Kommunale Wirtschaftsförderung NRW 2018         373
______________________________________________________________

IM FOKUS

Neue Kreisleitstelle für den Kreis Mettmann                   373
______________________________________________________________

MEDIENSPEKTRUM                                                375
______________________________________________________________

KURZNACHRICHTEN                                               379
______________________________________________________________

HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN                               401
______________________________________________________________

                                                                        335
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
Aus dem Landkreistag                                                                                                EILDIENST 7-8/2018

NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin
    Die Landräte aus Nordrhein-Westfalen haben im Rahmen ihrer jährlichen Konferenz in Berlin kommunale Themen und
    Problemlagen mit hochrangigen Bundespolitikern erörtert. Der Streit über die Asylpolitik in der Bundesregierung, der
    sich während der Konferenz am 14. und 15. Juni zuspitzte, beherrschte die Gespräche mit der Bundespolitik.

B   undesinnenminister Horst Seehofer
    hatte angesichts der angespannten
politischen Situation einige Tage vor dem
Termin das geplante Gespräch mit den
Landräten abgesagt. Stattdessen erörter-
ten die Konferenzteilnehmer Integrations-,
Duldungs- und Rückführungsfragen mit
dem Parlamentarischen Staatssekretär beim
Bundesminister des Innern, für Bau und
Heimat, Prof. Dr. Günter Krings. Im Mittel-
punkt des Gesprächs stand der zum dama-
ligen Zeitpunkt noch nicht veröffentlichte
„Masterplan Migration“ von Bundesmi-
nister Seehofer. Die Landräte schilderten,
wie sich die Flüchtlingspolitik der Bundes-
regierung vor Ort auswirkt, und appellier-
ten an die Koalitionspartner, den Konflikt
in der Asylpolitik rasch zu löschen. Doch
auch andere dringende kommunale The-
men fanden Raum in der zweitätigen Kon-
ferenz in Berlin. So sprachen die Landräte    Präsident Thomas Hendele begrüßt die Teilnehmer der NRW-Landrätekonferenz
mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz über                                                                       Quelle: LKT NRW
die stetig wachsenden kommunalen Sozi-
alkosten, die im kreisangehörigen Raum        räte mit Bundesgesundheitsminister Jens      gegen Langzeitarbeitslosigkeit und zur
hauptsächlich die Kreise tragen. Den mas-     Spahn und mit dem stellvertretenden SPD-     Förderung für sozial benachteiligte Kinder
siven Fachkräftemangel in der Pflege und      Fraktionsvorsitzenden und Gesundheits-       sprachen die Landräte mit der Parlamenta-
die Probleme der Gesundheitsversorgung        experten, Prof. Dr. Karl Lauterbach. Über    rischen Staatssekretärin beim Bundesmini-
in ländlichen Regionen erörterten die Land-   die Pläne der Bundesregierung zum Kampf      ster für Arbeit und Soziales, Kerstin Griese.

Neue Instrumente sollen helfen, Langzeitarbeitslose
langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren
    Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und
    Soziales, Kerstin Griese, tauschte sich intensiv mit den NRW-Landräten über
    die geplante Arbeitsmarktpolitik der neuen Bundesregierung aus. Die Staats-                                Kerstin Griese MdB,
                                                                                                               Parlamentarische
    sekretärin freute sich vor dem Hintergrund, dass ihr Wahlkreis der Wahlkreis
                                                                                                               Staatssekretärin beim
    Mettmann II ist, besonders über den Besuch aus Nordrhein-Westfalen. Zumal                                  Minister für Arbeit
    dieser – so die Staatssekretärin – nun auch noch auf einen besonders span-                                 und Soziales
    nenden Tag falle, an dem es um die Frage gehe, wie stabil die neue Bundes-
                                                                                                               Quelle: Deutscher Bundestag
    regierung sei.

I hr Amt als Parlamentarische Staatsse-
  kretärin habe sie zu einer Zeit antreten
dürfen, in der der deutsche Arbeitsmarkt
                                              sinke. Gleichwohl gebe es aber gerade bei
                                              diesem Personenkreis Menschen, die von
                                              der guten Arbeitsmarktlage in Deutsch-
                                                                                           keit, der sog. verhärteten Arbeitslosigkeit,
                                                                                           gestiegen.
                                                                                           Schon Ministerin Andrea Nahles habe eini-
in einer sehr guten Verfassung sei. Die       land nicht profitieren. Im Jahr 2016 sei     ge Programme, wie beispielsweise die ABC-
sozialversicherungspflichtige     Beschäf-    zwar erstmals die Grenze von 1.000.000       Netzwerke und das Bundesprogramm Sozi-
tigung sei nach wie vor auf sehr hohem        Langzeitarbeitslosen unterschritten wor-     ale Teilhabe, auf den Weg gebracht und auf
Niveau und wachse kontinuierlich weiter.      den; jedoch sei der Anteil der Personen      diese Weise versucht, für Langzeitarbeits-
Selbst die Zahl der Langzeitarbeitslosen      mit einer längeren Dauer der Arbeitslosig-   lose mehr zu bewegen. Erheblicher Kritik-

336
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST 7-8/2018                                                                                              Aus dem Landkreistag

