Ein einfacher Weg zur systematischen Bestimmung der Ausschreibungsmengen im EEG - EEX

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Ein einfacher Weg zur systematischen Bestimmung der Ausschreibungsmengen im EEG - EEX
ENERGIEMARKT – ERNEUERBARE ENERGIEN

Ein einfacher Weg zur systematischen Bestimmung
der Ausschreibungsmengen im EEG
Peter Reitz und Robert Gersdorf

In Deutschland gibt es Streit über die zukünftige Entwicklung des Stromverbrauchs und damit auch über die Ausbau-
mengen für erneuerbare Energien, die notwendig sind, um das gesetzte Ziel eines 65 %-Erneuerbaren-Anteils in 2030 zu
erreichen. Doch der Streit muss nicht sein. Statt unsichere Prognosen über die Situation im Jahr 2030 anzustellen, wird in
diesem Artikel ein Mechanismus – eine Formel – vorgeschlagen, mit dem sich die Ausschreibungsmengen kontinuierlich
an die Realität anpassen. So lassen sich die tatsächliche Entwicklung des Stromverbrauchs, aber auch der Erneuerbaren-
Zubau ohne Förderung berücksichtigen und die gesetzten Ziele sicher erreichen.

Im Dezember 2020 haben Bundestag und             verbrauch in Deutschland von 65 % zu errei-    1.924 Stunden (252.000 GWh / 131 GW =
Bundesrat die jüngste Novelle des Erneuer-       chen [1]. In 2020 betrug der Bruttostrom-      1.924 h). Unterstellt man einmal vereinfacht
bare-Energien-Gesetzes (EEG) beschlossen.        verbrauch in Deutschland 545 TWh und der       und konservativ einen konstanten durch-
Eine der wesentlichen Neuerungen ist die         Anteil der erneuerbaren Energien lag bei       schnittlichen Wirkungsgrad aller erneuerba-
Festschreibung der jährlichen Fördermen-         46,2 %, d.h. sie stellten eine Strommenge      rer Anlagen in der Größenordnung wie 2020,
gen bis zum Jahr 2030, um den Akteuren im        von 252 TWh bereit [2].                        so würde für die Produktion von 354 TWh im
Energiemarkt Planungssicherheit zu geben                                                        Jahr 2030 eine Kapazität von 184 GW benö-
und das vorgegebene Ziel von (derzeit) 65 %      Nehmen wir für einen Moment an, dass sich      tigt (354.000 GWh / 1.924 h = 184 GW).
Anteil der erneuerbaren Energien am Strom-       der Stromverbrauch über die nächsten zehn
verbrauch im Jahr 2030 zu erreichen. Dem         Jahre nicht verändert und auch im Jahr 2030    Ausgehend von der bereits vorhandenen
Beschluss ging eine teils hitzig geführte        bei 545 TWh liegt. Um auf einen Anteil von     Kapazität von 131 GW wird in diesem Sze-
Debatte voraus.                                  65 % zu kommen, müssten im Jahr 2030 die       nario also ein Netto-Zubau von 53 GW über
                                                 erneuerbaren Energien also 354 TWh Strom       die nächsten zehn Jahre notwendig sein.
Hauptstreitpunkt war die Festlegung der          erzeugen (65 % von 545 TWh).                   Sinnvollerweise verteilt man diesen Zubau
Ausschreibungsmengen für die nächsten                                                           gleichmäßig über den zur Verfügung stehen-