punkt sei dabei immer gewesen, dass es sich     des Ministeriums würde dies jedoch dazu         ten, dass die Mittel den Jobcentern im Ein-
eben „nur“ um Programme gehandelt habe          führen, dass das Instrument an Akzeptanz        gliederungstitel ohne eine Zweckbindung
und nie eine verfestigte Integration dieser     und Erfolg verliert. Insofern bat die Staats-   zur Verfügung gestellt würden, denn dies
Menschen in den Arbeitsmarkt ermöglicht         sekretärin darum, dies auch aus Sicht der       gebe den verantwortlichen Jobcentern vor
worden sei. Die neue Bundesregierung            Kommunen als Arbeitgeber zu formulieren         Ort die erforderlichen Umsetzungsspiel-
habe sich daher entschieden, den Weg für        und in Richtung Berlin zu transportieren        räume. Im Hinblick auf die Zielgruppe der
eine nachhaltige Maßnahme freizumachen          und den Einfluss entsprechend zu nutzen.        neuen Instrumente plädierten die Konfe-
und im Wege der Einführung eines Rege-          Die Förderdauer von bis zu fünf Jahren und      renzteilnehmer für eine möglichst offene
linstruments im SGB II den Jobcentern ein       das vorgesehene Coaching der Teilnehmer         Gestaltung, um möglichst vielen Men-
Instrument an die Hand zu geben, mit dem        seien weitere Kriterien, die das Instrument     schen die Förderung zukommen lassen zu
sie Menschen mit vielfältigen Vermittlungs-     als wirklich neuartig auszeichnen und aus       können. Mit Sorge sahen einige der Land-
hemmnissen nachhaltig in den Arbeitsmarkt       Sicht der Staatssekretärin den Erfolg maß-      räte, dass die den Jobcentern zur Verfü-
integrieren können. Das Bundesministerium       geblich befördern können.                       gung gestellten Verwaltungskosten schon
habe sich entschieden, das Instrument sehr      Alleine mit der Einführung eines neuen          jetzt oftmals für die vielfältigen Aufgaben
dezentral anzulegen und mit wenig Vorga-        Regelinstrumentes sei es nach Einschät-         nicht ausreichen. Mit der neuen Aufgabe
ben aus Berlin auszustatten. So verbleibe für   zung des Bundesministeriums jedoch nicht        des Coachings, das in beiden Instrumen-
die Jobcenter viel Entscheidungsspielraum       getan. Insofern habe man sich entschlos-        ten vorgesehen sei, würden nun wieder
vor Ort.                                        sen, neben der Einführung des § 16 i SGB        erhebliche Personalressourcen gebunden.
Geplant seien Zuschüsse sowohl für den          II auch den § 16 e SGB II zu ertüchtigen.       Schon jetzt müssten die Jobcenter erheb-
sozialen als auch für den ersten Arbeits-       Zielgruppe dieser Förderung sollen nach         liche Mittel aus dem Eingliederungstitel in
markt. Vorgesehen sei eine Änderung des         den Planungen des Bundesministeriums            den Verwaltungskostentitel umschichten,
SGB II zum 01.01.2019. Derzeit gebe es          Menschen sein, die mehr als zwei Jahre          um die Arbeit vor Ort zu bewerkstelligen.
einen ersten Referentenentwurf des Bun-         arbeitslos sind. Nach den Vorstellungen         Dies könne sich durch diese neue Aufgabe
desministeriums für Arbeit und Soziales         des Bundesministeriums für Arbeit und           verschärfen, so dass man auch eine Auf-
(BMAS); dieser sei jedoch unter den Res-        Soziales sollen Lohnkostenzuschüsse für         stockung des Verwaltungskostentitels für
sorts noch nicht abgestimmt. Die Kom-           insgesamt 24 Monate gezahlt werden kön-         erforderlich halte.
munen spielten bei der Umsetzung der            nen; im ersten Jahr in Höhe von 75 % des        Schließlich drückten die Teilnehmer ihr
Planungen nach Einschätzung von Staats-         üblichen Arbeitsentgeltes und im zweiten        Bedauern darüber aus, dass das Thema
sekretärin Griese eine wichtige Rolle als       Jahr in Höhe von 50 %. Auch hier sei ein        des Passiv-Aktiv-Transfers in der Betrach-
Partner: Zum einen als möglicher Arbeitge-      begleitendes Coaching vorgesehen und            tung derzeit (noch) keine Rolle spiele. Die
ber und zum anderen auch in ihrer Rolle         zusätzlich eine Nachbeschäftigungspflicht       Einbeziehung dieser Überlegung sei aber
als Träger der Jobcenter. Letztere hätten       für den Arbeitgeber, um Mitnahmeeffekte         zur Finanzierung des Instrumentes nach
schließlich die Aufgabe, das Instrument         zu verhindern.                                  Einschätzung der Teilnehmer zwingend
durch eine bedarfsgerechte Beratung und         Das Konzept funktioniere – so die Ein-          erforderlich. Man wünsche sich inso-
Schaffung guter Netzwerke vor Ort zu eta-       schätzung der Staatssekretärin – nur mit        weit ein etwas mutigeres Vorgehen des
blieren.                                        diesen beiden Instrumenten, die aus ihrer       BMAS. Deutlich wurde zudem auch, dass
Zu den Einzelheiten des geplanten neuen         Sicht zwingend zusammengehören. Die             die Landräte die Staatssekretärin in der
§ 16 i SGB II erläuterte sie: Zielgruppe der    Planungen öffneten große und gute Mög-          Forderung, die vorgesehenen Zuschüsse
neuen Förderung sollen nach Einschätzung        lichkeiten für die Jobcenter, das Ministe-      am Tariflohn zu bemessen, unterstützen.
aller möglichst besonders arbeitsmarktfer-      rium habe aber auch die Sorge, dass es          Ansonsten wären die Möglichkeiten der
ne Personen sein. Einigkeit bestehe auch        überhaupt nicht möglich sei, die entspre-       Kommunen, als Arbeitgeber zu fungieren,
dahingehend, hier möglichst unbürokrati-        chenden Arbeitsplätze zu finden.                mit erheblichen Mehrausgaben verbun-
sche Voraussetzungen im Gesetz vorzuse-         Man habe sich entschlossen, für die             den. Dies würde eine deutliche Einschrän-
hen. So sehe der Vorschlag des Ministeri-       Umsetzung der neuen Instrumente im              kung der Kommunen bedeuten und gera-
ums derzeit einen Langzeitleistungsbezug        Bundeshaushalt insgesamt 4 Mrd. Euro für        de Kommunen im Stärkungspakt beson-
von sechs Jahren innerhalb der letzten          den Zeitraum bis zum Jahr 2022 vorzuse-         ders treffen.
sieben Jahre als Voraussetzung für eine         hen. Um den Jobcentern vor Ort die ein-         Als ein weiteres Anliegen formulierten die
mögliche Förderung vor. Hier bestehe aber       gangs erwähnten Handlungsspielräume zu          Teilnehmer gegenüber der Staatssekretärin
noch ein Dissens mit dem Kanzleramt: Die-       geben, sei eine Zweckbindung dieser Mit-        die Bitte, dafür Sorge zu tragen, dass Teil-
ses halte einen noch längeren Zeitraum          tel nach den derzeitigen Planungen nicht        nehmer aus dem Bundesprogramm Soziale
von acht Jahren Langzeitarbeitslosigkeit        beabsichtigt. Schließlich verwies sie darauf,   Teilhabe nun auch in die neuen Instru-
für die richtige Fördervoraussetzung.           dass die im Koalitionsvertrag erwähnte          mente überführt werden könnten. Man
Der noch nicht abgestimmte Referenten-          Ermöglichung des Passiv-Aktiv-Transfers         habe hier eine gute Arbeit begonnen, die
entwurf des Ministeriums sehe darüber           nicht im Rahmen des nun angedachten             nicht nach Ende des Programms aufhören
hinaus vor, dass die Zuschüsse, die im          Gesetzes geregelt werden könne. Dies            dürfe. Nach der bisherigen Einschätzung
ersten Jahr der Förderung 100 % betra-          müsse in einem anderen Gesetz erfolgen.         komme aber – auf Grundlage der derzeit
gen können, und ab dem dritten Jahr um          Das Ministerium befinde sich aber bereits       bekannten Fördervoraussetzungen – nur
jeweils 10 % abschmelzen, sich am regel-        in Gesprächen mit dem Bundesministerium         ein Bruchteil der Personen, die sich im Pro-
mäßig geltenden Arbeitsentgelt orientie-        der Finanzen zu einer konkreteren Umset-        gramm befinden, auch für das neue Rege-
ren. Dies wiederum sei auch ein Punkt,          zung.                                           linstrument des § 16 i SGB II in Betracht.
der im Verhältnis zum Kanzleramt kritisch       Der sich anschließende angeregte Aus-           Hier müsse der Gesetzgeber auf jeden Fall
sei. Dieses bestehe an einer Orientierung       tausch mit den Konferenzteilnehmern             nachbessern.
der Zuschüsse am Mindestlohn und klam-          zeigte, dass diese die Planungen des BMAS       Und schließlich sei wichtig zu wissen, wann
mere sich insofern an den Wortlaut des          aus der kommunalen Praxis grundsätzlich         genau man damit rechnen könne, welche
Koalitionsvertrags. Nach Einschätzung           begrüßten. So sei vor allem positiv zu wer-     Bedingungen das Gesetz nun letztlich tat-

                                                                                                                                       337
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
Aus dem Landkreistag                                                                                                    EILDIENST 7-8/2018

sächlich formuliere. Vor Ort seien erheb-
liche Planungen/Vorbereitungen erforder-          Teilhabechancengesetz: Aktueller Sachstand
lich, die erst dann Sinn machten, wenn            Das Bundeskabinett hat am 18.07.2018 einen Entwurf eines 10. SGB II - Änderungs-
auch klar sei, wie die Regelinstrumente           gesetzes beschlossen. Dieser enthält die mit der Parlamentarischen Staatssekretärin
nun tatsächlich aussehen sollen.                  diskutierten Ansätze. Die von Frau Griese vorgestellten Überlegungen des BMAS
Die Staatssekretärin erläuterte, dass auf         konnten jedoch nur in Teilen in den Regierungsentwurf einfließen. Insbesondere
jeden Fall ein Inkrafttreten zum 01.01.2019       im Hinblick auf die nachfolgenden Punkte ist dies aus Sicht der LKT-Geschäftsstelle
geplant sei – wie es nun im Einzelnen wei-        bedauerlich.
tergehe, könne sie schwer prognostizieren,        Die in der nun angedachten Regelung des § 16 i SGB II vorgesehenen Zuschüsse
da das von vielen Gegebenheiten abhänge.          sollen sich der Höhe nach am Mindestlohn orientieren. Das erschwert die Schaffung
Den Jobcentern würden aber in diesem Jahr         möglicher Arbeitsplätze auch im öffentlichen (kommunalen) Bereich. Zudem hat sich
bereits 350 Mio. Euro Mittel zur Verfügung        die Bunderegierung entschlossen, die Zielgruppe zu verändern und will die Möglich-
gestellt, damit die Planungen für die Instru-     keit der Bezuschussung auf Personen beschränken, die schon mehr als sieben Jahre
mente in Angriff genommen werden kön-             SGB II-Leistungen erhalten. Dies lässt noch mehr arbeitsmarktferne Menschen im
nen. Beispielsweise sei dieses Geld dafür da,     verfestigten SGB II-Leistungsbezug unberücksichtigt. Schließlich lässt der vorgelegte
um einen Pool an möglichen Teilnehmern zu         Regierungsentwurf das Thema das Passiv-Aktiv-Tauschs außen vor – vor allem mit
erstellen und Werbung für die Instrumente         Blick auf die Finanzierung der geplanten Instrumente ist dies nicht nachvollziehbar.
bei möglichen Arbeitgebern zu machen.             Es bleibt nun abzuwarten, welche Entwicklungen sich im parlamentarischen Verfah-
Hinsichtlich der Einbeziehung der Überle-         ren noch ergeben.
gungen zum Passiv-Aktiv-Transfers in die
Gesetzesänderung erläuterte sie, dass dies
im Rahmen des Zeitplans einfach nicht           seien die Kinder als schwächstes Glied in der   Abschließend erfolgte aus den Reihen der
möglich sei. Das BMAS stehe seit vielen         Kette besonders stark betroffen.                Konferenzteilnehmer noch der Hinweis,
Jahren in Verhandlungen mit dem Bun-            Die Staatssekretärin Griese erläuter-           dass die Entwicklung der Kosten der Unter-
desfinanzministerium zur Umsetzung des          te, dass das Thema aus Sicht der neuen          kunft den Kommunen schon lange Sorgen
Passiv-Aktiv-Transfers und habe mit die-        Bundesregierung und des BMAS ein sehr           bereite. Dabei habe sich inzwischen insbe-
sem noch keine Einigung erzielen können.        Wichtiges sei. Derzeit befänden sich sechs      sondere gezeigt, dass es immer schwieri-
Diesmal wolle man eine solche aber auf          Millionen Menschen im Leistungsbezug            ger werde, noch bezahlbaren Wohnraum
jeden Fall erzielen, leider nicht zeitgleich    der Grundsicherung für Arbeitsuchende,          für die SGB II-Empfänger zu finden. Hier
mit diesem Änderungsgesetz. Zudem gab           davon seien zwei Millionen Kinder und           sei auch die Bundesregierung gefragt und
Kerstin Griese zu erkennen, dass auch das       von den vier Millionen Verbleibenden            müsse entsprechende Mittel für den sozi-
Bundesministerium sich wünsche, dass die        seien 800.000 Menschen Aufstocker, oft-         alen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.
Personen, die derzeit am Programm Sozi-         mals Alleinerziehende. Da sei es an der         Dies würde sich dann im Ergebnis auch
ale Teilhabe teilnehmen, von den neuen          Zeit, auch mehr für diese Personengrup-         positiv auf die Entwicklung der Kosten
Instrumenten profitieren können. Sie            pe zu tun. Zwar werde sicherlich das von        der Unterkunft im SGB II auswirken. Ker-
werde sich im weiteren Verfahren auch           der neuen Bundesregierung auf den Weg           stin Griese bestätigte diese Einschätzung
dafür einsetzen.                                gebrachte Teilzeitbrückengesetz hier hel-       und gab zu erkennen, dass die Thematik
Neben der Diskussion rund um das geplan-        fen, das Ministerium sehe aber auch an          auch mit Blick auf den sozialen Frieden in
te Änderungsgesetz zum SGB II fokussierte       anderer Stelle noch Bedarf für ein Tätig-       der Gesellschaft aus ihrer Sicht eine beson-
sich das Gespräch mit den Konferenzteil-        werden. Ein großer Aufschlag sei für das        dere Rolle spiele. Insofern freue sie sich,
nehmern auch auf die Pläne der Bundes-          zweite Halbjahr 2018 geplant. Um die            dass der Koalitionsvertrag eine klare Aus-
regierung für Alleinerziehende im SGB II.       Chancen für Kinder zu verbessern, sei           sage dazu enthalte und der Bund sich im
Diese stellten in den Bedarfsgemeinschaften     zum Beispiel beabsichtigt, das Bildungs-        sozialen Wohnungsbau weiter engagieren
eine besonders große Gruppe dar; zudem          und Teilhabepaket zu entbürokratisieren.        werde.