zehn Jahre und dabei insbesondere die            Die Ausschreibungsmengen werden in Ka-         den Zeitraum. Um das gesetzte Ziel zu er-
zugrundeliegende Annahme über den im             pazität (installierter Leistung), also in GW   reichen, würde also die jährliche Ausschrei-
Jahr 2030 zu erwartenden Stromverbrauch.         festgelegt. Es bedarf aber noch einer „Über-   bungsmenge für die nächsten zehn Jahre bei
Während das Bundeswirtschaftsministerium         setzung“ des Ziels von 354 TWh erneuer-        5,3 GW pro Jahr liegen (Tab. 1).
in seiner Gesetzesvorlage von einem Strom-       barer Strommengen in die dafür notwendige
verbrauch in Deutschland von 580 TWh im          erneuerbare Erzeugungskapazität. Im Jahr       Die Ausgangslage
Jahr 2030 ausging, lagen die meisten Exper-      2020 betrug die Kapazität der erneuerbaren
tenschätzungen höher; einige Prognosen           Energien in Deutschland 131 GW [3]. Aus        In den letzten zehn Jahren gab es beim
enthielten sogar Szenarien mit Annahmen          der verfügbaren Kapazität und den produ-       Strombrauch in Deutschland sowohl Phasen
in der Größenordnung von 750 TWh für             zierten Strommengen lässt sich ein durch-      mit leicht sinkendem als auch Phasen mit
2030. Wegen der erheblichen Meinungsun-          schnittlicher Wirkungsgrad in Form von         gleichbleibendem sowie leicht steigendem
terschiede selbst innerhalb der Regierungs-      Volllaststunden errechnen. 2020 betrugen       Verbrauch. Insgesamt war der Gesamtstrom-
koalition und der gleichzeitig stattfindenden    die durchschnittlichen Volllaststunden des     verbrauch in Deutschland in der vergange-
Debatte über eine Erhöhung der europä-           gesamten erneuerbaren Erzeugungsparks          nen Dekade relativ konstant (Abb. 1). Hier
ischen Klimaziele für 2030 wurde eine
Entscheidung über die Anpassung der Aus-          Tab. 1: EE-Ausbaumengen bei konstantem Stromverbrauch
schreibungsmengen auf 2021 vertagt.
                                                                                         Strommengen in TWh        Installierte Leistung in GW
Das Verfahren                                     Stromverbrauch 2020                           545 TWh
                                                  Wachstumsrate gegenüber Vorjahr                 0%
Würde man den Stromverbrauch von 2030             Erneuerbare Energien in 2020              252 TWh (46,2 %)                131 GW
heute sicher kennen, ist es relativ einfach,      Stromverbrauch 2030
                                                                                                545 TWh
die auszuschreibenden Mengen für die              (Annahme 0 % Wachstum p.a.)
nächsten zehn Jahre festzulegen. Maßgebend        Erneuerbare Energien in 2030           354 TWh (Zielwert 65 %)            184 GW
hierfür ist das festgelegte Ziel, einen Anteil    Erforderlicher EE-Zubau                                                   53 GW
der erneuerbaren Energien am Bruttostrom-         Jährlicher EE-Zubau 2021-2030                                             5,3 GW