Jedes Jahr gibt es bis zu 300.000 Pflegebedürftige mehr
   Ein weiterer Gesprächspartner der Landrätekonferenz war der stellvertretende
   Fraktionsvorsitzende der SPD Bundestagsfraktion, Prof. Dr. Karl Lauterbach.
   Der aus Leverkusen stammende Bundestagsabgeordnete hat sich bundesweit
   vor allem als Gesundheitspolitiker einen Namen gemacht und sich oftmals                                         Prof. Dr. Karl
   als scharfzüngiger Kritiker der Mängel im Gesundheitssystem profiliert. Lau-                                    Lauterbach MdB,
                                                                                                                   Stellvertretender
   terbach, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender neben den Politikbe-                                   Fraktionsvorsitzender
   reichen Gesundheit und Pflege auch für die Themen Wissenschaft und For-                                         der SPD-Bundestags-
   schung zuständig ist, betonte in seinem Einführungsstatement insbesondere                                       fraktion
   die Themen Hausärztemangel und Sicherung der Pflege.                                                            Quelle: Deutscher Bundestag

D   er stellvertretende Fraktionsvorsit-
    zende gab zunächst einen Überblick
über die Situation des medizinischen
                                                Nachwuchses. Von den Abgangsjahr-
                                                gängen der medizinischen Fakultäten
                                                entschieden sich nur maximal 10 Pro-
                                                                                                zent der Studierenden für eine Tätigkeit
                                                                                                im hausärztlichen Bereich. In den näch-
                                                                                                sten fünf bis acht Jahren schieden jedoch

338
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST 7-8/2018                                                                                            Aus dem Landkreistag

30 Prozent der derzeit praktizierenden          Jedes Jahr gebe es einen Zuwachs von          zwei Milliarden Euro zur Verfügung, die
Hausärzte aus dem aktiven Dienst aus.           200.000 bis 300.000 Pflegebedürftigen.        jeweils durch die Krankenkassen und den
Man brauche zudem nach aktuellen                Festzustellen sei, dass die Menschen, die     Gesundheitsfonds finanziert würden. Mit
Berechnungen 1,4 Hausärzte um einen             sich in Pflege befänden, in der Pflege auch   diesen Geldern sollten Umstrukturierungen
ausscheidenden Hausarzt zu ersetzen.            länger lebten, da die medinische Versor-      von Abteilungen, die keine Betten führen,
In NRW fehlten etwa 5.000 bis 10.000            gung und auch die Pflegequalität besser       in bettenführende Abteilungen ermög-
Hausärzte, die meisten davon in den             geworden seien. Dies habe zu einer Ver-       licht werden. Das Gesetz über Hilfen und
ländlichen Regionen.                            dreifachung der Verweildauer in stationä-     Schutzmaßnahmen bei psychischen Krank-
Lauterbach erläuterte mögliche Lösungs-         ren Pflegeeinrichtungen geführt. Die hohe     heiten (PsychKG) solle zukünftig aufgrund
ansätze: Die Öffnung von Krankenhäu-            Pflegebedürftigkeit dieser Personengruppe     wissenschaftlicher Leitlinien eine bessere
sern für die ambulante Versorgung sei nur       sei damit letztlich ein Ergebnis des medi-    Erstattung nicht nur der Pflegekosten son-
bedingt geeignet, um das Problem des            zinischen Erfolges, auf den man stolz sein    dern auch der ärztlichen Kosten ermögli-
Hausärztemangels zu mildern. Es gebe im         könne. So seien heutzutage 80 bis 90 Pro-     chen. Die 500 Spezialkliniken unter den
gesamten ambulanten Bereich 60 Mal so           zent der Herzinfarkte und Schlaganfälle zu    2.000 Krankenhäusern würden so künftig
viele Arzt-Patienten-Kontakte in den Pra-       verhindern. Bei den Krebserkrankungen         bessergestellt.
xen wie in den Kliniken. Wollte man die         könnten 40 Prozent aller Erkrankungen         An den Vortrag Lauterbachs schloss sich
Kontakte in den Krankenhäusern in den           bei optimaler Vorsorge vermieden werden.      eine lebhafte Aussprache an. Die Landräte
nächsten fünf bis zehn Jahren im Bereich        Bei den Demenzerkrankungen könnte man         vertieften hierbei besonders die Themen
der Ambulanz verdoppeln, könne man              jedoch trotz Nutzung aller medizinischen      der Bekämpfung des Ärztemangels und
damit lediglich ein Dreißigstel dessen          Möglichkeiten nur knapp zehn Prozent          der Zukunft der Pflege. So erkundigten
kompensieren, was aufgefangen werden            aller Erkrankungen verhindern. 80 Prozent     sich die Landräte unter anderem danach,
müsse. Mit der Öffnung der Kliniken für         aller Pflegefälle wiesen aber dieses Krank-   wie Lauterbach die Anzahl der Arztbesu-
die ambulante Versorgung sei das Problem        heitsbild auf, was die Herausforderungen      che und der Operationen bewerte und wie
also insgesamt nicht zu lösen.                  für die Pflege verdeutliche.                  Ärzte bei ihren medizinischen Leistungen
Ein Teil der Lösung des Problems sei aber       Der stellvertretende SPD-Fraktionsvor-        stärker durch Fachkräfte entlastet werden
darin zu sehen, so Lauterbach, aus Inter-       sitzende betonte, dass die Politik genau      könnten. Zudem fragten Sie nach der Rolle
nisten mit hausärztlicher Tätigkeit Allge-      wisse, wie groß die Herausforderungen         der Heimaufsicht im Kontext der öffent-
meinärzte zu machen, um das Angebot an          in der Pflege seien. In Deutschland werde     lichen Diskussion zur Pflegequalität in
Ärzten in diesem Bereich zu vergrößern.         es in den nächsten zehn Jahren jährlich       Deutschland.
Dies sei möglich für die Ärzte, die die haus-   200.000 bis 300.000 zusätzliche Pflegebe-     Lauterbach erläuterte, die Dauer der Arzt-
ärztliche Tätigkeit vor 2007 aufgenommen        dürftige geben. Für die Kreise sei langfri-   besuche in Deutschland sei verhältnismä-
hätten. Lauterbach betonte zudem, dass in       stig mit 50 bis 100 Prozent mehr Pflegebe-    ßig kurz. Er sei hingegen der Auffassung,
Deutschland insgesamt zu wenig Medizi-          dürftigen zu rechnen. Die Attraktivität der   dass es Ärzten möglich sein müsse, mehr
ner ausgebildet würden. Pro Jahr gebe es        Kreise, so Lauterbach, werde sich auch an     Zeit für die Patienten zur Verfügung
5.000 fertig ausgebildete Ärzte weniger,        dieser Frage entscheiden. Die Bewältigung     zu stellen. Durch eine Reduzierung der
als für die Aufrechterhaltung der aktu-         der Pflegeproblematik werde die erfolgrei-    Behandlungsdauer könne die Anzahl der
ellen Qualität der ärztlichen Versorgung        chen von den weniger erfolgreichen Krei-      notwendigen Arztstunden seiner Meinung
benötigt würden. So gebe es attraktive          sen unterscheiden. In dem Maße, in dem        nach nur unterproportional gesenkt wer-
medizinische Tätigkeiten für Ärzte, in die      es der Medizin gelinge, Krebs noch stärker    den. In den USA liege die durchschnittli-
diese beispielsweise von der freien Wirt-       zu bekämpfen, werde die Zahl der Pflege-      che Dauer eines Arztbesuchs bei 15 bis
schaft abgeworben würden. Einen weite-          bedürftigen zudem noch weiter ansteigen.      20 Minuten, in Deutschland hingegen
ren Ansatz sah Lauterbach darin, ärztliche      Diese positive Herausforderung stelle sich    bei nur 6 Minuten. In den USA würden
Tätigkeiten an spezialisierte Pflegekräfte      in dieser Form in keinem Land in Europa       zudem viele Leistungen und Vorarbeiten
und Praxismitarbeiter (MFA) zu delegie-         so wie in Deutschland. Und dies zeige sich    schon vor dem Arztbesuch erbracht, so
ren. Die MFAs müssten zukünftig in der          besonders in den ländlichen Regionen.         dass der behandelnde Arzt bereits einen
Lage sein, in enger Absprache mit den           Lauterbach befasste sich sodann mit der       fundierten Überblick über die medizinische
Praxen selbständig Hausbesuche durchzu-         Entwicklung der Fallpauschalen in den         Lage vor dem Kontakt mit dem Patienten
führen. Noch vor der Sommerpause wolle          Krankenhäusern. Die Fallpauschalen müs-       erlangen könne. Dies erleichtere den Ärz-
die Koalition hierzu ein Versorgungsgesetz      sten unter Berücksichtigung der Tarife        ten das Arbeiten. Die Informationen, die
vorlegen.                                       und ihrer Steigerungen angepasst wer-         behandelnde Ärzte über ihre Patienten
Lauterbach ging zudem auf weitere Berei-        den. Es gebe Krankenhäuser, die derzeit       hätten, seien zudem generell von recht
che ein, in denen es ebenfalls Versor-          so viele Pflegekräfte verloren hätten, dass   hoher Qualität. Wenn man deutlich weni-
gungsengpässe gebe. In einigen Facharzt-        der Betrag, der in der Fallpauschale für      ger Arztbesuche haben wolle, müsse man
bereichen, auch im Krankenhausbereich           die Pflege veranschlagt sei, in der Praxis    die Struktur des Gesundheitssystems in
(z. B. innerhalb der chirurgischen Fächer)      nicht erreicht werden könne. Lauterbach       Deutschland völlig verändern. Zwar werde
gebe es ebenfalls Versorgungsprobleme.          empfahl den nordrhein-westfälischen           sich das Gesundheitssystem grundsätzlich
Der geringere Teil der in Deutschland täti-     Landräten, sich ein eigenes Bild davon zu     in diese Richtung entwickeln müssen, dies
gen Chirurgen sei in Deutschland ausge-         machen, wie es um die Krankenhäuser vor       werde aber eine große Herausforderung
bildet worden. Dies führe unter anderem         Ort stehe. In allen bettenführenden Abtei-    darstellen.
zu Kommunikationsproblemen mit den zu           lungen gebe es Standards zur Personalmin-     Lauterbach vertrat die Ansicht, dass es in
behandelnden Patienten.                         derung.                                       deutschen Krankenhäusern zu viele Opera-
Einen weiteren Schwerpunkt legte der            Der Bundestagsabgeordnete kündigte            tionen gebe, die medizinisch nicht sinnvoll
SPD-Politiker in seinem Referat auf die         an, dass der Strukturfonds für Kranken-       seien. Die Politik habe daher angedacht, für
Pflegepolitik. Es gebe derzeit knapp drei       häuser in gleicher Höhe wie bislang fort-     eine Gruppe bestimmter Eingriffe, die stati-
Millionen Pflegebedürftige in Deutschland.      geführt werde. So stünden den Häusern         stisch gesehen mehr schadeten als nützten,