   60                                                                                 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 6
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ENERGIEMARKT – ERNEUERBARE ENERGIEN

                                                                                                                Grundlage für die aktuelle Prognose der Bun-
                                                                                                                desregierung ist das 2019 beschlossene Klima-
                                                                                                                schutzprogramm 2030 (KSP). Demnach geht
                                                                                                                die Bundesregierung von einem im Wesent-
                                                                                                                lichen konstant bleibenden Bruttostromver-
                                                                                                                brauch innerhalb dieser Dekade und einem
                                                                                                                Wert von 580 TWh im Jahr 2030 aus [5].

                                                                                                                Einen moderaten Anstieg der Stromnachfrage
                                                                                                                bis 2030 auf 643 TWh prognostizieren Ago-
                                                                                                                ra Energiewende und die Stiftung Klimaneu-
                                                                                                                tralität; insbesondere getrieben durch den
                                                                                                                konstant steigenden Einsatz strombasierter
                                                                                                                Anwendungen im Mobilitäts- und Wärmebe-
                                                                                                                reich sowie bei der Elektrolyse zum Markt-
Abb. 1 Bruttostromverbrauch in Deutschland 2010-2020 (in TWh)                                                   hochlauf von grünem Wasserstoff [6].
						                                                    Quelle: eigene Darstellung basierend auf BDEW