                                                                                                                                     339
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
Aus dem Landkreistag                                                                                                    EILDIENST 7-8/2018

ein obligatorisches Zweitmeinungsverfah-        weise er jedoch zurück. Auch müssten sich      gesamt gute Betreuung. In der öffentlichen
ren einführen. Dies sei aber nicht umge-        dies die Kreise nicht gefallen lassen. Die     Diskussion werde so mit überzogener Kritik
setzt worden, da die Selbstverwaltung dies      Heimaufsicht sei in aller Regel ihren Aufga-   ein System zerredet, das in dieser Qualität
derzeit nicht als Priorität ansehe.             ben gerecht geworden. Gleichwohl gebe es       erst einmal neu erfunden werden müsse.
In der Frage der Unterstützung von Ärzten       in der Pflege viel zu tun. Denn die Zahl der   Lauterbach wies allerdings auch darauf
durch Fachkräfte sprach sich der SPD-Poli-      Pflegebedürftigen steige, viele Arbeitskräf-   hin, dass er es als problematisch ansehe,
tiker dafür aus, die Bedeutung qualifizier-     te wollten keine Vollzeittätigkeit ausüben     dass ein Teil der Pflege durch börsennotier-
ter Fachkräfte zu stärken. In Amerika gebe      und der Fachkräftemangel sei offenkundig.      te ausländische Unternehmen beherrscht
es die Tätigkeit des „Nurse practitioner“.      Daher sei über Aufstiegsmöglichkeiten und      werde. Die Qualität in diesen Häusern sei
Dies seien Krankenpflegefachkräfte mit          eine bessere Bezahlung nachzudenken.           insgesamt niedriger und strahle negativ auf
besonderer, wissenschaftlich fundierter         Außerdem gebe es zu viel Bürokratie und        das Ansehen aller Einrichtungen aus.
Ausbildung, die sehr nah am Tätigkeitsbild      Pflegepläne, die keinen Sinn machten.          Der Leverkusener Bundestagsabgeordne-
des Hausarztes ausgebildet seien und die        Lauterbach warnte davor, dass es erheb-        te betonte, dass pflegerische Hilfskräfte
beispielsweise Blut abnehmen oder Antide-       liche finanzielle Folgen für die Kreishaus-    weiterhin gebraucht würden, damit die
pressiva verschreiben dürften. Dies könne       halte haben werde, wenn die Zahl der           Pflegekräfte sich den Patienten zuwen-
auch ein Weg für Deutschland sein.              Pflegebedürftigen wie erwartet steige. Der     den könnten. Dies müsse auch bei den
In der Diskussion über die Qualität der         Gesetzgeber müsse die Finanzierung der         Fachkraftquoten berücksichtigt werden.
Pflege in Deutschland ergriff Lauterbach        Kommunen also grundlegend verbessern,          Der Staat werde aber vor allem mehr
klar Position. Die öffentliche Debatte habe     da ansonsten insbesondere die Ruhrge-          Pflegekräfte ausbilden und die Bezahlung
ihn aufgrund ihrer Heftigkeit zum Ende des      bietskommunen finanziell völlig überfor-       der Altenpflege verbessern müssen. Eine
Bundestagswahlkampfs überrascht. Letzt-         dert würden. Lauterbach betonte, dass die      Krankenpflegerin erhalte in NRW derzeit
lich stecke hinter der öffentlichen Kritik am   Pflegequalität in den letzten Jahren seiner    beispielsweise etwa 850 Euro brutto mehr
Zustand der Pflege auch die Behauptung,         Beobachtung nach besser geworden sei.          als ein Altenpfleger. Da sei es verständlich,
die Heimaufsichtsbehörden hätten ihren          Es gebe eine geringere Anzahl medizinisch      dass viele Altenpfleger in die Krankenpfle-
Job nicht gemacht. Diese pauschale Kritik       vermeidbarer Komplikationen und eine ins-      ge wechseln wollten.