                                                                                                                Einen deutlichen Anstieg der Stromnachfrage
wirkten verschiedene Kräfte in entgegenge-                waren die wesentlichen Einflussfaktoren               prognostizieren hingegen BEE [7], dena [8]
setzte Richtungen. Auf der einen Seite stieg              Wirtschaftswachstum und Energieeffizienz.             und EWI [9]. Sie gehen von einem Verbrauchs-
der Stromverbrauch mit wachsender Wirt-                   Zukünftig werden die verstärkte Nutzung               anstieg bis auf ein Niveau von rund 750 TWh
schaftsleistung an. Steigende Industriepro-               von Strom im Wärmemarkt über Wärme-                   aus. Die deutliche Differenz gegenüber der
duktion oder auch eine Zunahme bei Dienst-                pumpen und im Sektor Mobilität durch die              Prognose der Bundesregierung, aber auch
leistungen führten direkt zu einer Erhöhung               Zunahme von batteriebetriebenen Elektro-              Agora und der Stiftung Klimaneutralität,
der Stromnachfrage. Dem steht eine zuneh-                 fahrzeugen hinzukommen. Darüber hinaus                liegt in weitaus höheren Erwartungen für
mende Energieeffizienz gegenüber. Ein neuer               gibt es Annahmen, dass die langfristigen              den Stromverbrauch vor allem durch sog.
Kühlschrank oder eine neue Waschmaschine                  Klimaschutzziele für 2050 ein rasches                 Power-to-X Anwendungen (insb. Wasserstoff,
verbrauchen heute wesentlich weniger Ener-                Einleiten einer Dekarbonisierung im In-               aber auch Power-to-Liquid für synthetische
gie als noch vor zehn Jahren. Gleiches gilt für           dustriesektor erfordert [4]. Damit geht die           Kraftstoffe) im Rahmen der Sektorenkopp-
die Energieeffizienz von Industrieprozessen,              Erwartung einher, dass Industrieprozesse              lung begründet.
die auch auf Grund der hohen Energiekosten                vor allem durch den stärkeren Einsatz er-
in den letzten Jahren zugenommen hat und                  neuerbaren Stroms – entweder direkt oder              Diese exemplarisch ausgewählten Szenarien
verbrauchssenkend wirkt.                                  indirekt über die Herstellung grünen Was-             führen zu sehr unterschiedlichen Zubau- und
                                                          serstoffs – dekarbonisiert werden können.             damit Ausschreibungsmengen. Die Bundesre-
Die Szenarien                                             Je nachdem, welche Annahmen man für je-               gierung unterstellt für ihr Szenario eine ins-
                                                          den dieser einzelnen Faktoren trifft, kommt           tallierte Erneuerbaren-Kapazität von 205 GW,
Wie oben beschrieben wird die Entwick-                    man zu sehr unterschiedlichen Szenarien               um die für einen 65 %-Anteil notwendigen
lung des Stromverbrauchs von verschie-                    für den Bruttostromverbrauch im Jahre                 377 TWh Strom zu erzeugen. Ausgehend von
denen Einflussfaktoren bestimmt. Bisher                   2030 (Abb. 2).                                        der heutigen Kapazität von 131 GW ergibt
                                                                                                                sich ein (Netto-)Mehrbedarf von 74 GW und
                                                                                                                somit eine jährliche Ausschreibungsmenge
                                                                                                                von 7,4 GW [10]. Der BEE dagegen geht in
                                                                                                                seinem Szenario davon aus, das für einen
                                                                                                                65 %-Erneuerbaren-Anteil eine Erneuerba-
                                                                                                                ren-Strommenge von 481 TWh im Jahr 2030
                                                                                                                nötig sein wird, wozu bei gegebenem Wir-
                                                                                                                kungsgrad eine installierte Erneuerbaren-
                                                                                                                Kapazität von 250 GW nötig wäre. Das führt
                                                                                                                zu einem (Netto-)Mehrbedarf von 119 GW
                                                                                                                und somit einer jährlichen Ausschreibungs-
                                                                                                                menge von 11,9 GW.

                                                                                                                Der Ansatz
Abb. 2   Ausgewählte Prognosen für den Bruttostromverbrauch in 2030 (in TWh)                                    „Prognosen sind schwierig, insbesondere
                 Quelle: eigene Darstellung basierend auf Bundesregierung, Agora Energiewende, BEE, dena, EWI
                                                                                                                wenn sie die Zukunft betreffen“ sagte schon

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 6                                                                                               61
Ein einfacher Weg zur systematischen Bestimmung der Ausschreibungsmengen im EEG - EEX
ENERGIEMARKT – ERNEUERBARE ENERGIEN

Mark Twain. Über die Frage, welches der            Einen vergleichbaren Ansatz hat man auch        der nun vorliegenden Verbrauchsprognose
oben beschriebenen (oder eines der vie-            bei der Festlegung der EEG-Umlage gewählt.      zunächst die Lücke zwischen dem erreich-
len anderen möglichen) Szenarien eintritt,         Dort wurde bei der Einführung der Umlage        ten Erneuerbaren-Anteil in 2021 bis zur
lässt sich trefflich streiten. Dieser Streit ist   auch nicht versucht, deren Höhe für meh-        Erreichung des 65 %-Ziels und verteilt die
aber unnötig! Die Realität zeigt uns, dass es      rere Jahre im Voraus zu prognostizieren.        Ausschreibungsmenge auf die verbleibende
keine signifikanten Sprünge der Verände-           Stattdessen passen die Übertragungsnetz-        Restlaufzeit von nun noch neun Jahren.
rungen im Stromverbrauch von einem Jahr            betreiber die Umlage jährlich nach einem
zum nächsten gibt. Selbst Ausnahmesitua-           festgelegten Mechanismus an die eingetre-       Verändert sich der Verbrauch von 2020 auf
tionen wie während der Covid-19-Pandemie           tene Realität an [12].                          2021 nicht und gibt es auch keinen substan-
mit temporären gesellschaftlichen und wirt-                                                        ziellen Zubau außerhalb der EEG-Förderung,
schaftlichen Einschränkungen führen im             Die Lösung                                      so ändert sich auch die auszuschreibende
Vergleich zur langfristigen Perspektive nur                                                        Menge nicht und es werden für 2022 wieder
zu vergleichsweise geringen Verbrauchs-            Wendet man den beschriebenen Ansatz             5,3 GW ausgeschrieben.
rückgängen.                                        auf die Ausschreibungsmengen der Jahre
                                                   2021 bis 2030 an, ergibt sich folgendes Vor-    Unterstellt man nun beispielsweise das
Der Verbrauch des vergangenen Jahres               gehen: Startpunkt ist der Stromverbrauch        Szenario des BEE mit einem Verbrauch
inklusive der Veränderung dieses Ver-              im Jahre 2020 von 545 TWh sowie die             für 2030 von 740 TWh, müsste der Strom-
brauchs zu dem im Vorjahr ist also ein             Wachstumsrate dieses Stromverbrauchs.           verbrauch ausgehend vom Niveau 2020
guter Schätzwert für den Verbrauch des             Legt man für die Entwicklung des Strom-         jährlich durchschnittlich um 3,1% wachsen
aktuellen Jahres. Das Jahr 2020 nimmt auf-         verbrauchs z.B. die Veränderung über die        [(740 TWh/545 TWh) hoch 1/10 – 1 =
grund der Corona-Pandemie sicherlich eine          letzten drei Jahre zugrunde, ergibt sich eine   0,0310 * 100 = 3,1 %]. Stellt man dann am
gewisse Sonderstellung ein. Die teilweisen         negative Wachstumsrate von -2,6 %. Diese        Ende des Jahres 2021 fest, dass der Strom-
Einschränkungen des gesellschaftlichen             liefert den Schätzwert für den Verbrauch        verbrauch in diesem Jahr tatsächlich um
Lebens und damit auch in Teilen der Wirt-          von 2021 bis 2030. Bei einem Zielwert für       3,1% gegenüber dem Vorjahr 2020 gestie-
schaft („Shutdown“) haben zeitweise – z.B.         den Anteil erneuerbarer Energien von 65 %       gen ist und der Anteil der erneuerbaren