Gesundheitssystem braucht Struktur
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte die besondere Verbunden-
    heit zur kommunalen Familie und insbesondere zu seinem Heimatland Nord-
    rhein-Westfalen. Vor seiner Tätigkeit als Staatssekretär im Finanzministerium
    war er bereits zehn Jahre lang Stadtratsmitglied in Ahaus und sechs Jahre
    lang Kreistagsmitglied im Kreis Borken. Der weiterhin enge Austausch mit
                                                                                                                   Jens Spahn MdB,
    der Kommunalpolitik seiner Heimat habe so ein stabiles Fundament gefun-                                        Bundesminister für
    den. Diese besondere Verbundenheit eröffne Verständnis für die Tatsache,                                       Gesundheit
    dass in Berlin konzipierte Politik auch vor Ort umgesetzt werden müsse.                                        Quelle: Deutscher Bundestag

I m Fokus des Treffens zwischen Gesund-
  heitsminister Spahn und den Landräten
Nordrhein-Westfalens stand das Thema
                                                zu gestalten, Ausbildungsvergütungen zu
                                                gewähren und die Gewinnung von ausländi-
                                                schen Fachkräften zum Teil eines sinnvollen
                                                                                               sorgung der Bevölkerung, müsse hier ein
                                                                                               Schwerpunkt in den zukünftigen Effizienz-
                                                                                               überlegungen liegen.
Pflege- und Versorgungsstrukturen im            Maßnahmenpaketes zu machen.                    Bei den Überlegungen sei es aber wichtig,
Gesundheitssystem.                              Er wolle das deutliche Signal aussenden,       zu schnellen Ergebnissen zu kommen und
Dabei betonte der Minister, sein größtes Ziel   dass im Bereich Pflegekräfte nicht geklec-     sich nicht jahrelang in Arbeitsgruppen und
sei es, bei der Gestaltung des Pflegesystems    kert, sondern geklotzt werde, so der Mini-     Kommissionen zu verzetteln. Nichtsdesto-
das verlorene Vertrauen wiederzugewin-          ster, um auch die langfristige Attraktivität   trotz seien die Ergebnisse der in Gründung
nen und den Menschen wieder deutlich zu         der Berufsbilder dauerhaft in den Köpfen       befindlichen Bund-Länder-Arbeitsgruppe
machen, dass das Pflegesystem erfolgreich       zu verankern. Diese Botschaft richte sich      abzuwarten, um gemeinsam dieses Projekt
aufrechterhalten werden könne. Dies sei         ebenso auch an die Träger der Einrichtun-      der bereichsübergreifenden Reformen zum
jedoch nur der erste Schritt. Man müsse auch    gen.                                           Ziel zu bringen. Ansatzpunkte hierfür seien
insgesamt für den Pflegebereich mehr Per-       Neben dem Arbeitskräftemangel in der           die Verzahnung der ambulanten Versor-
sonal finden. Mehr Stellen bedeuteten nicht     Pflege thematisierte der Minister die Frage    gung mit den Krankenhäusern und das Ziel
automatisch auch mehr Mitarbeiter. Dabei        nach der flächendeckenden gesundheitli-        einer gemeinsamen Bedarfsplanung.
wies der Minister auf den dramatischen          chen Versorgung.                               Dies sei gerade vor dem Hintergrund
Fachkräftemangel im Pflegebereich hin:          Hierbei müsse man sich insbesondere die        bedeutend, dass die Krankenhäuser in vie-
Hiergegen sollen im Rahmen eines Sofort-        Krankenhausstruktur genau anschauen,           len ländlichen Regionen das Rückgrat der
programms 13.000 zusätzliche Pflegestellen      appellierte Spahn. Dort sei in den vergan-     medizinischen Versorgung darstellen. Des-
mehr geschaffen werden. Dabei sei es ins-       genen 15 Jahren zwar bereits viel passiert,    wegen seien diese Gebiete bei den Überle-
besondere erforderlich, die Ausbildungssi-      aber unter Berücksichtigung der Aufrecht-      gungen zur Aufrechterhaltung der Grund-
tuation zu verbessern, die Berufe attraktiver   erhaltung einer flächendeckenden Ver-          versorgung besonders in den Blick zu neh-

340
EILDIENST 7-8 /2018 - Aus dem Inhalt: NRW-Landrätekonferenz am 14./15. Juni 2018 in Berlin FSI-Vortragsveranstaltung zur ...
EILDIENST 7-8/2018                                                                                            Aus dem Landkreistag

men. Letztlich sei hierbei zu überlegen, ob   neues Kreiskrankenhaus zu bauen, lasse          Nach Jens Spahn müsse auch die Poli-
die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht      sich ein Zukunftsmodell ablesen.                tik müsse sorgfältig darauf achten, in
dazu gezwungen werden könnten, selbst         In der anschließenden Diskussion begrüß-        der derzeitigen Marktlage nicht zu star-
Einrichtungen in unterversorgten Berei-       ten die Landräte die Ankündigung, 13.000        re Vorgaben zu machen, damit auch die
chen betreiben zu müssen.                     neue Stellen im Bereich Pflege zu schaffen.     Pflege in den Krankenhäusern funktionie-
In Prüfung stehe aber die Krankenhaus-        Dies sei aber noch kein Garant dafür, dass      ren könne. Strikte Personaluntergrenzen,
landschaft insgesamt, selbst wenn dies        man tatsächlich auch geeignetes Personal        wie sie beispielsweise von den Gewerk-
mitunter vor Ort auch zu Unmut führen         finde. Zudem handele es sich bei der Alten-     schaften gefordert würden, bewirkten im
könne. Dies betreffe insbesondere die Dis-    pflege um einen „Knochenjob“, den man           Zweifel das Gegenteil. Denn die Aufsicht
kussionen um kommunale Krankenhäuser,         vielleicht auch nicht sein ganzes Berufsle-     könne nicht sinnvoll tätig werden, wenn
wovon allerdings aufgrund der besonde-        ben lang ausüben könne. Zugleich beton-         in bestimmten Landstrichen derzeit nicht
ren Struktur in Nordrhein-Westfalen nicht     ten die Landräte, die Berufe in der Alten-      genügend Fachkräfte auf dem Arbeits-
so viele bestünden. So sei zum Beispiel im    pflege böten auch gute Perspektiven der         markt seien. Dort müsse dann auch ver-
Münsterland – der Heimat des Ministers –,     beruflichen Weiterentwicklung. Es handele       stärkt der Einsatz von nicht examinierten
die Krankenhauslandschaft eher in kirchli-    sich zudem um Zukunftsberufe, in denen          Pflegekräften in Betracht gezogen werden.
cher Trägerschaft.                            man einen sicheren Arbeitsplatz finden          Dies sei im Hinblick darauf wichtig, dass
Ein effizientes Krankenhaussystem stehe       könne.                                          man nicht am Ende den Geschäftsführer
im Zentrum der Überlegungen. So müsse         Hierfür sei es erforderlich, dass auch am       eines Krankenhauses für Personalmangel
zwar flächendeckend der Grundbedarf           Image der Pflegeberufe gearbeitet und           in seiner Einrichtung in Haftung nehmen
sichergestellt werden, gleichwohl sei eine    hierzu auch öffentlich Unterstützung gelei-     könne. Denn dies führe letztlich dazu, dass
notwendige Spezialisierung in bestimmten      stet werde. So hätten einzelne Kreise eige-     er, um sich haftungsrechtlich freizuzeich-
Bereichen in bestimmten Krankenhäusern        ne Image-Kampagnen gestartet, um die            nen, ganze Abteilungen schließen müsse.
notwendig, um eine gute Versorgung der        Attraktivität des Pflegeberufes zu erhöhen.     So würde sich das Problem der Aufrechter-
Bevölkerung sicherzustellen. So ergebe es     Zudem kritisierten die Landräte, dass die       haltung der Grundversorgung der Bevölke-
mehr Sinn, in einem speziellen Akutfall       öffentliche Diskussion sich zu Unrecht auf      rung weiter verschärfen.
auch einmal zehn Kilometer weiterzufah-       die negativen Aspekte konzentriere. Viel-       Daher sei die Schwerpunksetzung auf
ren und dort eine Behandlung zu erhal-        mehr müsse es gelingen, die Zukunftsfä-         eine ambulante Versorgung ein nach-
ten, die von Spezialisten in genau diesem     higkeit des Systems insgesamt herauszu-         haltiges und kostenschonendes System;
Gebiet mit der notwendigen technischen        stellen. Hierfür seien Tarifbemühungen          so seien Kooperationen von Tagespflege
Ausstattung vorgenommen wird.                 genauso wichtig wie Änderungen in der           und betreutem Wohnen zukunftsfähi-
Dabei sei natürlich auch die Rolle der        Ausbildung und im Berufsbild.                   ge Modelle. Aber berücksichtigt werden
Maximalversorger, also der Unikliniken        Als problematisch stellte sich in der wei-      müssten natürlich auch die Interessen der
und Großkliniken hervorzuheben, die           teren Debatte auch die Frage heraus, wie        Träger der stationären Einrichtungen, die
naturgemäß nicht im ländlichen Raum ihre      Tarifsteigerungen zu refinanzieren seien.       höchste und folglich teure Anforderun-
Verortung haben, aber überregional eine       Nicht ausreichend refinanzierte Investitio-     gen an die Einrichtung einer solchen Sta-
herausragende Bedeutung einnehmen.            nen gingen notwendigerweise zu Lasten           tion zu bewahren hätten. Im Ergebnis sei
Am Ende müsse eine gute Versorgung            der Pflegeversicherten.                         es wichtig, dass man zu einer Bündelung
stehen und nicht nur der Standort. Hier-      Bundesminister Spahn bestätigte, dass ihm       der stationären wie ambulanten Angebote
bei müssten sich allerdings eher ländlich     selbstverständlich das Problem der Stellenbe-   komme.
geprägte Gebiete wenig Sorgen machen,         setzungen bewusst sei, dennoch müsse nun        Grundsätzlich sei für die nächsten Jahre
dass im Zuge der Strukturdebatte Nach-        angefangen werden. Für einen guten Start        auch an eine andere Form der Pflegever-
teile entstünden, denn eine Überversor-       seien die aktuellen Rekord-Ausbildungszah-      sicherung zu denken, denn die vorhande-
gung durch Krankenhäuser bestehe eher         len schließlich ein tolles Signal. So gebe es   ne Tarifstruktur lasse sich möglicherweise
in Ballungsgebieten. Dort machten einfach     auch schöne Beispiele dafür, wie Menschen       nicht mehr langfristig abbilden. Wer auch
zu viele Krankenhäuser das gleiche Ver-       nach einer ersten Berufsausbildung nun          immer die Kosten der Pflege trage, ein
sorgungsangebot auf zu engem Raum.            umgelernt und einen sicheren Arbeitsplatz       oder mehrere Kostenträger müssten diese
So könne man sich auch durchaus im            in der Pflege erhalten haben. Dies sei auch     am Ende bezahlen. Dieses Bewusstsein
Bereich interkommunaler Zusammenar-           ein gutes Indiz für ein Berufsbild im Wandel.   müsse bei allen Beteiligten vorhanden sein.
beit neu zusammenfinden. Am Beispiel des      Man müsse es schaffen, dass man auch im         Letztlich sei es aber bei der Reform der
Schwarzwald-Baar-Klinikums, wo sechs          Bekanntenkreis positiv darüber spreche und      Pflegestrukturen notwendig, ein langfri-
Krankenhäuser geschlossen worden seien,       die Wichtigkeit der Gesundheitsversorgung       stiges, nachhaltig funktionierendes System
um für 250 Millionen Euro ein vollständig     durch die Pflege herausstelle.                  zu schaffen.