im März und April 2020 – zu einem Rück-            ergibt sich für das Jahr 2021 entsprechend      Energien z.B. bei 47 % liegt, so wird die
gang der Stromnachfrage um mehr als 10 %           dem anfangs hergeleiteten Verfahren eine        Ausschreibungsmenge für 2022 nach dem
gegenüber dem Vorjahr geführt. In Summe            Ausschreibungsmenge von 1 GW. Verzich-          gleichen Verfahren ermittelt.
fiel der Stromverbrauch 2020 in etwa 4 %           tet man auf die Anwendung eines negativen
geringer aus als in 2019 [11].                     Wachstums und ersetzt diesen Wert durch         Der Gesamtstromverbrauch im Jahr 2030
                                                   ein Null-Wachstum ergibt sich wie oben          liegt bei einem fortgesetzten Wachstum von
Um den längerfristigen „Trend“ zu berück-          eine Ausschreibungsmenge von 5,3 GW.            3,1 % bei 740 TWh. Die im Jahr 2030 zu pro-
sichtigen und temporäre Ausnahmesituati-                                                           duzierende Menge erneuerbaren Stroms be-
onen zu nivellieren, könnte man statt der          Ende 2021 kennt man den tatsächlich ein-        trägt dann 65 % von 740 TWh, also 481 TWh.
gleichen Wachstumsrate wie im Vorjahr              getretenen Stromverbrauch dieses Jahres,        Ausgehend von im Jahr 2021 produzierten
auch die durchschnittliche Änderungs-              seine Veränderung zum Vorjahr sowie den         256 TWh (47 % von 562 TWh), ergibt sich
rate über einen längeren Zeitraum, z.B. der        tatsächlich vorhandenen Anteil der erneuer-     eine zu schließende Lücke von 225 TWh (481
letzten drei Jahre, heranziehen. Zusätzlich        baren Energien. Die tatsächlich realisierte     TWh – 256 TWh). Bei gegebenem konstan-
kann in Erwägung gezogen werden, im                Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien        tem Wirkungsgrad von 1.924 Volllaststun-
Falle eines negativen Wachstums dieses             enthält dabei nicht nur Strommengen             den entspricht das einer fehlenden Kapazität
nicht zu berücksichtigen und stattdessen           aus geförderten Anlagen, sondern zuneh-         von rund 117 GW. Diese wird nun auf die
ein Null-Wachstum anzunehmen, um ein               mend auch aus neu errichteten, förder-          verbleibende Restlaufzeit von 9 Jahren ver-
Mindestmaß an konstantem Erneuerbaren-             freien Anlagen. Diese Entwicklung ist vor       teilt. Somit ergibt sich für das Jahr 2022 eine
Ausbau zu gewährleisten und die Projekt-           allem bei bereits bzw. zunehmend wettbe-        Ausschreibungsmenge von 13 GW (Tab. 2).
pipelines nicht abreißen zu lassen.                werbsfähigen Technologien wie PV-Frei-
                                                   fläche und Wind-auf-See (vgl. Null-Cent-        Dieser Ansatz zur Bestimmung der jährli-
Die Unterschiedlichkeit der Szenarien ergibt       Gebote) und großen Wind-an-Land-Pro-            chen Ausschreibungsmengen, der die sich
sich durch die Annahmen über den Trend             jekten zu erwarten [13]. In der Folge redu-     ändernden Rahmenbedingungen berück-
eines sehr langen Zeitraums von zehn Jahren.       zieren sich die notwendigen Ausschrei-          sichtigt und gleichzeitig die Zielerreichung
Statt zehn Jahre im Voraus sehr unsichere          bungsmengen im Rahmen des EEG, um die           sicherstellt, lässt sich als mathematische
Trends wie die Geschwindigkeit der Zunahme         „Lücke“ zur Erreichung des Erneuerbaren-        Formel darstellen.
von Elektrofahrzeugen zu prognostizieren,          Anteils von 65 % zu schließen.
könnte man das Wissen über die eingetrete-                                                         Wenn t das aktuelle Jahr, t+1 das nächste Jahr
ne Realität nutzen und die Ausschreibungs-         Um die Ausschreibungsmenge für 2022             und tz das Zieljahr (z.B. 2030) bedeuten, dann
menge jährlich nach einer vorher festgelegten      zu bestimmen, geht man genauso vor, wie         lässt sich der beschriebene Ansatz wie folgt
Formel bestimmen bzw. adjustieren.                 oben beschrieben: Man ermittelt auf Basis       als Formel herleiten:

   62                                                                                    ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 6
Ein einfacher Weg zur systematischen Bestimmung der Ausschreibungsmengen im EEG - EEX
ENERGIEMARKT – ERNEUERBARE ENERGIEN

                                                                                                      schreibungsmenge ergeben können, ließen
                                                                                                      sich dagegen auf andere, zeitlich flexibel
                                                                                                      handhabbare Technologien verteilen, etwa
                                                                                                      Solarenergie.

                                                                                                      Auch muss das in der Realität auftretende
                                                                                                      Szenario von nicht ausreichenden Geboten
                                                                                                      bei einzelnen technologiespezifischen Aus-
                                                                                                      schreibungen abgedeckt werden. Dies kann
                                                                                                      z.B. dadurch geschehen, indem alle unter-
Setzt man nun die Werte aus Tab. 2 in die           In der Realität wird nicht eine Gesamt-           jährig nicht vergebenen Ausschreibungs-
Formel ein, ergibt sich für die für 2022 zu         menge erneuerbarer Energien ausgeschrie-          mengen am Jahresende in einer techno-
ermittelnde Ausschreibungsmenge folgende            ben, sondern es gibt verschiedene technolo-       logieoffenen Ausschreibung noch einmal
Berechnung:                                         giespezifische Ausschreibungen für Photo-         ausgeschrieben werden.
                                                    voltaik, Wind an Land, Wind auf See und Bio-
                                                    gas. Zur besseren Planungssicherheit aller        Das Ergebnis
                                                    Beteiligten könnte man z. B. festlegen, die
                                                    Ausschreibungsmengen für gewisse Techno-          Je nach der tatsächlichen Entwicklung des
                                                    logien mit langen Projektvorlaufzeiten und        Bruttostromverbrauchs über die einzelnen
                                                    hohen Investitionsvolumen, etwa Offshore-         Jahre bis 2030 und je nach Zubau von weite-
Für die Jahre 2023, 2024 bis 2030 wird              Windenergie, fix festzulegen. Differenzen,        ren Kapazitäten von erneuerbaren Energien
analog verfahren.                                   die sich aus einer verändernden Gesamtaus-        außerhalb der Förderausschreibungen erge-
                                                                                                      ben sich dann unterschiedliche Ausschrei-
 Tab. 2: Ausschreibungsmengen 2022 nach BEE-Szenario                                                  bungsmengen. Hierzu haben wir für zwei
                                                                                                      einfache Szenarien mit Hilfe der entwickelten
                                          Strommengen in TWh            Installierte Leistung in GW
                                                                                                      Formel die nötigen Ausschreibungsmengen
 Stromverbrauch 2021                           562 TWh
                                                                                                      bis 2030 ermittelt (Tab. 3). Beide Szenarien
 Wachstumsrate gegenüber Vorjahr                3,1 %
                                                                                                      starten als Ausgangspunkt bei den bekann-
 Erneuerbare Energien in 2021 (47 %)           256 TWh                           133 GW
                                                                                                      ten Parametern für 2020, also Bruttostrom-
 Prognose für Stromverbrauch 2030
                                                    740 TWh                                           verbrauch 545 TWh und einer installierten
 (mit 3,1 % Wachstum p.a.)
 Erneuerbare Energien in 2030 (65 %)                481 TWh                      250 GW               Erneuerbaren-Leistung von 131 GW; auch
 Erforderlicher Zubau erneuerbarer                                                                    der Wirkungsgrad wird für beide Szenarien
                                                                                 117 GW
 Energien insgesamt                                                                                   als konstant angenommen (1.924 Volllast-
 Jährlich Zubau 2022-2030
                                                                                  13 GW
                                                                                                      stunden). Beim Stromverbrauch wird auf
 (Zeithorizont neun Jahre)                                                                            einen mehrjährigen Durchschnitt verzichtet
                                                                                                      und ein jährliches – in beiden Fällen posi-
                                                                                                      tives – Wachstum unterstellt. Im Folgenden
 Tab. 3: Beispiele für unterschiedliche Szenarien der Stromverbrauchsent-
 wicklung                                                                                             zeigen die Ausschreibungsmengen aufgrund
                                                                                                      der unterschiedlichen Entwicklungen beim
 Ausgangsposition 2020: Bruttostromverbrauch 545 TWh, installierte EE-Leistung 131 GW
                                                                                                      Bruttostromverbrauch eine deutliche Sprei-
                            Szenario 1                                   Szenario 2                   zung zwischen den Szenarien.
             Bruttostrom-          Jährliche             Bruttostrom-           Jährliche
 Jahr        verbrauch             Ausschreibungs-       verbrauch              Ausschreibungs-
                                   Menge in GW                                  Menge in GW           Fazit
 2021               548                  6,3                   565                    13,3
 2022               552                  6,7                   580                    10,8            Der dargestellte Ansatz beschreibt ein
 2023               556                  6,7                   595                    10,7            einfaches Verfahren, um zu den jährlich
 2024               560                  6,7                   610                    10,5            notwendigen Ausschreibungsmengen zu
                                                                                                      gelangen, die tatsächlich nötig sind, um
 2025               564                  6,7                   630                    12,3
                                                                                                      das Ziel von 65 % Anteil erneuerbarer
 2026               568                  6,7                   650                     12
                                                                                                      Energien am Bruttostromverbrauch im
 2027               572                  6,7                   670                    11,8
                                                                                                      Jahr 2030 zu erreichen. Die Ausschrei-
 2028               576                  6,6                   690                    11,6
                                                                                                      bungsmengen müssen nicht statisch für
 2029               580                  6,6                   715                    13,2            die nächsten Jahre im Voraus festgelegt
 2030               584                  6,6                   740                    12,8            werden, sondern werden nach einer fest-
                                     131 + 66,3 =                                                     gelegten Formel jährlich ermittelt und
             65 % = 379,6 TWh                            65 % = 481 TWh       131 + 119 = 250 GW
                                      197,3 GW                                                        somit an die Realität angepasst.