                                                                                                                                    341
Aus dem Landkreistag                                                                                                EILDIENST 7-8/2018

Migrationsgeschehen derzeit auf relativ
niedrigem Niveau
    Staatssekretär Günter Krings ging in seinem einleitenden Statement ganz
    überwiegend auf die Themen Migration und Rückführung abgelehnter Asyl-                                      Prof. Dr. Günter
    bewerber ein. Für den Bereich der Rückführung betonte er, dass es einige                                    Krings,
    Erfolge bei der Durchsetzung von Rückführungen gegeben habe, aber nach                                      Parlamentarischer
                                                                                                                Staatssekretär beim
    wie vor eine umfassende Lösung ausstehe. Auch die Möglichkeit sogenann-                                     Bundesminister des
    ter Ankerzentren bezog der Parlamentarische Staatssekretär in seine Überle-                                 Innern, für Bau und
    gungen ein, betonte aber, dass dies nicht die alleinige Lösung sein müsse. Die                              Heimat
    Vorstellung sei insoweit, insbesondere bestehende Zentren für eine zentrale                                 Quelle: Deutscher Bundestag

    Erfassung und Registrierung auszubauen, aus verfassungsrechtlichen Grün-
    den sollte dies jedoch, so Staatssekretär Krings, in Landesträgerschaft erfol-
    gen. Dabei betonte Krings, dass auch in solchen Zentren eine humanitäre
    Betreuung grundsätzlich geboten sei, z.B. auch eine Beschulung von schul-
    pflichtigen Kindern.

I m Hinblick auf die aktuelle Diskussion
  über mögliche Zurückweisungen an der
Grenze führte Krings aus, dass dafür rund
                                               Schließlich ging Krings darauf ein, dass
                                               das gemeinsame europäische Asylsystem
                                               im Moment in der Verhandlung sei. Hier
                                                                                            Herkunftsländern, insgesamt sei die Lage
                                                                                            aber nach wie vor schwierig, insbesondere
                                                                                            bei Staaten aus Subsahara-Afrika.
20.000 Fälle im Jahr in Betracht kommen        sehe er durchaus die Möglichkeit eines       Hierauf antwortete der Parlamentarische
könnten. Nach seiner Auffassung greife         Verhandlungserfolgs. Letztlich müsse aber    Staatssekretär, dass versucht werde, in
das Dublin-Verfahren nicht bei Zurück-         die nähere Zukunft zeigen, wie sich ein      Verhandlungen mit den entsprechenden
weisung unmittelbar an der deutschen           gemeinsames europäisches Asylsystem          Herkunftsländern die Situation zu verbes-
Grenze, sondern erst, wenn die betreffen-      entwickele.                                  sern. Auch überlege man in einigen Fällen,
den Personen das deutsche Hoheitsgebiet        Abschließend erwähnte er noch einige         bei fehlender Kooperation die Erteilung
betreten hätten, müsse entsprechend den        Punkte zur allgemeinen Sicherheitspoli-      von Einreisevisa für Staatsangehörige der
Dublin-Regelungen verfahren werden. In         tik, insbesondere die sogenannte Saar-       entsprechenden Länder, insbesondere
diesem Zusammenhang wies er ebenfalls          brücker Agenda – Digitalisierung der         auch für Mitglieder der jeweiligen Ober-
darauf hin, dass das Dublin-Verfahren der-     Polizeistruktur –, das Programm 2020 bei     schichten, einzuschränken. Insgesamt sei
zeit nur sehr eingeschränkt funktioniere.      den Polizeibehörden und die Fragestel-       dies aber ein sehr schwieriges Feld, weil
Von rund 64.000 Dublin-Fällen im Jahr          lung zu möglichen intelligenten Video-       einige Staaten schlicht und ergreifend bei
würden nur rund zehn Prozent tatsächlich       überwachungen. Letzteres beträfe ins-        der Rücknahme von eigenen Staatsange-
in die entsprechenden EU-Mitgliedsstaaten      besondere die Möglichkeit zur automa-        hörigen wenig Kooperationsbereitschaft
überstellt.                                    tisierten Gesichtserkennung im öffentli-     zeigten.
Insgesamt betonte Krings, dass sich das        chen Raum.                                   Des Weiteren schlugen einige Landräte
Migrationsgeschehen derzeit auf relativ        In der nachfolgenden Diskussion kritisier-   vor, dass man Druck auf nicht kooperie-
niedrigem Niveau verstetigt habe, so habe      ten einige Landräte, dass das Bundesamt      rende Herkunftsstaaten dadurch entwic-
es bis Juni 2018 rund 70.000 neue Fälle        für Migration und Flüchtlinge (BAMF)         keln könne, dass es zum Beispiel Sank-
von Asylbewerbern in Deutschland gege-         in der Vergangenheit nicht immer sehr        tionen bei der Entwicklungshilfe gebe.
ben. Das Problem der Rückführungen sei         kooperativ im Umgang mit den Auslän-         Dies sei jedoch, so Krings, differenziert zu
aber nach wie vor in Teilen offen. Es gebe     derbehörden der Kommunen und insbe-          betrachten, weil gerade gute Projekte, die
in Deutschland derzeit rund 230.000 aus-       sondere der Kreise gewesen sei. Selbst bei   die Bleibeperspektive in den entsprechen-
reisepflichtige Ausländer, darunter fielen     recht großen Einrichtungen sei das BAMF      den Herkunftsländern erhöhen würden,
auch die sogenannten Geduldeten, die           häufig nicht bereit gewesen, unmittelbar     geschützt werden müssten.
zwar eine ausländerrechtliche Duldung          vor Ort eigene Außenstellen zur Durch-       Abschließend wurde die Frage gestellt,
besäßen, jedoch grundsätzlich ausreise-        führung der Asylverfahren einzurichten.      ob es nicht auch die Möglichkeit geben
pflichtig seien.                               Außerdem wiesen die Landräte darauf          könnte, abgelehnte Asylbewerber außer-
Das Thema des Familiennachzugs sei der-        hin, dass gerade bei dem sogenannten         halb des eigenen Staatsgebiets unterzu-
zeit in der zweiten und dritten Lesung im      Dublin-Fällen oft die Sechs-Monats-Frist     bringen. Hier gebe erste Vorstellungen
Bundestag. Ziel sei die bekannte Lösung,       überschritten werde, so dass eine Über-      insbesondere in Dänemark. Auf den Vor-
rund 1.000 Familienzuzüge im Monat zu          stellung in einen anderen EU-Mitglieds-      schlag antwortete der Parlamentarische
subsidiär Schutzberechtigten in Deutsch-       staat nicht mehr in Betracht komme.          Staatssekretär, dass eine solche Diskussi-
land zuzulassen. Dies sei im internationa-     Darüber hinaus wurde aus den Reihen          on über die Überführung in die Drittstaa-
len Vergleich eine relativ seltene Regelung.   der Landräte nochmals darauf hinge-          ten sicherlich problematisch sei, ande-
Die Entscheidung über die entsprechenden       wiesen, dass der Umgang mit fehlenden        rerseits jedoch rein rechtlich betrachtet
Familiennachzüge treffe das Bundesver-         Reisedokumenten sehr problematisch sei.      eine Rückführung in Drittländer durchaus
waltungsamt.                                   Zwar gebe es Verbesserungen bei einigen      denkbar wäre.

342
Sie können auch lesen