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 6                                                                                     63
ENERGIEMARKT – ERNEUERBARE ENERGIEN

Ein solches transparentes Verfahren schafft                [2] BDEW:      Stromerzeugung        und     -verbrauch     in    [7] BEE: Das „BEE-Szenario 2030“, URL: https://www.
nicht nur Planungssicherheit, sondern stellt                    Deutschland,        URL:       https://www.bdew.de/              bee-ev.de/fileadmin/Publikationen/Positionspapiere_
insbesondere die Zielerreichung von (der-                       media/documents/20210322_D_Stromerzeu-                           Stellungnahmen/BEE/202004_BEE-Szenario_2030_
zeit) 65 % sicher. Sie vermeidet damit die                      gung1991-2020.pdf sowie Agora Energiewende: Die                  Aktualisierung.pdf
Notwendigkeit der permanenten Nachregu-                         Energiewende im Corona-Jahr: Stand der Dinge 2020.           [8] dena: dena-Leitstudie Integrierte Energiewende, URL:
lierung auf Gesetzesebene. Das beschriebene                     Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie               https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/
Verfahren führt außerdem zur kosteneffizien-                    Ausblick auf 2021, URL: https://static.agora-ener-               Pdf/9261_dena-Leitstudie_Integrierte_Energiewen-
testen Erreichung des Ziels, da bei der Ermitt-                 giewende.de/fileadmin2/Projekte/2021/2020_01_                    de_lang.pdf
lung der Fördermengen ebenfalls die tatsächli-                  Jahresauswertung_2020/200_A-EW_Jahresauswer-                 [9] EWI: Die Auswirkungen des Klimaschutzprogramms
chen zusätzlichen Anlagen und Strommengen                       tung_2020_WEB.pdf                                                2030 auf den Anteil erneuerbarer Energien an der
außerhalb der Förderung mitberücksichtigt                  [3] Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien Statistik: Monats-             Stromnachfrage, URL: https://www.ewi.uni-koeln.
werden und somit eine Überförderung ver-                        bericht zur Entwicklung der erneuerbaren Stromer-                de/cms/wp-content/uploads/2020/01/EWI-Analyse-
mieden wird.                                                    zeugung und Leistung in Deutschland, URL: https://               Anteil-Erneuerbare-in-2030_final.pdf
                                                                www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/                 [10] Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG
Vorteil dieses Verfahrens ist auch, dass                        erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen/             2021), hier § 4 Ausbaupfad und § 4a Strommen-
es bei einer Anpassung des 65 %-Ziels für                       monats-quartalsberichte-der-agee-stat#Monatsbericht              genpfad, URL: https://www.gesetze-im-internet.de/
2030, z.B. als Reaktion auf erhöhte euro-                  [4] Future Camp, Dechema: Roadmap Chemie 2050.                        eeg_2014/EEG_2021.pdf
päische Ziele, keiner weiteren detaillierten                    Studie für den VCI, URL: https://www.vci.de/vci/             [11] BDEW: Konjunktur und Energieverbrauch, Ausgabe
Gesetzesanpassung des Ausbaupfads und                           downloads-vci/publikation/2019-10-09-studie-road-                11/2020,      URL:   https://www.bdew.de/media/do-
der Strommengen bedarf. Stattdessen ist für                     map-chemie-2050-treibhausgasneutralitaet.pdf                     cuments/Fakten_und_Argumente_Konjunkturbe-
alle Akteure im Energiemarkt transparent,                  [5] Bundesregierung:              Klimaschutzprogramm                 richt_2020_11_Ausgabe.pdf
wie sich dieses höhere Ziel auf die Aus-                        2030,       UR L:       https://www.bundesregie -            [12] Die EEG-Umlage in ihrer heutigen Form wurde erst-
schreibungsmengen auswirkt. Die neue Ziel-                      r u n g . d e/ r e s o u r c e/ b l o b/9752 26/167 9 914/       mals 2009 für das Jahr 2010 ermittelt. Grundlage war
größe wird lediglich in die Formel eingesetzt                   e01d6bd855f09bf05cf7498e06d0a3ff/2019-10-09-kli-                 die Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV)
und die neuen Ausschreibungsmengen erge-                        ma-massnahmen-data.pdf?download=1 sowie Prognos:                 von 2009, später geändert in Erneuerbare Energien
ben sich automatisch als direkte Folge der                      Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschät-            Verordnung (EEV), siehe zu Grundlagen der Berech-
Zielanpassung. Damit wird eine Unsicherheit                     zungen 2030/2050. Studie im Auftrag des Bundesminis-             nung der EEG-Umlage durch die Übertragungsnetzbe-
über zukünftige Szenarien und die damit ein-                    teriums für Wirtschaft und Energie, URL: https://www.            treiber, URL: https://www.netztransparenz.de/EEG/
hergehende Zurückhaltung bei Investitions-                      bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/                   EEG-Umlagen-Uebersicht
entscheidungen seitens der Produzenten von                      klimagutachten.pdf?__blob=publicationFile&v=8                [13] BDEW: Finanzierung und Marktintegration von Erneu-
erneuerbaren Energien vermieden.                           [6] Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut: Klimaneu-              erbare-Energien-Anlagen, URL: https://www.bdew.de/
                                                                trales Deutschland. Studie im Auftrag von Agora                  media/documents/5016_PPA.pdf
Quellen                                                         Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung
                                                                Klimaneutralität,     URL:    https://static.agora-ener-     P. Reitz, Chief Executive Officer, R. Gersdorf,
[1] Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG            giewende.de/fileadmin2/Projekte/2020/2020_10_                Market Policy Expert, European Energy
    2021), hier § 1 Abs. 2, URL: https://www.gesetze-im-        KNDE/A-EW_195_KNDE_WEB_V111.pdf                              Exchange AG, Leipzig
    internet.de/eeg_2014/EEG_2021.pdf                                                                                        robert.gersdorf@eex.com

                                                                           VIRTUELLE ENERGIE-EVENTS
                                                                           > Webinare
                                                                           > Online-Messen
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                                                                           Hier informieren!

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